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Alle Jahre wieder
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Wieso müssen wir bis nach dem Singen mit der Bescherung warten?, fragt das Enkelkind. Die Anwort: Weil wir es schon immer so gemacht haben. Wir verraten die Rituale der Grosseltern-Redaktion. Sie sind vielleicht unlogisch – aber trotzdem wichtig.
Von GERALDINE CAPAUL (Text)
Wir belächeln sie, manchmal finden wir sie anstrengend, sehr oft aber halten wir bewusst und von Herzen gern an ihnen fest: Weihnachtsrituale. Letztes Jahr hat Corona einige Bräuche erschwert oder gar verunmöglicht. Es hätte eine Zäsur sein können, weg mit den alten Zöpfen, her mit frischen Ideen. Aber das ist nur bedingt passiert. Denn Rituale «verwandeln den profanen Raum in etwas Festliches – für einige gar in etwas Sakrales», schreibt Philosophin Barbara Bleisch im Tages-Anzeiger. Kein Wunder also, halten wir daran fest, basteln die Adventskalender für die Enkel, gehen Kerzen ziehen, schmücken vielleicht in der Nacht den Baum, zaubern ein Festessen, trinken ein Glas zu viel Champagner, singen Lieder, obwohl wir den Ton nicht treffen ... «Rituale leisten einen wesentlichen Beitrag zur Bildung und Aufrechterhaltung der Familie als soziale Gemeinschaft», schreibt Roland Hauri im Buch «Weihnachten – Familienritual zwischen Tradition und Kreativität», das er zusammen mit Maruice Baumann herausgegeben hat. Der Theologe Hauri hat zu Ritualen in der Schweiz geforscht. «Essen, Zelebration um den Baum und Geschenke bilden das traditionelle Grundszenario des Weihnachtsrituals, in dessen Rahmen alle Familien kreative Variationen komponieren.» Die Redaktion des Grosseltern-Magazins verrät ihre Variationen – alte und aktuelle.
«Ich habe tatsächlich für meine Tochter bis zum letzten Jahr einen Adventskalender mit Säcklein zusammengestellt, obwohl sie bereits 24 Jahre alt ist. Es fällt mir sehr schwer, dieses Ritual aufzugeben. Und deshalb werde ich wohl auch in diesem Jahr wieder einen zusammenstellen – mal sind es kleine schöne Sächelchen, mal einfach Sprüche für den Tag oder dann Gutscheine für eine gemeinsame Aktivität. Auch mein Sohn (28) bekommt immer noch einen, meist einen gekauften mit Tee.»
Silvia Schaub, freie Journalistin «Wir Erwachsenen wichteln jedes Jahr. Das heisst, wir losen aus, wer wem etwas schenkt. Jedes Päckli wird einzeln ausgepackt. Und hält man dann zum Beispiel einen Trüffel in der Hand, muss man raten, von wem der ist. Nicht immer ist es gleich schwer, den Schenkenden herauszufinden. Bei Gutscheinen zu gemeinsamen Unternehmungen etwa ist der Fall klar. Bei besagtem Trüffel eher weniger. Man darf ihn zum Glück auch dann behalten, wenn man beim Raten gescheitert ist.» Geraldine Capaul, Chefredaktorin
«… wir werden unser Ritual dieses Jahr ändern: es ist an der Zeit, dass wir auch bei uns zuhause ‹richtig› Weihnachten feiern und unsere Eltern dazu einladen.»
«Seit unsere Kinder im Teenageralter sind, schauen wir immer am 23. Dezember den Film ‹Love Actually› (‹Tatsächlich Liebe›). Es ist unser aller Lieblingsfilm. Mittlerweile schauen wir ihn in englischer Originalsprache und es ist erstaunlich, wie man ab den selben Szenen jedes Jahr erneut herauslachen kann, als würde man sie zum ersten Mal sehen. Nicht selten fliesst die eine oder andere Pointe unter dem Jahr in unsere Gespräche ein.
Karin Dehmer, stv. Chefredaktorin
«Seit ich Grossmutter bin, überlasse ich Weihnachtsrituale den Eltern. Das find ich schön.»
«In der Familie meines Mannes gab es am Heiligabend immer Kostsuppe zu essen, so eine dicke Suppe mit vielen Bohnen drin. Mir wurde erklärt, das sei, damit man auch an die Armen denke. Auch Maria und Josef hatten ja wohl im Stall kein grosses Menü. Danach gab es die Bescherung und nachher wurde noch das Schinkli oder Schüfeli verzehrt, das der Suppe ihren guten Geschmack gegeben hatte. Da gings dann nicht mehr um die ganz armen Leute. Bei uns wurde die Tradition weitergeführt, bis die Tochter Vegetarierin wurde, nun haben wir eine Auswahl von verschiedenen Gerichten. Aber vor dem Dessert gibt es immer noch die Feier mit Gesang und Geschenken für die Enkelkinder. Wir kennen so viele Weihnachtslieder, dass alle Anwesenden ein Lied wünschen dürfen und von diesem singen wir die erste Strophe. Das gibt dann 10 bis 15 Lieder, die wir alle mehrstimmig beherrschen.» Hanna Hinnen, Kolumnistin und Mitglied der GrossmütterRevolution