«Arealentwicklungen erfordern interdisziplinäres Know-how» Grosse Arealentwicklungen gehören zu den komplexesten aber auch spannendsten Aufgaben, die Immobilienunternehmen zu lösen haben. Nebst allen behördlichen, politischen, raumplanerischen, technischen und zeitlichen sowie kommunalen und kantonalen Fragen müssen die vielfältigen Bedürfnisse und Wünsche aller Bezugsgruppen im Projekt diskutiert und gegebenenfalls integriert werden.
areal- und quartierentwicklung Interview: Gregory Zirngibl Bilder: Rob Lewis
Unter den Begriff Arealentwicklung fallen verschiedenste Aufgabenstellungen. Wie ist die Herangehensweise bei Halter? Wenn von einer Arealentwicklung die Rede ist, dann denkt man zunächst an einen privaten oder institutionellen Investor, der in einem mehr oder weniger erschlossenen Gebiet mit zweckmässiger Zonierung einige zusammenhängende Parzellen einer grösseren Überbauung zuführt. Bei Halter sprechen wir in diesem Fall von einer klassischen Immobilienentwicklung. Daneben gibt es noch eine etwas anders gelagerte Form der Arealentwicklung, welche je nach Kontext auch als Gebiets- oder Quartierentwicklung bezeichnet wird. Dabei handelt es sich um Areale, welche in der Regel keine zukunftstaugliche Zonierung aufweisen, nicht oder nur ungenügend erschlossen sind und meist nur in Etappen überbaubar sind wegen der Marktabsorption. Solche Gebiete bedingen einen eigentlichen Transformationsprozess, der viel früher als die eigentliche Immobilienentwicklung einsetzt: es geht darum, eine übergeordnete Vision zu etablieren, eine zweckmässige Zonierung herbeizuführen, neue Infrastruktur zu erstellen und investorentauglich zu parzellieren. Auf den einzelnen Parzellen können anschliessend die Projekte entwickelt werden.
«Entscheidend ist, sich von Beginn weg an den Bedürfnissen der künftigen Nutzer zu orientieren.» Für Halter sind weniger die spezifischen Aufgabenstellungen relevant, sondern vielmehr die unterschiedlich gelagerten Kundenbedürfnisse. So gibt es Investoren, welche möglichst alle Entwicklungs-, Bau- und allenfalls sogar Marktrisiken einem Partner abgeben möchten. In diesem Fall investiert Halter als Trader Developer eigenes Kapital und realisiert für die Endinvestoren sichere Anlagen. Andere Investoren mit einer höheren Risikobereitschaft suchen dagegen einen kompetenten Dienstleister, der das nötige Know-how einbringt und die Entwicklung innerhalb der vorgegebenen Ziele des Auftraggebers als Service Developer vorantreibt. Können Sie mir einige Beispiele dazu nennen? Die beiden bekanntesten eigenen Arealentwicklungen von Halter in der Rolle des Trader Developers finden sich im Gebiet am Rietpark in Schlieren und im
Limmatfeld in Dietikon. In beiden Fällen wurden auf mehreren Baufeldern und über Jahre hinweg hunderte Wohnungen und einige Tausend Quadratmeter Büround Gewerbeflächen realisiert. Die grösste Arealentwicklung hat Halter gerade erst in Angriff genommen: auf dem Areal der ehemaligen Cellulosefabrik Attisholz nahe Solothurn steht uns ein zwanzig bis dreissig Jahre dauernder Transformationsprozess bevor, aus welchem aus einer Industriebrache ein neuer urbaner Ort mit einem breiten Nutzungsspektrum hervorgehen wird. In unserer Rolle als Service Developer haben wir in den letzten Jahren zum Beispiel die 20 Hektar grosse Gebietsentwicklung «Bahnhof Nord» in Regendorf und die Schaffung eines Gewerbe- und Innovationsparks namens «Werkstadt Zürisee» in Wädenswil begleitet. Areale zu entwickeln heisst meines Erachtens auch, Strategien für die zukünftige Nutzung zu entwickeln. Wie sieht hier eine Zusammenarbeit zwischen dem Auftraggeber und Ihnen als Dienstleister aus? Als Entwickler orientieren wir uns von Beginn weg an den künftigen Nutzungen. Nur wenn diese marktkonform sind, das heisst wenn sich künftige Mieter beziehungsweise Käufer für die bereitgestellten Flächen finden lassen, können die nötigen Erträge zur Rentabilisierung des Entwicklungsvorhabens realisiert werden. Die Rolle von Halter als Service Developer hängt von den Bedürfnissen und der Organisation des Auftraggebers ab. Wir begleiten Projekte entweder als Berater, verantworten die bauherrenseitige Projektleitung oder vertreten den Bauherrn als Projektmanager. Je nach Mass der übertragenen Verantwortung und Kompetenzen ist die Abstimmung mit dem Auftraggeber mehr oder weniger eng. Oft beginnt eine Zusammenarbeit mit einem klassischen Beratungsmandat. Wenn das Vertrauen wächst, entwickelt sich meist auch unsere Rolle, so dass wir eine Entwicklung mit immer grösserer Autonomie vorantreiben können. Dabei hilft sicherlich der Umstand, dass wir auch in der Rolle als Dienstleister genau wissen, was es heisst, eigenes Kapital zu investieren, Baurisiken auf uns zu nehmen und einen funktionierenden Betrieb zu verantworten. Sicherlich ist es von Vorteil, wenn die Zusammenarbeit in einer komplexen Entwicklungsaufgabe durch eine regelmässige Abstimmung charakterisiert ist. Arealentwicklungen sind iterative Prozesse, die sich durch viel Unvorhergesehenes auszeichnen. Die grösste Herausforderung ist dabei oft, trotz sich ändernder Umstände die festgelegten strategischen Ziele nicht aus den Augen zu verlieren. Dazu sind regelmässige Projektreviews sinnvoll, in welchen der Projektstand den Zielen und Bedürfnissen des Auftraggebers ge-
Zur Person David Naef (1975) studierte an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich (ETHZ) Kulturtechnik mit Vertiefung in Raumund Umweltplanung und schloss sein Executive MBA an der Universität Zürich ab. Er ist Mitglied der Gruppenleitung der Halter AG und als Geschäftsführer für die Unternehmenseinheit Halter Immobilien zuständig. In dieser Funktion verantwortet David Naef das Real Estate Asset Management & Development, mit welchem als umfassende Dienstleistung die Immobilien der Auftraggeber durch alle Lebens phasen begleitet werden: von der strategischen Planung, Entwicklung und Realisierung über den Betrieb bis hin zum Redevelopment.
die immobiliendienstleister 2017_29
areal- und quartierentwicklung
genübergestellt und die identifizierten Chancen und Risiken aufgezeigt werden. Bevor mit der eigentlichen Bautätigkeit begonnen werden kann, sind viele rechtliche, technische und wirtschaftliche Fragen zu klären. Welche Aufgaben kann hier Halter übernehmen? Arealentwicklungen sind komplexe Aufgaben, die interdisziplinäres Know-how erfordern. Als Dienstleister müssen wir sämtliche relevanten Themen für unsere Auftraggeber im Griff haben, sowohl in Bezug auf die inhaltliche wie auch auf die zeitliche Bearbeitung. Dazu orientieren wir uns am sogenannten Halter Entwicklungsrad. Dieses nach ISO 9001 zertifizierte Management-Tool bildet die methodische Basis für unsere Leistungserbringung. Das Halter Entwicklungsrad beschreibt einerseits die zu bearbeitenden Themenfelder wie Grundstück, Produkt, Fertigung, Kosten, Bewilligungen, Kommunikation, Ertrag sowie Kapital und zeigt andererseits auf, zu welchem Zeitpunkt im Entwicklungsprozess welche Tätigkeiten mit welchen Resultaten vorgesehen sind. Mit diesem System, das sich an beliebige Aufgaben anpassen und skalieren lässt, behalten wir jederzeit den Überblick im komplexen Prozess der Arealentwicklung. Vor diesem Hintergrund ist klar: Halter kann entweder als Berater punktuell spezifisches Know-how beisteuern oder in der Rolle des Gesamtprojektleiters umfassende Verantwortung für sämtliche Themen bzw. Aufgaben einer Entwicklung übernehmen. Welche Punkte sind für eine nachhaltige Arealentwicklung besonders wichtig? Wie stellen Sie das Potenzial eines Areals fest? Um die Potenziale eines Areals zu erheben, stützen wir uns einerseits auf etablierte Analysetools und Datenquellen ab. Andererseits liefern aber gerade solche Tools und Datenbanken meist keine brauchbaren Antworten, wenn es um die Entwicklung zum Beispiel einer Industriebrache geht, die man heute als Unort bezeichnen würde. Wo es heute keinen Markt gibt, lassen sich auch keine Marktdaten beschaffen. Eine zentrale Aufgabe des Entwicklers ist es daher, eine Vision für ein Areal zu entwickeln. Dazu gehören Kreativität, unternehmerischer Mut und auch Bauchgefühl – all dies schöpfen wir aus unserer jahrelangen Erfahrung in solchen Aufgaben. Arealentwicklungen sind eng verknüpft mit der Geschichte des Ortes. Diese Geschichte möchte weitererzählt und mittels Storytelling in eine neue, glaubhafte Zukunft mit Identifikationsmöglichkeiten überführt werden. Ziel ist, dass sich die Menschen von morgen diese Areale aneignen, sie zu belebten Orten machen, dort leben und arbeiten, so dass 30_die immobiliendienstleister 2017
die neu geschaffenen Nutzungen die nötigen Erträge abwerfen. Nur wenn dies gelingt, können sich die Orte nachhaltig etablieren. Deshalb ist es von besonderer Wichtigkeit, dass man mit einer Arealentwicklung die erforderlichen Frequenzen generieren kann: Bewohner, Beschäftigte, Besucher und Kunden. Dazu braucht es ein optimales Zusammenspiel von Nutzungsmix, In frastruktur, Dichte und Erreichbarkeit.
«Mit dem Halter Entwicklungsrad haben wir in jeder Phase sämtliche relevanten Themen im Griff.» In letzter Zeit werden bei Arealentwicklungen politische Fragen immer wichtiger. Wie geht Halter mit dieser neuen Herausforderung um? Es ist in der Tat so, dass grosse Transformationsprozesse an Komplexität gewinnen und immer mehr Interessensgruppierungen mitreden möchten. Dies gilt sowohl für private Arealentwicklungen wie auch für solche des Gemeinwesens. Bei letzterer nimmt die öffentliche Diskussion sicherlich eine besondere Bedeutung ein, und das Bedürfnis nach Mitwirkung seitens Politik und Bevölkerung ist sehr gross. So ist es nicht verwunderlich, dass die Qualität der Kommunikation oftmals über den Erfolg oder Misserfolg solcher Vorhaben entscheidet. Sehr hilfreich ist jeweils ein starker, etablierter und gut vernetzter «Kümmerer», meist aus der Stadt- der Gemeindeexekutive, der sich für das Vorhaben engagiert und es dabei schafft, die verschiedenen Stakeholder in den Prozess einzubinden und ihnen glaubhaft die Chancen der angestrebten Entwicklung aufzuzeigen. Als Service Developer nehmen wir oft eine Moderatorenrolle wahr und pflegen einen intensiven Austausch mit den unterschiedlichen Interessensgruppen. Von Vorteil ist dabei, dass wir keine Eigeninteressen verfolgen und uns mit unserer Unabhängigkeit in den Dienst der Sache stellen können. Zusammen mit den von uns beigezogenen Experten aus den Bereichen Kommunikation, Raumplanung, Verkehr etc. können wir so viel zum Gelingen dieser anspruchsvollen Aufgaben beitragen.
areal- und quartierentwicklung Text: David Naef, Christian Verasani Bilder: Stadt Wädenswil / Creafactory
Aufbruch am See Vielerorts ist Gemeindeentwicklung mehr Zufall als aktive Planung. Und nur allzu oft ist sie Spielball partikulärer Interessen. Der Weg zu einem strategiegeleiteten Prozess ist zwar anspruchsvoll, aber gangbar. Die Verantwortlichen der Stadt Wädenswil im Kanton Zürich realisieren unter dem Titel Werkstadt Zürisee ein Projekt mit Beispielcharakter.
Im Gebiet Rütihof in Wädenswil, in unmittelbarer Nähe der Autobahnausfahrt, wird auf ca. 40 ha die Arealentwicklung mit dem Namen «Werkstadt Zürisee» entwickelt. Das innovative und dichte städtebauliche Konzept ist der erste Schritt zu einem Arbeitsplatzgebiet mit überregionaler Ausstrahlung.
W
er, mit dem Schiff kommend, in Wädenswil am linken Zürichseeufer anlegt, blickt auf eine charmante Kleinstadt mit historischem Zentrum und bevorzugten Wohnlagen mit Aussicht. Eingebettet in eine idyllische Voralpenlandschaft, stellt die Stadt Wädenswil nicht zuletzt wegen der romantischen Halbinsel Au ein beliebtes Ausflugsziel dar. Auch wenn die industrielle Vergangenheit trotz des Strukturwandels noch erkennbar ist, präsentiert sich der Ort heute primär als Wohn- und Bildungsstadt mit der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW). Wädenswil zählt 20’000 Einwohnerinnen und Einwohner und ist ein bedeutendes regionales Zentrum. Damit die Stadt auch künftig als attraktiver Wohn- und Arbeitsort wahrgenommen wird, verfolgt der Stadtrat eine aktive Entwicklung. 2012 hat er mit einer Räumlichen Entwicklungsstrategie (RES)
32_die immobiliendienstleister 2017
das Fundament für diverse Planungen gelegt, die die Voraussetzungen dafür schaffen, dass die vorhandenen Entwicklungsgebiete optimal genutzt und bebaut werden können. Mit Unterstützung der Halter AG als Service Developer entstand die Idee eines Gewerbeund Innovationsparks für lokale und regionale Gewerbetreibende mit dem Namen Werkstadt Zürisee: Die Stadt sicherte sich das Kaufrecht für ein rund 40’000 Quadratmeter grosses Areal im Gebiet Rütihof, mit der Absicht, Platz für neue Arbeitsplätze zu schaffen. Das Land soll zu Selbstkosten parzellenweise an lokale und regionale Betriebe abgegeben werden und so zu einem zukunftsweisenden Gewerbeareal als Auftakt für ein regionales Arbeitsplatzgebiet in unmittelbarer Nähe zum Autobahnanschluss wachsen. Wädenswil bietet damit ein anschauliches Beispiel für vorausschauende Politik, deren Aktivitäten in einer übergeordneten Ge-
samtstrategie wurzeln. Anderenorts präsentiert sich die Realität leider weniger erfreulich: Die Entwicklung vieler Dörfer und Städte in der Schweiz unterliegt heute weitgehend dem Zufall. Auch wenn dies in den meisten Fällen von Gemeindevertretern mit Verweis auf Leitbilder und Standortförderungsmassnahmen vehement verneint wird. Allzu häufig konkurrieren öffentliche und private Interessen. Oftmals werden durch die Planung eines Areals oder eines Infrastrukturprojekts Einzelinterventionen ausgelöst, welche die Aktivitäten dominieren. Eine so gestaltete Gemeindeentwicklung hat reaktiven Charakter – wünschenswert wäre jedoch eine antizipierende strategische Haltung. Die entscheidende Rolle kommt dabei den Exponenten der Exekutive zu: Sie können Projekte ohne vertiefte Reflexion durchwinken; sie können Projekte und Initiativen behindern oder verzögern, nur um den Status quo zu bewahren. Sie haben es aber auch in der Hand, proaktiv und gezielt Entwicklungen zu initiieren, zu fördern und zu steuern. Dazu braucht es natürlich Weitsicht und politischen Mut. Erst recht, wenn Entwicklungsmassnahmen in ein regionales Konzept eingebettet werden sollen und übergeordnete Interessen zu berücksichtigen sind.
In den Gemeinden sind vielleicht Visionen und Leitbilder grösstenteils nur mit planerischen Aspekten formuliert, in den wenigsten Fällen gibt es jedoch konkrete Entwicklungs- und Immobilienstrategien auf immobilienökonomischer Basis. Es fehlen übergeordnete strategische Ziele, die sich mit der Beantwortung nachfolgender Fragen auseinander setzen: Wie positioniert sich die Gemeinde in ihrer Region? Wie soll sich die Gemeinde in Zukunft entwickeln? Welche Bevölkerungs-, Investoren- und Nutzergruppen sollen angesprochen werden? Was für ein Immobilienbestand ist nötig, um den Bedürfnissen der identifizierten Zielgruppen gerecht zu werden? Wie lässt sich dieser Immobilienbestand herbeiführen? Welche infrastrukturellen Rahmenbedingungen sind dafür zu schaffen? Wie müssen die dazu notwendigen planungsrechtlichen Grundlagen gestaltet sein? Wie können private und institutionelle Grundeigentümer für gemeinsame oder aufeinander abgestimmte Entwicklungsprojekte im Sinne einer übergeordneten Strategie gewonnen werden?
Zu Beginn der Arealentwicklung führte die Halter AG als Service Developer der stadtinternen Arbeitsgruppe Abklärungen betreffend Bedarf und Nutzungsweisen potenzieller Interessenten und Nutzergruppen durch und prüfte das Marktpotenzial. Die befragten Vertreter des lokalen und regionalen Gewerbes reagierten äusserst positiv und befürworten die Arealentwicklung durch die Stadt.
die immobiliendienstleister 2017_33
areal- und quartierentwicklung
Der im Sommer 2016 rechtskräftig festgesetzte Gestaltungsplan sieht insgesamt vier Baufelder vor. Davon sind zwei für gross flächige und hohe Industrie nutzungen und zwei weitere Baufelder für spezifische Gewerbenutzungen vorge sehen. Die Baufelder können vollumfänglich ohne Grenz abstände überbaut werden, und so wird eine dichte und ressourcenschonende Arealüberbauung gewährleistet. Mit der Groberschliessung wird das Areal an die Kantons- und die Gemeindestrasse angebunden. Im nicht überbaubaren Waldabstandsbereich werden Aussenlagerflächen (L), die zentrale Parkierung (P) und die Retentionsfläche (R) für das ganze Areal sowie Flächen für die Erholung (E) der Arbeitnehmenden angeboten.
Dynamische Kräfte und Hemmnisse Von entscheidender Bedeutung ist es, ein Verständnis für die dynamischen Kräfte zu schaffen, die einen Einfluss auf die Entwicklung einer Gemeinde haben. Vorhandenes Bauland sowie Areale und Quartiere in Erneuerungszyklen eröffnen Möglichkeiten für öffentliche oder privatwirtschaftliche Initiativen, um Arbeitsplätze, Waren-, Dienstleistungs- und Kulturangebote sowie Wohnraum zu schaffen. Daneben gibt es Infrastrukturprojekte, welche die Geografie verändern, zukünftige Verkehrs- und Menschenströme beein34_die immobiliendienstleister 2017
flussen, Erwartungen wecken und Abschöpfungspotenziale kreieren. Solchen Entwicklungstreibern stehen verschiedenste Hemmnisse gegenüber: Bauzonen und Bauordnungen, die den Marktbedürfnissen nicht entsprechen, Vorstellungen zu Mehrwertabschöpfungen, die dem realen Mehrwert nicht annähernd entsprechen, Verwaltungsabteilungen mit Spartendenken ohne übergeordnete Sicht und Vorgehensweise, Angst in der Bevölkerung vor Neuem sowie Grundeigentümer, die am Gewohnten festhalten und keine Anreize zur Veränderung haben. Wie angesichts all dieser Heraus-
forderungen eine gewünschte Ortsentwicklung professionell angegangen werden kann, zeigt das innovative Projekt Werkstadt Zürisee in Wädenswil. Im Gegensatz zur vielerorts praktizierten Testplanung zu Städtebau und Erschliessung, bei welcher der Fokus auf der technischen Machbarkeit einer Planung liegt, schrieb der Stadtrat im Bewusstsein der Komplexität des geplanten Vorhabens Ende 2012 ein Entwicklungsmandat aus. Als externer Berater erarbeitete Halter Immobilien im ersten Schritt eine Vision für das Areal. Diese leitete sich aus der übergeordneten strategischen Stossrichtung der Gemeinde ab und berücksichtigte die gegebenen Rahmenbedingungen des Standorts sowie die Bedürfnisse des Marktes. Dazu wurden bereits in einer frühen Phase konkrete Interessensbekundungen potenzieller Nutzer eingeholt. Mit Überlegungen zur Immobilien- und Finanzierungsstrategie bildeten diese die Grundlage für die Übersetzung der Zieldefinition in ein Arealkonzept mit konkreten Aussagen bezüglich Nutzung, Bebauung, Erschliessung und Finanzierung. Parallel dazu musste eine stringente Kommunikation sichergestellt werden. Auf der Basis der entwickelten Arealstrategie konnte auch das Stimmvolk überzeugt werden, was sich in der Annahme der Abstimmungsvorlage für die Ausübung des Kaufrechts im November 2014 zeigte. Gleichzeitig wurde für planungsrechtliche Sicherung der Werkstadt Zürisee zusammen mit einem Raumplanungsbüro ein öffentlicher Gestaltungsplan erarbeitet. Mit der Festsetzung durch den Kanton im Sommer 2016 ist jetzt auch die Rechtssicherheit gewährleistet.
Planungsrecht und Anreize Die Gemeindeentwicklung ist in hohem Masse von der Dynamik der privaten Wirtschaft geprägt. Idealerweise schafft das Gemeinwesen die Voraussetzungen dafür, dass gewünschte, notwendige oder unausweichliche Veränderungen möglich sind und nachhaltiges Wachstum gewährleistet ist. Dazu gehören Anreize und geeignete Planungswerkzeuge. Letztere sollten in Abstimmung mit der übergeordneten, kommunalen Entwicklungsstrategie erarbeitet werden. Diese hat sich an den identifizierten, langfristig bestehenden Standort- und Marktpotenzialen zu orientieren. Gestützt darauf, lassen sich dann spezifische Strategien für einzelne Areale und Grundstücke innerhalb der Gemeinde ableiten sowie die entsprechenden Anforderungen an die konkrete Entwicklung des Immobilien bestands oder der Baulandreserven festlegen. Die Entwicklungsstrategie sollte sich letztlich in den planungsrechtlichen Grundlagen wiederfinden. Dies sind sowohl die behördenverbindlichen Rahmenbedingungen wie strategische Entwicklungsleitbilder, Masterplanungen und regionale Richtpläne als auch die für den Grundeigentümer verbindliche Bau- und Zonenordnung. Ergänzend dazu wird ein Instrumentarium benötigt, welches kooperative, informelle Verfahren mit Gestaltungsplänen und privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Verträgen ermöglicht. Um positive Entwicklungen anzustossen, sind die oben erwähnten Anreize von entscheidender Bedeutung. Dazu zählen auch progressivere Ansätze, welche zum Beispiel Zonen mit der Pflicht zum Abbruch und Neubau beinhal-
Das Grundstück soll optimal und ressourcenschonend genutzt werden. Die Grund eigentümerin plant Gewerbe betriebe und Unternehmungen aus der Region unter Berücksichtigung der Anzahl der Mitarbeitenden zu bevorzugen. Grossflächige Anlagen wie Einkaufs- oder Logistikzentren sind nicht erwünscht, da dies nicht im Sinne eines haushälterischen Umgangs mit dem Boden erscheint.
Gemeindeentwicklung als Aufgabe Während es für die Stadtentwicklung in Grossstädten eigene Amtsstellen gibt, findet sich diese Kompetenz in Klein- und Mittelstädten meist nur noch stark unterdotiert innerhalb der Stadtplanung oder der Standortund Wirtschaftsförderung. Bei den Kommunen fehlt sie meist gänzlich. Know-how wird eingekauft, und lokale Ortsplaner beziehungsweise Gemeindeingenieure befassen sich mit Planung, Projektierung und Bau. Das Mandat für einen Gemeindeentwickler fehlt gänzlich. Dabei wäre ein solches dringend nötig, um die wichtige Scharnierfunktion zwischen Wirtschaft, Politik, Bevölkerung und öffentlicher Hand wahrzunehmen. Seine Hauptaufgabe wäre, die Grundlagen für die gewünschte Entwicklung der Gemeinde sowie wichtiger Areale zu erarbeiten und eine aktive Rolle bei der Initiierung und Umsetzung von förderlichen Massnahmen einzunehmen. Dies erfordert interdisziplinäres Wissen in wirtschaftlichen, planerischen sowie rechtlichen Belangen, hohe Marktkompetenz, Kommunikationsvermögen sowie Sensibilität für politische Prozesse. die immobiliendienstleister 2017_35
areal- und quartierentwicklung
Das innovative Bebaungskonzept «Land am Laufmeter» ermöglicht eine vollständige Bebauung der Baufelder ohne Grenzabstände. So wird die optimale Nutzung der Landreserve gewährleistet.
ten könnten. Von zentraler Bedeutung dabei ist, dass die ermöglichten Erneuerungen und Verdichtungen von den Eigentümern als Chance gesehen werden und die gewährten Anreize nicht durch unattraktive Gegenforderungen – wie zum Beispiel eine übermässige Mehrwertabschöpfung – wieder zunichte gemacht werden. Faktoren für den Erfolg Das Aufzeigen und die Sicherstellung der gewünschten Gemeindeentwicklung ist eine Aufgabe des Gemeinwesens. Die Umsetzung fällt aber grösstenteils privaten und institutionellen Investoren zu. Damit dies gelingt, ist der Thematik der strategischen Gemeindeentwicklung mit einem langfristigen, legislaturübergreifenden sowie integralen und interkommunalen Verständnis zu begegnen. Für die Funktion des Gemeindeentwicklers werden
Personen mit strategischem Denkvermögen, politischer Unabhängigkeit, Kompetenzen in der Stadt- und Quartierentwicklung sowie der notwendigen Nähe zum Markt benötigt. Von der Exekutive sind Mut und Ausdauer gefordert. Sie sollte die langfristige Entwicklungsstrategie offen kommunizieren und die Bevölkerung in die Prozesse einbeziehen. Für die Investoren unabdingbar, sind berechenbare Behörden und Verfahren, verlässliche Rechtsgrundlagen sowie adäquate Planungswerkzeuge. Und schliesslich braucht es für sie die Möglichkeit, eingegangene Risiken und eingesetzte Mittel mit Gewinnen zu rentabilisieren. Strategische Gemeindeentwicklung soll Win-win-Situationen für Bevölkerung, Gemeinwesen und Privatwirtschaft schaffen. Dazu gehören die zielgerichtete Umsetzung der festgelegten Entwicklungsstrategie, die angemessene Abschöpfung der realisierten Mehrwerte und die marktgerechte Verzinsung des eingebrachten Risikokapitals. Das Beispiel der Seegemeinde Wädenswil zeigt, wie die Voraussetzungen dazu geschaffen werden können. Bei der Gebietsentwicklung im Rütihof gibt es mit der Arealentwicklung Werkstadt Zürisee schon jetzt erste Erfolge.
Waldbestand Waldabstand
Baufeld D2 Baufeld D1 Baufeld C2
Zufahrt
Die Stadt Wädenswil wird das Bauland gemäss dem Konzept «Land am Laufmeter» parzellenweise an interessierte Gewerbebetriebe und Firmen veräussern. Unter den Interessenten befinden sich Handwerksbetriebe, Handels-, Fabrikations- und Technologiefirmen, aber auch der Kanton Zürich. 36_die immobiliendienstleister 2017
Baufeld C1 Nachbarn
Baufeld Baufeld A A Baufeld B Busdepot Nachbarn
Zufahrt
N