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IM INTERVIEW
IM INTERVIEW RALPH KÜHNL
„Das Gefühl des Gelingens, einfach einen guten Job gemacht zu haben, lässt mich innerlich feiern …“
Ralph Kühnl, Geschäftsführer RNF GmbH im persönlichen Gespräch mit Matthias Zimmermann
Bald ein Jahr ist vergangen, seit Ralph Kühnl und das gesamte Team des RNF im Racket Center zu einer gemeinsamen Feier zusammenkam – zu einer Abschluss- und einer Gründungsfeier gleichermaßen. Erfolgreich abgeschlossen wurde das Insolvenzverfahren, das RNF unter der Geschäftsführung von Ralph Kühnl durchlaufen musste. Die Umstände, die zur Insolvenz führten, waren für die Familie des RNF-Vorbesitzers, auch das muss Erwähnung finden, eine unfassbare Tragödie. Und dem Sender nahmen sie die wirtschaftliche Perspektive. In dieser Situation brauchte es einen Neuanfang. Mit Manfred Lautenschläger als Mehrheitsgesellschafter sowie Jens Merkel (WOB, Viernheim), Michel Schenk (Epicto, Edingen-Neckarhausen), Martina Nighswonger (GECHEM, Kleinkarlbach) und dem Racket Center Nußloch fand das RNF nicht nur Geldgeber, sondern Mitstreiter und Berater, die dem Regionalsender und seinem Team verbunden sind. Zu dem Gründungskapital der neuen Gesellschaft gehört neben Geld vor allem auch Vertrauen …!
Lieber Herr Kühnl, mir persönlich ist der gemeinsame Abend mit Ihrem Team, dem neuen Gesellschafterkreis und den Beratern am 30. Juni vergangenen Jahres sehr gegenwärtig. Es war eine Feier, die sich dem besonderen Anlass als würdig erwies. Welche Erinnerung haben Sie daran? KÜHNL: Zunächst muss ich zugeben, dass ich eigentlich kein großer Partyfreund bin und nie gewesen war. Feierlichkeiten haben für mich persönlich einen vergleichsweise geringen Stellenwert. Daher sind Feiern eher seltene Ereignisse für mich. Umso mehr erinnere ich mich gut daran, dass ich – ganz ehrlich gesprochen – an diesem Abend tief ergriffen war. Das Zusammenkommen aller Beteiligten hat mich die Bedeutung des Ereignisses erst richtig spüren lassen. Es war der Abend vor dem Tag, an dem wir den Sendebetrieb hätten einstellen müssen, und das wohl endgültig, nach fast 40 Jahren, mit allen Konsequenzen für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Stattdessen ist es gelungen, in einem Kraftakt und mit Rekordtempo die Rettung und Neugründung mit all den erforderlichen Formalitäten bis hin zur Eintragung der neuen Gesellschaft ins Handelsregister zu bewerkstelligen. Ich darf sagen: Ohne Manfred Lautenschläger wäre das alles so nicht möglich gewesen.
Als Journalist sind Sie ja zuvorderst ein Mann der Fakten. Nüchternheit, Unaufgeregtheit und Sachlichkeit sind für diese Aufgabe unabdingbare Persönlichkeitseigenschaften. Nun erkenne ich in Ihrer Schilderung viel Emotionalität. Was bedeutet Ihnen RNF? KÜHNL: Das Jahr 2021 war mein 25-jähriges Berufsjubiläum. Ich habe als junger Freiberufler beim Rhein-Neckar Fernsehen angefangen und bin nach zwei Jahrzehnten Geschäftsführer geworden. Doch anstatt einer Jubiläumsfeier drohte mir eine Trauerfeier. Es sah ganz danach aus, als ob ich derjenige sei, der RNF zu Grabe tragen muss. Das dritte Rettungsprogramm in wenigen Jahren hatte kaum Aussicht auf Erfolg, was nichts mit seinem Inhalt, sondern mit seiner Vorgeschichte zu tun hatte. Drei Insolvenzen in kurzer zeitlicher Abfolge sind ohne Zweifel ein Makel, der nicht gerade zur Vertrauensbildung beiträgt, da brauchen wir nicht drumherum reden …
… und die unglücklichen Umstände gelten kaum als Begründung! KÜHNL: Richtig, es lässt sich in so einer Situation nur schwer argumentieren, weder mit den einschneidenden Maßnahmen einerseits, noch mit den technischen Fortschrittsinvestitionen andererseits oder mit unserer Moral, die wir in diesem Überlebenskampf über eine lange Zeit hinweg an den Tag legten. Die arbeitsreichen und nervenaufreibenden letzten Jahre hatten meinen Energiespeicher ziemlich ausgezehrt, auch das habe ich an diesem Abend deutlich gespürt. Und dann fand sich ein Kreis von Menschen zu einer Gesellschafterversammlung zusammen, die mir und unserem Team ein unglaubliches Maß an Vertrauen und Zuversicht vermittelte. So etwas hätte ich kaum zu hoffen gewagt und hat mich tief berührt. In einem kurzen Augenblick wurde mir auch emotional sehr bewusst, was mein Verstand längst wusste: Von diesem Abend an liegt nicht nur mein berufliches, sondern mein ganz persönliches Selbstverständnis darin, diesem enormen Vertrauen zu entsprechen und mit voller Kraft weiter voranzumarschieren. In dem Moment, als die Gesellschaftsverträge unterschrieben wurden, hat mein Gefühlskarussell der vergangenen Wochen und Monate einen Höhepunkt erreicht. Und das hat man mir offen- kundig auch angesehen!
Das erinnert mich an die heute Journal Sendung mit Claus Kleber in den Tagen, als die Flüchtlingskrise 2015 ihren Anfang nahm. Während einer Moderation zitierte er die Lautsprecherdurchsage eines Busfahrers, der geflüchtete Menschen auf sehr herzliche Weise willkommen hieß. Seine Rührung war ihm deutlich anzumerken ... KÜHNL: … was ihm Sympathie einbrachte und auch Kritik. Tatsächlich bleibt diese Szene, als ihm vor laufender Kamera die Stimme wackelt, mit dem großartigen Nachrichtensprecher und Journalisten des ZDF stets verbunden. Er selbst gesteht ein, dass dies wenig professionell gewesen sei. Ich kann solch eine Situation durchaus nachvollziehen. Gerade in Zeiten wie den jetzigen muss der emotionale Filter schon sehr stabil sein, um die schrecklichen Nachrichten, die wir jeden Tag zu sehen bekommen, professionell verarbeiten zu können. Nachrichten von einem Krieg in sachlicher und nüchterner Weise zu verlesen, geht nicht spurlos an einem vorüber. Das macht was mit einem. Ich habe beinahe ehrfürchtigen Respekt vor den Kolleginnen und Kollegen, die direkt aus Krisengebieten berichten. Der Ukrainekrieg macht mich fassungslos. Und auch wir als vergleichsweises MiniRegional-TV sind immer mal wieder mit Nachrichten aus unserer Heimatregion konfrontiert, die es erforderlich machen, den „Profifilter“ dazwischen zu stellen,
um den emotionalen Abstand zu wahren. Für mich gilt als Credo: Die Herzenswärme sollte man sich stets bewahren – ein kühler Kopf aber ist eine unabdingbare Voraussetzung, um journalistisch gut zu arbeiten.
Was verstehen Sie unter guter journalistischer Arbeit und welches Verständnis von gutem Journalismus vermitteln Sie Ihrem Redaktionsteam? KÜHNL: Ich will Ihnen dazu ein Beispiel geben. Im Juni 2016 kam es im Viernheimer Kino zu einem Amoklauf mit Geiselnahme. Wir waren das erste Fernsehteam vor Ort. Polizei und Rettungskräfte waren in höchstem Alarmzustand. Aus der Nachricht, man rechne mit bis zu 50 Opfern und Verletzten, wurde einer dieser modernen Kettenbriefe, an deren Ende sogar etablierte Nachrichtensender und -magazine in ihren Social-Media-Kanälen verbreiteten, es hätte tatsächlich so viele Tote gegeben. Wir waren sehr bald die Einzigen, die sich dieser Schreckensnachricht entgegenstellten und gegen diesen Aufschrei, der quer durch die Medienlandschaft hallte, die sachliche Wahrheit vermeldeten. Fakt war schlussendlich, dass vierzehn Kinobesucher und vier Angestellte in die Gewalt eines bewaffneten 19-jährigen gerieten. Ein Sondereinsatzkommando stürmte das Kino, befreite die Geiseln und erschoss den Geiselnehmer.
Das klingt anders als „50 Verletzte“ oder „50 Tote bei Geiselnahme in Viernheim“. KÜHNL: Genau, so ist es! Als es dann kurze Zeit darauf zu dem fürchterlichen Amoklauf im Münchner Olympiaeinkaufszentrum kam, haben wir die Berichterstattung darüber sehr fein beobachtet. In einer Redaktionssitzung haben wir dieses Ereignis gründlich und außergewöhnlich lange diskutiert. Wie wären wir vorgegangen? Wie hätte unsere Berichterstattung ausgesehen mit all den Live-Möglichkeiten und SocialMedia-Wegen, mit politisch motivierten Falschberichten, sensationsgierigen Schlagzeilen, gezielten Konfrontationen im Internet etc.? Wir erörterten, was wir eigentlich wollen und wer wir wirklich sein möchten. Gleichzeitig haben wir die Möglichkeiten abgesteckt, die uns unsere äußerst begrenzten Ressourcen gewähren und daraus abgeleitet, wer wir als Ralph Kühnl, geboren am 15. Oktober 1971, machte am Max-PlanckGymnasium in Ludwigshafen sein Abitur, bevor er an der Universität Gießen ein Studium in Geschichte, Politik und Fachjournalismus Geschichte aufnahm. Nach dem Wechsel an die Universität Mannheim (Geschichte, Politische Wissenschaften und Betriebswirtschaftslehre) absolvierte er an der Fernfachhochschule Riedlingen ein Studium der Betriebswirtschaftslehre. Als freier Mitarbeiter beim Mannheimer Morgen sammelte Kühnl erste Berufserfahrungen im Journalismus. Weitere Stationen seines beruflichen Werdegangs waren der Südwestrundfunk Mainz und die Redaktion Landesschau. Als Eishockeyspieler kam Ralph Kühnl in der Saison 1991/92 beim Mannheimer ERC auf vier Erstligaeinsätze als Stürmer. In den folgenden zwei Saisons stand er insgesamt 99-mal für den EC Bad Nauheim auf dem Eis, bevor er seine Karriere beendete und seinem Studium den Vorzug gab. Ralph Kühnl ist Gründungsgesellschafter der CAPITOL Mannheim Betriebsgesellschaft mbH und engagierte sich bis 2018 ehrenamtlich als Pressesprecher der SG Leutershausen (Handball) und in der Gesellschaft für Deutsch-Chinesische Freundschaft Mannheim/Rhein-Neckar e. V. (GDCF MRN). Bis heute ist das RNF seine berufliche Heimat – und mehr als das. 1996 kam er zum Rhein-Neckar Fernsehen und konnte sich mit seiner Erfahrung aus seiner Tätigkeit beim SWR-Fernsehen und seiner journalistischen Kenntnis von Mannheim und der Region dank sieben Jahren Mannheimer Morgen als freier Mitarbeiter etablieren, was ihm 1998 eine Festanstellung einbrachte. Heute, auch nach Jahren des unternehmerischen Existenzkampfs in einem äußerst schwierigen Marktumfeld, sieht Ralph Kühnl sich selbst dank der abwechslungsreichen Aufgaben in seiner beruflichen Wunschposition: Er gestaltet Beiträge zwischen 30 Sekunden und 30 Minuten, moderiert, interviewt und betreut die aktuelle Nachrichtenredaktion. Er recherchiert für nationale Sender und liefert Bilder, leitet eigene Sendungen, füllt sie mit Themen und trifft dabei viele interessante Menschen. Zu den ständig wechselnden Herausforderungen voller Spannung und Flexibilität leitet er darüber hinaus auch die Geschäfte des Senders.
RNF überhaupt sein können. Im Lichte des unmittelbaren Vergleichs der beiden Ereignisse sind wir zu dem Ergebnis gekommen, dass uns bei der ViernheimBerichterstattung – im Gegensatz zu anderen, sehr etablierten Medien – nicht ein einziger Fehler passiert ist.
Keine Fehler machen – das klingt, mit Verlaub, nach einem sehr bescheidenen Anspruch an die eigene Arbeit als Journalist und Hauptverantwortlicher einer Fernsehredaktion … KÜHNL: … könnte man meinen, wenn es sich so anhört, als würde ich mich auf die Position eines ressourcenknappen, regionalen und kleinen Privatsenders zurückziehen. Aber das Gegenteil ist der Fall. Ich würde mir wünschen, dass Medienschaffende manchmal mehr Bescheidenheit an den Tag legen. Ich halte es für eine große Schwäche, der Versuchung anheimzufallen, im politischen Prozess mitspielen zu wollen, anstatt diesen aus professioneller Distanz redaktionell zu begleiten. Darunter verstehe ich eine erkennbare Trennung zwischen Meinung und Nachricht. Nachrichten sind Beschreibungen und Erläuterungen auf der Grundlage von Fakten. Dazu sind gründliche Recherchen, Plausibilisierungen und insofern eigenes Denken unabdingbar, trotz Zeitdruck und Schnelllebigkeit. Um genau zu erkennen, was
wirklich los ist, braucht es die Draufsicht. Dazu braucht es Abstand. Und Abstand zu halten, sich nicht gemein machen mit einer Sache, braucht Mut. Dagegen stehen Spekulationen und Geschwätzigkeit, was journalistisch meiner Überzeugung nach nun mal gar nicht geht! Und einfach nur von anderen abschreiben in dem Glauben, es wird schon stimmen, was insbesondere die Großen sagen, führt dann zu diesen medialen Kettenbriefen. Diese enden dann irgendwann in der Wiedergabe falscher Tatsachen. Genau das tut keiner Gesellschaft gut, weder der gesamtdeutschen noch der Bürgerschaft in einer Region. Die Regionalgesellschaft liegt nun mal nicht allein in unserem Sendebereich, sondern auch in unserem Verantwortungsbereich. Also, zu meinem Verständnis von gutem Journalismus – lassen Sie es mich bitte so formulieren, frei nach Rudolf Augstein: „Zeigen, was ist“!
Bewegtbilder machen Nachrichten natürlich noch viel anschaulicher als ein gedruckter Text mit Foto. Worin liegen die besonderen Herausforderungen der Fernsehreportage und welche Möglichkeiten ergeben sich daraus, Menschen zu erreichen? KÜHNL: Wenn unsere Redakteure einen Sachverhalt recherchieren und einen Text dazu schreiben, geht die Arbeit erst danach so richtig los. In Recherchen fragen wir Menschen und sammeln Statements. Dann fangen wir Bilder und Originaltöne ein. Oft verschwindet die Bereitschaft, eine Aussage vor der Kamera zu wiederholen. Daher wird viel Gesprächsarbeit geleistet, um das benötige Originalmaterial zu bekommen. Damit gehen wir ins Studio, schneiden, vertonen und erstellen aus mehreren Stunden Arbeit einen Beitrag von einigen Sekunden bis mehreren Minuten. Das ist der Aufwand für Bewegtbild-Formate, die natürlich auch mehr Möglichkeiten eröffnen. Sie unterstreichen Beschreibungen, Erklärungen und Botschaften des Beitrags mit bewegten Bildern und echten Statements. Natürlich möchten wir damit Aufmerksamkeit erzeugen. Wir freuen uns über Zuwendung – von unseren Zuschauern, und auch von unseren Werbepartnern. Rückmeldungen zu erhalten, Wirkungen zu erzielen und gleichzeitig guten Journalismus abzuliefern, das ist es, was unsere Aufgabe so spannend macht.
Aufmerksamkeit ist ein spannendes Phänomen (siehe RC Premium I/2022: „Mensch und Aufmerksamkeit“). Jeder Mensch – erst recht ein Medienschaffender – will wahrgenommen und aner-

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WIR SCHAFFEN FREIRÄUME
Das Rhein-Neckar Fernsehen (RNF) wurde 1983 gegründet – also unmittelbar vor dem Start des dualen Rundfunks in Deutschland – und ist damit Deutschlands ältestes privates Regionalfernsehen. Seinen Sende- betrieb nahm das RNF am 16. September 1986 auf und startete als sog. „Regionales Fensterprogramm“. 1994 übernahm Mitbegründer und Chefredakteur Bert Siegelmann als Alleingesellschafter das RNF vom bisherigen Eigner, der Mediengruppe Dr. Haas GmbH, zu der Tageszeitungen wie der Mannheimer Morgen, zahl- reiche Regionalzeitungen und Medienbetriebe gehören. Im April 1996 erfolgte die Lizenzierung des Ballungsraum-TV „RNFplus“. Nach dem Verlust des RTL-Regionalfensters Mitte 2017 baute das Rhein-Neckar Fernsehen sein OnlineAngebot, speziell die RNF-Mediathek, weiter aus. Der Verlust der Einnahmen aus dem RTL-Fenster konnte jedoch nicht kompensiert werden, sodass das Rhein-Neckar Fernsehen im Juli 2018 beim Amtsgericht Mannheim ein Insolvenzverfahren beantragte. Die Mediengruppe Dr. Haas kündigte an, das Rhein-Neckar Fernsehen zu übernehmen. Bereits nach neun Monaten, im September 2019 – in Zeiten der Weltfinanzkrise und einem wegbrechenden Werbemarkt – meldete die Dr. Haas Mediengruppe das Rhein-Neckar-Fernsehen erneut zur Insolvenz an. Zum Jahreswechsel 2019/20 fand sich in der Person von Andreas Schneider-Neureither (SNP SE) ein neuer Investor. Geschäftsführer der neu gegründeten RheinNeckar Fernsehen und TV-Produktion GmbH war weiterhin Ralph Kühnl. Die Landesanstalt für Kommunikation begrüßte es, dass RNF den Sendebetrieb fortsetzte und bestätigte die Unbedenklichkeit des Gesellschafterwechsels. Völlig unerwartet starb Andreas Schneider-Neureither jedoch im November 2020, woraufhin das Rhein-Neckar Fernsehen im März 2021 zum dritten Mal Insolvenz anmelden musste. Am 25.06.2021 erfolgte beim Amtsgericht Mannheim die Eintragung des neuen Unternehmens ins Handelsregister.
kannt werden. Wie aber kann man sich der Sensationslust und dem bedingungslosen Streben nach Reichweite entziehen? KÜHNL: Die berühmte „Quote“, also die Zuschauerzahlen im Fernsehen, hat im Internetzeitalter noch mal eine ganz andere Dimension erreicht. Gerade in den letzten Jahren haben wir uns mit Livestream-Formaten und der RNF-Mediathek eine wachsende Geltung in der digitalen Welt erarbeitet. Der Druck und die Versuchung, alles Denken und Tun danach auszurichten, möglichst viele „Klicks“ zu erhalten, ist vorhanden, das muss man offen aussprechen. Allerdings ist Journalist zu sein für mich nicht nur ein Beruf, sondern ein Selbstverständnis. Dafür beanspruche ich für mich und für alle rechtschaffenden Kollegen die Pressefreiheit. Dieser Anspruch aber muss im Gleichklang mit der Einhaltung ethischer Standards stehen. Dazu gehört die Achtung vor der Wahrheit.
… die mit der wachsenden Bedeutung des Internets und der sozialen Medien allerdings immer mehr mit Füßen getreten wird. KÜHNL: Wissen Sie, gelogen wurde schon immer. Außerdem, das muss man sich bewusst machen, erleben wir gerade einen Krieg, den wir übrigens auch als solchen bezeichnen dürfen, und da gilt: Das erste Opfer des Krieges ist die Wahrheit. So weit, so gut – oder besser: so schlecht. Denn was sich des Weiteren verändert hat und was mich umtreibt, ist folgendes: Die Lüge ist zu einem beinahe üblichen Instrument der politischen Auseinandersetzung geworden. Man nennt das dann eben „alternative Fakten“. Dabei wird so getan, als wäre dies eine legitime Selbstverständlichkeit. Desinformation macht mich wütend, weil ich mich immer fragen muss, wo die blinden Flecken bei einem selbst liegen. Welcher Information darf man trauen, welche Quelle ist verlässlich, welches Medienorgan vertrauenswürdig? Dass es tatsächlich gelingen kann, die Öffentlichkeit eines Landes der Größe Russlands vom globalen Nachrichtenstrom zu entkoppeln und nur noch der politischen Propaganda auszusetzen, bringt mich vollends aus der Fassung. Ich hätte das so nie für möglich gehalten. Was also können wir tun? Wir in der RNF Redaktion nennen die Antwort auf dieses Problem „ein festes Gerüst“. Natürlich ist es so, dass wir darauf angewiesen sind, gesehen zu werden: auf dem TV-Bildschirm im Wohnzimmer, im Livestream am PC oder in Newsportalen und Mediatheken. Es läge aber außerhalb unseres Gerüsts, würden wir Überschriften so reißerisch aufmachen, nur damit sie zu „Klicks“ führen oder Meldungen textlich so aufblasen, dass sie in Internet-Suchmaschinen ganz oben stehen. Wir wollen, dass in einer Überschrift bereits die News enthalten ist, die über den Inhalt informiert. Und wir lassen uns als Redakteure auch nicht sprachlich verbiegen, nur um den technischen Algorithmen zu genügen, die zu Reichweiten führen. Im Zweifel für die Qualität – darauf baut das, was ich unser Gerüst nenne. Was nicht in dieses Gerüst passt, sich dort nicht verankern oder einhängen lässt, gehört auch nicht in die Sendung. An dieser Stelle möchte ich sagen, wie froh und dankbar ich bin, dass unsere neuen Gesellschafter das genau so sehen!
Wenn es nicht – oder zumindest nicht allein – Reichweite und Resonanz sind, die ihren Erfolg ausmachen, was ist es dann? Oder anders gefragt: Was lässt Sie feiern? KÜHNL: Wie ich schon gesagt habe, freut es mich, wenn wir für eine Berichterstattung viel Aufmerksamkeit ernten und unsere Botschaft weite Kreise zieht. Tatsächlich aber ist es eher ein innerliches Fest für mich, wenn uns eine Sendung besonders gut gelungen ist und ich sagen kann: Das hätte jetzt kein anderer so hingestellt. Dazu muss man tief in einem Thema verankert sein und das Gefühl haben, genau das Richtige zu tun. Dieses Gefühl des Gelingens, einfach einen guten Job gemacht zu haben, lässt mich feiern. Ein herausragendes Beispiel hierfür hat allerdings nichts mit RNF zu tun, sondern mit der verrückten Idee, gemeinsam mit Thorsten Riehle und anderen Gesellschafterkollegen das Capitol in Mannheim aus dem Dornröschenschlaf zu erwecken und wieder auf die Beine zu stellen. Wir haben uns damals in ein echtes Abenteuer gestürzt – und hatten Erfolg. Als 1998, also auch fast ein 25-jähriges Jubiläum, das Capitol mit einer fulminanten Eröffnungsveranstaltung wieder zu dem wurde, was das Traditionshaus jahrzehntelang war, erlebte ich einen dieser seltenen magischen Momente: einen einzigartigen, auf ewig bleibenden Abend und gleichzeitig eine großartige, stille Feier tief in mir drin.
Sie haben also auf verschiedenen Feldern Erfolg gehabt, sich durchgesetzt, Widerstandskraft an den Tag gelegt, Mut gezeigt und das Gelingen erlebt. Im Eishockey groß und auch erfolgreich zu werden, gelingt nicht ohne Kampfeswillen, Teamgeist und die Bereitschaft, auch mal ordentlich einzustecken. Sind das Eigenschaften, die auch ihrer beruflichen Laufbahn zugutekommen? KÜHNL: Tatsächlich bin ich im Alter von 4 Jahren zum ersten Mal mit einem Schläger in der Hand auf dem Eis gestanden. Ich habe in jeder Altersklasse auf jeweils höchster Ebene gespielt. Das war damals der erste Jahrgang, der leistungssportlichen Strukturen unterworfen und konsequent auf Leistung ausgerichtet wurde. Da im Eishockey bekanntlich nicht mit Wattebällchen um sich geworfen wird, hat man sehr bald Kampfesmut und Durchsetzungswillen im Blut. Hinzu kommt der Teamgeist, der im Eishockey einzigartig ist. Das hat mit der langen Zeit zu tun, die gemeinsam in der Umkleidekabine verbracht wird, bis man vollständig eingekleidet und wieder entkleidet ist. Der Zusammenhalt untereinander und der Einsatz füreinander ist einfach besonders. Gerade in den letzten Jahren waren diese, im Eishockeysport erworbenen Eigenschaften für den Fortbestand unseres Senders ebenfalls von ausschlaggebender Bedeutung. Enge Vertraute haben mich schon mal danach gefragt, warum ich so sehr am RNF festhalte, statt mir etwas Neues zu suchen und einfach mal was anderes zu machen. Ich selbst habe mir diese Frage nie gestellt …!
„Aufgeben ist eben keine Option“ – womit wir wieder bei Manfred Lautenschläger wären, der seiner Biografie genau diese Überschrift gegeben hat. Ich bin mir sicher, mit Ihrer Haltung, Ihrem Team und der „Brüderschaft im Geiste“ hat RNF eine großartige Zukunft. Ich danke an dieser Stelle für Ihre Arbeit und für dieses mutmachende Gespräch.
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