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Interieur & Lifestyle aus Hanf

von Christian Bödefeld

Ein interessantes Anwendungsgebiet von Hanf ist die Möbelindustrie. Ob Textilien, Teppiche, Tapeten oder ganze Möbel, Hanffasern können viele Formen annehmen und erzeugen einen besonderen Stil.

Ein Teppich aus Hanf?

Die Naturfaser Sisal ist in diesem Zusammenhang womöglich besser bekannt. Ein Hanfteppich besitzt eine ähnliche Optik und hat vergleichbare Eigenschaften. Mit dem Unterschied, dass Hanffasern noch langlebiger und strapazierfähiger sind. Das raue Erscheinungsbild sorgt für ein natürliches und rustikales Aussehen. Teppiche aus Hanffasern eignen sich vor allem dort, wo andere Textilien aufgrund der hohen Beanspruchung mit der Zeit den Geist aufgeben. Durch Ausklopfen kann er ganz einfach gereinigt werden.

In einem Gemisch mit Baumwolle und anderen Fasern wie Leinen, Seide oder Wolle werden aus Hanffasern sehr schöne Gardinen mit einem natürlichen UV-Schutz gefertigt. Hanf ist schimmelresistent, nimmt Feuchtigkeit auf und gibt sie schnell wieder ab. Auch in Wandtapeten machen die Fasern eine gute Figur. Neben dem edlen Erscheinungsbild optimieren Hanffasern die Isolation sowie den Schallschutz der Wände.

Naturbelassene und unbehandelte Hanffasern haben eine hellbraune Farbe und erzeugen eine edle Naturoptik, die hervorragend zu anderen Naturtönen passt und sehr gut mit Materialien wie Wolle, Sisal, Jute, Kokos und natürlich Holz kombiniert werden kann.

Hemp Chair, Bettdecken und edles Design

Monobloc-Stühle kennt man vor allem aus Kunststoff. Die beliebten Gartenmöbel sind aus einem Guss gefertigt und können leicht gestapelt werden. Die Idee einer ansprechenden Sitzgelegenheit aus einem Verbundwerkstoff mit Hanffasern ist etwas älter. Mit dem Projekt Hemp Chair kombiniert der Berliner Designer Werner Aisslinger umweltfreundliche Materialien und praktische Sitzgelegenheiten. Der Hemp Chair besteht hauptsächlich aus Hanffasern und anderen Naturfasern und wurde 2016 im Rahmen des 150. Geburtstages von BASF auf einer Möbelausstellung in Mailand vorgestellt. Entstanden ist die Idee jedoch schon früher. In Verbindung mit einem speziellen Binder wird der Stuhl unter Hitze in einer Presse geformt.

Die Sitzgelegenheit ist in vielerlei Hinsicht ökologisch. Durch den speziellen Binder, der in Zusammenarbeit mit dem Chemiekonzern BASF entstand, entstehen keinerlei Schadstoffe wie Formaldehyd oder Phenole. Der Chemiehersteller, der auch an der Entwicklung von Kunststoffen forscht, die nicht auf Erdöl basieren, lieferte den Leim auf Wasserbasis.

Das Verfahren, bei dem Naturfasern gepresst werden, wurde eigentlich für die Automobilindustrie entwickelt. Der Hemp Chair als Stapelstuhl aus Naturfasern ist eine Idee für ein nachhaltiges Gegenmodell zu den stapelbaren Monoblöcken aus Kunststoff und der freischwingende Sessel sieht zudem ziemlich stylish aus. Die Eigenschaften der Hanffaser oder anderer Naturstoffe wie Kenaf machen sie zu einem perfekten Material, das den Ansprüchen einer hochwertigen Sitzgelegenheit gerecht wird.

Es gibt aber auch andere Stühle, die Hanffasern nutzen. Eine Sitzfläche aus kräftigem und luftdurchlässigem Hanfgewebe macht das Möbelstück nicht nur leichter, sondern auch unempfindlicher gegen Witterungseinflüsse wie Sonne oder Feuchtigkeit. Obwohl man Stoffe generell nicht im Regen stehen lassen sollte, eignen sich Verbundwerkstoffe mit Hanffasern gut für den Einsatz als attraktive Gartenmöbel, die auch Mal eine Nacht im Freien verbringen können.

Im Angebot des Luxusmöbelherstellers Cuero Design findet man eine interessante Auswahl an Butterfly-Stühlen, darunter auch ein Exemplar mit einer Sitzfläche aus Hanffasern. Nils Kjerstadius ist Geschäftsführer des schwedischen Möbelherstellers und von den Vorteilen des Materials überzeugt. „Hanf ist unglaublich vielseitig. Im Sommer atmet das Material und kühlt, während es im Winter schön warm hält. Die Luft in den Hanffasern wird durch das Sitzen von unserem Körper aufgewärmt, was unseren Stuhl zu einem perfekten Möbelstück für jede Jahreszeit macht. Er ist sehr bequem und das Wichtigste ist, er ist gut für die Umwelt“, so Kjerstadius.

„Nature meets Art“, heißt die Philosophie hinter Cuero, die man mit dem Butterfly-Sessel aus Hanffasern umsetzen wollte. Für Nils Kjerstadius eine eindeutige Angelegenheit, denn seiner Meinung nach verspüren Menschen immer den Drang, mit der Natur in Kontakt zu treten und welches Material wäre dafür besser geeignet als Hanf. Hanf sei so nah an der Natur wie nur möglich, die Pflanze könne beinahe überall wachsen, hält Kjerstadius fest.

Die Idee für einen Stuhl aus Hanffasern stammt ursprünglich von seinem Vater, der das Unternehmen vor mehr als 30 Jahren gründete. Dass das Material in der heutigen Zeit immer noch aktueller denn je ist, beweisen zukünftige Projekte und Aufträge von Cuero. Der Plan ist, Hanf in die komplette Kollektion zu integrieren. Erst kürzlich stattete der Hersteller ein veganes Restaurant in Stockholm mit einer veganen Version des Hanf-Butterfly-Sessels aus.

Mit seinen Eigenschaften eignet sich Hanf nicht nur für die Möbelherstellung. Auch als Füllmaterial für Decken und Kissen ist die vielseitige Kulturpflanze eine ökologisch sehr sinnvolle Alternative.

Bettdecken aus Hanf sind antistatisch, sehr gut hautverträglich und können bei 60°C gewaschen werden. Dank der Waschbarkeit sind sie bestens für Allergiker und Menschen geeignet, die eine Bettdecke ohne Tierfasern und mit optimaler Wärmespeicherung suchen die gleichzeitig Feuchtigkeit absorbieren kann. Sie nimmt Schweiß optimal auf und sorgt damit gleichzeitig für ein angenehmes Raumklima.

Dass Produkte aus Hanf nicht nur nachhaltig und gut für die Umwelt, sondern auch optisch sehr ansprechend sein können, beweisen die Brillengestelle der schottischen Firma Hemp Eyewear. Die sehr schönen und hochwertigen Brillen aus Hanffasern sind in verschiedenen Modellen erhältlich und verbinden Nachhaltigkeit mit Ästhetik.

Auch Sam Whitten, Gründer von Hemp Eyewear ist sich sicher, dass er mit Hanf auf einen Rohstoff setzt der nachhaltiger, umweltfreundlicher und vielfältiger nicht sein könnte. „Es ist Pionierarbeit nötig um nachhaltige Technologien zu entwickeln die es vorher in der Brillen-Industrie nicht gegeben hat. Das bedeutet natürlich auch, dass man einen langen Lernprozess hat der nach dem Motto “Trial and Error” viel Zeit und Geld kostet. Zusätzlich zu dieser Belastung kosten die Maschinen, welche teils individuell gebaut werden müssen, eine Menge Geld“, betont Whitten.

Zudem geschieht die Verarbeitung von Hanf unter völlig anderen Voraussetzungen. „Jedes einzelne Gerät, welches in der Manufaktur genutzt wird ist ein spezielles Gerät oder wurde extra individualisiert, da alles genau auf die speziellen Bedürfnisse angepasst werden muss. Zudem muss man erst lernen wie damit umzugehen ist. Die Geräte sind eine Mischung aus alten Maschinen aus der Handwerkskunst und hochmodernen Technologien“, erklärt Whitten, der den Rohstoff für seine Produkte derzeit noch großteils zukauft, jedoch bereits einen ersten eigenen Test-Anbau einige Kilometer von Edinburgh entfernt realisiert um den gesamten Kreislauf in Zukunft selbst zu kontrollieren.

Hanf: Rohstoff der Zukunft?

Wer in Deutschland Nutzhanf anbauen möchte, muss Landwirt sein und das Vorhaben beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte anmelden. Letztendlich muss man dafür eine Mitgliedschaft in der Landwirtschaftlichen Sozialversicherung vorweisen und es dürfen nur lizenzierte Sorten angebaut werden. Selbst gewonnenes Saatgut darf nicht wieder eingepflanzt werden. Hinter Möbeln aus Hanf steht ein grundlegendes Prinzip: Nachhaltigkeit und ökologisches Wohnen. Dass sich das auch im Haushalt umsetzen lässt, zeigen Trends wie Upcycling Möbel. Upcycling ergänzt das Recycling und aus eigentlichen Abfallprodukten entstehen Möbel, Deko oder Wohnaccessoires. Das Ganze ist mittlerweile zu einem richtigen Trend geworden.

Sitzgelegenheiten aus alten Paletten sind da noch die einfachsten Beispiele. Nicht nur aus Gründen der Ressourceneinsparung und des Umweltschutzes ist das eine gute Sache. Vor allem in Eigenregie lassen sich aus Abfallprodukten kreative Unikate erstellen. Holz als stilistisches Element, Wein- und Obstkisten werden zu rustikalen Wandregalen oder alte Flaschen zu schönen Vasen oder einer raffinierten Tischdekoration. Ein Trend, der in einer vermeintlichen Wegwerfgesellschaft wichtiger ist, denn je.

Durch mutige Ideen und Projekte wie den Hemp Chair, bei dem auch Großkonzerne mitwirken, lässt sich Hanf als Rohstoff womöglich wieder ein Stück im Bewusstsein der Industrie etablieren. Konzepte wie Upcycling, das es auch in anderen Bereichen gibt, setzen auf Ökologie und beweisen, wie ästhetisch Nachhaltigkeit sein kann. Fraglich ist jedoch, ob der Hanfanbau jemals wieder ein bedeutender Wirtschaftszweig werden wird. Unserer Umwelt käme es mit Sicherheit zugute.

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