Magazin Human Resources Manager 4/2015

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Thema Mittelstand

MAGAZIN FÜR HUMAN RESOURCES MANAGEMENT

AUGUST / SEPTEMBER 2015

WWW.HUMANRESOURCESMANAGER.DE

ISSN 1869-5116

EUR 11,40


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EDITORIAL

Mädchen für alles

M

otor, Säule, Rückgrat – Synonyme für den Mittelstand in Deutschland gibt es einige. Und alle sind ein Zeichen der Anerkennung für die Unternehmen, die zwar häufig wenig bekannt sind, aber für eine hohe Beschäftigung und Produktivität hierzulande sorgen. Wenn man eine enge Definition des deutschen Mittelstands heranzieht und nur Unternehmen berücksichtigt, die maximal 500 Beschäftigte sowie maximal 50 Millionen Euro Jahresumsatz haben, dann sind es immer noch 99 Prozent aller Unternehmen, die in diese Gruppe gehören. Sie steuern laut Zahlen des Bundeswirtschaftsministeriums fast 55 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung des Landes bei. Kein Wunder, dass man im Ausland etwas neidisch auf den „German Mittelstand“ schaut. Im Vergleich zu Großunternehmen stehen für die Personalarbeit allerdings in der Regel wesentlich weniger Ressourcen zur Verfügung. Dafür zeigt sie sich häufig flexibler und ist nicht in starren Prozessen gefangen. Was die Qualität der Personalarbeit angeht, ist im Mittelstand vermutlich alles dabei. Von Desaster bis absolute Professionalität. Nicht selten hat das Desaster allerdings damit zu tun, dass es im Unternehmen gar keine Personalabteilung gibt, sondern der Chef alles alleine verantwortet.

au gust / sept em b er 2015

Man kann sicherlich nicht sagen, dass momentan zu wenig über HR diskutiert wird. Wir reden jedoch zu wenig über Personalarbeit im Mittelstand. HR Business Partner, Mobile HR, Active Sourcing – solche Themen sind en vogue, haben häufig aber wenig mit dem tatsächlichen Alltag vieler Personaler im Mittelstand zu tun. Und trotzdem waren eine Menge von ihnen bislang erfolgreich – auch wenn sie noch nicht in der „modernen“ HR-Welt angekommen sind. Dennoch: Es wird immer schwieriger, ohne professionelle HR-Arbeit auszukommen. Mehr und mehr Unternehmen haben Nachwuchssorgen oder tun sich schwer, Fachkräfte zu finden. Da ist mit hemdsärmeligem „Aus dem Bauch“-Recruiting nicht viel zu machen. Digitalisierung und Internationalisierung sind weitere Themen, die im Mittelstand im Fokus stehen, und auch sie machen ein professionelles HR-Management notwendig. Gleichzeitig bleiben die vorhandenen Mittel bescheiden. Es ist manchmal schon erstaunlich, was fünfoder sechsköpfige Personalabteilungen zum Teil alles stemmen und welche unterschiedlichen Funktionen sie wahrnehmen: Verträge aufsetzen, Recruiting, Personalentwicklung – das wird nicht selten von ein und derselben Person gemacht. Das Prinzip der eierlegenden Wollmilchsau hat aber hinsichtlich professioneller Arbeit Grenzen. Nichtsdestotrotz muss man vor vielen dieser Allroundtalente oder auch „Mädchen für alles“ den Hut ziehen. Personalarbeit im Mittelstand ist kein Kindergeburtstag – und gleicht manchmal der Quadratur des Kreises.

Jan C. Weilbacher Chefredakteur jan.weilbacher@humanresourcesmanager.de

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Zahlen und Zitate Standpunkt Wo sind die Innovatoren? Viele Unternehmen konzentrieren sich zu sehr auf Prozesse und Tools, und vergessen den Menschen Candidate Experience Umfrage über No-Gos im Bewerbungsprozess Blogparade Digitalisierung Acht Wünsche an die Personaler Der disruptive Wandel Die Transformation sollte bei CEOs ganz oben auf der Agenda stehen

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IM FOKUS 64

TITELTHEMA: MITTELSTAND 68 23 26 29

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Übersicht Prolog Was den Mittelstand bewegt Welchen Veränderungen sich Personalmanager stellen müssen, um zukunftsfähig zu sein Teilzeit für alle Projektron hat sich vom VollzeitModell verabschiedet Uhrenindustrie Uhren-Marken müssen modern und gleichzeitig traditionell sein HR in China Einige Anregungen zum Recruiting in China Heile Arbeitswelt Die J. Schmalz GmbH lockt Mitarbeiter mit einem RundumSorglos-Paket Die Buchbranche im Wandel Bastei Lübbe zeigt sich als Vorreiter im Digitalsegment

Weißes Gold made in Berlin Ein Bankier versucht mit Porzellan schwarze Zahlen zu schreiben – ohne Personalabteilung Des einen Freud, des anderen Leid Die Insolvenzen in Deutschland gehen zurück und Insolvenzverwalter verlieren ihre Jobs. Ein Porträt Nachholbedarf Einige Unternehmen sind auf Industrie 4.0 nicht vorbereitet Epilog

Neue Strategie bei Daimler Personalvorstand Wilfried Porth über HR und mobiles Arbeiten Offiziere bevorzugt Der Einstieg in die Wirtschaft gestaltet sich für Zeitsoldaten nach der Dienstzeit oft schwierig

MENSCHEN 70 73

Personen & Karriere Die wichtigsten Wechsel Zwischen den Welten Peter Borchers hat den TelekomInkubator hub:raum gegründet – ohne Mitarbeiter und Budget

ANALYSE 78

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Bücher Lesenswertes rund um HR Sieben Gedanken Whatsapp im Recruiting Meine digitale Welt Das Büro von Judith Oldekop ist in ihrer Handtasche Termine

RECHT 96

Zukunft Passt das aktuelle Arbeitsrecht zur Arbeitswelt 4.0? 100 Aktuelle Urteile VERBAND 102 Das neue BPM-Präsidium 104 Headhunting in Deutschland Studienergebnisse 106 Kodex des guten Headhuntings 108 Personalmanagementkongress Impressionen 110 Personalmanagement Awards Gewinnerinterviews 113 Die Shortlist 115 BPM Nachwuchsförderpreis Interview mit der diesjährigen Gewinnerin Ilka Flindt 116 Nachgefragt 117 Im Dialog mit dem BMFSFJ

Über Kennzahlen hinaus Personalmanagement ist mehr als KPI. Viele Unternehmen setzen auf strategische Personalplanung Vorurteilsfrei bewerten Eine Studie zeigt, wie Adelstitel in Bewerbungen Vorurteile schüren Assessment Center Wie Personalauswahl durch Intelligenztests verbessert werden kann

3 Editorial 6 Kolumne: Home Office 118 Fragebogen: Ralf Blomeier, Dr. Oetker 4

PRAXIS

72 Impressum

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Cover: Marcel Franke; S. 4: Dr. Oetker GmbH; Seite 5: NICO PUDIMAT, Daimler AG, Laurin Schmid

MEINUNG

IN DIESER AUSGABE


35 Feinsinnig

In der Provinz zuhause und doch weltbekannt. Was für viele deutsche Mittelständler gilt, ist auch in der Uhrenindustrie keine Seltenheit. Und ihre Marken stehen vor der Herausforderung, modern zu sein, ohne die Tradition zu vergessen.

73 Waghalsig

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Peter Borchers ist der geborene Gründer, ein energiegeladener Freigeist und kreativer Kopf. Trotzdem ist er einem Großkonzern treu.

Offensiv

Als Dienstleister wollen die Personaler sich bei Daimler nicht unbedingt sehen. Personalvorstand Wilfried Porth im Gespräch über die neue Strategie, mobiles Arbeiten und den VfB Stuttgart.

j u ni / j ul i 20 1 5

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MEINUNG

Frage: Was ist im Bewerbungsprozess auf Seiten des Arbeitgebers ein absolutes No-Go?

Linda Hiltmann

war bis zur Insolvenz bei der Juwi MacMillan Group Head of Human Resources. Auf www.blickwinkel-blog.de erzählt sie über die Erlebnisse bei der Suche nach einem neuen Job.

Joachim Diercks

Neulich habe ich gelesen: ‚Bitte antworten Sie nicht auf diese Nachricht, sie wird das Recruiting-Team nicht erreichen.‘ Gefangen in automatischen Prozessen, ohne Ansprechpartner und einer einseitigen Kommunikation verstärkt der eigentlich auf Menschen und Beziehungen gerichtete HR-Bereich seine Wahrnehmung bei Bewerbern als angestaubte, graue Personalverwaltung. Wir brauchen dringend eine Putzkolonne!“

Bewerber sind Kundschaft! Wenn sich ein Kandidat nach dem Stand seiner Bewerbung erkundigt, dann darf man nicht per se genervt sein. Wenn man sagt, dass man sich am Freitag meldet, dann meldet man sich am Freitag – auch wenn sich vielleicht noch keine Entscheidung verkünden lässt. Das mag anstrengend sein, aber bevor über Fachkräftemangel lamentiert wird, sollte man sich fragen, ob man seine Hausaufgaben erledigt hat.“

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ist Gründer von Cyquest. Die Beratung ist spezialisiert auf Online Recrutainment.

ist Team Specialist Cash Management bei einem Chemieunternehmen. Die 31-jährige Wirtschaftsmathematikerin ist seit 2008 im Unternehmen.

Furchtbar fand ich ein Bewerbungsgespräch bei einer großen Bank. Dort saßen mir drei HRler, ein Abteilungs- und Teamleiter sowie jemand fürs Protokoll gegenüber. Ich kam mir vor wie in einer Prüfung. Grundsätzlich finde ich es schade, dass viele Unternehmen nach bestimmten Rastern suchen: Sobald man eine Komponente nicht erfüllt, wird man nicht in Betracht gezogen. Und Fragen zu meinem Beziehungsstatus oder Kinderplanung sind dabei für mich ein echtes No-Go.“

Melanie Schadow ist HR Consultant bei einem Energieunternehmen. Die 29-Jährige hat European Management studiert und ist seit zwei Jahren im Unternehmen.

Ich habe einiges von Freunden gehört: Bewerber, die ewig auf einen unpünktlichen Gesprächspartner ohne Erklärung warten müssen oder am Empfang mitgeteilt bekommen, dass das Gespräch nicht stattfindet; im Vorstellungsgespräch mit dem falschen Namen angesprochen werden oder für eine schlichte Sachbearbeiter-Position immer wieder stundenlange Gespräche mit verschiedenen Personen des Unternehmens führen müssen ohne erkennbaren Grund.“

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Fotos: Privat (4., l.), Privat (4.,r.)

Sandra Sibus


Viele Kandidaten teilen ihre Erfahrungen rund um Bewerbungsprozesse mit Freunden und haben damit erheblichen Einfluss auf das Arbeitgeber-Image. Trotzdem gibt es an der Candidate Experience für Unternehmen noch einiges zu verbessern. Wir haben Mitarbeiter, Personaler, Berater und Studenten nach ihrem persönlichen No-Go beim Bewerbungsprozess gefragt.

Alfred L. J. Quenzler ist Professor für Internationales Personal- und Organisationsmanagement an der Technischen Hochschule Ingolstadt.

Die blitzschnelle Bestätigung des Bewerbungseingangs per Standardmail ist eigentlich klasse. Peinlich wird es nur, wenn dem Bewerber versprochen wird, dass man sich in vier Wochen meldet. Und dann hört der Bewerber zwei Monate nichts. Wenn unsicher ist, ob man in der angegebenen Zeit antworten kann, sollte man auf Zeitangaben verzichten.“

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Ina Bourmer Felix Bünting ist BWL-Student an der Fachhochschule Kiel und Recruiter bei avocis Nord, Part of Capita plc.

Unternehmen stellen sich in ihrer Bewerberkommunikation oft so dar, wie sie sein möchten, nicht wie sie wirklich sind. Diese Diskrepanz liegt vielleicht daran, dass jeder in der Prozessküche mitmischen darf. So stehen neben dem Recruiting als Chef de Cuisine und der Fachabteilung als Sous Chef auch das Marketing als Chef de Partie und die PR-Abteilung als Saucier mit am Herd. Je nach Unternehmen schauen auch Einkauf und IT mal rein. Hier entsteht dann der Prozessbrei, welcher dem Kandidaten als detaillierter Einblick serviert wird. Ist nicht gesund, sieht aber gut aus.“

Florian Mann ist Geschäftsführer der Arbeitgeber-Bewertungsplattform kununu.

Leider betrachten viele Arbeitgeber ihre Bewerber noch als Bittsteller, wie folgende Bewertung auf kununu zeigt: ‚Ohne sich vorzustellen und nach meiner Anreise zu fragen, fiel mein Gegenüber mit der Tür ins Haus und fragte, warum ich mich denn beworben hätte. Aber der Intonation nach klang es eher wie ‚Wieso haben Sie denn die Frechheit besessen?!‘ Das ist natürlich ein absolutes No-Go.“

ist Head of Human Resources & Talent Acquisition bei Goodgame Studios. Die Diplom-Informatikerin begann ihre Karriere als Managerin in der IT.

Ein Job-Interview sollte niemals eine verbale Einbahnstraße sein oder gar zu einer Art Inquisition ausarten. Leider habe ich während meiner Laufbahn allzu häufig erlebt, dass Personaler ihren vorgefertigten Fragenkatalog einfach nur abarbeiten und eine Frage nach der anderen stellen – egal, was der Kandidat antwortet. Ziel sollte es aber sein, auf das Gesagte passend zu reagieren und so in einen echten und für beide Seiten interessanten Dialog zu treten. Erst dann ist ein Interview zielführend und macht nebenbei auch noch richtig Spaß.“

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TITEL

Das Berliner IT-Unternehmen Projektron verabschiedet sich vom Vollzeit-Modell. Das löst viele Probleme, mit denen sich andere Mittelständler herumschlagen: Trotz starken Wachstums hat das Unternehmen zum Beispiel keine Schwierigkeiten, Fach- und Führungskräfte zu finden und zu halten. Von SARAH SOMMER

Teilzeit für alle

Auch so kann man als Team bei Projektron arbeiten: entspannt auf dem Balkon.

zu diesem Zweck als geeignet erwiesen. Schließlich gehe es bei der Personalarbeit, wie beim Projektmanagement, im Wesentlichen um die Fragen: Wer ist da? Wie lange? Und mit welchen Kompetenzen?

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Die Projektron-Mitarbeiter tragen wichtige Informationen für die Urlaubs- und Arbeitszeitorganisation und die Kapazitätsplanung direkt selbst in die Software ein. So kommt das Unternehmen bislang ohne große Personalabteilung aus. Jeder Mitarbeiter erfasst in der Software auf fünf Minuten genau, was sie oder er gerade tut. „So sehen wir sofort, wenn jemand Überstunden macht, wenn uns irgendwo Kapazitäten oder Kompetenzen fehlen, ob jemand Unterstützung braucht oder an anderer Stelle eingesetzt werden könnte“, erklärt Gerhardt. Zeigt die Software, dass die Auslastung einzelner Mitarbeiter oder Abteilungen nicht mehr optimal ist, suchen Personalmanagement und Teamleiter das Gespräch mit Mitarbeitern, um eine Lösung zu finden. So sei zum Beispiel ihre eigene Stelle überhaupt erst entstanden, berichtet Gerhardt: „Die Software zeigte, dass die drei Stabsstellen jeweils 40 bis 50 Prozent ihrer Zeit für Personalarbeit aufwendeten. Also wurde es Zeit, jemanden einzustellen, der sie entlastet und diese Aufgabe übernimmt.“

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Foto: Valeria Mitelman (l.), Valeria Mitelman (r.)

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eim IT-Unternehmen Projektron funktioniert das Personalmanagement nach dem Prinzip „learning by doing“. Das im Jahr 2001 gegründete Unternehmen entwickelt und vertreibt eine webbasierte Projektmanagement-Software. Das IT-Startup ist damit schnell zum Mittelständler herangewachsen: 2005 arbeiteten 20 Mitarbeiter für die Berliner, heute sind es bereits 86 an insgesamt sechs Standorten in Deutschland. „Wir stellen im Schnitt jeden Monat einen neuen Mitarbeiter ein“, berichtet Sandra Gerhardt, Personalmanagerin bei Projektron. Die 27-Jährige stieß im Jahr 2012 als Verantwortliche für das Personalmanagement zu Projektron. Zuvor hatten die beiden Geschäftsführer und drei Stabsstellen aus dem Controlling, Qualitätsmanagement und der Technischen Dokumentation die Personalarbeit nebenbei mit erledigt. „Das funktionierte lange sehr gut, weil Projektron beim Personalmanagement ganz pragmatisch auf die eigene Projektmanagement-Software setzt – und diese einfach nach und nach immer weiter an die wachsenden Anforderungen anpasst“, erklärt Gerhardt. Die Software habe sich

Jeder erfasst, was er oder sie gerade tut


TITEL

Diese pragmatische Herangehensweise hält das Personalmanagement flexibel. „Wir machen keine jährliche Personalplanung, haben auch keine festen Budgets für Personalmaßnahmen. Das wird alles laufend nachgesteuert und von den Bedürfnissen der Mitarbeiter und der Auftrags„Eine 40- oder lage getrieben“, sagt Gerhardt. 50-Stunden-Woche Die Folge: Starre Hierarchien ist nicht mehr und Arbeitszeitmodelle sind in dem IT-Unternehmen nie gewünscht.“ entstanden. Fast die Hälfte der Sandra Gerhardt Projektron Mitarbeiter arbeitet in flexiblen Teilzeit-Modellen. Die Teamleitung der beiden größten Fachabteilungen liegt jeweils in den Händen von Führungs-Tandems, die sich einen Arbeitsplatz teilen – weil sich das Jobsharing als organisatorisch beste Lösung für Mitarbeiter und Unternehmen erwiesen hat. „Wir haben festgestellt, dass eigentlich alle Aufgaben, auch Führungsaufgaben, in Teilzeit sehr gut erfüllt werden können“, sagt Gerhardt. „Vor allem aber hat die Geschäftsleitung früh erkannt, dass man mit flexiblen Arbeitszeitmodellen sehr effizient Mitarbeiter gewinnen und halten kann.“ Das Durchschnittsalter der Belegschaft ist mit 32 Jahren sehr jung. „Viele unserer Mitarbeiter kommen direkt von der Uni zu uns. Unsere Erfahrung ist: Eine 40- oder 50-Stunden-Woche ist nicht mehr gewünscht. Unsere Mitarbeiter möchten neben der Arbeit auch noch Zeit für Hobbys, Familie oder andere Projekte haben“, erklärt die Personalmanagerin. „Die meisten unserer Mitarbeiter kennen es gar nicht anders: An der Uni haben sie mehr oder weniger gearbeitet wann, wo und wie sie es für richtig hielten. Und setzen das bei uns so fort.“

Nicht auf dem klassischen Vollzeit-Modell als Standard zu bestehen, hat sich für das Unternehmen ausgezahlt. „Der Pool möglicher Bewerber ist so einfach viel größer“, sagt Gerhardt. „Und wir schaffen es, gute Mitarbeiter langfristig zu halten – auch wenn sich in deren Privatleben oder ihren beruflichen Interessen etwas ändert, sie zum Beispiel nebenbei einem zeitintensiven Hobby nachgehen oder eine Familie gründen wollen.“ Projektron hat eine für die IT-Branche ungewöhnlich hohe Frauenquote von fast 50 Prozent. „Aber die Teilzeitstellen sind bei uns kein reines Frauenthema“, stellt die Personalmanagerin klar. „Rund 40 Prozent der Teilzeit-Angestellten sind Männer.“

Die meisten bewerben sich initiativ Da sich die flexible Arbeitsplatzgestaltung bewährt hat, schreibt Projektron freie Stellen in der Regel gleich als „Teil- oder Vollzeitstelle“ aus – unabhängig davon, ob es um eine Teamleiterstelle geht, um eine Position als Entwickler oder Kundenberater. Die meisten Bewerber kommen allerdings über Initiativbewerbungen zu Projektron. Das passt gut in das flexible Personalmanagement-Konzept: „Wir schauen uns an, welche Kompetenzen die Bewerber mitbringen und wo diese Kompetenzen gerade gebraucht werden könnten.“ Die Personalmanagerin achtet darauf, dass die Teamleiter in regelmäßigen Mitarbeitergesprächen herausfinden, ob das jeweilige Arbeitszeitmodell und der inhaltliche Zuschnitt der Stellen auch weiterhin zu den Bedürfnissen und Kompetenzen der Mitarbeiter passt. „Motivierte und zufriedene Arbeitnehmer leisten einfach bessere Arbeit“, fasst Gerhardt die Philosophie des Projektron-Personalmanagements zusammen. „Daher lohnt sich der Aufwand, individuelle und flexible Arbeitszeitmodelle für jeden Mitarbeiter zu finden.“

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Der Mittelstand ist grundsätzlich aufgeschlossen gegenüber dem Thema Industrie 4.0, meint Christian Schröder vom Institut für Mittelstandsforschung. Welche Rolle HR dabei zukommt und warum Arbeitszeitkonten wichtiger werden, erzählt er im Interview.

Fotos: Florida Eis (2,l.); Privat (r.)

„Die Produktion wird volatiler“

Abgehängt, angstbehaftet, zu wenig aktiv. So wird oft über den Mittelstand und seinen Umgang mit Industrie 4.0 geredet. Diesen negativen Duktus vermeidet Christian Schröder. Er, der das Thema am Institut für Mittelstandsforschung wissenschaftlich begleitet, sieht die kleinen und mittleren Unternehmen zwar erst am Anfang, aber definitiv auf dem Weg hin zur vernetzten Produktion. Die Unaufgeregtheit, mit der er das Thema analysiert, tut der Debatte gut. au gust / sept em b er 2015

Herr Schröder, empfinden Sie den Mittelstand als behäbig? Der Mittelstand tut sich sicherlich mit Industrie 4.0 noch deutlich schwerer als die großen Unternehmen, die ganz klar Treiber dieses Themas sind. Aber es gibt nicht den einen Mittelstand, sondern große branchenspezifische Unterschiede. In manchen Branchen ist die Automatisierung schon sehr weit fortgeschritten, gerade in vielen Bereichen des verarbeiteten Gewerbes halten entsprechende Technologien Einzug. Aber man muss auch sehen, dass es bisher erst unter zehn Prozent aller mittelständischen Unternehmen sind, die sich schon ganz konkret auf diesen Weg gemacht haben. Viele wissen noch nicht wirklich etwas mit Industrie 4.0 anzufangen. Das Thema ist daher zwar noch deutlich ausbaufähig, aber es ist sicherlich durch die Medienpräsenz in den letzten ein bis zwei Jahren zunehmend ins Bewusstsein vieler Mittelständler gerückt. In den Medien wird oft davon gesprochen, dass der Mittelstand abgehängt wird, dass er Angst habe vor der Digitalisierung. Sind das Horrorszenarien? Das ist höchstens teilweise zutreffend. Wenn ich den deutschen Mittelstand mit anderen kleinen und mittelgroßen europäischen Unternehmen vergleiche, dann steht er, was die Nutzung der entsprechenden Technologien angeht, gut da. Den einzigen Rückstand, den wir in unseren Analysen ausmachen konnten, gibt es beim Cloud Computing. Der ist allerdings deutlich. In den sonstigen, sei es Enterprise Resource Planning oder Customer-Relationship-Management-Software, ist der deutsche Mittelstand, so er sich denn bereits um das Thema kümmert, gut aufgestellt. Warum sieht es beim Cloud Computing vergleichsweise schlecht aus? Geht es da um Sicherheitsaspekte? Das ist ganz eindeutig so. Der deutsche Mittelstand ist im internationalen Vergleich sehr innovativ unterwegs und damit auch Ziel von Wirtschaftsspionage. Da besteht sicherlich die erste Sorge. Aber ob das allein den großen Unterschied wie beispielsweise zu den skandinavischen Ländern erklärt, bezweifle ich, denn die sind ja ähnlich innovativ und vergleichbar bezüglich der Wirtschaftskraft. Kulturelle Unterschiede dürften da eine Rolle spielen.

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TITEL

Da gibt es nicht den einen Königsweg. Es kommt wirklich für jedes Unternehmen darauf an, zu gucken, wo welche Prozesse digitalisiert werden können und auch, welche neuen Geschäftsmodelle Was müsste passieren, damit sich dies auch hierzulande ändert? sich ergeben. Es gilt, eine fundierte digitale Strategie zu entwickeln, Man muss die Datensicherheit gewährleisten. Da wäre mit einheitlichen europäischen Datenschutzbestimmungen schon viel schließlich ist das gesamte Unternehmen betroffen. Das ist Aufgabe gewonnen. Und mit einer Zertifizierung der Cloud-Anbieter, so der Unternehmensführung. Und leider hapert es oft genau daran. dass absolute Transparenz darüber besteht, was mit den Daten Welche Rolle hat HR dabei? passiert, wo sie gelagert werden. Das ist entscheidend. Dann fallen Die gesamte Produktion wird volatiler. Es wird kleinere Losgrößen sie auch unter die entsprechende Gesetzgebung. geben, eine individualisierte Produktion und größere Auftragsschwankungen. Das erfordert eine Industrie 4.0 ist auch ein Hype-Thema, das von der „Es gibt sicherlich Politik gepusht wird, wie zum Beispiel mit der Förderhöhere Flexibilität der Mitarbeiter. Sorgen bezüglich initiative Mittelstand Digital. Wie hilfreich ist das? Wie erreicht man die? Man kann schon sagen, dass es eine gewisse der Tatsache, dass Arbeitskonten sind ja schon heute gang und gäbe, aber dieses Instrument ist sicher eines der Art von Hype hat und dass da sicherlich aktuell Industrie 4.0 große entscheidenden und wird man noch ausweiten mehr hineinprojiziert als kurz- und mittelfristig müssen. Es wird auch eine höhere räumliche Fletatsächlich verändert wird. Aber klar ist, dass es Veränderungen eine Vernetzung der Produktion entlang der Wert- im Unternehmen xibilität geben müssen von Seiten der Unternehschöpfungskette gibt und noch viel stärker geben men. Da denke ich an die Möglichkeit für Home hervorrufen wird.“ wird. Daher haben die InitiaOffice oder – was immer mehr im Kommen ist – „Office-as-a-Service“, also dezentrale Büros, die tiven der Politik in jedem Fall mit allem Nötigten ausgestattet sind und in der Nähe des Zuhauses ihren Sinn, sie sensibilisieren der Mitarbeiter liegen. Natürlich wird auch die Weiterbildung ein den Mittelstand dafür. Denn es ist schon so, dass zahlreiche großes Thema sein. Insgesamt gilt es, sich intelligente Konzepte zu überlegen, die all Studien eine Zurückhaltung Christian Schröder ist dies vereinen. So könnte man nach Auftragsspitzen, wenn weniger der Unternehmen zeigen. beim Institut für MittelArbeit anfällt, mehr Zeit in die Weiterbildung investieren. Das heißt, der Mittelstand kümstandsforschung (IfM) In Stellenausschreibungen spielt der Begriff Industrie 4.0 bisher mert sich aktuell eher widerwilExperte für die Themen kaum eine Rolle. Ist das nicht ein großes Versäumnis? lig um das Thema? Digitalisierung und InIch möchte ungern den MittelMan darf nicht vergessen, dass wir noch ganz am Anfang stehen. novation. Aktuell arbeitet Vielen Unternehmen ist noch nicht so klar, was das für sie bedeutet. stand gesammelt in eine Ecke er an einer Studie zu den Das Ganze ist ein Prozess, nirgendwo werden die Maschinen und drängen. Es gibt sicherlich Herausforderungen durch die Organisation über Nacht umgerüstet sein auf 4.0. DementspreSorgen bezüglich der TatsaIndustrie 4.0 für den chend werden sich die Anforderungen an die Mitarbeiter punktuell che, dass Industrie 4.0 große Mittelstand. ändern. So werden Soft Skills wie Teamfähigkeit noch wichtiger Veränderungen im Unternehmen hervorrufen wird, auch werden, denn Industrie 4.0 funktioniert nur durch Kooperation. Außerdem wird dezentraler gearbeitet werden, da ist Selbststänorganisatorischer Natur. Veränderungen macht schließlich Für die Digitalisierung digkeit und Eigenverantwortung gefragt. Es geht doch aber nicht nur um Soft Skills, sondern auch um die konnicht jeder gleich gerne durch, der industriellen Produkkreten Fähigkeiten, mit der Automatisierung und der Digitalisierung so wird es auch dem einen oder tion hat sich in Deutschund dem neuen Produktionsablauf umzugehen. anderen Unternehmer gehen. land der Begriff Industrie Aber grundsätzlich ist der Ein wesentliches Merkmal von Industrie 4.0 ist die Erzeugung vieler 4.0 etabliert. Damit wird Echtzeitdaten, die in nachgelagerten Dienstleistungen ausgewertet Mittelstand aufgeschlossen. auf die vierte industrielle werden müssen. Dazu braucht es kompetente Datenanalysten, und Ich teile daher nicht das eher Revolution verwiesen, in davon gibt es auf dem Arbeitsmarkt nicht so viele. Hier wird der negative Bild, das da so oft mitder sich die Gesellschaft Mittelstand in einen harten Wettbewerb mit den Großunternehschwingt. Hinzu kommt, dass aktuell aufgrund der men treten müssen. Das ist eine große Herausforderung. Industrie 4.0 nur Sinn ergibt, technologischen Entwickwenn man auch VernetzungsVerändern werden sich aber insbesondere auch die Ausbillungen befindet. Industrie partner hat. dungsberufe und Studiengänge. Sie werden sich vermischen, 4.0 steht demnach für eine beispielsweise braucht ein Maschinenbauer auch InformatikfäIndustrie 4.0 als Schneeballimmer enger werdende higkeiten. prinzip? Verbindung zwischen der Richtig. Ausgehend von den Daneben geht es auch um einen Mentalitätswandel für die gesamte klassischen Produktion großen Unternehmen wird es Organisation. und moderner InformaIn jedem Fall werden die Unternehmen fluider werden. Das müssen über die mittelgroßen zeitlich tions- und Kommunikasie auch. Und um dahin zu kommen, wird es nicht zu vermeiden versetzt verästeln zu den kleitionstechnik. Branchen, sein, Dinge auszuprobieren und auch Fehlschläge zu erleiden. Es nen Unternehmen. die bereits früh Prozesse ist daher wichtig, dass der Mittelstand offen dafür ist und dies weiß. Wenn ich als kleines Unterautomatisiert haben Aber es gibt keine Alternative. Das Interview führte Kathrin Justen nehmen anfange, mich mit und daher auch zu den dem Thema Digitalisierung zu Vorreitern bei der Digitabefassen, wie gehe ich am belisierung gelten, sind der sten vor? Automobilsektor und der Maschinenbau. 60 www. hu ma n reso u rce sma n age r. d e

Zur Person

Industrie 4.0


IM FOKUS

Job zu vergeben, Offiziere bevorzugt Mit Entscheidungsfreude, Führungskompetenz und Loyalität punkten Zeitsoldaten auf dem Arbeitsmarkt. Doch der Einstieg in die Wirtschaft gestaltet sich nach langjähriger Dienstzeit nicht immer einfach. Von SVEN LECHTLEITNER

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bsolut positiv und eine wertvolle Erfahrung“, so beschreibt Jörg Stahl seinen Wechsel nach zwölf Jahren als Soldat auf Zeit in die Wirtschaft. Mit seinem Dienstzeitende hat er sich schon drei Jahre vorher auseinandergesetzt – für ihn der optimale Zeitpunkt, um sich auf seine Karriere vorzubereiten. Im März 2014 schied er bei der Bundeswehr aus. Sein MBA-Studium, das er zwei Jahre zuvor berufsbegleitend begann, schloss er direkt im Anschluss ab. „Die größte Herausforderung nach Dienstzeitende bestand darin, die verschiedenen Einstiegsmöglichkeiten und die damit verbundenen 68

Anforderungen auszuloten, um mich dann gezielt über mehrere Monate hinweg vorzubereiten.“ Diese Zeit beschreibt er als eine Wegstrecke mit verschiedenen Stationen wie beispielsweise Messebesuchen, fachlicher und persönlicher Weiterbildung sowie Bewerbungsgesprächen. Der Jobeinstieg fernab der Bundeswehr erfolgte im Oktober 2014. Seitdem arbeitet Stahl als Assistent der Geschäftsführung bei dem Unternehmen Brose Fahrzeugteile.

Überzeugende Eigenschaften Gezielt Zeitsoldaten rekrutieren – das macht unter anderem die Hegemann Gruppe. Der Anbieter von Industrielösungen und Dienstleistungen sucht regelmäßig technisches als auch kaufmännisches Personal. Die Profile reichen von Fachleuten wie Steinsetzer oder Sachbearbeiter bis hin zu Führungskräften wie Bauleiter oder Ab-

teilungsleiter. Grundsätzlich seien für die meisten dieser Stellen ehemalige Zeitsoldaten überaus geeignet, ist sich Martin Damm, Leiter Zentralbereich Personal bei der Hegemann Gruppe, sicher. „Schwierig wird es meist nur, wenn die Stelle viel fachspezifische Erfahrung verlangt, die der Bewerber bei der Bundeswehr nicht erwerben konnte. Doch diese Kombination kommt seltener vor, als man vielleicht annimmt.“ Zeitsoldaten bringen durchaus besondere Persönlichkeitseigenschaften mit, über die andere Bewerber vielleicht nicht in diesem Ausmaß verfügen. Damm kennt die Unterschiede nicht nur aus Personalersicht. Er war selbst viele Jahre Offizier bei der Bundeswehr und berät heute Zeitsoldaten bei ihrem Einstieg in die Wirtschaft. Sofern man Bewerber gleichen Alters vergleicht, beobachtet er immer wieder drei wesentliche Merkmale: Ehemalige Soldaten haben häufig einen etwas weiteren Blick auf www. hu ma n reso u rce sma n age r. d e


Zeitsoldaten bringen, je nach Verwendung und Dauer im Militär, eine ausgeprägte Entscheidungsfreude mit, sagt Johannes Weiß. Nach 14 Jahren bei der Bundeswehr fasste er vor wenigen Monaten als Cluster Manager in der Wirtschaft Fuß. Er ist der Meinung, dass die Mehrheit der Zeitsoldaten deutlich strukturierter und klarer in der Sache ist. Bei höheren Laufbahnen kommt noch die Führungserfahrung hinzu. Zusätzlich kann man als Soldat mit Auslandserfahrung im internationalen Umfeld punkten. Doch trotz der am Arbeitsmarkt gefragten Eigenschaften und frühzeitiger Auseinandersetzung mit dem Dienstzeitende lief für Weiß der Einstieg in die Wirtschaft nicht ganz einfach.

Fotos: Laurin Schmid, Privat

Bewerbung als Herausforderung

„Nach acht, zwölf oder mehr Jahren kommen Zeitsoldaten in ein oft fremdes Umfeld.“ Johannes Weiß ehemaliger Soldat

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ihr Arbeitsfeld. Soldaten seien es gewohnt, über den eigenen Tellerrand zu schauen und für die nächste Führungsebene mitzudenken. Diese Gewohnheit lege man nicht einfach ab. Bei auftretenden Problemen reagieren Zeitsoldaten nach Aussage von Damm häufig ruhiger. Sie würden die Lage ohne Aufregung analysieren und die notwendigen Handlungen ableiten. Außerdem kommunizierten viele ehemalige Soldaten für das zivile Umfeld ungewohnt direkt und klar. Dazu zähle auch, eigene Fehler ohne Ausreden zuzugeben. Damm räumt gleichzeitig ein, dass diese Eigenschaften in der freien Wirtschaft nicht immer als Stärken zählen. So könne der Blick über den Tellerrand als Einmischen, die ruhige Reaktion bei Problemen als mangelndes Verständnis und die klare Kommunikation als unangemessen verstanden werden.

„Nach acht, zwölf oder mehr Jahren kommen Zeitsoldaten in ein oft fremdes Umfeld. Der Ton, die Arbeitsweise und das Klima insgesamt sind in vielen Unternehmen anders als beim Militär“, so Weiß. „Hinzu kommt, dass Soldaten – vor allem Offiziere – häufig nicht studien- oder ausbildungsnah eingesetzt sind, was die Stellensuche etwas erschwert. Die gewonnene Berufspraxis zählt in der Wirtschaft deutlich mehr als bei der Bundeswehr.“ Zudem stellt auch der Bewerbungsprozess eine Herausforderung dar. Wie man mit Anschreiben und Lebenslauf einen guten Eindruck hinterlässt, damit sind Soldaten oftmals sich selbst überlassen. „Das Herantasten an die richtige Lösung beziehungsweise per ‚trial and error‘ kann mitunter frustrierend sein und ist vor allem bei Zeitdruck unvorteilhaft“, findet Weiß. Ein professioneller Bewerbungsbegleiter hat ihm Tipps zur richtigen Stellensuche und für Vorstellungsgespräche gegeben. Darüber hinaus machte er über die Karriereplattform Dienstzeitende.de einen Bildungsträger ausfindig, bei dem er eine recht individuelle, zusätzliche Weiterbildung absolvieren konnte. „Danach lief es für mich deutlich besser,“ sagt Weiß rückblickend.

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ANALYSE

Essay Kriterien auf dem Prüfstand Assessment Center werden bei der Personalauswahl und -entwicklung immer wichtiger. Dabei sollte verstärkt auf die Auswahl geeigneter Kandidaten geachtet werden. Intelligenztests können dabei entscheidend weiterhelfen und die Trefferquote des Assessment Centers steigern. Von BENJAMIN HAARHAUS und ANNE-KATHRIN BÜHL

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ssessment Center (AC) sind sowohl bei externen als auch bei internen Stellenbesetzungen häufig das Mittel der Wahl. Vor allem bei Traineestellen und Führungspositionen verlassen sich Personaler nur ungern auf Interviews allein, sondern möchten sehen, wie sich die Kandidaten in realitätsnahen Simulationen verhalten. Einer aktuellen Studie zufolge setzt mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen AC für Personalauswahl und -entwicklung ein – und das mit steigender Tendenz. Kein Wunder, haben sich doch AC in vielen Untersuchungen als zuverlässige Prädiktoren für spätere berufliche Leistung bewährt. Doch die hohe Vorhersagekraft von AC hat ihren Preis: Allein ihre Konstruktion ist mit großem Aufwand verbunden, da die AC-Aufgaben auf die zu besetzenden Stellen zugeschnitten sein müssen und daher meist neu entwickelt werden. Weitere Kosten fallen für die Begleitung durch externe oder interne Berater, Anreise der Kandidaten, Räumlichkeiten und Catering an. Zudem werden AC häufig von Mitarbeitern aus den jeweiligen Fachabteilungen begleitet, die hierfür extra frei86

gestellt werden müssen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass Kostenschätzungen von mindestens 1.000 bis 3.000 Euro pro Kandidat ausgehen. Neben den rein monetären Kosten bestehen bei internen AC zusätzliche Risiken: In einem AC zu scheitern, geht nicht an allen Kandidaten spurlos vorüber. Im Gegenteil: „Durchfaller“ sind häufig frustriert und in ihrem Selbstwert verletzt, was sich negativ auf ihre Arbeitszufriedenheit und Leistungsmotivation auswirken kann. Auch die AC-Methode gerät nach und nach in Misskredit,

wenn erfolglose Kandidaten den Grund ihres Scheiterns in der schlechten Qualität des Verfahrens sehen und dies auch im Kollegenkreis kundtun. Geringe Akzeptanz und Teilnahmebereitschaft an zukünftigen ACs sind die Folge. In Anbetracht der Kosten und Risiken kommt der Vorauswahl der AC-Kandidaten eine entscheidende Rolle zu. Durch geschickte Vorauswahl lässt sich die Trefferquote erhöhen, also der Anteil der Kandidaten, die das AC bestehen. Unternehmen kommt dies gleich doppelt zugute: Zum einen lässt sich mit einem höheren Anteil potenziell geeigneter Kandidaten das Verfahren verkürzen, was sich positiv auf das Kosten-Nutzen-Verhältnis auswirkt. Zum anderen mildert eine gezielte Vorauswahl die negativen Folgeeffekte ab, da weniger Kandidaten scheitern.

Kriterien zur Vorauswahl Die Forschung zeigt, dass sich Personaler bei der Vorauswahl hauptsächlich auf Berufserfahrung und Vorgesetztenurteile verlassen. Intelligenztests werden hingegen nur äußerst selten als Kriterium herangezogen. Das überrascht, denn gerade diese Tests haben sich über viele wissenschaftliche Studien hinweg generell als sehr zuverlässige Auswahlinstrumente herausgestellt. Dass dies auch für den Bereich der AC-Vorauswahl gilt, zeigt eine aktuelle Stu-

„In Anbetracht der Kosten und Risiken kommt der Vorauswahl der AC-Kandidaten eine entscheidende Rolle zu.“

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ANALYSE

„Die Beurteilung durch den Vorgesetzten spielte für das Abschneiden im Führungs-AC gar keine Rolle.“

Berufserfahrung hat wenig Einfluss auf Leistung

mehr Leistungsfeedback erhalten und häufiger an Personalentwicklungsmaßnahmen teilgenommen. Das dritte Kriterium, die Beurteilung durch den Vorgesetzten, spielte für das Abschneiden im Führungs-AC gar keine Rolle. Wie lässt sich dieser Befund erklären? Ein Problem von Vorgesetztenbeurteilungen liegt darin, dass Vorgesetzte vor allem bei komplexeren oder stark spezialisierten Tätigkeiten Schwierigkeiten haben können, die Qualität der geleisteten Arbeit und ihr Zustandekommen treffend zu beurteilen. Vorgesetztenbeurteilungen leiden außerdem an ihrer geringen Objektivität und Vergleichbarkeit. Beispielsweise unterscheiden sich Menschen darin, ob sie zu milden oder strengen Bewertungen neigen. Häufig müssen Beurteilungen auch als Führungsinstrument herhalten und

Die Studie Die bislang so hoch eingeschätzte Berufserfahrung der Kandidaten hatte hingegen nur einen geringen Einfluss auf die Leistung im Assessment Center. Dies ist im Grunde nicht sehr verwunderlich: In der Studie sollten Führungspositionen besetzt werden, der Fokus lag damit auf Führungsverhalten. Die Berufserfahrung als Zeitspanne sagt aber wenig darüber aus, ob die Kandidaten bereits Erfahrung in Führungspositionen sammeln konnten. Dass dennoch ein schwacher Zusammenhang zwischen Berufserfahrung und AC-Leistung gefunden wurde, könnte verschiedene Ursachen haben: Zum einen sind erfahrenere Kandidaten vermutlich bereits öfter mit beruflichen Aufgaben konfrontiert gewesen, die den Aufgaben im AC ähnlich sind, wie Meetings, Vorträge oder Konflikt- und Feedbackgespräche. Zum anderen haben sie in ihrer längeren beruflichen Laufbahn wahrscheinlich 88

Um herauszufinden, welche Kriterien zu einer guten Vorauswahl für Assessment Center beitragen, analysierten die Forscher der Deutschen Gesellschaft für Personalwesen und der Universität Ulm die Daten von 280 Personen, die in den Jahren 2013 und 2014 an einem Auswahlverfahren für Führungspositionen teilgenommen hatten. Das Auswahlverfahren bestand aus zwei Teilen: Einem computergestützten Intelligenztest unter Aufsicht und einem Assessment Center. Beobachtet und beurteilt wurden dabei soziale, motivationale sowie Führungskompetenzen. Zusätzlich wurden von allen Kandidaten die Berufserfahrung in Jahren und die letzte Beurteilung durch den Vorgesetzten in die Analyse aufgenommen.

werden als Ansporn, Lob oder Sanktion verwendet. Der strategische Einsatz von Beurteilungen wie „wegloben“ ist in dieser Hinsicht ebenfalls problematisch.

Empfehlungen für die Praxis Bei der Vorauswahl geeigneter Kandidaten ist es daher empfehlenswert, gänzlich auf Vorgesetztenbeurteilungen zu verzichten und sich stattdessen auf die Ergebnisse eines Intelligenztests zu stützen. Diese bieten neben der Vorhersage der AC-Leistung einen zusätzlichen Nutzen, da sie auch mit der Leistung in Beruf und Ausbildung zusammenhängen. Man spricht dabei von inkrementeller Validität: Der Intelligenztest liefert einen zusätzlichen Erklärungsgehalt über das AC hinaus. Intelligenztests lassen sich außerdem bequem online durchführen. So bleiben die Kosten überschaubar und ein mögliches Scheitern interner Kandidaten wird nicht unbedingt publik. Berufserfahrung sollte zwar nicht als einziges, kann aber durchaus als zusätzliches Vorauswahlkriterium herangezogen werden. Dabei sollte das Augenmerk nicht auf der Dauer, sondern auf Art und Inhalt der Berufserfahrung, wie beispielsweise Führungsaufgaben oder Projektmanagement, liegen. Schlussendlich sollten Unternehmen die Möglichkeit nutzen, die Entwicklung möglicher Aufstiegskandidaten durch gezieltes Feedback und Personalentwicklungsmaßnahmen frühzeitig im Sinne des Anforderungsprofils zu beeinflussen.

Benjamin Haarhaus Er ist Diplom-Psychologe, Berater und Eignungsdiagnostiker bei der Deutschen Gesellschaft für Personalwesen in Düsseldorf.

Anne-Kathrin Bühl Sie ist Diplom-Psychologin und wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Arbeits- und Organisationspsychologie der Universität Ulm.

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die der Deutschen Gesellschaft für Personalwesen und der Universität Ulm. Von den drei betrachteten Vorauswahlkriterien (Berufserfahrung, Vorgesetztenurteil, Intelligenztest) leistete der Intelligenztest mit großem Abstand die beste Vorhersage für das Abschneiden im AC. Dies lässt sich dadurch erklären, dass Intelligenz für viele AC-Aufgaben von Vorteil ist. Intelligenz hilft beispielsweise, Vorträge sinnvoll zu strukturieren, in Gruppendiskussionen den eigenen Standpunkt argumentativ zu untermauern, Ursachen für Probleme zu erkennen und Lösungsstrategien zu entwickeln. Intelligentere Kandidaten bringen auch meist höhere sprachliche Kompetenzen mit und können sich flüssiger und gewählter ausdrücken. Schlussendlich hilft Intelligenz dabei, die Anforderungen des ACs besser einzuschätzen. Studien konnten zeigen, dass Kandidaten besser abschneiden, wenn sie einschätzen konnten, welches Verhalten im AC von ihnen erwartet wird.


Essay Bedingt zukunftstauglich Die Arbeitswelt 4.0 wird Realität. Doch wie fit ist unser Arbeitsrecht „von gestern“ für die Arbeit „von morgen“? Erste Schwierigkeiten zeigen sich schon heute. Von OLIVER SIMON und MAXIMILIAN KOSCHKER formen und Organisationskonzepte wirkt unser Arbeitsrecht doch leicht angestaubt.

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ie vierte industrielle Revolution, worunter die zunehmende Digitalisierung des modernen Wirtschaftslebens und der fertigenden Industrie zu fassen ist, dürfte kaum mehr aufzuhalten sein. Experten zufolge wird die Industrie 4.0 bis 2025 bereits in vielen Branchen Realität sein. Mit dem geänderten Industrieumfeld untrennbar verknüpft sind Änderungen beim täglichen Arbeiten, welches noch vernetzter, digitaler und flexibler sein wird als bisher. Die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit werden 96

Ständige Erreichbarkeit

zunehmend aufweichen, Mensch und Maschine eine noch engere Symbiose eingehen. Angesichts der Geschwindigkeit, mit der sich unser Arbeitsumfeld wandelt, stellt sich die berechtigte Frage, ob unser derzeitiger rechtlicher Rahmen überhaupt bereit ist für die Arbeitswelt 4.0. Von mancher Stimme wird unser Arbeitsrecht als „Bremsklotz der digitalen und industriellen Revolution“ abgestempelt. Und tatsächlich – im Lichte einiger moderner Arbeits-

Augenscheinlich wird dies etwa beim mobilen Arbeiten, das Schätzungen zufolge bis 2025 bei rund einem Drittel der Beschäftigten die regelmäßige Arbeitsform sein wird. Bei der Arbeit von unterwegs stellt sich – wie auch bei der Leistungserbringung in den eigenen vier Wänden – oft die Frage, ob bestimmte Tätigkeiten der Beschäftigten oder auch nur die schlichte Erreichbarkeit außerhalb typischer Bürozeiten Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes darstellen. Die Einhaltung der gesetzlichen Höchstarbeits- und Ruhezeiten wäre dann spürbar www. hu ma n reso u rce sma n age r. d e


Foto: Nick Della Mora / Flickr

RECHT

erschwert. Nicht zu unterschätzen wären daneben die finanziellen Auswirkungen für Unternehmen, sollten Erreichbarkeitszeiten als Arbeitszeit zu vergüten sein. Gerade das zunehmende Flexibilitätsbedürfnis bei der Arbeitszeitgestaltung hat zuletzt bei Arbeitgeberverbänden zur Forderung geführt, die strengen Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes aufzulockern – so soll sich das Gesetz nach Vorstellung der Verbände etwa vom strikten Acht-Stunden-Tag lösen und sich für eine Wochenarbeitszeit öffnen. Auch wenn eine zeitnahe Umsetzung dieser Forderungen eher unwahrscheinlich ist, so wäre sie doch zu begrüßen. Eine Modernisierung des Arbeitszeitrechts könnte der mobilen Arbeit einen verlässlichen Rechtsrahmen geben und bestehende Zweifelsfragen klären. Als Leitlinie nach aktueller Rechtslage gilt aber, dass die bloße Erreichbarkeit, während der es zu keinem Arbeitseinsatz des Mitarbeiters kommt, nicht zu vergüten ist und auch arbeitszeitrechtlich keine Rolle spielt. Gegenteiliges gilt selbst dann nicht, wenn der Arbeitgeber die Erreichbarkeit des Mitarbeiters ausdrücklich verlangt hat. Ist der Arbeitnehmer indes mit Kunden im Gespräch oder beantwortet geschäftliche E-Mails, sind diese Zeiten grundsätzlich Arbeitszeit im arbeitszeit- und vergütungsrechtlichen Sinne. Zahlreiche Unternehmen haben bereits erkannt, dass sich die ständige Erreichbarkeit mittels Smartphone und Co. auf die Beschäftigten belastend auswirken kann. Besonders wenn diese aus eigenem Antrieb ständig verfügbar bleiben, um so ihren unbedingten Arbeitseinsatz zu demonstrieren, ergreifen Arbeitgeber teils Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten. Denkbar ist es etwa, die Weiterleitung beruflicher

„Die Einführung des Cloud Computing im Betrieb erfordert die Beteiligung des Betriebsrats.“

E-Mails auf die Mitarbeiter-Smartphones werktags ab einem gewissen Zeitpunkt sowie am Wochenende insgesamt abzuschalten. Ob diese Maßnahme angesichts der betrieblichen Stellung bestimmter Arbeitnehmer (zum Beispiel Abteilungsleiter) unternehmerisch vertretbar ist, muss dabei im Einzelfall entschieden werden. Was die Gesundheit der Arbeitnehmer im Allgemeinen anbelangt, so ist aus Arbeitgebersicht noch zu berücksichtigen, dass auch bei der Arbeitserbringung im Home Office die Einhaltung der gesetzlichen Arbeitsschutzvorschriften gewährleistet sein muss. Insofern ist die harsche Kritik, die der von Arbeitsministerin Andrea Nahles zu Jahresbeginn geäußerten Forderung nach einer Einbeziehung von Home Office-Arbeitsplätzen in die Arbeitsstättenverordnung entgegengebracht wurde, nicht ganz nachvollziehbar – denn schon bislang findet die Arbeitsstättenverordnung auf fest eingerichtete Arbeitsplätze im heimischen Büro Anwendung. Berechtigt ist die Kritik aber insoweit, als sie sich

gegen bestimmte inhaltliche Forderungen richtet, deren Umsetzung für Arbeitgeber gerade auch bei Home Office-Arbeitsplätzen einen unverhältnismäßigen Aufwand bedeuten würde (zum Beispiel Versorgung von Arbeitsräumen mit ausreichend Tageslicht sowie Schaffung einer Sichtverbindung nach außen).

Matrix international Als aktueller Trend ist ferner die Öffnung für neue Führungskonzepte und Organisationsstrukturen, gerade in international ausgerichteten Unternehmen und Konzernen, auszumachen. Sogenannte Matrix-Strukturen erstrecken Führungs- und Berichtslinien – meist geordnet nach Fach- oder Themengebieten – über den gesamten Konzern und überwinden damit Unternehmensgrenzen. Der Mitarbeitereinsatz wird dann nicht von einem Vorgesetzten des Vertragsarbeitgebers gesteuert, sondern durch einen Manager der nicht selten im Ausland ansässigen Konzernspitze. Ein solches Auseinanderfallen von vertraglicher Arbeitgeberstellung und der tatsächlichen Steuerung des Arbeitseinsatzes ist im Gesetz – mit Ausnahme der Arbeitnehmerüberlassung – grundsätzlich nicht angelegt, sodass keine ausdrücklichen Vorschriften bestehen. Bei der Übertragung von Weisungsrechten hat sich aber die folgende Differenzierung herausgebildet: Sofern sich der Linienmanager auf fachliche beziehungsweise leistungsbezogene Anweisungen beschränkt, ist dies arbeitsrechtlich zulässig, da der Vertragsarbeitgeber einen Dritten zur Einsatzsteuerung an seiner statt ermächtigen kann. Demgegenüber

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RECHT

Kein Konzernprivileg Auch in datenschutzrechtlicher Hinsicht ist der Umgang mit Matrix-Strukturen noch nicht vollkommen geklärt. Der übergeordnete Linienmanager kann ohne Zugriff auf die notwendigen Arbeitnehmerdaten seine fachliche Leitungsfunktion kaum sinnvoll ausüben. Der Austausch personenbezogener Daten zwischen Unternehmen desselben Konzerns ist datenschutzrechtlich aber nicht leichter möglich als ein solcher zwischen völlig fremden Unternehmen – das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) kennt kein Konzernprivileg, was den heutigen Anforderungen an die Vernetzung und die Verzahnung von Arbeitsschritten innerhalb von Unternehmensgruppen nicht gerecht wird. Da allerdings der sparsame und streng reglementierte Umgang mit persönlichen Daten dem Zeitgeist entspricht, ist mit datenschutzrechtlichen Zugeständnissen an verbundene Unternehmen auf absehbare Zeit nicht zu rechnen. Empfehlenswert ist es daher, dem Arbeitsverhältnis durch Aufnahme einer sogenannten Matrix-Klausel in den Arbeitsvertrag einen Konzernbezug zu verleihen. Die schon arbeitsvertraglich angelegte Einbindung des Arbeitnehmers in die Matrix-Struktur führt dazu, dass der Datenaustausch zwischen den beteiligten Konzernunternehmen im Sinne des § 32 des BDSGs erforderlich sein dürfte. In aller Munde ist seit einiger Zeit auch das Cloud Computing. Neben offensicht-

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lichen datenschutzrechtlichen Fragestellungen spielt hier auch das Arbeitsrecht eine Rolle. Cloud Computing wird oftmals über externe Dienstleister abgewickelt, die beispielsweise anhand der in die Cloud eingestellten Daten die zentrale Gehaltsabrechnung für den Arbeitgeber vornehmen. Die Übermittlung personenbezogener Arbeitnehmerdaten an externe Stellen bedarf der datenschutzrechtlichen Erlaubnis nach dem BDSG. Zur Rechtfertigung der Datenübermittlung an professionelle Cloud-Dienstleister kommt die ausdrückliche schriftliche Einwilligung der Arbeitnehmer oder der Abschluss einer entsprechenden Betriebsvereinbarung in Betracht. Regelmäßig werden zur Legitimierung der Datenübermittlung aber auch Vereinbarungen über eine Auftragsdatenverarbeitung abgeschlossen, bei welcher der Empfänger nur in einer bestimmten Art und Weise mit den Daten verfahren darf und die eigentliche Entscheidungskompetenz beim Arbeitgeber verbleibt. Besonderheiten gelten, wenn – wie in der heutigen globalisierten Arbeitswelt nicht unüblich – die Datenübermittlung an im Ausland gelegene Dienstleister erfolgen soll. Gehen die Daten ins europäische Ausland, ist dies meist unbedenklich. Bei einem Datentransfer ins außereuropäische Ausland muss hingegen gewährleistet sein, dass das lokale Datenschutzniveau zumindest europäischen Standards entspricht. Arbeitgeber können ihre Arbeitnehmer kraft Direktionsrechts zur Nutzung bestimmter Cloud-Programme und -Lösungen einseitig anweisen. Gleichwohl erfordert die Einführung des Cloud Computing im Betrieb die Beteiligung des Betriebsrats, da diesem ein Mitbestimmungsrecht in Bezug auf technische Einrichtungen zur Mitarbeiterkontrolle zukommt (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG). Ob der Arbeitgeber die Cloud-Systeme zur Mitarbeiterüberwachung oder -kontrolle einsetzen möchte, ist dabei nicht entscheidend – maßgeblich ist nach der Rechtsprechung allein die objektive Eignung als Überwachungsinstrument. Damit kommt § 87 Abs. 1 Nr. 6 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) ein enormer Anwendungsbereich zu – denn die Eignung zur Überwachung haftet nahezu jedem technischen Hilfsmittel der Gegenwart an (neben Laptops und Smartphones etwa auch Zugangskarten mit RFID-Chips). Um künftig nicht für jedes notwendige elektronische Arbeitsmittel gesonderte Betriebsvereinbarungen abschließen zu müssen, wäre eine Ein-

schränkung des Mitbestimmungsrechts dahingehend wünschenswert, dass es für dessen Eröffnung eben doch auf eine subjektive Überwachungsintention des Arbeitgebers ankommt.

Mobiles Arbeiten erschwert Abschließend ist festzuhalten, dass unser derzeitiges Recht den Herausforderungen der Arbeitswelt 4.0 in vielerlei Hinsicht nicht gewachsen ist. Dies gilt insbesondere für das geltende Arbeitszeitrecht: Schreibt etwa ein Mitarbeiter nach Feierabend für wenige Minuten noch auf seinem Smartphone eine berufliche E-Mail, so unterbricht dies nach aktueller Rechtslage die einzuhaltende Ruhezeit von mindestens elf Stunden zwischen zwei Arbeitseinsätzen. Ausnahmen für derartige Bagatelleinsätze sind im Gesetz nicht vorgesehen. Wie aber soll auf dieser Grundlage ein gesetzeskonformes modernes und vor allem mobiles Arbeiten möglich sein? Auch für fortschrittliche Führungskonzepte liefert das Gesetz keinen geeigneten Rahmen, was sich etwa am fehlenden Konzernprivileg für den Datenaustausch innerhalb von Unternehmensgruppen zeigt. Der Umstand, dass zwischenzeitlich beinahe jedes technische Arbeitsmittel zur Mitarbeiterüberwachung objektiv geeignet ist, legt schließlich eine einschränkende Auslegung der betrieblichen Mitbestimmung bei technischen Überwachungseinrichtungen nahe. Ganz ohne Änderung des Rechtsrahmens wird der Schritt hin zur „Arbeitswelt 4.0“ wohl nicht gelingen.

Oliver Simon Er ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht sowie Partner bei CMS Hasche Sigle in Stuttgart.

Maximilian Koschker Er ist Rechtsanwalt und Senior Associate bei CMS Hasche Sigle in Stuttgart.

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Foto: Sebastian Berger (2)

sollten solche Entscheidungen, die sich unmittelbar auf den Bestand des Arbeitsverhältnisses auswirken (disziplinarische Maßnahmen wie Abmahnung, Kündigung etc.), dem Vertragsarbeitgeber vorbehalten bleiben. Dies hängt damit zusammen, dass dem Arbeitnehmer kein anderer Arbeitgeber aufgezwungen werden kann und disziplinarische Vorgänge eng an die Arbeitgeberstellung geknüpft sind. Wird gleichwohl eine disziplinarische Steuerung durch einen Dritten praktiziert, besteht das Risiko, dass stillschweigend ein weiteres – zweites – Arbeitsverhältnis zu dem den Linienmanager beschäftigenden übergeordneten Konzernunternehmen begründet wird. Dies ist angesichts des Bedürfnisses nach zeitgemäßen Führungsstrukturen misslich, entspricht aber dem klassischen Verständnis arbeitsrechtlicher Beziehungen.


Vertrauen ist gut. Anwalt ist besser.

2. Deutscher Arbeitsrechtstag

Entgrenzte Arbeitswelt – Zwischen Überforderungsschutz und individueller Gestaltungsfreiheit vom 27. bis 29. Januar 2016 im Maritim Hotel Berlin Diskussionsforum Dieser Kongress richtet sich an alle im Arbeitsrecht Tätigen, insbesondere Rechtsanwälte, Richter, Parlamentarier, Vertreter der Ministerien, Hochschullehrer, Unternehmens- und Verbandsjuristen.

Mittwoch, 27. Januar 2016 19.30 Uhr Begrüßungsempfang zum 2. Deutschen Arbeitsrechtstag im Tagungshotel Rechtsanwalt und Notar Ulrich Schellenberg, Präsident des Deutschen Anwaltvereins Rechtsanwalt Prof. Dr. Stefan Lunk, Vorsitzender des Ausschuss Arbeitsrecht im DAV

Donnerstag, 28. Januar 2016

Wir danken unseren Sponsoren:

mM

NZA Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht

S. 697– 752

Information und Anmeldung: Catharina Hille hille@anwaltakademie.de Fon 030 / 726153-183

Anwalt der Anwälte

09.15 Uhr Eröffnung Rechtsanwalt Dr. Johannes Schipp, Vorsitzender des Geschäftsführenden Ausschusses der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im DAV 09.30 Uhr Grußwort aus dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales Anette Kramme, MdB, Parlamentarische Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales 09.45 Uhr Eröffnungsvortrag Prof. Dr. Ulrich Preis, Universität zu Köln 10.15 Uhr Vorstellung der Panels Prof. Dr. Martin Henssler, Universität zu Köln 10.30 Uhr Panel I: „Arbeitszeitrechtliche Rahmenbedingungen – ist das Arbeitszeitrecht noch zeitgemäß?“ • Impulsreferate: Prof. Dr. Matthias Jacobs, Bucerius Law School; Apl. Prof. Dr. Jens Schubert, Leuphana Universität Lüneburg/Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di • Diskussionsbeiträge: Dr. Berthold Hilderink, UBS Deutschland AG, Head of Employment Legal; Rechtsanwältin Dr. Ulrike Schweibert, Schweibert Leßmann & Partner; HansPeter Viethen, Bundesministerium für Arbeit und Soziales • Moderation: Rechtsanwältin Dr. Doris-Maria Schuster, Gleiss Lutz 11.30 Uhr Kaffeepause 12.00 Uhr Diskussion Panel I 14.00 Uhr Mittagspause 15.00 Uhr Panel II: „Gesundheitsschutz / Psychische Belastungen“ • Impulsreferate: Isabel Rothe, Präsidentin der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin; Dr. Christian Gravert, Bundesverband der Personalmanager und Leiter des Bereichs Gesundheitsschutz bei der Deutschen Bahn AG • Diskussionsbeiträge: Prof. Dr. Katja Nebe, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg; Helga Nielebock, Abteilungsleiterin der Abteilung Recht beim DGB Bundesvorstand; Rechtsanwältin Bettina Schmidt; Roland Wolf, Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände • Moderation: Rechtsanwältin Dr. Barbara Reinhard, Kliemt & Vollstädt 16.00 Uhr Kaffeepause 16.30 Uhr Diskussion Panel II 18.30 Uhr Ende des ersten Veranstaltungstags 19.30 Uhr Abendveranstaltung im Tagungshotel

Freitag, 29. Januar 2016 09.00 Uhr Panel III: „Gestaltung von Arbeitszeit und Gesundheitsschutz im Betrieb“ • Impulsreferate: Ansgar Claes, IGBCE Hannover; Dr. Helmut Nause, Vorsitzender Richter am Landesarbeitsgericht Hamburg (zugleich Präsident des Arbeitsgerichtsverbands) • Diskussionsbeiträge: Rechtsanwalt Harald Honsberg, policy & labour, Robert Bosch GmbH; Rüdiger Lütjen, Konzernbetriebsratsvorsitzender bei Airbus Group; Rechtsanwältin Dr. Nathalie Oberthür, RPO Rechtsanwälte • Moderation: Rechtsanwalt Prof. Dr. Heinz Josef Willemsen, Freshfields Bruckhaus Deringer 10.00 Uhr Kaffeepause 10.30 Uhr Diskussion Panel III 12.30 Uhr Gesamtberichterstattung Prof. Dr. Martin Henssler, Universität zu Köln 13.30 Uhr Ende der Veranstaltung

Unter Mitwirkung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales


LETZTE SEITE RALF BLOMEIER

Mitarbeitern zuhören Ralf Blomeier Geschäftsführer Personal und Organisation, Dr. Oetker GmbH

Mein erstes eigenes Geld verdiente ich als… Schüler in der Osnabrücker Aktien-Brauerei.

Morgens bei der Arbeit… trinke ich als erstes meinen Kaffee. Als Geschäftsführer Personal bei Dr. Oetker muss ich vor allem… unternehmerisch denken und Personalpolitik mitgestalten. Bielefeld verbinde ich mit… viel Grün und kultureller Vielfalt. Eine der wichtigsten Eigenschaften eines Personalmanagers sollte sein,… sich in Menschen hineinzudenken und zuzuhören. Was mir aus meinem Studium der Wirtschaftswissenschaften tagtäglich hilft,… ist die Fähigkeit, Themen zu erkennen, zu analysieren, Lösungen zu finden und diese umzusetzen. 118

Zu meinem allerersten Bewerbungsgespräch trug ich… einen Anzug. Ich bin 1995 nach vier Jahren Pause zu Dr. Oetker zurückgekehrt, weil… ich mich mit dem Unternehmen identifiziere. Eines unserer wichtigsten HR-Projekte derzeit ist… Talent Management, denn es ist wichtig, Mitarbeiter zu finden, die zum Unternehmen passen und diese nachhaltig zu entwickeln. Ein Bereich, in dem wir noch besser werden müssen, ist… das Thema Frauen in Führungspositionen verstärkt anzugehen. Wenn ich nicht Manager geworden wäre, dann hätte es auch eine Karriere als… Förster sein können.

Eines der empfehlenswertesten Bücher ist für mich… „Ego: Das Spiel des Lebens“ von Frank Schirrmacher. Eine Eigenschaft, die ich besonders schätze, ist… Verlässlichkeit. In der HR-Profession brauchen wir mehr… helle Köpfe.

Ralf Blomeier Der 61-jährige Wirtschaftswissenschaftler ist seit 2010 Geschäftsführer Personal und Organisation der Dr. Oetker GmbH und zuständig für die Region Osteuropa. Seit 2011 ist er auch Geschäftsführer für den Bereich Logistik. Dr. Oetker bildet innerhalb der Oetker-Gruppe das Dach zahlreicher Produktions- und Vertriebsgesellschaften mit weltweit 10.820 Mitarbeitern.

Mein Lieblingsdessert ist… Vanillepudding mit Erdbeersoße. www. hu ma n reso u rce sma n age r. d e

Foto: Dr. Oetker GmbH

Mein Vorbild… variiert je nach Situation. Ich finde die Art und Weise gut, wie Richard von Weizsäcker Themen diskutierte und Probleme löste.

Eine historische Person, die ich gerne treffen würde, ist… Johannes XIII, Papst von 965 bis 972.


Führungskräfte 40+ Wie hält man Führungskräfte fit in ihrer Führungsrolle?

Generation Y Wie bereitet man die neue Arbeitnehmergeneration auf Führung und Verantwortung vor?

Generationenmanagement Wie wird Führungskräfteentwicklung allen Generationen gerecht?

2. Tagung Führungskräfteentwicklung

Wie fördern Sie die Spitze? 19./20. November 2015, Berlin www.hrm-forum.eu/fuehrungskraefteentwicklung

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