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Das Cannabis Modellprojekt Düsseldorf

PROF. DR. MEYER-FALCKE IM INTERVIEW

Bei Düsseldorf denken viele zunächst an Wirtschaftskraft und Leistungsbereitschaft, weniger an eine entspannte Haltung zum Kiffen. Wie erklärt es sich, dass ausgerechnet die Landeshauptstadt bei der Einrichtung legaler Abgabestellen so konsequent vorangeht?

@ LHC

Düsseldorf ist in der Tat eine wirtschaftlich starke und dynamisch wachsende Stadt. Düsseldorf ist aber auch geprägt durch Toleranz gegenüber den unterschiedlichen Lebensstilen – nicht zufällig sind wir eine Hochburg des Karnevals.

Hinzu kommt, dass die Stadt in den letzten Jahren unter meiner Leitung konsequent ihr Profil als moderne Gesundheitsmetropole geschärft hat – und damit meine ich keineswegs nur den Gesundheitstourismus, sondern die Entwicklung von Angeboten und Maßnahmen, die sich an die breite Bevölkerung richten. Die sieht auch die Weltgesundheitsorganisation so und hat Düsseldorf als eine von zwei deutschen Städten in ihr „European Healthy Cities Network“ aufgenommen. Für mich schließt eine Stärkung der Gesundheit der

@ LHC | INGO LAMMERT

Bevölkerung ein, dass wir neue Wege auch in der Drogen(präventions)politik gehen. Gleichsam im Nebenschluss stünde die von vielen Experten für sinnvoll erachtete Entkriminalisierung der heutigen „Besitzenden“.

Von wo kam der Anstoß?

Der entscheidende Impuls zu einer präventiven Neuausrichtung der städtischen Drogenpolitik kommt aus dem Düsseldorfer Stadtrat. Er hat die Frage diskutiert, wie sich eine kontrollierte Abgabe von Cannabisprodukten zu nichttherapeutischen Zwecken rechtlich und praktisch ausgestalten ließe, ohne dass es in der Folge zu einer Zunahme von suchtbedingten Erkrankungen kommt. Ziel ist eine streng regulierte Abgabe von Cannabisprodukten an Erwachsene zu Genusszwecken. Diese muss zwingend gekoppelt sein mit Schutz- und Präventionsangeboten insbesondere für Kinder und Jugendliche. Hierzu hat die Politik die Verwaltung beauftragt, einen Antrag beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) auf Ausnahmegenehmigung zum Betrieb von lizenzierten Abgabestellen von Cannabisprodukten zu stellen.

@ LHC | INGO LAMMERT

Dies ist alles andere als trivial, zumal der Gesetzgeber hohe Anforderungen definiert hat: „Eine Erlaubnis (…) kann das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte nur ausnahmsweise zu wissenschaftlichen oder anderen im öffentlichen Interesse liegenden Zwecken erteilen“, so steht es in § 3 des Betäubungsmittelgesetzes. Dies spricht dafür, den Antrag mit der Konzeption einer wissenschaftlichen Studie zu untermauern, an der 500 Düsseldorfer Bürgerinnen und Bürgern teilnehmen könnten (Konsumenten- und Kontrollgruppe).

Was sind die nächsten Schritte?

Glücklicherweise muss Düsseldorf nicht bei null anfangen: Der Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg hat einen ähnlichen Antrag an das BfArM gerichtet, der allerdings 2016 negativ beschieden wurde. Um erfolgreiche Alternativen auszuloten und die Diskussion in Fachkreisen wie auch in der Politik erneut anzuregen, hatte das Düsseldorfer Gesundheitsamt daher im Dezember 2016 zur Fachtagung „Cannabis – Gesundheitspolitischer Spielraum von Kommunen“ in den Plenarsaal des Düsseldorfer Rathauses eingeladen. Bemerkenswert war dabei insbesonders, mit welcher Sachlichkeit und Differenziertheit – durchaus kontrovers – über ein Thema diskutiert wurde, das bis noch vor wenigen Jahren stark emotionalisiert und polarisiert hat. In der Debatte zeichnete sich als mehrheitsfähiges Meinungsbild der Düsseldorfer Stadtpolitik ab, zur Untermauerung eines späteren Antrages zunächst ein konkretes Studiendesign entwerfen zu lassen: Ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zum oben skizzierten, wissenschaftlich basierten Modellprojekt.

Wie hoch sind die Kosten für das Modellprojekt und wer trägt sie?

Für die Konzepterstellung durch ein wissenschaftliches Institut rechnen wir mit 20.000 Euro, für die Durchführung der Studie mit ca. 800.000 Euro. Aktuell klären wir, ob andere Kommunen oder wissenschaftliche Einrichtungen daran interessiert sind, die Lasten zu teilen. Wir haben hierzu Kontakt aufgenommen zur Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität sowie zu weiteren deutschen Städten, die die Relevanz des Themas erkannt haben. So bestehen zum Beispiel in Münster ebenfalls Planungen, ein vergleichbares Modellprojekt durchzuführen.

Wie stehen Sie als Gesundheitsdezernent zum Thema Cannabis?

Der therapeutische Nutzen von Cannabis ist unbestritten. Das Anwendungsspektrum reicht von Krebs und Multiple Sklerose über Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa bis hin zu Glaukom und Parkinson. Wie bei jedem anderen Suchtmittel wie Alkohol oder Zigaretten gilt aber auch: Cannabiskonsum zu Genusszwecken kann der Gesundheit schaden. Dabei ist es dem Körper freilich vollkommen egal, ob die Substanz legal oder illegal erworben wurde (abgesehen davon, dass zusätzlich bei illegal angebotenen „Stoffen“ die konkreten Inhaltssubstanzen nicht kontrollierbar sind). Daher müssen Aufklärung und Prävention und natürlich der Jugendschutz im Vordergrund eines möglichen Pilotprojekts stehen. Es geht darum, Risiken aufzuzeigen und Hilfen zum Ausstieg anzubieten. Darauf, dass diese Aspekte Berücksichtigung finden, wird mein persönliches Augenmerk liegen.

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