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Niema Movassat - Die Linke zu Drogen

von Robert Brungert

Niema Movassat

Die Linke zu Drogen

Neuer drogenpolitischer Sprecher der Linken

Neben den Piraten ist die Linke die Partei, die alle Drogen regulieren möchte. Als Partei hat die Linke verschiedene Meinungsblöcke. Es gibt auch diejenigen, die gegen die Legalisierung von Cannabis sind, oder ausschließlich Cannabis regulieren wollen, andere Substanzen sollen weiterhin kriminalisiert werden. Als ehemaliger drogenpolitischer Sprecher der Linken hat es Frank Tempel mit der Bundestagswahl am 24.09.2017 nicht in den Bundestag geschafft. Im Januar 2018 wurde Niema Movassat dieses Amt übertragen. Eine Recherche ergab, dass Niema Movassat genau wie Frank Tempel zu den Politikern gehört, die das BtMG abschaffen und jede Droge regulieren möchten. In Portugal wurde der Eigenkonsum jeder Droge 2001 entkriminalisiert, um das gravierende Drogenproblem in den Griff zu bekommen.

Herr Movassat, wenn ich das soweit richtig erkannt habe, wollen Sie natürlich nicht alle Drogen unkontrolliert freigeben, wie es derzeit auf dem Schwarzmarkt passiert – sondern wie in Portugal auf intelligente Weise regulierend eingreifen?

Niema Movassat: Zunächst mal: Die Unterteilung in „weiche“ und „harte“ Drogen ist schwierig. Denn auch „weiche“ Drogen wie Alkohol können sehr harte Folgen haben. Unser Schwerpunkt als LINKE liegt auf einer Legalisierung von Cannabis. Wir wollen KonsumentInnen entkriminalisieren und einen legalen Zugang zu Cannabis unter Berücksichtigung des Jugendschutzes schaffen. Was andere, bisher illegale Drogen betrifft: Drogenabhängige gehören nicht strafrechtlich verfolgt. Wenn man den Schwarzmarkt – auf dem Drogen lebensgefährlich verunreinigt sind, austrocknen will, kommt man langfristig über eine Legalisierung aller Drogen nicht hinweg. Die Legalisierung ist aber an Bedingungen zu knüpfen und kann – anders als die Entkriminalisierung der Konsumenten – nicht von heute auf morgen erfolgen. Sie erfordert die Einrichtung umfangreicher Gesundheits-, Aufklärungs- und Hilfsmaßnahmen. Zudem muss ein tragfähiges Konzept entwickelt werden, wie die Abgabe von bisher illegalisierten Drogen organisiert werden muss, damit der Zugang ermöglicht, aber der Konsum nicht gefördert wird. In jedem Fall braucht es Modellprojekte. Die Liberalisierung muss mit einer sachlichen gesellschaftlichen Debatte über die sozialen, gesundheitlichen und finanziellen Folgen der Kriminalisierung sowie die Chancen und Gefahren einer Liberalisierung einhergehen.

Die dritte GroKo in Folge ist beschlossen. Ist diese GroKo das erneute K.o. in Deutschland für die ansonsten weltweit voranschreitende Cannabis-Legalisierung?

Niema Movassat: Es ist tatsächlich nicht damit zu rechnen, dass die Unionsparteien in absehbarer Zeit von ihrer ideologischen Haltung abrücken werden. Die Union wird wohl weiterhin wollen, dass Cannabiskonsumenten kriminalisiert werden. Die beiden Schwesterparteien sind dabei leider nicht für Evidenz und Fakten zugänglich. Wie es bei der SPD aussieht, muss sich noch zeigen. Wir hoffen auf die progressiven Teile der Partei. Bei der jüngsten Bundestagsdebatte hat die SPD – zu unserer Überraschung – Gesprächsbereitschaft signalisiert. Es bleibt offen, wie sie sich verhält, wenn die Koalition steht. Ich hoffe, dass die Abgeordneten sich an die Ankündigung von Martin Schulz im Wahlkampf erinnern werden, der diese Frage zur Gewissensentscheidung erklärt hatte. Es könnte also möglicherweise spannend werden, sollte die SPD Wort halten.

Ist der Deutsche Bundestag für die deutsche Cannabis-Legalisierung überhaupt wichtig? Werden wir unabhängig zu diesem einfach bei den Nordamerikanern mit schwimmen?

Niema Movassat: Der Deutsche Bundestag ist zentral, da er insbesondere das Betäubungsmittelgesetz, dass Cannabis bisher gänzlich verbietet, ändern muss.

Mir ist bekannt, dass Frank Tempel 2107 mit seinen Standpunkten sozusagen umgangen wurde. Die Linke will in ihrem Programm vorerst doch nicht alle Drogen, sondern nur Cannabis regulieren. Dürfen die Linken solche Problemthemen nicht anpacken, da ihr sonst noch mehr außen vor seid?

Niema Movassat: Unsere Partei sollte gerade dafür stehen, „Problemthemen“, wie Sie sie bezeichnen, anzupacken. Dass unterscheidet uns gerade von anderen Parteien, die Politik nicht aus Überzeugung, sondern an Umfragewerten orientiert machen. Ein Parteiprogramm wird aber basisdemokratisch beschlossen. Ich persönlich halte die Prohibitionspolitik in der Tat für insgesamt gescheitert

Wir haben praktisch mit der internationalen Opiumkommission von 1909 rund 100 Jahre Drogenverbote, die all ihre erklärten Ziele verfehlen. Was daran ist unverständlich, wenn ganze Staaten durch die Mafia übernommen oder kontrolliert werden und nicht weniger Menschen Drogen konsumieren?

Niema Movassat: Die globale Drogenpolitik hat vor allem Drogenkartellen, also Mafiaorganisationen, genutzt. Der Drogenkrieg destabilisiert ganze Staaten, siehe Kolumbien und Mexiko. Leider ist das Thema Drogenpolitik wie kein anderes Thema geprägt von Tabus und Moralismen. Ich denke, dass gerade dieses Bild in der Gesellschaft verhindert, dass Drogenpolitik weit überwiegend nicht evidenz- und faktenbasiert betrieben wird. Das muss sich dringend ändern, auch um der Mafia das Handwerk zu legen.

Legale Drogen sind ok, illegale nicht, so der Gesetzgeber. Ist es denn besser, von Alkohol oder Medikamenten abhängig zu sein? Oder ist es deswegen besser, da hier legal verdient werden kann?

Niema Movassat: Sie weisen auf einen sehr interessanten Punkt hin! Die Drogenpolitik ist in ihrer Widersprüchlichkeit und Inkonsequenz kaum zu überbieten. Wir haben über 70.000 Drogentote im Jahr. Die legalen Drogen töten mehr Menschen als alle illegalen Drogen zusammen.

Für diese gefährlichen, legalen Suchtmittel darf ja sogar noch geworben werden! Hier stehen wohl - insbesondere bei den Unionsparteien - Lobbyinteressen im Vordergrund, als der angebliche Gesundheitsschutz. Als Linke sind wir da schließlich noch viel verantwortungsvoller. Wir sind für ein umfangreiches Werbeverbot für alle Drogen. Auch für Cannabis sollte niemals geworben werden dürfen.

Bei meinem letzten Einkauf war der Wodka strategisch im Supermarkt verteilt, um nicht an ihm vorbei zu kommen. Wie ist es mit diesen bereits legalen Drogen Alkohol und Tabak: Gehören die in den Supermarkt oder auch in ein Drogenfachgeschäft?

Niema Movassat: Ich würde jetzt nicht anfangen, Tabak und Alkohol aus den Supermärkten rauszunehmen, dafür gibt es auch gesellschaftlich keine Mehrheit und kein Verständnis.

Soll denn möglichst wenig gekifft werden? Oder ab 18 nach Lust und Laune? Muss der Eigenanbau unterbunden werden, um die Preise durch die Decke zu treiben? Oder soll jeder auch seine Pflanzen haben und sein Geld behalten dürfen?

Niema Movassat: Wir wollen als LINKE nicht, dass für Drogen geworben wird, auch nicht für Cannabis. Wir sollen keine Konsumförderung betreiben. Wer aber Cannabis konsumieren möchte, sollte dies tun können und auch ein Eigenanbau in einer Menge, die dem Eigenbedarf dient, muss möglich sein.

Wer mehr kifft, nimmt gewiss von anderen Substanzen weniger, die es teils wie der Alkohol in sich haben. Es geht bei der Regulierung aber auch um das Trockenlegen krimineller Strukturen. Wenn ein Gramm legal 10 Euro kostet, verkaufen die Dealer es einfach für 7 Euro?

Niema Movassat: Dass der Drogenmarkt durch legale Zugangswege vollständig ausgetrocknet würde, behauptet ja niemand. Der Schwarzmarkt würde allerdings entscheidend eingedämmt. Außerdem geht es ja auch darum, dass man nicht mehr gezwungen ist, auf lebensbedrohliche und gestreckte Substanzen zurückzugreifen, sondern der Zugang zu sauberen Substanzen eröffnet ist. Aber natürlich muss auf dem legalisierten Markt gewährleistet sein, dass die Preise nicht zu weit über dem Schwarzmarkt sind. Das Problem haben wir ja schon heute, dass Cannabis als Medizin 20 Euro pro Gramm in der Apotheke kostet und dies für viele Betroffene viel zu teuer ist und sie dann doch wieder auf den Schwarzmarkt gehen.

Wie kann Ihrer Meinung nach der Jugendschutz bei einer Regulierung besser umgesetzt werden, als bei einem offenen Schwarzmarkt?

Niema Movassat: Wenn Cannabis legal zugänglich ist, kann eine Altersüberprüfung stattfinden. Dies geschieht beim Schwarzmarkt nicht.

Hilft es denn den Jugendlichen, wenn Erwachsene für Konsumhandlungen ohne Kontakt zu Jugendlichen ihrer Freiheiten durch das Strafrecht, oder ersatzweise durch das Führerscheinund Arbeitsrecht beraubt werden?

Niema Movassat: Die Prohibitionspolitik und das Mittel des Strafrechts sind tatsächlich - auch aus rechtsstaatlicher Perspektive - sehr bedenklich. Eine solche Entmündigung erwachsener Bürger, wie sie in der Drogenpolitik stattfindet, sollte einem freiheitlichen Staat fremd sein. Gerade im Straßenverkehr hat die Drangsalierung von Konsumenten irrsinnige Auswüchse angenommen, die aus meiner Sicht auch mit den Rechtssätzen des Bundesverfassungsgerichts nur schwer vereinbar sein dürfte. Dass man seinen Führerschein verliert, nur weil man zum Beispiel Cannabis dabei hat in seiner Tasche, ist nicht nachvollziehbar.

Wenn der Schwarzmarkt nicht zu 100% ausgetrocknet wird, könnten die Jugendlichen hier weiterhin Marihuana erwerben?

Niema Movassat: Das dürften sie nicht, nein. Eine Entkriminalisierung von Cannabis zu Konsumzwecken würde ja eben nicht bedeuten, dass der Handel und der Verkauf von Cannabis an Jugendliche nicht weiterhin unter Strafe stehen würde.

Zu den nicht stoffgebundenen Suchtformen: Sind das Themen für Sie oder nur der richtige Stoff?

Niema Movassat: Drogenpolitik ist auch Suchtpolitik. Auch auf vernachlässigte Themen wie Kauf-, Arbeits- und Spielsucht sollte ein Augenmerk liegen.

Noch eine persönliche Frage: Ihre Eltern sind Iraner. Im Iran werden viele Menschen für Drogendelikte umgebracht. Es geht meist um Opiate, da der Iran ein Transitland ist. Was denken Sie sich dabei?

Niema Movassat: Der Iran fährt eine sehr restriktive Drogenpolitik, die zu vielen Drogentoten führt und den Konsum nicht senkt. Das Beispiel Iran zeigt eben, dass selbst härteste Strafen den Konsum nicht verhindern und ganz im Gegenteil großen gesellschaftlichen Schaden anrichten.

Soweit Niema Movassat über seine Standpunkte und sein Vorhaben als drogenpolitischer Sprecher der Linken. Ob wir in Deutschland selber legalisieren, oder doch nur bei den Nordamerikanern mitschwimmen: Zumindest die Regulierung von Cannabis lässt sich nicht mehr aufhalten, wir müssen sie nur in Bahnen lenken, die für uns Bürger sinnvoll sind.

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