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PRODUKTPORTRAIT

PRODUKTPORTRAIT

2017 – 25 Jahre Racket Center: The ReBeatles spielten für die Gäste der Jubiläumsfeier

Mensch und feiern

Über Partys und Feste, Feierlichkeiten und Rituale, „Chag“, „Moed“ und das innere Fest mit sich selbst von Matthias Zimmermann

Muss es wirklich für alles einen Grund geben? Manche Dinge passieren einfach so. Da kommen ein paar Freunde vorbei, einer hat ´ne Gitarre im Gepäck, im Kühlschrank liegt Bier. Nachbarn gesellen sich dazu, jemand erzählt einen Witz und schon bestimmt „5G“ die Laune – es wird gefuttert und gebechert, gesungen und gelacht, kurzum: gefeiert. Einfach so! „Wir feiern das Leben, die Liebe und die Lust …“, wie es in einem bekannten Karnevalslied so schön heißt. Party geht eben immer und überall! Was gibt´s da schon Großartiges darüber zu schreiben?

Würde ich beim Stichwort „feiern“ zuallererst an das vermeintliche Ideal des fortwährenden Partymachens denken, kann ich den Schreibstift auch gleich wieder weglegen. Das Leben als eine einzige, endlose Party? Wie erschreckend langweilig ist das denn, wenn Ausgelassenheit und Ausschweifung, Ekstase und Exzess der Dauerzustand wären? So, als ob das Leben immer einfach, fröhlich und problemlos hinzukriegen sei. Genau das ist es eben nicht – und das ist gut so, denn diese Tatsache begründet das Besondere und damit auch dieses Essay im Lichte des 30-jährigen Geburtstags des Racket Centers. Und der gehört gefeiert!

Aber warum eigentlich? Wozu ein Fest zu Weihnachten und Ostern, zu Geburtstagen von Menschen, Kommunen oder Institutionen, etwa Unternehmen oder Universitäten, z. B. nach Erfolgen oder einem langersehnten Wiedersehen? Was bedeutet das, wenn eine Person und eine Gemeinschaft in einer Feier sich ihrer selbst vergewissert und weshalb ist das innere Fest für ein gelingendes Leben besonders wichtig?

Die Party

Um das gleichmal vorwegzunehmen: Party machen ist was Tolles, und spontan wahrscheinlich sogar besser als geplant. Wobei es für richtige Partylöwinnen und -löwen natürlich den professionellen Partyplaner braucht, keine Frage! Der nämlich überlässt nichts dem Zufall. Von wegen spontan! Die Vorfreude wird geschürt durch reißerische Werbung, die sich wie ein Virus durch Social Media Kanäle ausbreitet. Und dann die Einladungskarte – ein absoluter Knaller. Das Ankommen der Gäste wird inszeniert, der erste Kick ist wohldosiert, allein die Gestaltung des gesamten Drumherums lässt keine Wünsche offen, schließlich ist die „Location“ der Ort der Ekstase, der Selbstvergessenheit und des Rausches – mit allem, was es dazu braucht: Drinks und mehr, Musik, Lichteffekte und gleichgesinntes Partyvolk im kessen Partylook.

Die perfekt inszenierte Euphorie führt rein biologisch gesehen zu nichts anderem als zu einem professionell provozierten Hormonrausch. Über allem steht nur eine einzige Botschaft: Habt Spaß – zu nichts anderem als dem reinen Selbstzweck!

In dieser Weise beschrieben muss sich der Autor unterstellen lassen, er möchte die Party als egoistischen Hedonismus abtun. Aber was widerspricht denn dem Prinzip der höchsten Lusterfüllung? Eigentlich nichts – außer, ganz eindeutig: das fehlgeleitete Streben nach dessen Dauerhaftigkeit. Zweifellos ist die gelegentliche Sause oder Fete eine wichtige Ausflucht aus täglichem Leistungsdruck und zunehmender Vereinzelung. Die Betonung liegt auf gelegentlich, denn: Mag das Partyangebot sich zumindest vor Corona nahezu inflationär entwickelt und verallgegenwärtigt haben, hat sich eine wichtige Erkenntnis vermutlich umso mehr gefestigt: Wir können uns unterhalten lassen, aber freuen lassen können wir uns nicht – das müssen wir schon selber tun …! Das Fest als Inszenierung der Macht

Wer also mehr will als nur Spaß, muss weitersuchen. Die Party ist zur Sinnsuche nicht geeignet. Dem feierlichen Fest hingegen ist das Sinnstiftende innewohnend – in vielerlei Hinsicht:

Seit jeher werden Feierlichkeiten veranstaltet, um Herrschaft und Hierarchie zu festigen. In ihrer höchsten Form lässt sich das bei Krönungsfeiern von Staatsoberhäuptern beobachten. Rituale und Symbole, von Krone über Zepter bis Reichsapfel, bestimmen die Szenerie. Unterwürfige Verbeugungen der Untergebenen erheben den Alleinmächtigen. Jeder schreitet, niemand geht oder läuft oder tanzt gar aus der Reihe. An Gewändern und Abzeichen erkennbare Rangordnungen machen klar, wer welche Hosen anhat.

Zur ästhetischen Dimension derlei Feste gehört auch ein bisweilen obszönes Maß an Verschwendung. Wer an Namen wie Haile Selassie (Äthiopien), Jean-Bedel Bokassa (Zentralafrika) oder Schah Mohammad Resa Pahlavi (Persien) denkt, wird auch die Bilder von pompösen Inaugurationen vor Augen haben. Auch die Adelshäuser und ihre Könige und Kaiser auf unserem Kontinent (man denke nur mal an den Sonnenkönig, Frankreichs Ludwig XIV) und die katholische Kirche und ihre Oberhäupter, wussten ihre Macht zu inszenieren. Sie standen den Herrschern der Neuzeit in der Kunst der Verschwendung um nichts nach, im Gegenteil: Bisweilen gaben die europäischen Monarchen und römischen Päpste ein Beispiel für solche, die sich berufen fühlten, ihnen nachzueifern. Am Rande sei erwähnt (falls Sie es noch nicht wussten), dass in Yamoussoukro, die offizielle Hauptstadt der Elfenbeinküste, der Staatspräsident Félix Houphouët-Boigny den Petersdom nachbauen ließ, allerdings mit einer doppelt so großen Kuppel! Tja – wer sich´s leisten kann …! Bei der Einweihung der gigantischen Basilique Notre-Dame de la Paix durch Pabst Johannes Paul II. am 10. September 1990 wurde, wie könnte es anders sein, ein prächtiger Gottesdienst gefeiert!

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dem Racket Center zum 30-jährigen Jubiläum!

Der Zug vom Hambacher Schloss von Erhard Joseph Brenzinger

Wenn Nordkorea den Jahrestag seiner Staatsgründung oder Russland seinen traditionellen Tag des Sieges begeht, erlebt die Welt das Maximum dessen, was Herrschaftskult an Feierlichkeit hervorzubringen vermag. Wer sich des Privilegs eines Lebens in einer offenen Gesellschaft bewusst ist, kann bei den Bildern von Militärparaden aus Pjöngjang oder Moskau nur tiefste Beklemmung empfinden. Die Inszenierung der Mächtigen nach gefälligem Protokoll, die Instrumentalisierung von Menschenmassen, das Ritual der feierlichen Präsentation einer Militärkolonne zu Füßen eines adipösen oder kurzgeratenen, schweinsäugigen Machthabers, all dies lässt den liberal denkenden Demokraten sich angewidert abwenden.

Gleichzeitig unterstreicht dieser symbolische Exzess auch den kompensatorischen Charakter, der jedem Fest in unterschiedlicher Weise innewohnt. Welchen Minderwertigkeitskomplex mag die Selbsterhöhung durch eine derartige Inszenierung wohl kompensieren – und vor allem, wie? Vermutlich ist es der Anblick einer mächtigen Interkontinentalrakete auf einer riesigen vorbeirollenden Abschussrampe, der zumindest für den Moment ein spezifisches körperliches Defizit emotional in den Hintergrund treten lässt. So gesehen ist diese Art des Feierns der Auswuchs einer komplexbehafteten Männerwelt, in der Frauen allenfalls bewundernd dabeistehen und ehrfurchtsvoll zuschauen dürfen.

Das Fest als Auflehnung gegen die Obrigkeit

Also wechseln wir mal die Seiten insofern, als Feierlichkeiten eben auch dazu veranstaltet werden, um der Freiheit zu frönen, der Obrigkeit entgegenzutreten und Rangordnungen zu überwinden. In totalem Gegensatz zu Herrschaftskult und demütiger Unterordnung herrscht mutiger Aufruhr und freigeistige Aufregung. Als bestes Beispiel hierfür muss das Hambacher Fest Erwähnung finden. Als „Fest der Deutschen“ hallt sein sinnstiftendes Momentum bis heute durch die Geschichte: Demokratie, Freiheit, Nationalstaatlichkeit, die Einheit Europas! Große Worte, die diesem Ereignis ihre herausragende Bedeutung erst im Kontext der historischen Epoche geben.

Um Achtzehnhundert herum besteht das Heilige Römische Reich deutscher Nation aus unzähligen Einzelstaaten. Auch die Pfalz war ein Flickenteppich, bis – nach mehrjährigem Hin und Her in den Wirren des ersten Koalitionskrieges zwischen Frankreich und dem Kaiser in Wien – im Jahre 1797 die Zugehörigkeit zur französischen Republik im Raststatter Friedenskongress völkerrechtlich bestätigt wurde. Zwei Jahre später erhebt sich Napoleon Bonaparte zum ersten Konsul einer Konsulatsregierung und unterzieht Frankreich straffen Reformen der Verwaltung und des Bildungswesens. 1804 krönt sich der Korse in der Kathedrale von Notre Dame zum Kaiser. Wohlgemerkt: Napoleon krönt sich selbst – eben nicht als Regent von Gottes Gnaden, sondern nach einer Volksabstimmung und einem Antrag durch den Senat. Und das im Beisein des Papstes!

Im gleichen Jahr führt Napoleon den Code civil ein. Obwohl Bürgerrechte wie persönliche Freiheit, Rechtsgleichheit, privates Eigentum, Zivilehe und Scheidungsrecht gesetzlich verankert werden, bleiben die Rechte von Frauen weiterhin unberücksichtigt. „Mein Ruhm ist nicht, vierzig Schlachten gewonnen zu haben […] Waterloo wird die Erinnerung an so viele Siege auslöschen […] Was aber durch nichts ausgelöscht werden wird, was ewig leben wird, das ist mein Code civil, soll Napoleon Bonaparte in der Verbannung auf der Insel St. Helena am 26. September 1816 gesagt haben.

Die Napoleonischen Kriege von 1792 bis 1815 zwischen Frankreich und seinen europäischen Machtrivalen erschüttern die Königs- und Fürstenhäuser bis auf die Grund- mauern. Die alte Ordnung wiederherzustellen (Restauration), den Herrschaftsanspruch der adeligen Dynastien zu rechtfertigen (Legitimation), fürstliche Interessen vor revolutionären Ideen und Bewegungen gegenseitig zu schützen (Solidarität) und die Territorien nach der Auflösung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation neu zu ordnen, sind die Aufgaben des Wiener Kongresses vom September 1814 bis Juni 1815. Zum ersten Mal in der Geschichte bilden bevollmächtigte Vertreter aus 200 Staaten Kommissionen, in denen eine dauerhafte europäischen Nachkriegsordnung und vor allem die politische Neugestaltung der Landkarte verhandelt wird. Für die zahlreichen Könige und Prinzen, (Groß-)Fürsten und (Reichs-)Grafen, hingegen ist das, was man insofern den „tanzenden Kongress“ nennt, zuallererst ein fast zehnmonatiges Festival. Bei rauschenden Bällen, glanzvollen Soirées und prächtigen Redouten entfaltet der Adel in einer glanzvollen Inszenierung noch einmal all seine Pracht. Oder – modern formuliert: Die Blaublütigen in damals größtmöglicher Zahl lassen in Wien so richtig die Sau raus!

2012 – 20 Jahre Racket Center: Simon & Garfunkel Revival Band spielte für die Gäste der Jubiläumsfeier

Als Folge des Wiener Kongresses kommt die Pfalz (der “Rheinkreis“, wie es damals hieß) zu Bayern und wird der Verwaltung durch das Bayerische Königshaus unterstellt. Nach fast 20 Jahren unter französischer Oberhoheit und dem Einfluss des Code civil, trotz eines liberaleren Justizsystems und der Erlaubnis, eigene Zeitungen zu publizieren, wird ab 1819 die blühende Zeitungslandschaft zunehmend mit Zensur belegt und aufrührerisches Schriftgut geächtet. Diese Restriktionen führen überall auf dem Kontinent zu Aufbegehren. Im benachbarten Frankreich vertreibt 1830 das Volk in Paris den selbstherrlichen König Karl X (Julirevolution). Als die Pfalz auch noch eine Wirtschaftskrise erfasst, wirkt die Einladung zur Feier des bayerischen Verfassungstages am Samstag, den 26. Mai 1832, auf dem Hambacher Schloss wie blanker Hohn. Wenn die einen feiern, kann das auf andere grausam wirken!

Das Volksfest als politische Versammlung

Was also tut der Aktivist, wenn die Lebensumstände schwieriger, Versammlungs- und Pressefreiheit zunehmend beschnitten und liberale Bestrebungen unterbunden werden? Er weicht aus auf das gesellschaftliche Leben, gründet einen Verein, tarnt die politische Versammlung als Fest und nutzt einen Veranstaltungstermin des Gegners als Chance. Unter

diesen Vorzeichen begegnen sich die beiden Juristen und Journalisten Georg August Wirth und Philipp Jakob Siebenpfeiffer, der wegen seiner liberalen Haltung aus einem hochrangigen Beamtendienst entlassen wurde. Sie gründen den „Deutschen Press- und Vaterlandsverein“ (gegründet 31. Januar, verboten am 1. März 1832) und laden mit Hilfe ihrer eigenen Zeitungen und mit Flugblättern (heute würde man Flyer sagen) zu einem „Nationalfest der Deutschen“ ein – in Erwartung von etwa 1.000 Bürgern, die ihrem Aufruf folgen.

Was dann geschieht, kennt man heute nur von der Resonanz auf facebook-Einladungen, die aus dem Ruder gelaufenen sind (oder – wie auch das Hambacher Fest – von einem Verbot bedroht werden, denn das macht das Feiern bekanntlich besonders reizvoll!). Geschätzte 20.000 bis 30.000 Menschen ziehen am Sonntag, den 27. Mai 1832, vom Marktplatz in Neustadt (an der Haardt, heute an der Weinstraße, bis 1816 „französische“ Kantonshauptstadt) nach Hambach und von dort „hinauf zum Schloss, hinauf zum Schloss“. So skandieren – in festlicher Stimmung und vom liberalen Geist französischer Prägung getragen – nicht nur eine intellektuelle Schicht aus Professoren, Lehrern und Studenten, sondern auch Handwerker, Gesellen und Tagelöhner, Ärzte und Juristen, Winzer und Kleinbauern. Auch Delegationen aus Frankreich und England sowie Freiheitskämpfer aus Polen, von russischer Vorherrschaft entflohen und in die Pfalz emigriert, sind mit von der Partie. Ein Novum zu dieser Zeit ist die Beteiligung von Frauen. Weil „ihre politische Missachtung in der europäischen Ordnung ein Fehler sei“, werden Frauen von den Hauptorganisatoren ausdrücklich eingeladen, um das Fest „mit ihrer Gegenwart zu schmücken und zu beleben“.

Die bis dato größte politische Massenveranstaltung in Deutschland wird angeführt von einer Musikkapelle und von Fahnenträgern. Auf einer Fahne steht zu lesen „Deutschlands Wiedergeburt“. Noch heute kann dieses historische Stück Stoff – oder das, was davon noch übrig ist – in der ständigen Ausstellung des wieder aufgebauten Hambacher Schlosses bewundert werden. Betrachtet man sich die historischen Gemälde und Zeichnungen, sieht man ein Heer an Menschen in adretter Kleidung der damaligen Zeit. In geordnete Bahnen ziehen die Feiernden den Kästenberg (heute Schlossberg) hoch. Die Farben der Deutschlandfahne prägen das Bild. An vielen Revers der Jacken und Kostüme prangt eine Kokarde in schwarz-rotgold. Im Hintergrund ragen die Burgmauern der Festungsanlage imposant in die Höhe. In etwa 20 Reden, vorgetragen von Podesten und Bretterbühnen, wird die Botschaft von Freiheit, Bürgerrechten, nationaler Einheit Deutschlands und auch von der Beseitigung der Fürstenherrschaft verkündet. In einer Eröffnungsrede ruft Siebenpfeiffer den Versammelten zu: „Vaterland – Freiheit – ja! Ein freies deutsches Vaterland – dies ist der Sinn des heutigen Festes!“ Und der Mitinitiator Wirth forderte gar eine föderale Republik in einem konföderierten Europa. So gilt das Hambacher Fest heute als Geburtsstunde der Demokratie in Deutschland und eines europäischen Bewusstseins. Zum ersten Mal wird die schwarzrot-goldene Fahne, wie wir sie heute kennen, getragen und aufgehängt – und wird zum Symbol für eine deutsche Republik. Es kommt, wie es kommen musste: Gleich nach dem Hambacher Fest wird das Tragen der Farben schwarz-rot-gold sowohl in Fahnen als auch Kokarden verboten. So lehrt uns die Geschichte: Die sinnstiftende Wirkung von Feierlichkeiten ist nicht in jedermanns Sinne!

Feiern – mal ganz nüchtern betrachtet

Schauen wir mal durch die Brille des modernen Eventmanagers auf das Hambacher Fest, ohne die geringste Absicht zu hegen, es in seiner historischen Bedeutung auf dem Wege Deutschlands zu einer Demokratie zu schmälern – im Gegenteil. Tatsächlich aber muss die Location, also das „Schloss“ – oder vielmehr die mittelalterliche Burganlage – nach Brandschatzungen im Markgräfler Krieg 1552 und durch französische Truppen im Pfälzischen Erbfolgekrieg (September 1688) in einem erbärmlich maroden Zustand gewesen sein. Historiker bestätigen, dass die meisten der bekannten Gemälde ein sehr geschöntes Bild der Realität zeigen. Auch ist überliefert, dass beim Einsturz einer Ruinenmauer ein Mann ums Leben kam. Als plötzlich das Gerücht die Runde machte,

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es seien Soldaten anwesend, brach kurzzeitig Panik aus. Die vermeintlichen Soldaten aber entpuppten sich schließlich als harmlose Bauern.

Wer aber dachte damals an eine Versammlungsstättenverordnung, an Notfallpläne oder ärztliche Versorgung? Unvorstellbar ist aus heutiger Sicht auch, wie in den sechs Festtagen (27. Mai bis 1. Juni 1832), über 20.000 Menschen einigermaßen hätten versorgt werden können. Das, was wir heute als angemessene Catering-Logistik kennen, bedeutete damals, wenigstens über Frischwasser und ausreichend Brot, geschweige denn über irgendeine Art von Kulinarik, zu verfügen. Und dann die „Entsorgung“. Selbst nach heutigen Maßstäben ist es undenkbar, wie man trotz Toilettenwagen und „Dixies“ bei geplanten 1.000 Teilnehmern (m/w/d!!) für die zwanzigfache Zahl an Menschen einigermaßen hygienisch annehmbare Zustände hätte bereiten können. Unter den damaligen Bedingungen muss der Berg ausgesehen haben, wie …? Nein, das will man sich nicht vorstellen!

Wie weit reicht eigentlich die Stimme eines Redners ohne Mikrophon? Was also konnten die Teilnehmer wirklich mitbekommen von den vielen Ansprachen – trotz der angeblichen Boten, die bemüht gewesen sein sollen, das Gesagte durch die Menge weiterzutragen? Neben der mutmaßlich fortwährenden Frage, wie komme ich zu Essen und Trinken (und wo werde ich es wieder los), dürfte für die meisten ungeklärt gewesen sein, wo sich denn eine geruhsame Nacht verbringen lässt. Also auf Neudeutsch würde man fragen: Wie ist das eigentlich mit der „Hospitality“ …?

Faszinierend ist umso mehr die mobilisierende Kraft der „PRMaßnahmen“. Die Botschaft in der Zeitung und auf Flugblättern war offenkundig von enormer Strahlkraft und verströmte einen derartigen Aufforderungscharakter, dass sie sich trotz kaum vorhandener Kommunikationslogistik weit über das Land verbreitete (für die jüngeren Leser: es gab weder Telefon, noch Fax oder Morsegeräte, geschweige denn Internet

2012 – 20 Jahre Racket Center Nußloch

für Smartphones mit Instagram und WhatsApp!). Jedenfalls machten sich die Menschen zu Fuß oder zu Pferd, allenfalls in Leiterwägen und bestenfalls in einer Kutsche, auf einen beschwerlichen Weg (es gab weder Züge noch Gleise, und übrigens auch keine Autos und E-Bikes!). Dass der Ort des Geschehens von weither erkennbar und gut zu finden ist, erleichterte die Zielerkennung bei einer Reise ohne Navi und Google Maps.

Kurzum: Die Motivation und das Durchhaltevermögen der Teilnehmer mussten von geradezu übersprudelnder Energie und von beflügelnden Gefühlen getragen gewesen sein – vor allem von einer Freiheitssehnsucht, die für den modernen Mitteleuropäer kaum mehr nachvollziehbar ist. Wahlrecht, Meinungsfreiheit, unabhängige Medien und Gerichte – ist doch alles ganz selbstverständlich! Oder etwa nicht …?

Was also lernen wir daraus? Emotionen machen das Fest! Natürlich kann man das Feiern auch ganz nüchtern betrachten. Geschichte aber schreibt man mit Nüchternheit nicht!

Das Fest als weltliches und überirdisches Ritual

Solch herausragende, dank besonderer Umstände einzigartige und insofern unwiederholbare Ereignisse wie das Fest der Deutschen auf dem Hambacher Schloss im Jahre 1832 (oder – man sehe mir den Vergleich nach – das Rockfestival in Woodstock mit seinem Aufruf zur freien Liebe im Jahre 1969), sind vom Menschen geschaffen. Dies gilt auch für weltliche Feierlichkeiten wie Fasching, seit 1990 auch der Tag der Deutschen Einheit oder zum Beispiel das Hohe Fest am 8. August in Augsburg als ein bundesweiter Sonderfall.

Genau genommen aber sind auch religiöse Feste ein Produkt von Menschenhand, genauso, wie die Religionen selbst. Manch einer sieht auch in Gott eine Erfindung des Menschen (Miller, Reinhold: „Gott, ein Geschöpf des Menschen“. Hildesheim 2011, 2. Auflage).

15.07.2022: The Music of Queen – live im RC

Und dennoch sind es die christlichen Festtage, die in unserem mitteleuropäischen Kulturkreis schon seit Jahrhunderten wunderbare Akzente im Jahreskalender setzen: Ostern, Pfingsten, Weihnachten und die damit einhergehenden Rituale, unterbrechen in verlässlicher Regelmäßigkeit den Zeitenlauf. Sie lassen nicht nur die christliche Glaubens- gemeinschaft, sondern den Großteil unserer Gesellschaft, in angenehmer Weise innehalten.

Das Hebräische trennt den „Chag“ vom „Moed“. In die Kategorie des „Chag“ fallen z. B. Geburtstagsfeiern und andere Feste, deren Terminierung und Gestaltung im Ermessen von Menschen liegen. Demgegenüber ist ein „Moed“ eine Verabredung für eine heilige Zusammenkunft des Menschen mit Gott. Dabei dürfte es egal sein, ob der nun Jahwe, Allah, Buddha, Shiva, Manitu oder sonst wie genannt wird. Gehuldigt wird eine übergeordnete Instanz, die den Menschen einer höheren Macht in Demut gegenübertreten lässt. Dankbarkeit – also die Einwilligung in das von Gott bestimmte, hoffentlich wohlmeinende Schicksal – ist ein wesentliches Stimmungsmerkmal religiöser Feste.

In unserem Land kehren immer mehr Menschen der Kirche, also der christlichen Glaubensgemeinschaft, den Rücken. Das Motto lautet: Tannenbaum ja, Kirchgang nein. Wie dem auch sei: Das Fest wird gefeiert – sei, was wolle! Man erfreut sich der familiären Gemeinschaft, der Geschenke und großer Kinderaugen, die in einem „Spannungs- und Stimmungs- bogen“ vom Laternenumzug zu St. Martin, über den Besuch des Heiligen Nikolaus, durch die Adventszeit bis zur großen Bescherung am Heiligen Abend zum Leuchten gebracht werden. An Ostern, dem höchsten christlichen Fest – der Huldigung der Herrschaft über Leben, Tod und Wiederauferstehung – versichert sich nicht nur eine Glaubensgemeinschaft ihrer selbst. Die kollektive Selbst-Vergewisserung zu den großen kulturbestimmenden, religiös begründeten Feiern, soll zum Ausdruck bringen: „Das sind wir. Das ist gut und richtig. Und genau so wird es auch bleiben.“ Im Feiern liegt eben auch eine Betonung des Gegenwärtigen, ein angenehmer Stillstand in der Zeit, eine Bewegung gegen Tod und Vergänglichkeit.

Christliche Feiertage bestimmen unser kulturelles Leben auch jenseits von Gläubigkeit und Kirchenzugehörigkeit. Wir pflegen religiöse Rituale, weil die wiederkehrenden, Tradition stiftenden und immergleichen Abläufe dem Individuum Zugehörigkeit und Sicherheit vermitteln. Rituale stärken das Gruppengefühl, kultivieren das Prinzip des Teilens zum Wohle eines gelingenden Miteinanders und schaffen Distanz zum Alltag. So werden Festtage mit ihren Ritualen trotz ihrer Vorhersehbarkeit alle Jahre wieder als etwas Besonderes erlebt. Rituale kommen sogar im jüngsten Familienbericht der Bundesregierung vor: „Für die Qualität des Familienlebens sind vorhersehbare Abläufe und Rituale wichtig.“

So, wie es vermutlich keine Kultur gibt, die ohne Rituale auskommt, brauchen Herrschaftsformen Rituale als Mittel zur „Binnenintegration“ und „Außenabgrenzung“. Im Wissen um deren Bedeutung für das einzelne Individuum und für eine Gesellschaft als Ganzes haben weltliche Mächte immer wieder versucht, sich die Rituale und damit auch die Feiertage von Glaubensgemeinschaften zu eigen zu machen.

Sich spiritueller Feste zu eigenen Herrschaftszwecken zu bemächtigen, war eine perfide Strategie im Nationalsozialismus. Zum Beispiel galt Ostern, ausgerechnet das wichtigste

Fest der Christen, in der Nazi-Propaganda als das ursprünglich heidnische Lichterfest. Der Behauptung der Nazis zufolge okkupierten die frühen Christen die heidnischen Bräuche und Rituale der alten Germanen, um die Menschen in ihre eigene Glaubensgemeinschaft zu assimilieren. Diese Theorie, die leider auch in der heutige Zeit immer mal wieder hervorgegraben wird, hat in der Forschung einen eigenen Namen: „Die germanische Kontinuitätsprämisse“. Der Theologieprofessor und Buchautor Manfred Becker-Huberti hingegen macht klar, dass die Auffassung, christliche Feste seien eigentlich alle nur „ein christliches Tuch über heidnischen Gegenständen“, wissenschaftlich als widerlegt zu betrachten ist.

Dies hier zu erörtern hat den Grund, deutlich zu machen, dass es gar nicht so einfach ist, eine passable Antwort auf die Frage zu finden: Wozu gibt es eigentlich Feiern? Um es auf einen einfachen, gemeinsamen Nenner zu bringen: Damit sie das Leben der Menschen besser machen, und zwar das Leben der Feiernden und der Gefeierten gleichermaßen. Darauf gilt es beim Feiern zu achten, denn: Nachhaltig gelingt ein Leben niemals zu Lasten eines anderen!

Feiern als Seelenpflege – das innere Fest

Gemeinsam so zu feiern, dass alle ihren Platz haben, der ihnen ein gutes Gefühl verleiht, erfüllt das Bedürfnis nach einem gelingenden Miteinander. Niemand wird instrumentalisiert, keiner profiliert sich auf Kosten eines anderen, jeder gehört dazu. Ein Fest ist eine temporäre Gemeinschaft, der eine integrative Energie innewohnt. Erst das Gefühl des Dazugehörens macht eine Feier zu einem Lebensmittel für die Seele. So lautet ein schöner Wunsch zu einem Fest – zum Beispiel zu einem Geburtstag oder zu einem Weihnachtsabend: „Genieß´ es“. Dabei meint Genuss den Moment völliger Wunschlosigkeit, des inneren Friedens, des Einigseins mit sich selbst. Der tief empfundener Genuss eines ersehnten Erfolgs oder eines besonderen Geschenks ist eine Feier mit sich selbst – in völliger Losgelöstheit von allem Drumherum, befreit von den alltagsbestimmenden Zwängen, aufgehend in der Gegenwart. Wohl dem, der weiß, wie er das innere Fest gestalten muss, um sich selbst zu belohnen – ohne Überdrehtheit und Exzess, ohne Alkohol und Drogen. Der Missbrauch von Genussmitteln ist Selbstmissbrauch. Stattdessen ist die Selbstwertschätzung das Genussmittel des inneren Fests. Für sich selbst eine Zeit der absoluten Selbstbestimmtheit zu beanspruchen, um einen Erfolg, eine Erkenntnis oder ein Geschenk auf sich wirken zu lassen, macht die innere Feier zu einem Freiheits- bzw. Befreiungsfest.

Wenn man das Leben an sich als ein solches Geschenk betrachtet, ist der richtige Zeitpunkt für ein inneres Fest nur noch eine Frage der Gelegenheit, die sich bestimmt irgendwo finden lässt. Ungleich magischer ist ein Moment, in dem man gar nicht auf der Suche ist, sondern von einer unerwarteten Gelegenheit gefunden wird: Der Moment, in dem die Frühlingssonne nach dunklen Monaten frühmorgens ihren Weg durch das Schlafzimmerfenster findet, einen aus dem Schlaf kitzelt und man hellwach der Stille lauscht. Der Augenblick des Sonnenuntergangs an einem einsamen Strand bei sanftem Wellengang und leisem Meeresrauschen. Oder die Stimmung, die einen überwältigt, wenn man beim Klang von Kirchenglocken an einem strahlend blauen Ostermontagmorgen sein Neugeborenes aus dem Krankenhaus zum Auto trägt, um es gemeinsam mit seiner Frau in sein wohlbereitetes Zuhause zu bringen.

Wohl dem, dem solche Momente beschert sind und der genau dann bereit dazu ist, spontan und in Stille sein ganz eigenes, inneres Fest zu feiern …!

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Auf die nächsten 30 Jahre voller positiver Energie

Herzlichen Glückwunsch, liebes Racket Center, zum 30-jährigen Bestehen. Wir wünschen Ihnen und den Mitgliedern weitere Jahre voller Energie. Gerne unterstützen wir auch in Zukunft mit Sicherheit dabei, dass Sie überall perfekte Spannung am Netz und im Netz genießen können.

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