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WERTE SCHAFFEN VERTRAUEN

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GRUNDSATZFRAGE

HANDEL UND ERZEUGER – MITEINANDER ODER AUSEINANDER?

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Es war selbstverständlich, alle Produkte des täglichen Bedarfs jederzeit und unabhängig von Saisonen in den Regalen des Handels vorzufinden – natürlich zum vielzitierten niedrigsten Preis.

Ein Gastkommentar von Günter Thumser

Erst durch den Lockdown wurden die Leistungen des Groß- und Einzelhandels im Lebensmittelbereich neu bewertet, ja als lebenserhaltend angesprochen. Bis zur Erkenntnis, dass es auch Zigtausende braucht, die diese Produkte täglich – auf welcher Stufe immer – herstellen, dauerte es noch einige Wochen länger.

Ein Aspekt wird auch in der Bildungsdiskussion nur allzu verkürzt tangiert: Ist es allein Aufgabe des Handels und einzelner Interessenvertretungen, das inzwischen verloren gegangene Bewusstsein der Konsumenten für das reale Woher und Wie der täglichen Produkte zu vermitteln?

Gerade die krisenhaften Umstände im März und im April haben deutlich bewiesen, dass nur im engagierten Miteinander die Herausforderungen in der gesamten Wertschöpfungskette gemeistert werden können.

Plötzlich gelangten auch die heimischen Produzenten, Landwirtschaft wie Weiterverarbeiter, in den Fokus – zu Recht, denn wie soll Klimaschutz gelingen, wenn die Konsumentenentscheidungen in Unkenntnis der wirtschaftlichen Zusammenhänge das „Sourcing“ völlig ignorieren? Das damit eigentlich verbundene Arbeitsplatzthema ist im Wohlstand des sozialen Netzes ohnedies bereits sekundär geworden.

Jetzt liegt es in der Verantwortung vieler Stakeholder, den wiedergefundenen konstruktiven Pfad weiterzugehen – dazu gibt es gute Möglichkeiten:

Weiteres Fördern der EU-weit beispielgebenden Selbstverpflichtungssysteme, wie beispielsweise AMA für Herkunftskennzeichnung oder ARA für Sammelsysteme; diese aus der oft ideologisch motivierten Diskussion über teurere Regularien bis hin zu Doppelgleisigkeiten heraushalten.

Das wachsende Bewusstsein der Konsumenten für Regionales weiter verstärken; den Weg frei machen für die wohl ehrenhafteste Konsequenz aus einer gemeinsam überwundenen Krise: den fairen Preis!

Sich den begründeten Notwendigkeiten (Kosten/Preise, Losgrößen, Zeitläufe, Innovationsschutz) der Lieferanten/Erzeuger in den Verhandlungen öffnen; damit auch die so gepriesene heimische KMU-Struktur erhalten. (Diese sieht sich gerade in Österreich einem besonders engen, starren Nachfrage-Oligopol gegenüber.)

Damit der im Export gerade wegen ihrer Qualitätsprodukte hoch anerkannten heimischen Lebensmittelbranche auch einen attraktiven Heimatmarkt als Basis für weitere Entwicklungen sichern.

Wenn wir von Nachhaltigkeit reden, dann gelingt diese im Wirtschaftsleben nur dann, wenn alle Marktpartner nicht nur ökologischen Grundsätzen folgen, sondern auch ökonomisch nachhaltig agieren und darüber hinaus ihre soziale Verantwortung langfristig wahrnehmen. Der Preiskampf braucht eine neue Dynamik: der Kampf um den echten Preis als Anliegen für aufgeklärte Konsumenten, angeleitet von einer gemeinsamen Plattform zwischen Handel und Erzeugern. Dazu Transparenz – aber nicht verkürzt auf den Standort, sondern vielmehr die gesamte Wert

» Wenn wir von Nachhaltigkeit reden, dann gelingt diese im Wirtschaftsleben nur dann, wenn alle Marktpartner ökologischen Grundsätzen folgen, ökonomisch nachhaltig agieren und darüber hinaus ihre soziale Verantwortung langfristig wahrnehmen. «

schöpfungskette umfassend, deren Aufwendungen wertschätzend und sohin ein neues Bewusstsein fördernd: für den echten Wert eines Produktes (in krassem Gegensatz zum deutschen „Schnäppchen“).

Diese gemeinsam zu tragende Entwicklung würde auch das zuneh- mend verloren gegangene Vertrauen der Konsumenten wieder neu be- feuern, somit auch allzu kleinteilige Herkunftskennzeichnungs- Forderungen konstruktiv auflösen: Die hier drohen- den nicht unerheblichen Mehrkosten sind gerade im Sinne der Letztverbrau- cherpreise wohl besser zu vermeiden.

Der österreichische Markt ist unver- ändert ein wertvoller Markt mit vielen hoch engagierten Partnern – gestalten wir ihn gemeinsam werthaltig für die Zukunft. Die neu entdeckte Nähe, ob Lebensmittelgeschäft (offline!) oder Erzeuger, wird dazu viel beitragen können, wenn wir sie nur zulassen. In diesem Sinne: Masken ab!*

* natürlich nur im übertragenen

Sinne gemeint

ZUR PERSON

Günter Thumser

ist seit 2017 Geschäftsführer des Österreichischen Markenartikelverbandes (MAV). Davor wirkte Thumser jahrelang als Präsident von Henkel CEE und Europe – eines Unternehmens, dem er seit seinen Anfängen in der dortigen Marketingabteilung im Jahr 1978 vier Jahrzehnte treu blieb. Darüber hinaus fungiert er seit 2017 auch als Vizepräsident des ÖAMTC.

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