MONO/d Texte

Page 1

INDEX CHRI FRAUTSCHI

WO IST EIGENTLICH DAS HAUS AM GERN ? ❉ TRMASAN BRUIALESI

DIE NUMMERN AUSMALEN... ❉ CLAUDIA SPINELLI, ROLF BISMARCK

GUTE KUNST BIETET KEINE VERSICHERUNG ❉ ANDREA DOMESLE

‘THE SAME PROCEDURE AS EVERY YEAR ’ ❉ THOMAS SCHÖNBERGER

ÜBERSCHREITUNGEN – KONSTANTEN IM WERK VON HAUS AM GERN ❉ ANNELISE ZWEZ

HAUS AM GERN IST EINE REALE FIKTION AUTORINNEN UND AUTOREN



CHRI FRAUTSCHI

WO IST EIGENTLICH DAS HAUS AM GERN ? «Wo ist eigentlich das Haus am Gern?», werde ich oft gefragt. Die Weg­be­schrei­ ­­bung tönt zwar kompliziert, ist aber eigentlich einfach: Du gehst erst mal links, der Provokationslinie entlang. Einen Klaps wei­­ter, beim fal­lenden Rössli biegst du ab Richtung Fremder Sender, alles gerade aus bis zum Bau­büro. Dort schlägst

du einen Haken am Paech­brotbaum vorbei. Nach ca. 475 Metern hörst du die Hasenglocke … eigen­artiger Effekt … und gehst di­rekt in den Park. Bleib dort auf dem Haupt­weg, denn beim streikenden Mu­seum hän­gen die Young Respon­ s­ible Artists rum, Artist­fuckers, Gestalten in Ku­klux­clan-Monturen hauen Schei­­­­­ben ein und es wimmelt von Naked People Findern. Du kommst nun zum

ge­­schichtsfreien Raum, fragst den Art Process Inspector nach dem Schlüssel. Von dort aus kannst du’s bereits sehen; es be­fin­­det sich gleich neben dem Turm von Münchhausen. Auch wenn dir die Beine zappelig geworden sind: Haus am Gern zu fin­den ist nun wirklich Pipifax !!! Je ne sais quoi. Vielleicht soviel: ZGgHaGswdWl !!! ( Zum Glück gibt’s Haus am Gern sonst wäre die Welt langweiliger ! )



TRMASAN BRUIALESI

DIE NUMMERN AUSMALEN…

«Was tut eigentlich Haus am Gern?», werde ich gelegentlich gefragt.«Haus am Gern tut mir leid», antworte ich jeweils. Ha, ha! das ist na­tür­lich ein Witz. Und ein schlechter noch dazu. Aber die Reaktion der Fra­ge­steller er­heitert mich jeweils sehr, was – nehme ich an – ganz im Sinne von Haus am Gern wäre. Denn Haus am Gern gibt ebenfalls gern Antworten auf Fragen, die so nicht gemeint waren oder gar nie gestellt worden sind. Die Übersicht der Werke, die diese Monografie vermittelt, gibt mir jedenfalls diesen Eindruck: hier ist ein unartiges Kind am Werk, das «auf die Treppe spuckt»1. Was ich jedoch als reines Ablenkungsmanöver in­terpretiere, um unsere Aufmerksamkeit vom Schein zum Sein zu len­ken, damit der Adres­ sat (denn Haus am Gern wendet sich mit jedem Pro­jekt an genau definierte Adressaten, die überdies kaum je einfach nur dem Kunst­system angehören) die Deckung der allgemeinen Wünsche, Projektionen und Erwartungen verlässt, hinter denen sich die Gesellschaft beim Kontakt mit Künstlern gerne in Sicherheit bringt – sogar dann, wenn die Rolle des Künstlers nur darin besteht, die «Nummern der Mit­häftlinge im Lager»1 auszumalen. «Unsere künstlerische Strategie ist es», schreibt Haus am Gern, «mit Hil­­fe von Bildern Projektions- und Reibungsflächen zu bieten, welche über die konventionellen Grenzen des institutionellen Rahmens hinaus grund­ legende Fragen an das Vermögen der Wirklichkeitsbewältigung stellen.» Die ebenso ungelenken wie anmassenden Formulierungen, mit welchen Haus am Gern seine künstlerische Strategie formuliert, unterstützen mei­ ne oben geäusserte Vermutung. «In unserer gemeinsamen künst­lerischen Arbeit erspähen oder schaffen wir Lücken in bestehenden Systemen, die wir mit allen Mitteln füllen, die sich aufdrängen», lautet etwa ein solcher Grund-Satz. Und: «Wir agieren dabei unter dem Label Haus am Gern und erklären uns zum Unternehmen nach allen Regeln der Kunst.» Dass sich hier beim Lesen so manches kunsthistorische Nackenhaar sträubt ver­ steht sich von selbst. Aber damit sind wir schon mittendrin: die Reaktion


ist Programm, denn «mit Haus am Gern haben wir eine künstlerische Stra­ ­tegie entwickelt, die uns die Freiheit gibt, sämtliche Rollen, die das System Kunst anbietet, selber einzunehmen», also z.B. die kunst­histo­ri­schen Texte in diesem Heft selber zu verfassen (sic!) und «mit diesem über­ra­schend na­he liegenden Stilmittel mischen wir uns mit Haus am Gern in den lau­ fen­den Kunstdiskurs ein, aber nicht nur ...» Aber nicht nur! Was denn noch? «Macht ist für uns grundsätzlich ein Thema, wir scheuen die Ver­ ein­nahmung nicht und suchen die Herausforderung für uns und das Pub­ li­kum. Unsere Aktionen und Interventionen nehmen ihren eigenen Lauf und werden so für alle Beteiligten zu Abenteuern, die immer Vergnügen be­ rei­ten, aber nicht nur, denn die Überforderung als Basis trifft bei künst­le­ rischen Aktionen alle Beteiligten unvorbereitet und sehr effektiv.» Dies, so Haus am Gern weiter, erfolge in der Regel mit eingängigen, allgemein decodierbaren Bildern und verzichte auf die «schützenden Mittel der künst­ lerischen Abstraktion», um den Denkraum wirksam nach innen und aus­ sen zu erweitern. Dem gibt es nichts weiter hinzuzufügen, ausser eben je­ne Bitte an die LeserInnen, die ich schon vor einigen Jahren formuliert habe: «Bitte zeichnen Sie nun ein Pferd!»2

1

«Kabakov: Wichtig ist, wenn man annimmt, die gesamte Geschichte der Kunst sei die Geschichte von Institutionen

und nicht die Geschichte der freien Künstler, die in der Tat Mitarbeiter einer Einrichtung mit einer unendlichen Tradition sind, dann arbeiten wir heute in einer unendlich währenden Einrichtung, deren Direktoren wechseln und Gebäude renoviert werden, doch die im Grund immer dieselbe Funktion erfüllt. Das ist eine bürokratische Einrichtung, die ihre Regeln hat und einerseits, wie jede bürokratische Einrichtung, ihre öffentlichen Funktionen erfüllt - die Teilnahme am Leben des ganzen «Lagers» (der Künstler beteiligt sich am Lagerleben, indem er die Nummern ausmalt), aber andererseits hat sie eine eigene innere Leitung, die sehr streng über die Beziehungen unter allen Mitgliedern der bürokratischen Organisation wacht und vor allem darüber wacht, dass sie keinen Dreck machen, nicht auf die Treppe spucken, überhaupt bei der Arbeit erscheinen, das heisst diese oder jene Funktionen erfüllen. Es gibt ein System der Kontrolle, ein System von Künstlern oder Artisten, die die Anforderungen gut kennen und peinlich genau erfüllen, und eine Schicht von jungen und neu hinzugekommenen Mitarbeitern, die noch nicht im Bilde sind. Von ihnen wird gefordert, sich zurechtzufinden. Wenn sie das richtig machen, orientieren sie sich allmählich, wie man in den ersten Stock oder ins Sekretariat kommt, wenn sie es schlecht machen, erhalten sie nach einiger Zeit die stumme Empfehlung zu gehen, diesen Platz zu räumen. Der Eintritt in diese Einrichtung auch das Leben darin ist vollständig reglementiert. Das grösste Gefühl der Freiheit erreichen in dieser Einrichtung jene, die die Verhaltensregeln genau kennen und einhalten.» PAVEL PEPPERSTEIN UND GÄSTE – Projekt Sammlung 1998 – 2002, Hg. Kunsthaus Zug, Matthias Haldemann, Hatje Cantz Verlag, Ostfildern 2004, S.96 – 97 2

NJAHBIC, Vorwort von Trmasan Bruialesi in der Publikation zur gleichnamigen Ausstellung in der Kunsthalle Bern

2001, Edition Haus am Gern, Biel/Bienne


CLAUDIA SPINELLI, ROLF BISMARCK

GUTE KUNST BIETET KEINE VERSICHERUNG IM GESPRÄCH MIT BARBARA MEYER CESTA UND RUDOLF STEINER

CS: Im Vergleich etwa mit altehrwürdigen In­sti­tutionen wie einer Kunst­halle Basel oder Bern ist Haus am Gern mit seinen zwölf Jah­ ren noch sehr jung. Musste sich die Insti­tu­ tion in dieser Zeit dennoch neu definieren? BMC: Uns ging es nie um eine endgültige Fest­legung. Aber um die Stoss­richtung un­ se­rer Arbeit im Griff zu haben, waren na­tür­ lich Klärungen not­wendig. Ich bin mir nicht si­cher, ob wir schon aus den Kinder­schuhen raus­­gewachsen sind, obwohl es natürlich im Rückblick eine Entwicklung gegeben hat. Ich glaube aber, dass ein roter Faden in unserer Arbeit er­kenn­­bar ist. RS: Vielleicht haben wir ein wenig von un­se­ rer Naivität abgelegt. Der Reiz einer freien, ab­solut leeren Spielwiese ist nicht mehr da. Ich glaube aller­dings nicht, dass wir uns des­ wegen Sorgen machen müssten. CS: Ausgangspunkt war ja die Idee einer fik­ tiven Institution.

und sich all Eure Projekte auf einen konkreten, je­weils aber anderen Ort beziehen, ist nun doch reichlich verwirrend. BMC: Es ging von Anfang an um ein Spiel mit der Wahrnehmung eines even­­tuellen Ge­ gen­übers, mit einer Zielgruppe, die man viel­ leicht ein wenig zum Narren hält, dadurch dass man sich zwar ein solches Label gibt und dennoch nicht klar definiert werden kann, was dahinter steckt und be­wusst mehrere Optionen offen hält. Haus am Gern war von An­fang an ein Akt der kommunikativen He­ raus­forderung und ist es bis heute geblieben. CS: Haus am Gern, Bern, See, Strand, Alpen­ pa­norama, Guguuseli? RS: Klar, Haus am Gern spielt mit Konven­ tio­nen und Bildern wie Haus am See oder ähnlichem. Die Namensfindung hatte aller­ dings überhaupt nichts mit «Gäng Bärn gärn» zu tun. Es sind einfach die vier Buchstaben G, E, R und N, die wir zufällig in dieser An­ord­ ­nung gefunden haben.

RS: Das Konstrukt einer eigenen Institution sollte uns als jungen un­be­kann­ten Künstlern BMC: Der Name ist eigentlich ein «objet trou­ mehr Gewicht geben und das übliche Macht­ vé». Die vier Buchstaben wa­­ren wohl einmal gefälle zwi­­schen unbekannten Künstlern und Teil einer Werbebeschriftung. Wir haben sie Institutionen wie Kunsthallen oder Mu­seen gefunden und irgendwann einmal gewa­schen. aushebeln helfen. Und plötzlich standen sie in dieser Rei­­hen­ folge da und haben uns vereinnahmt. Leider CS: Der Name Haus am Gern suggeriert ei­ funktioniert GERN nur auf Deutsch. Aber in nen konkreten Ort. Dass Ihr aus­­gerechnet dieser Sprache ist das Wort sehr ein­gängig un­ter diesem Etikett kontextbezogen arbei­tet und fun­ktio­niert mit unserem Ar­beits­­prinzip


«mitten ins Herz» hervorragend. Diesem Wort kann man sich kaum entziehen, selbst wenn es im Zu­sam­menhang mit einer In­sti­tu­tion erscheint.

CS: Und dennoch ist der Begriff nicht leicht greifbar. RS: Wir haben es gern, dass man darüber stolpert und anfängt, Fragen zu stellen. Im di­rekten Zusammenhang mit dem Namen haben wir auch schon beides erlebt. Einmal sind die Leute begeistert und gehen auf Haus am Gern zu wie auf ein gemütliches Sofa. Ein andermal versuchen sie sich die­­sem Sog zu entziehen und wenden sich schnell wieder ab. CS: Ein gewünschter Nebeneffekt – wollt ihr die Leute herausfordern? BMC: Nein, zuerst wollen wir die Leute ein­ fach einmal ansprechen, sie tat­sächlich er­ rei­chen. Man kann doch den Menschen nicht einfach etwas vor die Nase setzen, mit dem sie überhaupt nichts zu tun haben. Wenn nun un­ser Name schon dafür sorgt, dass man nicht achtlos an uns vorbeigehen kann, auch wenn eine gewisse Verunsicherung mit­­schwingt, ist das gut. Meiner Meinung nach sorgt gute Kunst im ersten Moment immer für eine ge­ wisse Verunsicherung. Gute Kunst bietet kei­ ne Ver­si­che­rung. Das ist ei­­­nes der Funda­ men­te, auf denen unsere gesamte künstl­e­ ri­sche Arbeit be­­ruht. RS: Tatsächlich ist das, was Haus am Gern macht, offen. Es lässt sich nicht festmachen, weder am Material, mit dem wir arbeiten, noch am Medium. Auch thematisch lässt sich Haus am Gern nicht so leicht einordnen. BMC: Wir bieten nicht die einfach zu be­die­ nende Ware. Jedes Werk, jede Ar­beit ist eine neue, eigene Geschichte. Aber dennoch: zu­ nächst einmal funktioniert Haus am Gern wie ein Label.

RS: Ein Label, das kontextbezogen arbeitet und von dem man mittlerweile etwas Pro­vo­ katives erwartet. Das hat auch seine Tücken, denn wenn wir z.B. in der Kunsthalle Bern konsequenterweise den Kunstkontext the­ma­ ­­­­ti­sie­ren, dann ist man enttäuscht und hält un­sere Arbeit für weniger bri­sant. BMC: Was natürlich billig ist und ich als Vor­ wurf nicht akzeptieren kann. Kontext ist Kon­ text. Wenn ich in einer Metzgerei stehe, ar­bei­ te ich mit die­sem Umfeld und wenn ich in einem Kunstmuseum bin, ist das eben das zu bearbeitende System. Und wenn wir ei­ nen Auftrag für Köniz erhal­ten, dann machen wir eben eine Arbeit für Köniz. Die Heran­ge­ hensweise un­ter­­scheidet sich für uns nicht, es ist einfach ein anderes Umfeld. CS: Wo ist Haus am Gern denn politisch ein­ zuordnen? BMC: Haus am Gern agiert immer kontext­ bezogen. Hier unterscheidet sich Haus am Gern denn auch von meiner eigenen, per­ sön­­lichen Arbeit, wo es durchaus auch um einen allgemeinen Inhalt gehen kann. Dazu kommt, dass Haus am Gern oft die Zu­sam­ menarbeit mit weiteren Kunst­schaffenden oder Fachleuten sucht und damit die Auto­ ren­schaft erweitert. RS: Dieser Kontextbezug kann auch in der Aktualität liegen. Denn letztlich nehmen wir lediglich Orte und ihre Systeme in den Fo­ kus. Orte, die ihrer­seits durchaus von einem weit entfernten Ereignis oder einem grös­se­ ren Ganzen beeinflusst sein können. Ein gu­ tes Beispiel dafür ist ein Projekt, das wir in Steffisburg realisiert haben. BMC: Genau! Als wir eine Einladung zu ei­ ner Gruppenausstellung in Steffis­­burg er­ hiel­ten, ist im Libanon erneut Krieg aus­ge­ bro­chen.Von uns hat man ein konventionelles Werk erwartet, am besten aufgehängt an der Wand oder etwas Nettes zum Aufstellen.


Das Ergebnis war eine Reaktion auf beides: auf den Krieg und auf dieses recht wohl­ha­ bende Bauerndorf und war erst noch, was das Medium betrifft, vollkommen konven­ tio­nell: Nur, dass wir unsere ursprüngliche Idee, mit den Landfrauen zusammen­zuar­ beiten und mit ihnen zu sticken nicht ver­ wirk­lichen konnten. Das tra­di­tionelle Hand­ werk des Stickens gibt es dort nicht mehr. Also haben wir selbst die Texte gestickt. Und diese bezogen sich auf das Geschehen im Liba­non und die Wirksamkeit der Kunst.

­­tar geben zur Institution, zur Sammlung und von einer Institution kommen, nämlich Haus am Gern, welches die Macht übernehmen will, und das vorhandene System gleich auch noch selbst kreiert. Ein gedanklicher Sieg.

CS: Ach ja, das Verkaufen. In vielen Eurer Werk- und Projektbeschriebe wird erwähnt, dass und an wen Ihr eine Arbeit verkauft habt. Was ist Euch denn daran so wichtig, am Verkaufen? RS: Es geht ums Einschreiben ins System.

CS: Gesellschaftliches und Politisches gera­ ten also immer wieder in Eu­ren Fokus. BMC: Natürlich reagieren wir auf das Um­ feld, doch ganz nebenbei ist un­ser eigener Kontext der gesamte Planet und nicht eine weisse Box, in der man etwas hermetisch ab­ geschlossen produziert. Das könnten wir nie. CS: Inwiefern übt Ihr konkret Gesellschaftsoder Machtkritik? BMC: Nun, wir leben hier in einer Gesell­ schaft, wo es niemandem schlecht gehen darf und wenn, dann nur, weil das Sudoku nicht lösbar ist. Das ist der Rahmen, den wir ak­ zep­tieren und in dem wir uns ganz bewusst be­we­­gen. Dennoch versuchen wir die Sicht­ weise zu erweitern und einen Kom­­men­tar abzugeben, der über die heile kleine Welt hinausweist. Inso­fern sind unsere Arbeiten absolut nicht ortsgebunden, sondern eine Ana­lyse von allgemeinen Befindlichkeiten in Bezug auf das Leben an diesen Orten. RS: Die Steffisburger Arbeit wurde an­schlies­ s­ end an der Weihnachts­aus­stel­­lung im Kunst­ museum Solothurn gezeigt und vom Museum dann so­gar an­­gekauft. BMC: Für mich ist es ein grosses Vergnügen zu wissen, dass ein Werk von Haus am Gern in Form zweier bestickter Topflappen in einer Sammlung ist.Topflappen, die einen Kom­men­

BMC: Um den eigentlichen Akt des Aus­tau­ sches mit Geld, der über den Preis eine Wer­ tung erhält. Dabei geht es nicht darum, dass wir Geld erha­lten und darauf stolz sind, weil dieser Verdienst in den meisten Fällen ir­re­­ le­vant ist. Sondern ein Werk reiht sich damit als eigentlicher Kom­men­­tar in eine Samm­ lung ein. CS: Macht es für Euch einen Unterschied, ob ein privater Sammler zu­schlägt oder eine öffentliche Institution? RS: Bei einer öffentlichen Sammlung bleibt immerhin die Sichtbarkeit ge­­währleistet. BMC: Mir persönlich macht es immer grosse Probleme, wenn eine unserer Arbeiten aus der Öffentlichkeit verschwindet und über einem Sofa landet. In einem Privathaus neu­ tra­lisieren sich unsere Arbeiten, sie verlieren an Ge­halt. DieTopflappen in einem Museum oder einer Sammlung haben ei­ne andere Qualität. So ist es bereits nicht ohne Witz, dass sich der Konser­va­tor vielleicht plötzlich an ein Textilmuseum wenden muss, um un­ sere Arbeit zu erhalten und zu bewahren. CS: Das ist etwas, das ich mehrfach beobach­ tet habe bei Euren Arbeiten: Eure Projekte sol­­len immer auch etwas aus­ lösen. Nicht nur kom­mentieren, sondern neue, eigene Ge­schich­ten ins Rollen bringen.


RS: Ja, so ist es. Und wenn es nicht passiert, sind wir enttäuscht. Waren wir zu wenig prä­ zise? Fehlt die Qualität? Oder ist es ein Kom­ mu­ni­k a­tions­problem? Aber wenn, wie in Porrentruy passiert, die Leute über die Aus­ stel­lung in der Zeitung nicht im Feuilleton lesen, sondern im allgemeinen Teil und dies in der Beiz zum Gesprächsthema wird und sie in die Aus­stel­lung kommen, um unsere Ar­ beit zu sehen, ist das das Beste, was uns pas­ ­sie­ren kann. Popularität ist uns tat­sächlich wichtig. Allerdings nicht im Sinn einer bil­li­ gen Verkaufsmasche, sondern indem wir die Menschen er­rei­chen und zu interessieren versuchen. BMC: Manche Leute glauben, wir seien nur deswegen so plakativ, weil wir in die Zeitung kommen wollen. Was ja auch stimmt: wir wol­ len die Medien als Multiplikator nutzen. Doch es geht nicht um unsere Namen, sondern um die Arbeit. CS: Wenn nun eine Arbeit provoziert, ent­ wic­k elt sich ja immer auch eine gewisse Eigendynamik. Wie weit fühlt ihr Euch für das, was dann kommt, verantwortlich?

RS: Doch dies alles hätte uns weggeführt von unserer Grundidee und die wollten wir nicht verwässern. BMC: Wir hätten die Geschichte dem Fern­se­ hen verkaufen können und ha­ben uns da­ gegen entschieden. Weil wir bei einer ein­fa­ chen Landposse blei­ben wollten – ein Werk mit mehreren interessanten Aspekten, das erstens davon ausgeht, dass glücklicherweise der Abwurf verhindert wer­den konnte und nichts geschehen ist – die Künstler das Werk nicht aus­führen konnten, was ja nicht stimmt, weil FALLADA in seiner Gesamtheit dasWerk ist, und es immer noch läuft, weil wir ja das Pferd weiterhin ab­werfen könnten und es immer noch in den Köpfen der Leute hängt … CS: Ist es denn wichtig, dass ein Werk offen bleibt? RS: Die Verunsicherung soll schon stehen blei­ben. In diesem Sinn lässt sich so ein Pro­ jekt ja auch nicht abschliessen. Wir haben uns auch schon überlegt, in zehn Jahren ei­ ne Telefonumfrage in dem Dorf zu machen, ob sich die Leute noch an das Nichtgeschehene erinnern können, ob sich die Geschichte im Lauf der Zeit verändert hat oder auch einfach nur, um die Geschichte mit der Umfrage noch einmal neu in Umlauf zu bringen.

BMC: Vielfach setzen wir uns selbst einer ge­ wissen Überforderung aus, wie alle anderen. Und das wird meist auch erkannt und mit Goodwill ho­no­riert. Aber gerade bei FALLA­ DA mussten wir sehr viel steuern. Wir er­hiel­ CS: Versteht Ihr denn nun die Zeitungsartikel, ten Anfragen von TV-Stationen. Wir sollten die es zu dieser Geschichte gegeben hat, auch ihnen Bescheid sagen, wann wir das Pferd als ein Teil Eurer Arbeit? Was ist am Ende der vom Helikopter abwerfen würden. Unsere Werk­kör­per? Mitteilung, dass wir dies unter Ausschluss der Öffentlichkeit machen würden, igno­rier­ten BMC: Bei FALLADA ist der Werkkörper tat­ sie glatt. Dabei war es uns ausser­or­dent­lich säch­lich in grossen Teilen nicht fassbar, weil wichtig, die geweckte Schaulust eben nicht das Werk in den Köpfen der Menschen statt­ zu befriedigen. Wir mussten konsequent sein findet – inklusive all der schrecklichen Vor­ und uns dem Spektakel verweigern. Wir hät­ stellungen, die wir ihnen auferlegt haben. Wir ten aber auch sagen kön­nen: Kommt alle, wir finden selbst, dass eigentlich eine vertextete werfen das Pferd aus dem Helikopter. Und Auseinandersetzung mit den ganzen Phäno­ dann hätten wir es nicht getan und alle wä­ me­nen, die sich gezeigt haben, dazu gehört. ren vor Ort gewesen und wir hätten die Ent­ Aus diesem Grund haben wir den Künstler täuschung dokumentieren können. Till Velten in die Provinz geschickt. Er ist ein


Künstler, der sein Werk grundsätzlich über RS (lachend): Wir hatten sogar ernsthafte Kauf­ Ge­spräche definiert. Wir haben Till gesagt: ­in­teressenten, etwa aus England. «Mach was wotsch», und haben keine Ah­nung, was da­bei herauskommen wird. Die letzte BMC: Es gibt doch auch diese Kinderspiele, Nachricht war, dass er sich in erster Linie mit wo man unbemerkt ver­schwin­­det und plötz­ einem Pferdemetzger über Pferdefleisch un­ lich hinter dem Baum hervorkommt und terhält. «Buuh» macht. Dieses Erschrecken ist ja nicht böse gemeint, sondern etwas Spezielles. Es RS: Das Projekt vonTill ist eine Auftragsarbeit geht um die kindliche Attitüde, jemanden aus von Haus am Gern. Sie wird als eigen­stän­ dem Tritt zu bringen. Das ist ein Arbeits­prin­ di­ges Kunstwerk in unserer Monographie zip, mit dem wir als Künstler spielen kön­nen drin sein. Unser Interesse ist es, Bilder zu kre­ und ein Mechanismus, den wir auch nutzen ­ie­ren. Ganz unabhängig davon, in wel­chem wollen. Aggregatszustand auch immer sie vor­kom­ men mögen. Es kann sein, dass sie dann wirk­ RS: Aus diesem Grund haben wir Haus am lich nur in den Köpfen leben. Gern geschaffen. Weil wir eben genau damit solche Sachen machen können. Allerdings CS: Der Umgang mit Eurer Arbeit ist für das wäre es nicht gut, wenn die Leute plötzlich Pub­likum eine Herausforderung und für ei­ nur noch auf den Showeffekt warten würden. nen Kurator, eine Kuratorin bedeutet die Zu­ Das wäre etwas vom Dümmsten, was pas­ sammenarbeit mit Euch ein gewisses Risiko. sie­ren könnte, denn er ist ja den­noch nur der Ihr seid unberechenbar. Nebeneffekt einer inhaltlichen Aus­einan­der­ setzung mit Sys­te­men, einer Sache, ei­ner Si­ BMC: Ja, wir stellen Fallen. Auch uns selbst: tuation oder einem Ort, die unser erstes An­ ursprünglich schlugen wir für FALLADA ja lie­gen bleibt. nur deshalb vor, ein Pferd aus dem Helikopter abwerfen zu wollen, weil wir nicht an der Ausstellung teilnehmen wollten. Dass die Ju­ ry eine derartige Geschmacklosigkeit an­neh­ men würde, haben wir nicht erwartet. Als sie dann aber ja sagte zu dem Projekt, sassen wir in der Falle. Und hatten dies ein Jahr lang auszubaden. BMC: Bei aller Provokationslust, die uns ja unterstellt werden darf, haben wir nie die Ab­ sicht, jemanden zu demütigen oder herab­ zu­setzen. Wir möch­­ten eher zum Spiel auf­for­ dern. CS: Das hat aber durchaus seine Tücken. Et­ wa wenn Ihr hinter dem Kunst­museum So­ lo­thurn, um das Ihr einen Zaun zieht, gleich auch noch ein missverständliches Verkaufs­ schild montiert und heimlich eine Ver­kaufs­­ anzeige für das Haus ins Internet stellt.


ANDREA DOMESLE

‘THE SAME PROCEDURE AS EVERY YEAR ’ Der griechische Philosoph Plutarch äusserte sich über den Affen als unnützes Haustier, das sich reiche Leute leisteten: «Der Affe kann nicht das Haus bewachen wie ein Hund, er kann nicht arbei­ten wie ein Pferd oder ein Ochse. Also muss er es sich gefallen lassen, die Ziel­scheibe des Spotts und des allgemeinen Gelächters zu sein.» 1

Das Selbstporträt als Künstlerpaar ist ein wesentlicher Bestand­teil des künst­lerischen Schaffens von Haus am Gern. Es markiert das Jahr des Zu­­­sam­menschlusses von Barbara Meyer Cesta und Rudolf Steiner als Künst­lerpaar und ist seitdem jährlicher, das Selbst­ver­ständnis als Künst­ ­lerpaar spie­geln­der Begleiter. Jedes Jahr ent­steht neben den zahl­rei­ chen und medial sowie thematisch viel­­fäl­tigen anderen gemein­samen Werken ein neues Paar­porträt. Beide hatten zuvor ein eigenes künstle­ ri­sches Werk begonnen, das sie weiterhin und seitdem nebeneinander fortführen. In der zunächst für Künstler wohl eigenartig wir­kenden Be­ zeichnung Haus am Gern klingt ihre künstlerische Haltung an. Man den­ ke an den im Alltag gebräuchlichen Spruch «Hab mich gern», was soviel heisst, wie «Du kannst mich mal», d.h., eine etwas spöttisch-abfällige Geste der Distanzierung von einem Gegen­über. Mit «Haus» wird des Wei­teren eine Institution be­haup­tet: Wohl man­che der Adressaten, die von Haus am Gern gar auch noch über Jahre hin­weg Post zu Ausstellun­ gen bekamen, dach­ten, es handle sich um ein Ausstellungshaus. Doch hinter die­ser klug lancierten Mar­keting­stra­te­gie in eigener Sache steht mehr: Denn das «Haus» von Haus am Gern steht für Barbara Meyer Cesta und Rudolf Steiner nicht im luftleeren Raum. Die vier Leucht­buch­ staben G-e-r-n sind Teil eines aus­ran­gierten Neon­zei­chens, das sie in ihrer ersten Wohn- und Arbeitsstätte, einer still­gelegten Garn­­fabrik in Roggwil, vorfanden. 2006 liessen sie das «Gern» auf der Ter­rasse ihrer damaligen Wohn- und Arbeitsstätte, einem leer­ste­henden Sana­­torium, hoch über den Dächern von Biel leuchten.


2008 wechselte Haus am Gern die Adresse und zog in ein ehemaliges Al­ters­­heim – das neu geschaffene Atelierhaus der Stiftung PasquArt – im Bieler Stadtzentrum ein, in unmittelbarer Nachbarschaft vom Cen­ tre­Pasqu­Art Biel/Bienne, dem PhotoforumPasquArt sowie Vi­sar­te, dem lokalen Ver­band der Schweizer KünstlerInnen. Die zunächst rein künstlerisch fiktive Behauptung ist somit im Le­ben an­ge­kommen, womit beide den seit der Romantik gehegten Traum einer Ver­quickung von Kunst und Leben umgesetzt haben. Eng gekop­ pelt sind für das Künstlerpaar Leben-Arbeiten-Kunstwerk. Für das kün­ stlerische Werk von Haus am Gern generell ist der Bezug zum Alltag und der All­tags­­kultur ebenso wichtig wie die Aus­ein­an­dersetzung mit der inter­na­tio­na­len als auch regionalen Kunst­szene. In der Überschau­ barkeit der Bern-Bieler Kunstlandschaft ist letztere für Haus am Gern eher eine pro­duktive Reibung, wobei ihre Arbeiten meist als Provoka­ tion verstanden werden. Die provinzielle Enge der Umgebung erweist sich hier als in­spi­rierend und mo­ti­vie­rend. WERKENTWICKLUNG DER SELBSTPORTRÄTS ALS KÜNSTLERPAAR

Das Künstlerselbstbildnis geht seit jeher weit über das Bedürfnis, das ei­ge­ne Konterfei für die Nachwelt festzuhalten, hinaus. Es ist seit der Re­nais­sance ein wichtiges Instrument zur Selbstdefinition des Künst­ lers in der Gesellschaft allgemein wie in der Kunst­ge­sell­schaft im spe­ ziellen. Es wur­de von Anfang an zur Selbstbehauptung und Vermark­ tung ebenso ver­wendet, wie zur kri­ti­schen Hinter­fra­gung der eigenen Position. Es spie­­gelt das Künstler­selbst­ver­ständ­nis zwischen Sein und Schein, Realität und Wunschbild, Stil und Stra­tegie. Am bekanntesten ist bis heute die rein abbildhafte Wie­der­gabe in Skulptur, Malerei, Foto­ grafie und Zeichnung, wobei Ge­gen­stände, Gesten und Haltungen ei­ nen Verweischarakter be­sitzen. Barbara Meyer Cesta und Rudolf Steiner gehen in ihren Paar­bild­nis­sen weit über diese tradierte Art der Formulierung hinaus. Ihre Selbst­bild­


nisse als Künstlerpaar lassen sich zunächst in zwei Haupt­grup­pen ein­ teilen: Ers­tens gibt es jene Hauptgruppe, in der sie selbst rea­­litätsgetreu zu er­ken­­nen sind. Zweitens gibt es eine, die kein Kon­terfei enthält. Die erste ist weit aus umfänglicher und lässt sich noch einmal unterteilen: Paarbildnisse, die vollständig von ihnen selbst ausgeführt werden, so­ wie welche, an de­ren Her­stel­lungs­pro­zess an­dere beteiligt werden oder der gänzlich an Dritte delegiert wird. Die erste Untergruppe steht in der Reihe der eher traditionellen Selbst­ ­­bildnisse. Zu dieser sind die beiden am Anfang entstandenen zu rech­ nen, wobei Haus am Gern durch die Art und Weise der Kom­po­sition und Blick­einstellung neues Potential entdeckt. Das Selbst­porträt als Künstlerpaar (die geöffnete Kammer) von 1998 wurde mit der Lochka­ mera aufge­nom­men. Diese Serie ist eng an ihr Me­dium Fotografie ge­ bunden. Gespielt wird mit dem voyeuristischen Blick. Das Loch der Lochkamera, ein Apparat, welcher an den Anfän­gen der Fotografie steht, fungiert quasi wie ein Schlüs­selloch, hin­ter dem die Betrachter stehen. Die schemenhaften Fi­gu­ratio­nen­konstellationen erinnern an alt­in­di­sche Kamasutra-Dar­stel­lun­gen. Mit spitzbübischer Freude erzäh­len Barbara Meyer Cesta und Ru­dolf Steiner, dass der Ankauf dieser Se­rie von der Kunstkom­mis­sion des Kantons Bern aus moralischen Grün­den abge­ lehnt wur­de.  2 Auch wenn wir heutzutage wohl weit aus freizügigere Dar­stel­lun­gen aus den Po­pu­lärmedien kennen, mag es eher die Blick­ ein­stel­­lung sein, in der sich die Rezipienten wiederfinden, die eine Ab­ ­leh­­nung her­vorruft. Die künstlerisch gern angewandte Stra­tegie «Sex sells» führte hier zwar nicht zum ge­wünsch­­ten Ankauf, jedoch zur eben­so willkommenen Aufmerksamkeit. Auch das nächste Selbstporträt als Künstlerpaar mit dem Untertitel «wir ha­ben unsere farbigen Bilder vergrössern lassen» rief aufgrund seiner nack­ten Haut bei der Erstpräsentation 1999 im Kunsthaus Langenthal Ab­leh­nung hervor. Hier greift Haus am Gern ein anderes Tabu-Thema auf, und zwar das von Privataufnahmen. Sie stellten eine in der Schweiz bekannte Fotoserie von Annelies Štrba nach, die ihre Kinder und Enkel­ kinder foto­gra­fierte. Barbara Meyer Cesta und Rudolf Steiner po­sie­ren


ebenso wie Štrbas jugendliche Töchter und Sohn in häuslicher Umge­ bung. Anstatt Babys halten sie jedoch Stofftiere im Arm. Als Betrachter befinden wir uns wiederum in ei­ner bestimmten Positionierung ver­ setzt: es ist diejenige des Erwachsenen von oben – nun auf eben­falls eindeutig Erwachsene blickend. Dabei wandelt sich unsere innere Ein­ stellung gegenüber der Si­tuation krass und anstatt der lieblichen At­ mosphäre bei Annelies Štrba steht nun eine pornographische im Vor­ dergrund. Auch in anderen Arbeiten verwendet Haus am Gern raffiniert die Mög­ lich­keiten des Mediums Fotografie 3, wobei sie für diese Arbeit ihr künst­le­risches Konzept hinsichtlich der Integration von weiteren Perso­ nen in den Herstellungskonzept öffnen. Im Jahr 2000 liessen sich Bar­ bara Meyer Cesta und Rudolf Steiner von sieben Bieler Fo­to­­­­studios ablichten. Sie über­liessen den Fotografen gemäss ih­rer all­täglichen Ar­ beit ihre Stellung und Gestik sowie die Wahl des Stu­diohintergrunds. Das Resultat sind sie­ben verschiedene Paar­va­­rian­ten, die von der For­ melhaftigkeit gesell­schaft­licher Vor­stel­lun­­gen erzählen. 2004 entstand das Doppelbildnis speed­control in Zu­sammenarbeit mit der Kantons­ polizei Solothurn. Barbara Meyer Cesta und Rudolf Steiner lösten mit ihrem Auto das Blitz­gerät aus und erhielten wie bei einer Busse dafür die Polizeifotos. Einmal ist sie, einmal er am Steuer zu sehen. Ein Rätsel für die Foto- und All­tags­praxis stellt dar, wie beide Ereignisse zur exakt selben Zeit am selben Ort mit gleich hoher Geschwindigkeit von 143 km/h statt­fanden. In der Kunst signalisiert diese geheimnisvolle Paralle­li­tät die Einheit als Künstlerpaar, zu der sich zwei Individuen zu­sam­men­­ge­ funden haben. Es gibt eine zweite Hauptkategorie von Paarbildnissen, die nicht ab­ bild­haft sind. Hierzu zählen beispielsweise die beiden Schmuck­an­hän­ ger, in denen die DNA von Barbara Meyer Cesta blau und von Rudolf Steiner rot ein­ge­färbt in eine Matrix eingebettet ist, die in der Ausstel­ lung vom Auf­sichts­personal getragen wurden. Ebenso die installative Text­arbeit von 2007 mit dem Untertitel (La Rivoluzio­ne siamo noi). Beide Arbeiten sind in der Kom­position zweigeteilt, dia­logisch, gar kon­


trär aufgebaut, womit ein Künst­ler­paar­ver­ständ­­nis der Ergänzung, der Spannung und der Gegen­überstellung for­mu­­liert wird. DER BEZUG ZUR KUNSTGESCHICHTE

In zahlreichen Arbeiten der Paarporträts von Haus am Gern lassen sich Bezüge zur Kunstgeschichte feststellen. Letztgenanntes Werk zi­tiert den Titel des berühmten Posters von Joseph Beuys aus dem Jahr 1972, das den Künstler mit grossem Schritt auf den Betrachter zuschreitend wiedergibt. Der in das Poster eingefügte Satz wird bei Haus am Gern zum bildnerischen Motiv, womit von der eigenen Persönlichkeit ab­ strahiert wird. In zwei Arbeiten aus dem Jahr 2003 wird Bruce Nau­ mans «Self Portrait as a Fountain» (1966) zitiert. Der damals noch un­ bekannte Bruce Nauman hat mit seiner Geste, Brun­­nenfiguren der Mythologie als auch der Fabelwelt zu zitieren, das Ge­heimnis der kün­ stlerischen In­spiration herbeigerufen und für sich, den man mit nack­ tem Oberkörper sieht, realitätsnah umgesetzt. Die­ser Haltung schlies­ sen sich Barbara Meyer Cesta und Rudolf Steiner Wasser ausspuckend an. Um das Spu­cken noch realitätsnaher um­zu­setzen, sieht man die beiden in den Klar­­sichtkuben «LIDI» als 3D-­Ge­sichts-Scans. In den Me­ daillons, die sie in die Fassade des Kunst­mu­seum Bern temporär einge­ fügt haben, bezeich­nen sie sich humorvoll als (Zeus und Athena). Hier ist das Spucken jedoch ziel­ge­rich­tet auf den Haupteingang und damit auf die Besu­cher bzw. das Personal des Kunstmuseum Bern gerichtet, das gleichzeitig kurzfristig in Kunst­museum Gern umbenannt wurde. DER BEZUG ZUM KUNSTBETRIEB

Die Auseinandersetzung mit dem regionalen Kunstbetrieb ist für Haus am Gern ein wichtiger Motor der eigenen künstlerischen Ar­beit. Die Se­ rie mit den Selbstbildnissen als Künstlerpaar kann auch innerhalb des Schwei­zer Kunstsystems gelesen werden. Jedes Jahr reicht Haus am Gern als dazu berechtigte Mitglieder ihr neuestes Werk dieser Serie zur Weihnachts­ausstellung des örtlichen Kunst­vereins ein. Eine schalkhafte Freude scheint mitzuschwingen, wenn ihre Arbeit eine Auseinander­


setzung mit den Kuratoren hervorruft und auf Verständnisschwierig­ keiten bei diesen stösst. Seit 2000, als Barbara Meyer Cesta und Rudolf Steiner nach Biel ins Ate­lier Robert zogen, stellten sie bis 2007 auf diese Weise im CentrePasquArt Biel/Bienne aus. 2008 nicht mehr. Hier fanden sie eine subversive Lö­sung, nachdem die Widerstände im Jahr zuvor eskaliert waren. Ihren mit (absent) untertitelten Beitrag konnten sie quasi heimlich an sehr prominenter Stelle einfügen: nämlich in der copyright-Zeile auf dem Ausstellungsplakat. Die konkrete Situation der Kunstlandschaft vor Ort war somit Impuls gebend. In anderen Selbstbildnissen als Künst­lerpaar entlarven sie die Funk­ tions­­­mechanismen des Kunst­be­triebs generell oder machen diese zum Werk generierenden Be­standteil ih­rer Arbeit. 2001, dies ist das Jahr, in dem die­ses ludische Spiel an­­fängt, beauftragt Haus am Gern den Maler Claude Hohl aus Biel, ihr Doppelbildnis zu malen. Sie reichen das Re­ sultat in die Weih­nachts­ausstellung ein und Claude Hohl eine Replique. Beide iden­tisch aus­sehenden Gemälde werden in verschiedenen Räu­ men aufgehängt. Nicht nur, dass diese Dop­pe­lung ein Seitenhieb auf die Originalität der Malerei darstellt, hinterfragt sie auch die Autorschaft und das Wer­tesystem. Die kos­ten­günstigere Malerei wurde von jeman­ dem gekauft. 4 KÜNSTLERPAARE

Eva & Adele aus Berlin oder Gilbert & George aus London vergleich­bar, hat Haus am Gern ein sehr eigenständiges, zeitgenössisches Paarwerk for­muliert. Bei allen drei ist dieses eng an die Lebens­si­tua­­tion als Paar sowie die Mechanismen des Kunstbetriebs gekoppelt. Doch Eva & Adele sowie Gilbert & George verwenden für ihre Auf­trit­­te im Kunstgesche­ hen eine Maskerade. Sie haben sich als Kunst­figur kreiert. Als Persön­ lichkeiten bleiben sie dahinter ver­bor­gen. Wo­hingegen Haus am Gern als Barbara Meyer Cesta und Rudolf Steiner zu erkennen sind. Ein weite­ rer grosser Unterschied ist, dass die beiden anderen Duos in der Kunst­ szene nur als Duo existieren und der Kern ihres Schaffens das Medium Performance bildet. Haus am Gern kommt ohne eine Verkleidung und


ohne den «Büh­nen­auf­tritt» aus. Eva & Adele stellen in ihrem Outfit en­gel­haft aus­ser­ir­di­sche Wesen dar; Gilbert & George betonen das clownesque Enter­tai­ne­­ment. Die Figur eines überirdischen Wesens sowie des Clowns ge­hö­ren ebenfalls zu den von Haus am Gern vereh­ rten Vorbildern. Im gleichen Atemzug nennen sie in (Oh My Gods) ne­ ben weiteren auch den Affen bzw. identifizieren sich in einer Zeichense­ rie mit Tim und Kapitän Haddock aus der Comic-Serie «Tim und Struppi». Eine iro­nisch humorvolle Distanz zu sich als Künstler? Oder die Inte­gra­tion der Karikatur ins Kunstkonzept? Ihre Formulierungen als Künst­ler­paar sind weniger Behauptung, denn der ständige Versuch einer Verortung sowohl im Kunstbetrieb als auch im Rätsel des Schaf­ fens­­­prozesses.

1

Zitiert nach: «Der Affe als Symbol in der Kunst» http://klassische-kunstgeschichte.suite101.de/article.cfm/ der-affe-als-symbol-in-der-kunst 2

Haus am Gern im Gespräch mit der Autorin in Biel am 11. August 2010. 3

Vgl. den von der Autorin konzipierten Sonderband zum Thema «Porträt in der zeit­genössischen Fotografie» von Eikon, 39/40, Wien, 2002. Der Vergleich mit dort erwähn­ten Künstlern zeigt, wie zielgerichtet Haus am Gern den Standpunkt der Betrachter in ihren Kompositionen einkalkulieren. 4

Das von Claude Hohl eingereichte Bild wurde angekauft.


THOMAS SCHÖNBERGER

ÜBERSCHREITUNGEN – KONSTANTEN IM WERK VON HAUS AM GERN

TABUS UND ÜBERGRIFFE Spätsommer 2009. Untere Altstadt, Bern. Manche mögen sie, manche hassen sie: die Berner Gemütlichkeit, in Sandstein ge­ hauen und nach Ladenschluss wie ausgestorben. Während ich durch die Lauben schlenderte, auf der Suche nach einer kleinen Galerie in der unteren Altstadt, versuchte ich mir den Aufbruch der Berner Kunstszene vor 40 Jahren vorzustellen, mit Harald Szeemann in der Kunsthalle, Markus Raetz und Balthasar Burkhard, Franz Gertsch und Meret Oppenheim und dem zeitweiligen Aufent­ halt von Sigmar Polke bei seinem Berner Förderer, dem legendären Galeristen Toni Gerber, sowie mit James Lee Byars spektakulären Aktionen eben hier unten in der Altstadt. Bern war damals der Schweizer Hot Spot der Gegenwartskunst, eng vernetzt mit der Kunstszene von Düsseldorf und Köln. Was war davon eigentlich übrig geblieben, fragt man sich nach all der Zeit. So in Gedanken verloren bin ich zunächst an der Galerie DuflonRacz vorbeigegangen; aber wie hätte ich sie auch bemerken sollen, waren die Fenster doch mit grossen Holzbrettern vernagelt und verbrettert. Nachdem ich meinen Irrtum bemerkt hatte und zurückgekehrt war, schaute ich mir die Bretter genauer an: sie waren je aus einem einzigen grossen Stück Holz herausgesägt und mit Drähten, die kreuz und quer durch die offenen Fenster den Galerieraum durch­schnitten, mit der gegenüberliegenden Wand

verspannt, was die Holzobjekte ohne Nägel an Ort und Stelle hielt. Buchstäblich eine spannende Sache, diese Ausstellung des mir bis anhin unbekannten Künstlerduos unter dem doch seltsamen Namen Haus am Gern. Wie der Zufall so spielt, erreichte mich wenig später das Angebot, an der Mono­ graphie von Haus am Gern mitzuwirken. Es entspannte sich ein inspirierter Dialog mit Barbara Meyer Cesta und Rudolf Steiner über die Produktion von Kunst in gesell­ schaft­lichen Räumen, über die Widerstände der Museums-Institutionen gegen spezi­ fische situationsbezogene Arbeits­weisen. Damit ist jedoch nicht der in der Gegen­ warts­kunstgeschichte strapazierte Begriff Ortsspezifität gemeint, sondern ein kom­ plexes Gefüge von Verschränkungen, mit dem sich Haus am Gern bei jeder neuen Aufgabenstellung auseinanderzusetzen hat. Es geht bei Haus am Gern stets um das kulturelle und soziale Setting eines Ortes, die konkreten Lebens­umstände der Menschen in ihren Verwurzelungen, ihren vorhandenen oder fehlenden Arbeits­ bedingungen, ihren täglichen Abwehr­ kämpfen. Diese gesellschaft­lichen Reibungsflächen untersuchen Haus am Gern, indem sie verschiedene Bevölkerungs­ gruppen in ihre Inter­ventionen einbinden, die nur durch konsequente Überschreitung der Grenzen des Kunstsystems bewerk­ stelligt werden können 1. Haus am Gern bedienen sich deshalb subversiver Strategien,


entsprechend der jeweiligen Situation: Was prägt einen Ort? Welche Strukturen sind zu analysieren? Und schliesslich: Wie sind jene Systeme und gesellschaftlichen Strukturen aufzu­brechen und durch die künstlerische Aktion sichtbar zu machen? Da dies von Situation zu Situation völlig verschieden sein kann, sind die Arbeiten von Haus am Gern auch keinem bestimmten Stil ver­ pflichtet. Die dafür eingesetzten Mittel sind gattungsübergreifend und intermedial, sie reichen von Zeichnungen, Drucken, Web­ sites, Videos, dem Versenden von Briefen oder skulpturalen Komparti­men­ten, über Installationen bis zu klassisch anmutenden Ausstellungen. Als im August 2003 der Verein KulturChrääje mit der Künstlergruppe UNO die Beteiligung an der Skulpturen­ausstellung «rapp – Kunst im ruralen Raum» aus­ schrieb, bewarb sich Haus am Gern mit dem Projekt Fallada oder die Erschaffung einer Urban Legend im ruralen Raum. Das Projekt sah vor, ausgestattet mit allen nötigen Bewilligungen ein totes Pferd von einem Helikopter auf einen auf einem Feld abgestellten Traktor abzuwerfen. Überraschenderweise wurde diese Eingabe angenommen – doch weder Organisatoren noch Künstler dürften mit der Welle von Entrüstung und Empörung gerechnet haben, die in den folgenden Wochen und Monaten auf alle Beteiligten zurollte. Viele der ortsansässigen Bauern hätten vielleicht noch Verständnis dafür gehabt, wenn Haus am Gern eine tote Kuh vom Helikopter abgeworfen hätten. Bei einem Pferd lagen die Dinge jedoch anders. Das Pferd als ikonografisches Sujet, von den Reiterstandbildern der Antike bis zu den Portraits zu Pferd in der Renais­ sance oder als Waffe in historischen Schlachten, gilt als des Menschen edelster Gefährte. Mich erinnerte diese Aversion,

einem Pferd etwas anzutun, an eine längst zurück­liegende Episode aus meinem früheren Berufsleben am Frankfurter Schlacht­hof: Als ich das erste Mal ein Pferd schlachtete, war ich vierzehn Jahre alt. Ich hatte den Notdienst am Samstag zu verrichten, eine gut bezahlte Tätigkeit, üblicherweise ohne grosse Vorkomm­nisse, vielleicht brachte ein Bauer eine verletzte Kuh – dieses Mal war es jedoch etwas anderes: Der Besitzer eines Rennstalls lieferte ein Vollblutpferd ein, das bei einem Military Derby unglücklich gestürzt war und sich beide Vorderläufe angebrochen hatte. Das hätte man heilen können, der Besitzer hatte aber keine Geduld. Ich setzte den Bolzen­schussapparat auf die Stirnseite an und drückte ab, machte anschliessend einen Schnitt durch den Hals und liess es ausbluten. Das war das nor­ma­le Prozedere, doch der Besitzer verlangte mehr. So beinte ich es aus und zerlegte es in essbare Portionen. Montags regten sich meine Schlachterkollegen darüber auf. Warum? Weil ich ein Pferd geschlachtet hatte? Es ausgebeint hatte? Ich denke, es gibt ein tief sitzendes Ver­ständnis durch alle Schich­ten der Gesell­schaft, dass ein Pferd etwas anderes ist als ein Schwein oder ein Ochse. Haus am Gern gehen mit genau diesen Widersprüchlich- und Wider­lichkeiten um, indem sie dies durch ihre Aktionen aus dem Unter­bewusst­­sein ins Bewusstsein holen. Und dieses Bewusstsein bestimmte dann auch die Heftigkeit der Reaktionen. Eine unsicht­bare Grenze war überschritten. Angefangen von der «Stif­tung für das Tier im Recht», dem Veterinär­dienst des Kantons Bern bis zur Tier­kada­ver-Verwer­ tungs­stelle – alle aktivierten Personen­ gruppen standen der Arbeit von Haus am Gern teilweise in extremer Protesthaltung gegenüber, nahmen aber durch ihre Ablehnung an der Arbeit ebenso teil wie Personen, die der Arbeit Fallada positiv gegenüberstanden.


Zunächst wurde die geplante Performance nur als Gerücht ver­breitet. Ein Gerücht wirkt gerade auch deshalb, weil der Verdacht besteht, dass ein gewisser Wahr­ heitsgehalt vorhanden ist 2. Im Gegensatz zum Klatsch jedoch ist das Gerücht nicht personenbezogen, sondern eine moderne Legende, die in zahlreichen Alltagslegenden der Medien virulent ist. Haus am Gern dekonstruierten in Fallada einen kurzen Bericht über eine Mannschaft der russi­ schen Luftwaffe, die auf einer Insel im Ochotskischen Meer eine Kuh gestohlen hatte und im Flugzeug abtransportierte. Die Kuh, in der Luft in Panik geraten, wurde von der Mannschaft aus dem Flug­ zeug gestossen, fiel auf ein japanisches Fischerboot, das darauf sank. Die Besatzung rettete sich an Land, ver­ lang­te eine Entschädigung von der Versicherung und wurde aufgrund der unglaublichen Geschichte wegen ver­ suchten Betrugs in Haft genommen. Eine kuriose Kettenreaktion, die Haus am Gern ins Schweizerische Mittelland übersetzten: das offene Meer wurde zum Feld, das Flugzeug zum Heli­kop­ter, das Schiff zum Traktor, die Kuh zum Pferd. Das Funda­ment für die Erschaf­fung einer urban legend im ruralen Raum war somit gelegt. Der zweite Schritt war, einen Bauern aus der Region zu finden, der sein Feld für die Aktion zur Verfügung stellen würde. Bei Hans und Vreni Ruchti aus Rapperswil fanden Haus am Gern sowohl das gesuchte Feld, als auch zwei Persönlichkeiten, die sich in den kommenden Monaten zu veritablen Mitspielern der Aktion ent­ wickelten. Fehlte noch der Traktor. Haus am Gern fragte sämtliche Landmaschinen­ mechaniker der Region an, die sich als vorzügliche Multiplikatoren für das Gerücht erwiesen. Schliesslich gelang es Haus am Gern, zu einem völlig über­risse­ nen Tarif einen alten Traktor der Marke Bührer 475 zu mieten, was ebenfalls für

Gesprächstoff unter den Bauern sorgte. Ein totes Pferd aufzu­treiben erwies sich als unmöglich: Die Tierkadaver-Verwertungs­ stelle jeden­falls weigerte sich wegen Seuchen­­ gefahr, einen Pferdekadaver für die Aktion zur Verfügung zu stellen. Also inserierten Haus am Gern im «Kunst­bulle­tin» und einem Gratis­anzeiger mit dem Text: «Gesucht: totes Pferd zum Abwurf auf Trak­tor …». Die Zeitschrift «Tierwelt» wei­ger­te sich, auch nur das Inserat abzu­drucken. In den folgenden Tagen schrieben Haus am Gern sämtliche Instanzen um Erlaubnis an: das Bundesamt für Zivilluftfahrt BAZL, das Veterinäramt des Kantons Bern, die Ge­ mein­de Rapperswil und so weiter. Alle Gesuche und alle – durchgehend negativen – Antworten der Behörden waren sofort auf der Webseite von Haus am Gern einsehbar. Die Genehmigung der Gemeinde, mit so genannter «Unterlast» über ein Wohngebiet zu fliegen, wurde ebenfalls verweigert (zu jener Zeit waren die Medien voll mit Bildern von Helikoptern, die im Irak ihre zivile wie auch nicht-zivile «Unterlast» abwarfen). Als der Traktor auf das Feld überführt war, streute Bauer Ruchti sein eigenes Gerücht und erzählte Journalisten, dass er seinen Acker für viel Geld an das Künstlerduo ver­ mietet habe, was die Diskussion weiter anheizte. Die Schweizer Pferdesportver­ei­ni­ gung gab sogar ein Rundschreiben mit der Aufforderung an ihre Mitglieder heraus, Haus am Gern keinesfalls ein totes Pferd zur Verfügung zu stellen, die lokale Presse berichtete mit bissigen Kommen­taren, das West­schweizer Radio sendete ein Interview, auch ausländische Medien begannen, sich für die Geschichte zu interes­sie­ren. Diverse Pferdeblogs im Inter­net liefen heiss und die Mailbox von Haus am Gern quoll über von übelsten Be­schimp­fungen. Schliesslich sollte eine Podiums­diskussion auf dem besagten Feld die Gemüter beruhigen, endete jedoch mit der ultimativen


Aufforderung der Dorf­be­wohner, die Aktion sofort abzubrechen, was die Künstler jedoch mit Verweis auf ihre künstlerische Verantwortung ablehnten. Zu guter Letzt wurde der Traktor vom Feld geklaut – von den Freunden alter Land­maschinen FALBE, die den Traktor vor dem Pferdekadaver schützen wollten. Durch diese Strategie lotete Haus am Gern die Akzeptanz von Kunst aus und band eine ganze Region in eine Debatte um Ethik und die Selbstverständlichkeit der Produktion und des Konsums von Fleisch mit ein. Denn auch ein edles Rennpferd kann im Schlachthof enden oder wird zu Leim verarbeitet, sobald sich sein Hauptzweck erfüllt hat. Von anderen Tierarten ganz zu schweigen. DIE RESTRIKTIVE ORDNUNG DES ÖFFENTLICHEN RAUMES Im Mai 2007 veranstaltete der Kanton Aargau einen «Monat der Arbeit», den die Künstlergruppe Kollaboration Torfeld Süd nutzte, um auf den geplanten Abriss eines alten Industrie­areals hinzuweisen, auf dem ein Stadion mit Einkaufszentrum errichtet werden sollte. Das Industrieareal beherbergte Ateliers für Künstler, Designer und Architekten und war eine typische Umnutzung von Zweckbauten, die ihre ursprüngliche industrielle Funktion verloren haben. Haus am Gern wurden von der Gruppe einge­laden, einen Beitrag zu diesem «Monat der Arbeit» zu leisten. Für das Projekt Drum schalteten Haus am Gern in einem kostenlosen Anzeigenblatt eine Annonce. Gesucht wurde ein arbeitsloser Trommler, der für einen Monat offiziell angemeldet und bei vollem Gehalt durch die Stadt Aarau ziehen und trommeln sollte. Die eher harmlos erscheinende Aktion stiess bei den Behörden auf taube Ohren: in der Stadt herumzulaufen und zu spielen sei untersagt, penibel ist die Verweil­­­

dauer an einem Ort geregelt, die das Musi­ zie­ren nicht länger als zwanzig Minuten erlaubt. Aus Gewerk­schafts­kreisen kam der Vorwurf, dass Haus am Gern nur einen Ar­ beits­losen vorführen und blosstellen wollten, die Vereinigung der Aarauer Ge­ schäfts­inhaber – um eine Spende angefragt – lehnten ebenso wie einige Passanten, die mit dem Trommler un­mittelbar in Kontakt kamen, den Begriff Arbeit für seine Tätig­ keit ab. Die Arbeit Drum machte spezifische Facetten eines mächtigen Diskurses sicht­bar, der getragen wird von der Sorge um die öffentliche Ordnung, die aber nichts anderes ist als die organisierte Kontrolle über den städtischen Raum, aufrecht­er­ halten durch ein Geflecht von Restrik­tio­ nen. Diese teilen das Leben seit der Moderne in die Kate­gorien Arbeit, Verkehr und Freizeit auf, und Einzel­per­so­nen oder Gruppen sind per se verdächtig, die sich diesen Grundmustern entziehen und durch Ansammlungen auffallen, die behördlicher­ seits als Zusammen­rottung oder bestenfalls als ungeneh­mig­te Demonstration bezeichnet werden. Diese Kontrolle des Stadtraumes wird ebenfalls durch eine Arbeit wie der Paech­ brotbaum in Frage gestellt. Im Berliner Arbeiterstadtteil Moabit sammelten Haus am Gern 2008 gegen tausend Paar alte Schuhe ein, die sie zusammen mit den Nachbarn aus dem Kiez zusammengeknotet auf einen abgestor­benen Baum am Rande einer Industrie­brache warfen, auf dem anstelle der alten Paechbrot-Fabrik ein überdimensioniertes Einkaufszentrum gebaut werden sollte. Noch waren keine dreissig Paar Schuhe auf dem Baum gelandet, als die Polizei die Aktion mit Verweis auf Störung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit unter Androhung von strafrechtlichen Konse­quenzen unterband. Das Versamm­lungsverbot, das der Ein­dämmung der Masse dient, wurde konsequent angewandt und auch hier


zeigte sich der begrenzte Bewegungs­raum der Kiezbewohner deutlich. Eine ähnliche Wirkung könnte auch Pipifax for Tirana hervorrufen, ein Projekt, das auf Einladung der Kuratorin Adela Demetija vom Off Space Tirana Art Lab im Mai 2011 stattfinden soll. Haus am Gern wird zusammen mit Künstlern und Studenten der Academy of Arts in Tirana im Rahmen eines Workshops auf dem Skanderbegplatz mit dem Reiterstandbild des albanischen Nationalhelden die Strassenschilder, Hausnummern, Werbeplakate, etc. die sich rund um den Platz befinden, fotografieren, spiegelverkehrt ausdrucken und am Ort überkleben. Die Teilnehmer sollen danach als Statisten einer fiktiven Protest­bewe­ gung, bewehrt mit der (symmetrischen) Flagge Albaniens und spiegelverkehrten Parolen auf Transparenten, Bauch­schildern und T-Shirts, einen Demonstrationszug nachstellen. Diese Szene soll fotografiert und digital gespiegelt werden. Das entstan­ dene Bild wird die Realität verkehrt, aber alles «Lesbare» lesbar dargestellt zeigen – nur das albanische Wappen verändert sich nicht. Der äussere Anlass der Demonstra­ tion an diesem für die alba­ni­sche Geschichte zentralen Ort wird allerdings nicht ersichtlich sein und damit die Reaktionen der Ordnungskräfte und die Bewegungs­grenzen im Stadtraum ausloten. Ablauf und Making-of sollen auf Video dokumentiert werden. Die Option besteht, dass sich die künstlerische Aktion ver­ selbständigt, dass sich Passanten, Studenten und Künstler zu einer realen Demonstration formieren. DIE RESTRIKTIVE ORDNUNG DES INSTITUTIONELLEN RAUMES Seit die christliche Kirche als mass­gebliche Auftraggeberin für die Kunst­produktion ausfiel, wird sie im System der Kunst nur noch marginal wahr­genommen, obwohl

ihre Symbolik nach wie vor Teil eines kollektiven Bewusstseins ist. Die Haltung des katholischen Priesters Monseigneur Krystian Gawron, der von Haus am Gern für die Aktion Ein Segen für die Kunst 2001 in der Weihnachts­aus­stellung in die Kunsthalle Bern eingeladen wurde, um die ausgestellten Werke zu segnen, entsprach jedoch keineswegs dieser relativen Bedeu­ tungs­­losigkeit. Zwar würde er über Kunst nie ein Urteil fällen, so der Monseigneur, jedoch könne er nur segnen, was gott­ gefällig ist, weshalb alle Werke vorgängig zu prüfen seien. Erst nachdem festgestellt wurde, dass diese Gottgefälligkeit allen Werken immanent war, segnete er nicht nur die Werke jener Kunstschaffenden, die dazu ihre Zustimmung gegeben hatten, sondern auch noch die gesamte Ausstellung, womit auch jene Werke gesegnet waren, deren Autoren sich diesen Segen kategorisch verbeten hatten. Haus am Gern fordert mit der Arbeit Ein Segen für die Kunst das System der Kunst durch ein anderes mächtiges System heraus, das der Religion. Das Ziel dieser Arbeit war, nicht nur den Anspruch der Kirche auf Evaluation über die Produktion von Kunst offen zu legen (der trotz ihrer relativen Bedeutungslosigkeit immer noch existent ist), sondern auch die Haltung der Kunstschaffenden gegenüber dieser spiri­ tuellen Vereinnahmung offen zu legen. Die Störung eines Systems gelingt immer dann, wenn ein anderes System involviert wird. Mit der Arbeit Prize Splash Offer Warp, anlässlich der Preisvergabe der Kunst­ kommission der Stadt Bern nutzten die Preisträger des Jahres 2003, Haus am Gern, die Tradition, den Ort der Übergabe­zere­ monie selbst zu bestimmen, um dann in Eigenregie und ohne Bewilligung im Kunst­ museum Bern einige Veränderungen vorzunehmen. Eine schwarze Stoff­bahn, die wie eine Abdeckplane im Treppenhaus


von der Decke zum Schutz gegen Zugluft für die Em­pfangs­dame hing, wurde zum Ready Made erklärt (Warp), das dem Museum grosszügigerweise als Dauer­ leihgabe überlassen wurde. Ein geräucher­ ter Schinken (Offer) wurde mit dem (gefälschten) Beglaubigungs­stempel des Museums ins Treppenhaus gehängt, wo er bestens mit den Werken von Albert Anker korrespondierte, die an der gegen­über­ liegenden Wand hingen. Im Aussenraum wurde die Beschriftung «Kunstmuseum Bern» geändert, aus B wurde G, das Kunst­ museum Bern zu Kunst­museum Gern (Prize), ein ironischer Kommentar zum Machtverhältnis von Künstler und Insti­ tution. Ebenfalls an der Aussen­front bedeckten Haus am Gern die über dem Eingang angebrachten Rund­medaillons von Zeus und Athena mit fotografischen Selbstporträts (Splash), auf denen Meyer Cesta und Steiner beim Remake von Bruce Naumans Self Portrait as a Fountain zu sehen waren. Zu den Übergriffen auf die Institution Mu­ seum gehört auch eine Serie von Arbeiten, die Haus am Gern am CentrePasquArt in Biel platzierten. Die Ein­ladung, im Kunst­ haus CentrePasquArt auszustellen, ist zu­nächst ein Angebot, das man nicht ab­ lehnen kann. Da die 2002 frisch gewählte Direktorin Dolores Denaro zwar über einen neuen Museumsanbau verfügte, hingegen kein Budget mehr für laufende Aus­stel­lun­ gen vorhanden war, wurden die Kosten der Ausstellung auf die ein­geladenen Kunst­ schaf­fenden ab­gewälzt. Diese missliche Lage machten Haus am Gern zum Aus­gangs­­­ punkt ihrer Arbeit Musée en Grève, ein Schlagwort, das Barbara Meyer Cesta aus ihrem Atelieraufenthalt in Paris mitge­bracht hatte, wo die Kürzungen im Lohnsektor und der Betriebskosten zu Demon­stra­tio­nen geführt hatten und Transparente mit der Parole Musée en Grève (Museum im Streik) entrollt worden waren. Ist es zu hoch

gegriffen, den Neubau am CentrePasquArt in Biel als Beispiel einer europaweit verfehlten Museumspolitik anzuführen? Die Tat­sache aber, dass die hohen Infra­struk­tur­­­ kosten die Institutionen zwingen, die Ausstellungskosten auszu­lagern, im kon­ kreten Fall auf die beteiligten Künstler, bleibt. Die Parole MUSEE EN GREVE sollte sich über die Glasfront im Parterre des Neubaus ziehen, während die Wände im Foyer als Werbefläche an Kunst­schaffende und andere Kunst­institu­tio­nen verkauft wurden, um so die Aus­stellung zu finanzieren. Die Anzei­gen­kampagne machte die Kunstszene schweizweit zu Mitwissern über finan­zielle Engpässe des CentrePasquArt. Gleichzeitig wurde Musée en Grève zum Lösungs­ angebot zur Behebung der Missstände innerhalb der Insti­tu­tion. Und wie so oft, wenn sich das Kunstproduzieren über die von der Institution gesetzten Grenzen aus­ weitet, kam es zum Disput mit der Direktorin, die Sanktionen seitens der Politik befürchtete. Schliesslich kam es zu einem Kompromiss: Die Buchstaben G und E mussten auf der Scheibe übermalt werden, aus MUSEE EN GREVE wurde MUSE EN REVE: die Muse träumt. Haus am Gern hatten es geschafft, durch die so genannte freie Kunst den Status der Institution Museum in Frage zu stellen. Indem sie auf die Forderung der Museumsleitung nach Zensur der Parole eingingen, machten Haus am Gern eben jene Zensur für die Museumsbesucher erst sichtbar. Fallada sollte 2004 im CentrePasquArt von Haus am Gern innerhalb der inter­na­tio­ ­na­len Ausstellung I Need You, zum Zusammen­spiel zwischen Kunst und Publikum als Dokumentation aufgearbeitet werden. Ein Anliegen, das Haus am Gern mit der Begründung ablehnten, man könne nicht seine eigene Arbeit dokumentieren,


da sie sonst ihre Wirkkraft verlieren würde. Für die neu konzipierte Arbeit mit dem Titel Fallada 475 bespielten Haus am Gern eine 25 Meter lange Vitrine, in der eine ebenso lange Papierrolle mit rund 70 Hand­ zeich­nungen zum Themen­komplex Gewalt, Pferd und Traktor auslag. Kurz vor der Eröffnung gingen Haus am Gern mit Ku Klux Klan Kutten maskiert ins CentrePasquArt, zerstörten mit einem Hammer das Glas der Vitrine, schmierten mit einer breiten Malerrolle und schwarzer Farbe die Zahl 475 an die Wand und verschwanden nach wenigen Minuten. Ein Video der Aktion war an­schlies­send in der Ausstellung zu sehen. Die Wucht, die von der Arbeit Fallada über Monate fast täglich von engagierten Pferde­liebhaberInnen und Tier­schützer­Innen ausgegangen war und sich gegen Beteiligte und Haus am Gern gerichtet hatte, sollten in diesem Akt der Zerstörung dem Museums­publikum im wahrsten Sinne nahe gebracht werden. Show us Buy us Sell us 2009 (Galerie Duflon Racz) war die erste Ausstellung von Haus am Gern in einer kommerziellen Galerie. Ziel war, eine raumgreifende Situa­ tion innerhalb und ausserhalb der Galerie­ räume zu schaffen, die verschiedene Angriffe auf das lokale Kunstsystem bein­ hal­tete. Die Fenster der Galerie wurden mit «Brettern» ver­barri­kadiert und damit auf den ersten Blick als Galerieräume unkenntlich gemacht. Die Galerie verlor als Ort der Kunst ihr spezifisches Aussehen und wirkte auf die BesucherInnen scheinbar unzu­gänglich, eher wie eine Baustelle. Im Innern der Galerie hingegen hingen Handzeichnungen von aus­ gewählten Kunstinstitutionen des Kantons Bern. Diese Galerien, Museen und Kunst­ häuser waren auf den Zeichnungen auf vielfältige Weise einem Prozess der Zerstörung ausgesetzt, sei es, dass ein Bagger die Front einer Galerie einriss oder eine stadtbekannte Galerie mit Müll zu­

geschüttet wurde. Wiederum gab es Kritik von den Betreibern der betroffenen Kunsträume und Insti­tutionen, welche die Zeichnungen von Haus am Gern als direkten Angriff auf ihre Häuser und ihre Arbeit auffassten, andererseits wurden die Zeichnungen von eben diesen Kunst­institu­ tio­nen und auch Sammlern angekauft. KLASSISCHE KOMMUNIKATION Der materielle Gegenwert von Aufmerk­sam­ keit ist der Geldwert 3. Faktura von 2001 spielt mit der zeitlich begrenzten Aufmerk­ samkeit, welche die Player des Kunst­ systems (LeiterInnen von Kunsthallen, Galerien, Museen, KunstkritikerInnen) für KünstlerInnen entgegenbringen können oder wollen. Haus am Gern verkehrten diesen Umstand in sein Gegenteil – und erreichten damit einen hohen Grad an Aufmerksamkeit bei den Adressaten. Basie­ rend auf der Formel «Zeit ist Geld» stellten Steiner und Meyer Cesta den Zeitaufwand in Minuten und Stunden in Rechnung, während dem sie über jede einzelne der 123 ausgewählten Personen des Kunstsystems nachgedacht hatten. Haus am Gern versand­ten dafür Rechnungen (die hier mit dem alten Begriff «Faktura» bezeichnet werden) – ein klarer Übergriff auf das Betriebs­system Kunst. Bezeichnend sind die Verwirrungen, die durch die versen­ deten Rechnungen ausgelöst werden konnten. Die Reaktion war unterschiedlich, manche der ange­schriebenen Institutionen oder Einzel­personen zahlten prompt, andere verbaten sich jede weitere Kontakt­ aufnahme. Da nach abgelaufener Frist auch Mahnungen verschickt wurden, drohten einige gar mit rechtlichen Schritten. Wie Faktura ist auch Blanko eine Arbeit wechselseitiger Kommunikation mittels Briefsendung. Im Rahmen der jährlichen Weihnachtsausstellung findet in der Salle Poma, dem grössten Raum des


CentrePasqu­Art, die Sonder­ausstellung x-mas+ statt. Kuratiert wird sie stets von der Direktorin des Hauses, welche auch für die Künstler­auswahl zuständig ist. Zur Aus­stellung x-mas+2002 bewarben sich Haus am Gern mit dem Projekt Blanko. Blanko war ein Schreiben an dieselben Adressaten wie bei Faktura, gesendet mit der Bitte, auf einer beigelegten frankierten Postkarte eine Blanko­unterschrift zu leisten und die Karte zurückzusenden. Über die Hälfte der Ange­schriebenen kam der Auf­ forderung nach. Haus am Gern beabsichtigten, diese Signa­turen vergrössert in der Salle Poma an die Wände zu applizieren. Blanko wurde jedoch von der Direktorin nicht berücksichtigt. Die zweite Stufe der Arbeit bestand nun darin, allen Beteiligten eine Absage zuzustellen. Da Bernhard Fibicher, der damalige Direktor der Berner Kunsthalle, im selben Jahr ausschliesslich Künstlergruppen zur Jahresausstellung einlud, wurde den UnterzeichnerInnen von Blanko gleichzeitig mitgeteilt, dass sie nun kraft ihrer Unter­ schrift Teil des Künstlerkollektivs Haus am Gern seien. Die in der Kunsthalle gezeigte Arbeit Blanko Reloaded bestand aus einem in Leder eingefassten Buch, worin die Blankounterschriften derjenigen einge­ bunden waren, die jetzt zum Künstler­ kollektiv Haus am Gern gehörten. Auf dem vergoldeten Ledereinband waren die geprägten Namen der Mit­wirken­den zu lesen. Das Buch wurde zum Goldtagespreis angeboten und verkauft, die Abrechnung über den Verkauf, welche mit einem Minus­ betrag von 54 CHF gegenüber den Pro­duk­ tions­­kosten zu Buche schlug (den übrigens die Künstlervereinigung Young Responsible Artists YRA beglich), wurde allen Betei­lig­ ten des Künstler­kollektivs Haus am Gern zugestellt. Die Brisanz der Arbeit liegt in dem Dilemma, in das sich das CentrePasqu­ Art mit der Ablehnung von Blanko manö­ vriert hatte: Auf das mögliche Re­nommée,

die Unterschriften der Schweizer Pro­mi­ nenz der Kunstwelt wie Bice Curiger oder Harald Szeemann auf die Wände zu appli­ zie­ren und so auf einer Weihnachts­aus­ stellung zu versammeln, wurde verzichtet. Ein Jahr später konzipierten Haus am Gern für die Ausstellung x-mas+2003 das Werk Key, ein verschlossenes, florales schmiede­ eisernes Tor im Eingangsbereich der anson­ sten leeren Salle Poma mit der Inschrift «DER SCHLÜSSEL IST BEI DER DIREKTORIN», was auf die sprich­wört­ liche Schlüssel-Funktion der Direktorin hinwies, die letztlich sub­jektiv bestimmt, was im Museum gezeigt wird oder nicht. Möglicherweise war das Wortspiel zu eindeutig, so dass auch diese Arbeit nicht realisiert werden konnte. Im Winter 2005 beteiligte sich Haus am Gern abermals an der Aus­schreibung zu x-mas+ mit dem Vorhaben, die riesige golden leuchtende Neon-Krone, das Marken­zeichen von Rolex über den Bieler Dächern, in die Salle Poma zu transferieren. Die weltbekannte Uhren­ firma wurde kontak­tiert, die zwar in Biel ihr Produktions­zentrum hat, nicht aber die örtliche Kunst­szene unterstützt, sondern sich auf weltweit spektakuläre Art-SponsorEvents konzen­triert. Das Vorgehen von Haus am Gern schloss folgende Optionen ein: Rolex würde nicht antworten und Haus am Gern wären gezwungen, aus billigen Materialien ein Rolex-Logo zu basteln und auszustellen. Andererseits bot sich für die Direktorin die Chance, Rolex als möglichen neuen Partner für das CentrePasquArt zu gewinnen. Je­doch waren weder Rolex noch die Museums­­leitung bereit, sich auf das Spiel einzu­las­sen. Rolex drohte sogar juris­ ti­sche Schritte an. Die Gelegenheit, die mediale Aufmerk­samkeit durch einen lächer­ lichen Prozess zu gewinnen, wurde vertan, die Trägheit der Institution Museum ver­ deutlicht, sich mit anderen Systemen der Gesellschaft auseinanderzusetzen, konkret: abseits der üblichen Abhängig­keiten durch


klassisches Sponsoring eine Kooperation mit der Wirtschaft ein­zugehen. LEERE UND BESETZTE RÄUME Für Lifetime Europe pachteten Haus am Gern 2005 eine Gartenparzelle mit Garten­ laube im Kleingartenverein Anger-Crotten­ dorf e. V. in Leipzig, dem Geburtsort der Schrebergarten­bewegung. Im Inneren der Gartenlaube wurde ein zweiter, abge­ schlossener und bei leichtem Überdruck klimatisierter Raum installiert, der nicht zu betreten, aber durch vier Fenster einsehbar ist. Nach der Reinigung und Versiegelung des Raumes durch eine spezialisierte Firma, welche sonst Reinräume zur Produktion von Speicher­chips, Forschungs­ labors und für Auto­lackierereien säubert, haben Haus am Gern den staubfreien Raum zum geschichtsfreien Raum erklärt, der auf alle Ewigkeit Bestand haben soll. Ein Ort wurde umfunktioniert, der seit der vor­ letzten Jahrhundertwende als Rückzugs­ort einer sozial benachteilig­ten Schicht gilt. Der geschichtsfreie Raum kann als Verweis auf die soziale Abkapselung dieser Schicht, der Arbeiterklasse, gesehen werden, die künstlerische Produktion dringt hier in einen Grenzbereich vor, in dem solche Produktionen nicht vorgesehen sind, sei es durch Vereinsstatuten oder die schlichte Ferne von den Institutionen der Kunst. Der Kleingarten hat in der Arbeiterkultur eine lange, umstrittene Geschichte. Bereits Engels kritisierte die Gartenkolonien als Rückzugsorte im städtischen Alltag, die nur unnötig vom Kampf um die Interessen der Arbeiterklasse ablenkten 4. Und erst spät wurde sich die SED 5 über die Vorzüge der verdächtigen Rückzugsgebiete bewusst und akzep­tierte die Kleingartenkolonien als Aufenthaltsort von loyalen Bürgern, die sich dem Anbau von Gemüse und nicht der Kritik an der Obrigkeit widmeten. 6 Lifetime Europe ist somit auch ein für alle Zeiten konservierter Leerraum innerhalb eines

belebten sozialen Ortes. 7 Der geschichts­ freie Raum ist jedoch auch das Äquivalent zur klassischen Vitrine im Museum, dem Endlager in dem alles konserviert und von der Aussenwelt abgeschirmt wird. 8 Der Reinraum ist die Umkehrung von Erfah­ rungsräumen, 9 spielt mit den konservierten Werten des White Cube und dessen exklusorischer Dominanz, die an sakrale Räume erinnert. Das Span­nungs­verhältnis entsteht gerade durch die hermetische Geschlossenheit jenes Raumes am sozialen Ort des Klein­garten­vereins.  10 KULTURELLE DIFFERENZEN ODER DER JURASSISCHE KONFLIKT IN «JE NE SAIS QUOI» Je ne sais quoi von 2007 setzt sich mit Be­ für­wortern und Gegnern einer Abspaltung des Jura vom Kanton Bern auseinander und legt die permanenten Grenz­ver­schie­ bungen in einem Prozess der Kultur- und Nationenbildung frei. Exemplarisch werden mit Je ne sais quoi die Dynamik von Bewe­ gungen der Separation und die dadurch entfesselten Gegenbewegung der Inte­gra­ tion aufgezeigt. Wird eine spezielle Gruppen­zu­sammen­ gehörigkeit konstatiert, um eine eigene Kultur zu definieren, die im zweiten Schritt eine eigene Nation anstrebt – in diesem Falle ein unab­hängiges Grossjura – so ist es unum­gänglich, auch zu definieren, was dieser Gruppe nicht angehört – eben das Auszuschliessende. Die Abspaltung wird zur kulturellen und sozialen Entgrenzung. Die Problematiken, die sich daraus erge­ben, beinhalten ausgesprochen Anti-Moderne Tendenzen. Wie die Soziologin Vera Inder­maur-Hänggi betont, unter­scheiden sich Separations­bewe­gungen, die eine ethisch motivierte Abspaltung an­streben, erheblich von anderen Eman­zi­pations­ bewegungen, die Umwelt, Frauen­rechte und die Rechte von Minderheiten ver­


teidigen. 11 Durch die Abspaltung des mehrheitlich katholischen Nordjuras vom protes­tantischen Südjura, der 1979 nach der Gründung des Kantons Jura durch ein Volksplebiszit im Kanton Bern verblieb, entstand ein neues Problem: heute kämpft die Separatisten­bewegung der Béliers (Sturmböcke, Widder) für die Wieder­­ver­ einigung der beiden Teile und für ein neues Grossjura. Im Zentrum der Auseinan­der­setzungen, die von Haus am Gern in Je ne sais quoi thematisiert werden, stehen die teilweise gewalttätigen Aktionen der Béliers, der militanten Jugendgruppe, die seit den sechziger Jahren mit spektakulären Aktio­ nen in Erscheinung tritt. Es ist folgerichtig, dass die Béliers enge Kontakte zu anderen Separationsbewegungen in Europa unter­ halten, die ebenso zur Symbolik greifen wie etwa die ETA, die ihre lange unterdrückte Sprache der Basken, das Euskarak, als Binde­glied einer nationalen Kultur fördern. Auch der Jura, aus dem heraus die Béliers operieren, ist von einer radikalen Dualität geprägt. In die Tendenz zur Nation mischt sich, vergleich­bar mit der baskischen Separations­bewegung, die Geschichte des Juras als Rück­zugs­gebiet von Anarchisten. Bakunin lebte hier und auch der deutsche Anarchist August Reinsdorf, der 1885 für sein missglücktes Attentat auf den deut­ schen Kaiser in Dresden hinge­richtet wurde, hielt sich zuvor jahre­lang im Jura auf und agitierte von da aus. So kommt es in diesem Konflikt zu einer Verquickung von anarchis­tischen, weltumspannenden Ideen der Revolution mit separatistischen Tendenzen zur Nation Building, die mit der Schaffung eigener kultureller Werte mit hohem Symbolwert einhergehen. Diesen Weg gingen auch die Béliers, die sich neben der französischen Sprache (und dem juras­sischen Pâtois) als Instrument der Distink­tion gegenüber dem weitgehend

deutsch­sprachi­gen Bern ein eigenes Symbol schufen. Als 1973 die Schweizer Armee im Auftrag des Kantons Bern im Nordjura eine alte Mühle zerstörte, um ein militärisches Übungs­gelände zu errichten, blieb einzig ein grosses Mühlrad übrig, das zwei Soldaten ent­wendeten und an einen Architekten ver­ kauften, der es als ornamentales Element am Gebäude der Berner Kantonal­bank BEKB in Lengnau bei Biel an der Aussen­ fassade installierte. Nachdem sich 1978 der Nordjura vom Kanton Bern abgespalten hatte, entwen­ deten 1996 die Béliers das Rad erneut, beziehungsweise repatriierten es in den neu entstandenen Kanton. Die BEKB bot den Béliers damals das Rad für einen symbo­ lischen Franken zum Kauf an, um das juristische und politische Problem für die Bank aus der Welt zu schaffen. Die Béliers lehnten den Handel mit der Begrün­dung ab, dass sie nichts kaufen würden, was ihnen gehört. Seither halten die Béliers das Rad im Kanton Jura versteckt und schützen es vor dem Zugriff der Justiz, um es der­ einst als Denkmal für den jungen Christian Bader aufzustellen, der bei einem miss­ glückten Bomben­anschlag in Bern ums Leben kam. Die Béliers forderten von der jurassischen Kantonsregierung wiederholt, das unter dem Namen «Roue de Bolle­ ment» bekannt gewordene Rad als offi­ziel­ les Kulturgut anzuerkennen. Die Kantons­ regierung lehnte – da sie das Rad weder sehen noch überprüfen könne – diese Forderung jeweils ab, und ausserdem dürfe Diebesgut nicht zum Kulturgut deklariert werden. Der Kanton wäre zudem ver­ pflichtet, es dem recht­mässigen Besitzer, der BEKB, zurück­zugeben. Haus am Gern, die keinerlei Sympathien zu irgendeiner Seite in diesem lang an­ dauern­den Konflikt hegen, stellten mit Je ne sais quoi lediglich die Plattform zur Verfügung, auf der sich die Wider­sacher


präsentierten. In diesem Konflikt nehmen Haus am Gern eine Position neutraler Radikalität ein. Auch wenn der Jura-Konflikt im Vergleich zu den bleiernen Jahren in der Bundesrepublik Deutschland deutlich weniger Opfer forderte, bietet sich ein Ver­ gleich zu Hans-Peter Feldmanns Zyklus Die Toten an, in der die Toten der RAF ohne Wertung dokumentiert werden.12 Wie Fallada zeigte auch die Arbeit Je ne sais quoi weit über den Kunstkontext hinaus Wirkung. Angefangen bei der historischen Recherche des Konflikts gelang es Haus am Gern, die divergie­renden Kräfte in dieser Auseinander­setzung einzubinden, von der Kontakt­aufnahme zu den Béliers wie auch dem Vertreter der Kulturbehörde, die in einer klassisch konzipierten Aus­stellung ihre unterschiedlichen Sicht­weisen über die Popularität eines Werkzeugs aus der früh­ industriellen Produktion darlegen konnten, das während einer jahrzehnte­langen Aus­ einandersetzung zum Kulturgut avancierte, jedoch visuell seit langem nicht mehr prä­sent war.

Anm.: Am 3. September 2010 – kurz vor Redaktionschluss der vorliegenden Monographie – installierten die Béliers das «Roue de Bollement» in einem feierlichen Akt mitten in St. Brais zu Ehren von Christoph Bader. Die Installation unweit des «Hôtel du Soleil», wo Bader aufgewachsen war, erfolgte im Einvernehmen mit dem Gemeinderat, jedoch ohne Bewilligung der Kantonsregierung. Haus am Gern wurde zur Feier eingeladen und ist auf der Ehrentafel erwähnt. Haus am Gern seinerseits lud Ernst Häusermann ein, der 1973 als Soldat das Rad entwendet bzw. gerettet hatte. Zur Überraschung aller brachte er als Geschenk ein Transmissionsrad aus der Mühle zu Bollement mit, das als Schmuck in seinem Garten gedient hatte. Béliers-Sprecher Marc Freléchoux und Ernst Häusermann gaben sich versöhnlich die Hand.

AUFFORDERUNG ZUM SPIEL – PARTIZIPATION IM UNGESCHÜTZTEN RAUM Zwar hatte sich im Zuge der Ausdiffe­ren­ zierung der Gattung Performance seit den sechziger Jahren eine zunehmende Parti­zi­ pation von Zu­schauern in künstle­rischen Prozessen etabliert, dabei handelte es sich aber meist um abgesicherte Beteiligungen, die in einem gesicherten Kunstkontext statt­ fanden. Als Beispiele unter vielen wären hier einige Arbeiten zu nennen, die zum einen den Status des invol­vierten Betrach­ ters über die Jahrzehnte gefestigt, gleich­ zeitig aber auch verschoben haben. 13 Das reicht von der Befragung des Galerie­ publikums in SoHo – zwecks Daten­erhe­ bung zu dessen sozialer Zusammen­setzung – in Hans Haackes Studie John Weber Gal­lery Visitors’ Profile 1 aus dem Jahre 1972 über Erwin Wurms One Minute Scul­ptures seit den späten achtziger Jahren, die Aus­stel­ lungsbesucher zu Komparsen des Slapstick degradieren 14 bis zu Rirkrit Tiravanija, der seit den Neunziger Jahren immer wieder in Museen und Galerien thailändische Gerichte für die Besucher kocht. Partizipationen von Besuchern in Kunst­ werken sind mittlerweile fester Bestandteil einer Ausstellungspraxis des Spektakels geworden. Es ist einerlei, ob es sich dabei um sozial angehauchte Arbeiten wie die von Thomas Hirschhorn mit sozial benach­ teiligten Jugendlichen auf der Documenta 2002 in Kassel handelt, die die Gier nach Authentizität eines arrivierten Kunst­ publikums bedient, oder ob Olafur Eliassons immer gigan­ti­schere Pro­duk­tio­nen zwischen Kunst und Naturspektakel einen kontem­ plativen Gemütszustand evozieren. Alle diese Produktionen bedienen ein altes, wenn auch ver­gebliches Bedürfnis – die Sehn­sucht nach direktem Zugang zur Kunst ohne lästige Umwege über Reflek­tion, Wis­sens­


aneignung und Diskurs. Um es noch einmal zu betonen: sympto­matisch an den gerade genannten Kunstproduktionen war, dass sich das Publikum deshalb daran beteiligte, weil der White Cube garan­tierte, dass es sich um ein Kunstwerk handelte. 15 Die Partizipationsangebote von Haus am Gern widersprechen diesem simplifizierten Kunstverständnis. Haus am Gern geht hier einen ent­scheidenden Schritt weiter. Haus am Gern bringt die Kunst aus dem klinisch-weissen White Cube in die Gesell­ schaft zu­­­rück. Sind Tabus stille Über­ einkünfte, die erst zum Vorschein kommen, sobald sie ge­brochen werden, so ist die Verletzung je­ner Tabus grundlegend notwendig, um kul­turelle, moralische und soziale Grenzen sichtbar zu machen. Deshalb arbeiten Haus am Gern situations­ bedingt. Und deshalb ist es für sie mass­ gebend, sich stets aufs Neue mit dem Ort und seiner Be­schaffen­heit auseinander­ zusetzen. — 1 Foucault, Michel: Dits et ecrits, Vorrede zur Über­ schrei­tung. In: Michel Foucault: Dits et Ecrits. Schriften. Bd 1. Suhrkamp, Frankfurt/Main 2001, S.320 –342. 2 Kapferer, Jean-Noel: Rumeurs Le plus vieux média du monde, besonders das Kapitel: La rumeur: son public, ses fonctions, Éditions Du Seuil, Paris 1987, S. 104–111. 3 Siehe: Franck, Georg: Ökonomie der Aufmerksamkeit, besonders Kapitel: Zur Ökonomie der Selbstwertschätzung, S. 75–79, Carl Hanser Verlag München 1998. 4 Karl Marx/Friedrich Engels – Werke. Dietz Verlag, Berlin. Band 18, 5. Auflage 1973, unveränderter Nach­ druck der 1. Auflage 1962, Berlin/DDR. S. 209-287. 5 SED steht für Sozialistische Einheitspartei Deutsch­ land. Bis zum Zusammenbruch der DDR im Herbst 1989 war die SED einzige Partei in der Deutschen Demo­kra­ tischen Republik DDR. 6 Dietrich, Isolde: Hammer, Zirkel, Gartenzaun. Die Po­litik der SED gegenüber den Kleingärtnern. Books on Demand GmbH, Norderstedt 2003.

7 Zur Unterscheidung von Räumen und Orten siehe: de Certeau, Michel: Praktiken im Raum, in: Dünne, Jörg; Gün­zel, Stephan: Raumtheorie, Suhrkamp Verlag Frank­ furt 2006, S. 345. 8 Die Probleme, die sich aus der Rückanbindung von Kunst an den Galerieraum ergeben, egal wo sie entsteht, sind obschon hundertfach an anderer Stelle zitiert, immer noch am besten bei Brian 0’Doherty nachzulesen und hier im Kapitel: Die Galerie als Gestus, S. 99–129, in: 0’Doherty, Brian: In der weissen Zelle. Inside the White, Hg. Kemp, Wolfgang, Berlin 1996. 9 Siehe Arbeiten von Thomas Hirschhorn oder Pipilotti Rist. 10 Kudielka, Robert: Gegenstände der Betrachtung – Orte der Erfahrung Zum Wandel der Kunstauffassung im 20. Jahrhundert, in: Topos Raum Die Aktualität des Rau­ mes in der Gegenwart, Akademie der Künste (Hg.), Verlag für moderne Kunst, Nürnberg 2005, S. 53. 11 siehe: Indermaur-Hänggi, Vera: Der Jura-Konflikt, Online Publications, Soziologisches Institut der Univer­ sität Zürich, 1997, S. 1. 12 Die Toten, Hans Peter Feldmann RAF, APO, Baader Mein­hof: 1967–1993 Museum für Moderne Kunst, Frank­ furt am Main. 13 Siehe: Groys, Boris: A Genealogy of Participatory Art, S. 18–31: Ausst.-Kat.: The Art of Participation 1950 to Now, Rudolf Frieling (Hg.); San Francisco Museum of Modern Art, New York und London: Thames & Hudson, 2008. 14 Siehe: Schneemann, Peter J.: Anweisung, Beo­bach­ tung und Nachricht. Rollenspiele für die Rezeptions­äs­ thetik, in: Welt-Bild-Museum. Topographien der Kreati­ vität (Festschrift für Professor Ekkehard Mai) [Publikation der Akten, Symposium des Wallraf-Richartz-Museums Köln und der Fondation Corboud Köln in Zusammenarbeit mit dem Kunsthistorischen Institut der Universität zu Köln unter dem Titel «Welt-Bild-Museum. Topographien der Kreativität», 29. bis 31. Januar 2009], Köln: Böhlau, 2010. (im Druck). 15 Zur Auseinandersetzung um das für und wieder par­ tizipatorischer Strategien siehe Nicolas Bourriaud: Rela­ tio­nal Aesthetics. Paris: Presses du réel, 2002 und Jacques Rancière: Der emanzipierte Zuschauer, Wien: Passagen Verlag, 2010.


«Haus am Gern ist eine reale Fiktion, so möglich und unsicher wie die Frage, ob die Störche dieses Jahr zurückkehren.» ANNELISE ZWEZ


Chri Frautschi *1969, betreibt den Kunstraum lokal.int in Biel / Bienne. Und lebt auch dort. www.lokal-int.ch

Trmasan Bruialesi *1956 in Tiflis, Georgien. Studium der Sla­vistik mit Schwerpunkt altslavische Texte des frühen Christen­tums. Arbeitet als Übersetzer, Autor und Musiker seit 1989 in Berlin.

Claudia Spinelli *1964, lebt und arbeitet in Basel und ist Autorin und Ku­ ­­ra­torin. Bevor sie 2009 Leiterin des Kunst­­­raums Baden wurde, hat sie als Kunst­kritikerin u.a. für die Neue Zürcher Zeitung und die Weltwoche geschrieben. Davor hat sie das Kleine Helmhaus und die Galerie Walche­turm (1996 –2000, beide in Zürich) geleitet. Als Gast­ku­ratorin verantwortete sie u.a. Aus­stel­lungen im Château de Nyon, im Kunsthaus Baselland und im PS1 in New York. Eine erste Zusammenarbeit mit Haus am Gern fand 2008 für die Ausstellung «Real Estate» im Kunst­mu­seum Solo­ thurn statt: damals wurde «N.I.M.B.Y – Not In My Back­ yard» realisiert.

Rolf Bismarck *1961, lebt und arbeitet in Basel und ist Claudia Spinellis Lebens- und hin und wieder auch Ar­beits­partner. Er ist von Haus aus Journalist und hat für n-tv, das erste deutsche Nach­rich­ten­fernsehen, gearbeitet. Bei den Aus­ stellungen «Reprocessing Reality» im Château de Nyon und im PS1 hat er als Co-Kurator und für «Real Estate» im Kunstmuseum Solo­thurn als Autor mit­ge­wirkt.

Andrea Domesle Kuratorin, Kulturmanagerin und Kunst­histo­rikerin mit mehrjähriger Berufserfahrung im internationalen Kon­ text. Künstlerische Lei­te­rin der Kunsthalle Palazzo in Lies­tal  /  Basel. Lehr­­beauftragte an den Kunst­uni­ver­si­tä­ ten in Usti nad Labem, Basel und Zürich.

Thomas Schönberger Studium der Kunstgeschichte in Hamburg, wissen­schaft­ ­licher Mitarbeiter am Institut für Kunstgeschichte Bern, Abteilung Moderne und Gegenwart, Forschungs­schwer­ punkt künst­lerische Interventionen in urbanen Räumen, Relationen zwischen Subkulturen und Kunst­system.

Annelise Zwez *1947 in Biel. Nach der Matura in Schaff­hau­sen phil. I-Stu­dien in Grenoble, Cam­­bridge und Zürich. Seit 1972 als Kunst­kri­ti­kerin für die Tages- und Fach­pres­se im Inund Ausland tätig. Zahlreiche Katalog-, Buch- und Le­xi­ kontexte. Wohnt in Twann (BE).

Till Velten *1961, lebt und arbeitet in Berlin und Basel. Studium an der Kunstakademie Düsseldorf, Meisterschüler bei Fritz Schwegler. 2006/7 Professur an der Kunsthoch­schu­ le Kassel, seit 2008 Leitung des Masterstudiengangs «Art in Public Spheres» an der Hochschule Luzern. Ar­bei­tet mit Video, Audio und Installation. Till Velten hat im Auf­ ­trag von Haus am Gern ein eigenes Heft für diese Mono­ grafie realisiert.

Peter Vittali Peter Vittali ist der Art Process Inspector von Haus am Gern, dem ein eigenes Heft in dieser Monografie gewid­ met ist. In der Rolle des Art Process Inspectors ist Peter Vittali Autor vieler Performances und Berichte zu Wer­ ken von Haus am Gern, aber nicht nur. Was sein CV be­ ­trifft, so lautet seine Antwort: www.openfocus.ch. Das sei zugleich knapp und ausführlich, denn er findet, die Ar­­beit selbst sei das einzige CV, das die Mühe wert ist. Manch­ ­­­mal füge er noch ergänzend hinzu: «You can ob­serve a lot just by watching»

— Abbildungen Störche: www.storch-schweiz.ch


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.