retail | Q2 - 2020

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ZUKUNFT

PODCASTS: FLOH IM OHR

Jeder dritte Österreicher hört bereits Podcasts. Auch Händler wie Hornbach und XXXLutz zeigen, dass gesprochenes Wort Aufmerksamkeit erzeugt. Sofern man was zu sagen hat. Doch bringt ein Podcast auch Geld in die Kassa? Text / Florian Wörgötter

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IN ALLER OHREN Ein Podcast erzeugt eine intime Hörsituation, weil sich Hörer bewusst für eine Folge entscheiden, wenn sie dem Moderator ver-

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Podcast-Studien

WER HÖRT ZU?

Kurz und knackig – so konsumieren Hörer ihre Podcasts. Laut einer Studie des Reuters Institute for the Study of Journalism hört jeder dritte Österreicher Podcasts. Einer Studie der deutschen Bitkom zufolge sind sie am beliebtesten bei 16- bis 29-Jährigen. Die Hälfte der Hörer wünscht sich Formate zwischen fünf und zehn Minuten.

Auch für Retail-Podcasts gilt die goldene Regel für Erfolg im digitalen Zeitalter: „Erzeuge relevanten Content für Kunden oder Händler. Und: Publiziere in hoher Frequenz und das über Jahre. Für Reichweite und Relevanz gibt es keine Abkürzung“, sagt Alexander Graf, Gründer von Spryker Systems und Moderator des deutschen E-Commerce-Podcasts „Kassenzone“. Das Problem laut Graf: 99 Prozent der Händler haben keinen Unique Content, suchen aber einen Verkaufskanal. Dafür sei ein Podcast aber das falsche Format. „Ein Podcast diskutiert, unterhält oder informiert seine Hörer, erzeugt also Aufmerksamkeit und Branding, konvertiert aber nicht.“ Daher dürfe es nicht das Ziel sein, die Hörer ins Geschäft zu locken, damit sie Produkte kaufen. „Der Hörer muss durch den Inhalt zum Fan werden.“ Dieser Medienwert sei in klassischen Umsatzkennzahlen nicht messbar, sei aber auszuweiten. Wie könnte sich ein Retail-Podcast anhören? Lebensmittelketten könnten das Thema Kochen aufgreifen, Produzenten könnten erzählen, wie ihr Produkt erfolgreich wurde und Chefs jede Woche Mitarbeiter zu ihrem Joballtag interviewen. „Was in einem 1.000-Personen-Unternehmen Reichweite generiert, erzielt auch eine potenzielle Reichweite außerhalb“, so Graf. Die Challenge: Welcher Vorstand hat schon Zeit und Ausdauer, zwei Jahre lang – bis die Quote stimmt – hundert Interviews mit einem Nettoaufwand von 50 Arbeitstagen zu führen? Vielleicht aber finden sich / Q2/2020

Foto / Unsplash

lingen deine Instrumente so, weil du willst, dass sie so klingen? Oder klingen sie so, weil du bist, wie du bist?“, fragt der Interviewer im Hornbach-Podcast die Geigenbauerin. Die „Werkstattgespräche“ besuchen auch in Episode 17 eine „Macherin“ an ihrer Werkzeugbank. Im einstündigen Gespräch erzählt die Geigenbauerin, dass schon der Baum den Klang entscheidet und sie 300 Stunden am Instrument hobelt, schnitzt und schneidet. Vielfach fällt das Wort „bauen“, doch kein einziges Mal das Wort „Hornbach“. Erst der Schlussakkord des „Yippie Ya Ya Yippie Yippie Yey“-Audiologos erinnert an den Baumarkt – Produktwerbung oder Preismarketing sind stummgeschalten. „Bei uns würde niemand fordern: Der Markenname muss fünfmal pro Folge fallen“, erklärt Florian Preuß, Leiter Public Relations, die Philosophie von Hornbach. „Wichtig ist, dass der Podcast den Markenkern stärkt. Unsere ,Werkstattgespräche‘ unterstreichen, dass wir der Partner für Macher und ihre Projekte sind.“

trauen. Daher können Podcasts für Kommunikatoren und Werber interessante Plattformen sein. Gilt das auch für Händler? „Das Ziel des Hornbach-Podcasts ist es nicht, Geld zu verdienen“, sagt Preuß. „Wir wollen Menschen emotional begeistern und Know-how vermitteln.“ Um die Leidenschaft für die Projekte der Zielgruppe erlebbar zu machen, nimmt man sich in den Interviews Zeit. „Im Idealfall erwacht die Lust im Hörer, sein eigenes Projekt zu starten, und er holt seine Materialien bei Hornbach.“ Ein Podcast eigne sich als Experimentierfeld, weil man ohne Rattenschwanz an Kosten neue Wege ausprobieren könne, meint Preuß. Schließlich bedürfe es nur einer Tonspur, die im Vergleich zum Bewegtbild günstiger zu produzieren sei. Ob das beim Kunden ankommt, verraten Zahlen wie Downloads, Streams oder RSS-FeedAbos, aber auch Kommentare oder Likes.


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