Human Resources Manager "Leadership"

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LEADERSHIP


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EDITORIAL

Wegweiser

Sven Lechtleitner, Chefredakteur Human Resources Manager

Coverfoto: Alexey Kabanov / Getty Images [M]; diese Seite: privat

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ie vierte Welle der Corona-Pandemie hat uns fest im Griff, die Krankenhäuser sind überlastet und das medizinische Personal ist am Limit. Ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt für eine Regierung im Übergang. Verantwortlichkeiten scheinen unklar, Entscheidungen dauern lange. Während die Wissenschaft bereits im Spätsommer ein steigendes Infektionsgeschehen für die Herbst- und Wintermonate prognostizierte, überhörten Regierungsverantwortliche diesen Ruf. Mitten im Wahlkampf präventive Maßnahmen oder gar Einschränkungen für die kalte Jahreszeit ankündigen? Lieber nicht. Eher sollte die Aussicht auf den Freedom Day im März 2022 – ein Tag, an dem alle Corona-Maßnahmen enden – die Menschen bei Laune halten. Nur wenige Wochen später jedoch ist die Homeoffice-Pflicht zurück, am Arbeitsplatz herrscht die 3G-Regel und eine Impfpflicht wird erwogen. Es ist ein Hin und Her zwischen den Extremen. Dabei braucht es gerade in Zeiten der Krise Menschen an der Spitze, die uns Stabilität und Orientierung bieten. Vorausschauendes Handeln ist natürlich nicht nur in Ausnahmesituationen wichtig. Die Dynamik von Märkten und Geschäftsfeldern erfordert ein kontinuierliches Ausrichten an den Bedürfnissen von Kundschaft und Belegschaft. Die Arbeitswelt befindet sich mitten in der Transformation. Agieren Unternehmen erst, wenn sich ein Szenario bewahrheitet hat – das Kind also in den Brunnen gefallen ist –, lässt sich das nur mit viel Mühe wieder geradebiegen. Management d ezem ber 20 21

wie Führungskräfte dürfen keine Scheuklappen tragen. Sie haben Entwicklungen im Blick und entscheiden auf Basis von Analysen und Prognosen über den Weg in die Zukunft. Auch das Treffen unbequemer Entscheidungen gehört zur Führungsverantwortung, ebenso Fehler einzugestehen oder später doch eine andere Richtung einzuschlagen. Allen Beteiligten oder von Entscheidungen Betroffenen gerecht zu werden, ist dabei schier unmöglich. Wer aber transparent begründet, warum eine Entscheidung für oder gegen etwas gefallen ist, hat die Menschen oftmals auf seiner oder ihrer Seite – auch wenn sie sich vielleicht anders entschieden hätten. Auf die Haltung und die Vision kommt es an. Wie führen wir nun am besten? Mit Selbstverantwortung und agilen Teams oder über eine klassische Hierarchie? Eine Pauschalantwort, welches die richtige Führung ist, gibt es nicht. Während manche Angestellte Freiraum und Eigenverantwortung einfordern, fühlen sich andere in festen Strukturen wiederum wohl. Hinschauen und hinhören lautet die Devise, um herauszufinden, was Einzelne im Team in Sachen Führung brauchen. Bei Leadership stehen wir, die Menschen, und nicht das Produkt im Mittelpunkt. Und wer Leader oder Visionärin sein möchte, braucht in der modernen Arbeitswelt weitaus mehr als fachliche Exzellenz. Wichtiger sind Begeisterung, Neugier, Empathie und Hingabe. In diesem Sinne: Bleiben Sie trotz dieser schwierigen Zeit Ihrer Freude und Leidenschaft treu. Kommen Sie gut ins neue Jahr! 3


16 Alle sprechen über Leadership und dessen vielfältige Ausprägungen. Selbst versierte HRlerinnen und ­Personaler verlieren im Meer der Anglizismen schon einmal den Überblick. Fest steht jedoch, gute ­Führung braucht vor allem eines: ­Menschenfreundlichkeit.

Editorial

6 Meine Arbeitswelt Stefan Britz ist Chief Human Resources Officer bei der Allianz SE. Der 50-Jährige übernahm den Posten Mitte 2020. MEINUNG 8 Debatte aktuell Braucht es noch Bewerbungs­ anschreiben?

11 Schnappschuss 12 Mythen in der Arbeitswelt Warum Unternehmen auf den New‑Work‑Zug springen, ohne zu wissen, wohin die Reise geht

28 Personaler unter Druck Die Fallgeschichte eines Personalvorstands, der neuerdings immer später aus dem Büro kommt, schlecht schläft und Herzrasen hat

SCHWERPUNKT: LEADERSHIP

34 Führungsdilemmata Manchmal erscheinen Situationen ausweglos. Wie mit solchen Dilemmata umgehen?

16 Keine Leader ohne Liebe Wer eine Führungsrolle einnehmen möchte, braucht Begeisterung für die Arbeit und das Zusammenspiel mit Menschen. 20 Kultur der Verlässlichkeit Leadership ist keine Frage des Vertrauens, sondern eine der Kultur. Bei Führung geht es um Verlässlichkeit. 24 Die Impulsgeberin Petra Scharner-Wolff ist Vorständin bei der Otto Group. Ein Porträt

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Stefan Britz ist Personalchef der Allianz SE und ist seit 2006 bei der Versicherungsgruppe. Er beschäftigt sich unter anderem mit Leben und Arbeiten im Zeitalter der Langlebigkeit. In seiner Freizeit zieht es ihn auf die Gipfel der Alpen.

38 Führung von unten Führungsexperte Ulrich Grannemann verleiht dem Phänomen Cheffing einen neuen Dreh. Ein Gespräch über Demut und evolutionäre Führung 44 Das kleine bisschen Gift Toxische Führung verursacht miese Stimmung, kranke Teams und mangelnde Leistung. Wieso wird sie dennoch häufig toleriert? 48 Brauchen wir noch Leader? Hierarchien sind out, Selbstführung ist angesagt. Wird die Rolle der Führungskraft in der neuen Arbeitswelt überflüssig?

Fotos: Softulka / Getty Images; privat; Nastco / Getty Images; Otto Group; Artis / Uli Deck

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IM FOKUS: ­ DIVERSITÄT 52 Gender im Talent Management Was kann HR tun, um die Problematik Think talent – think male im Talent Management zu vermeiden? Eine Studie

Schlechte Führung zermürbt Teams und vergiftet Unternehmen. Trotzdem tolerieren viele Arbeitgeber toxische Chefinnen und Manager. Das ist ein Fehler, der sie teuer zu stehen kommt.

ANALYSE 58 Drei Schritte zur HR-Strategie Nur wenige Unternehmen haben eine systematisch erarbeitete und mit der Unternehmensstrategie abgestimmte HR-Strategie. Wie also vorgehen? PRAXIS 62 Auf in die Provinz Wie können Unternehmen in Kleinstädten und auf dem Land IT-Talente für sich gewinnen? 66 Hingehört Die Beraterinnen Yasmin Sedlaczek-Linster und Jennifer Seiffarth stellen ihren HR-Podcast Die Personalabteilung vor.

68 Reingeschaut Ausgewählte Neuerscheinungen aus dem Bücherwinter

80 Recruitingtrends Wie sieht die Zukunft des ­Bewerbens aus?

70 Sieben Gedanken Lena Marbacher, Mitgründerin des Magazins und Medienunternehmens Neue Narrative, über Weinen am Arbeitsplatz

82 Das BPM-Mentorenprogramm Fachlich weiterentwickeln, von Profis lernen und in HR durchstarten

RECHT 72 Aktuelle Urteile

83 Der digitale Fachgruppentag Gesundheitsmanagement 2021 Guter Schlaf als Thema im ­Gesundheitsmanagement

74 Essay Der „Betrieb“ als zentraler Begriff im Arbeitsrecht bleibt in der neuen Arbeitswelt relevant. Aber wie ist er zu definieren?

84 HR muss in die Verantwortung Befragungsergebnisse zu modernen Techno­logien in HR

75 Impressum

86 Fragebogen Jörg Staff ist Vorstand People und Business Services beim IT-Dienstleister Atruvia. Er erhielt kürzlich den Publikumspreis „CHRO of the Year“ des Personalmagazins.

VERBAND 78 Editorial 79 Der BPM in neuem Look Mit neuem Logo, neuer Schrift und neuen Farben startet der Bundesverband der Personalmanager*innen neu durch.

24 Um einen Kulturwandel anzustoßen, braucht es mehr als Analysen. Petra Scharner-Wolff, Vorständin der Otto Group, ist zwar Finanzexpertin, setzt jedoch aufs Loslassen und Umsetzen.

LETZTE SEITE


M E I N U N G

IMPULS

New Work, New Normal, New What? Unternehmen springen auf den New‑Work-Zug auf, ohne zu wissen, wohin die Reise tatsächlich geht. Drei Mythen über die neue Arbeitswelt Ein Gastbeitrag von Carlos Frischmuth

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ir reden nun seit Jahren über New Work und die Veränderung der Arbeitswelt – und während HR-Verantwortliche und das Management noch sichtlich außer Atem an ihren New-Normal-Regularien und Corona-Guidelines tüfteln, gibt es zeitgleich einen Seitenhieb durch den akuten Arbeitskräftemangel. Ist unsere Gegenwart wirklich schon eine Neue Normalität? Mitnichten. Ich möchte das an drei Beispielen aus der New-Work-Debatte illustrieren, Ihnen zeigen, wo wir uns tatsächlich befinden, wenn wir von Remote-Arbeit, selbstführenden Teams und Sinnstiftung sprechen.

Remote-Arbeit

Was bedeutet moderne Arbeit eigentlich? Es sollte erst einmal Licht ins Dickicht der N ­ ew‑Work-Debatte

Die Menschen, die mit ihrem Wissen arbeiten, können seit Beginn der Pandemie recht flexibel von überall aus arbeiten: Sie brauchen nur sich, eine Internetverbindung und ihren Laptop. Den Begriff „Homeoffice“ vermeide ich an dieser Stelle bewusst, da er zwar für die Arbeit in den eigenen vier Wänden steht, mittlerweile jedoch juristische Dimensionen in sich trägt. Einige Unternehmen, gerade im Mittelstand, haben überhaupt keine offizielle Homeoffice-Vereinbarung mit ihren Belegschaften, sondern meist einfache Ergänzungen in den Arbeitsverträgen, die eine individuell abgestimmte Remote-Arbeit dulden. Diese halbherzigen Regelungen sagen schon viel aus über die Bullshit-Faktoren

gebracht werden, bevor HR Maßnahmen plant.

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MEINUNG

einschätzen zu können. Jetzt kommt ein weiterer Faktor hinzu: Wie genau arbeiten eigentlich die Führungskräfte? Sind Sie der Meinung, dass Ihre Führungskräfte ihrem Auftrag gerecht werden und damit nicht überfordert sind? Wenn Sie nun mit „Ja“ antworten, werden Sie aktuell den Wandel gut hinbekommen. Aber wenn Sie „Nein“ (oder „Vielleicht“) gedacht haben beim Lesen, dann fühlen Sie eventuell etwas, was leider häufig zutrifft: Führungskräfte sind überfordert. Sie müssen das tägliche Management bewältigen, die Produktivität und Erfolge sicherstellen und zugleich den Wandeln begleiten und regelrecht anführen. Sind die Führungskräfte darauf ausreichend vorbereitet worden in Ihrer Organisation?

Abbildung: Fahroni / Getty Images

Selbstführende Teams von New Work. Ursprünglich zielt New Work auf einen kulturellen, wertebezogenen Wandel in der Arbeitswelt ab. Wir doktern jedoch an der Oberfläche herum. In vielen Unternehmen scheint man noch unsicher oder zumindest vorsichtig zu sein, ob die Mitarbeitenden überhaupt in der Lage sind, die Produktivitätserwartungen nun auch zu Hause zu erfüllen. Und die Antwort könnte vermutlich lauten: Einige Mitarbeitende machen das sehr gut, blühen sogar richtig auf durch die neugewonnene Freiheit, dem dahinterstehenden Vertrauen und der damit einhergehenden Selbstverantwortung. Andere wiederum können den Anforderungen kaum gerecht werden. An vielen Stellen wissen Organisationen nicht, welchen Einfluss die ganzen Veränderungen von Remote-Work und Entgrenzungseffekte des Arbeitens auf die eigene Organisation und die Menschen darin hat. Und wie sich die wahre Produktivität entwickelt, ist oft unklar. „Aber wir messen doch alles“, mögen Sie jetzt vielleicht einwenden wollen. Die Zahlen stimmen doch, was den Output angeht und was die Stimmung in der Belegschaft betrifft. Ja, das stimmt, wir haben an vielen Stellen erst einmal Messwerte, die uns zunächst positiv stimmen könnten. Aber was ist mit der Unternehmenskultur, der Identifikation, der Verbundenheit und der allgemeinen, cross-funktionalen Zusammenarbeit in der Organisation? Wie viele echte, ganzheitliche Einsichten haben Sie in Ihrer Organisation tatsächlich? In Wahrheit tappen wir im Dunkeln, wenn es darum geht, die Unternehmenskultur

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In Zeiten des zunehmenden Arbeitskräftemangels scheint es offenkundig, dass die Gewinnung (und Bindung) von Top-Talenten nur funktioniert, wenn die begehrten Fachleute in eine Umgebung kommen, in der sie nicht von archaischen Führungssystemen unterdrückt werden. Deswegen brauchen wir zunehmend selbstführende Teams oder gar Organisationen, richtig? Sorry, Bullshit-Alarm! Das Narrativ, dass klassische Führungssysteme ausgesorgt hätten, ist falsch. Menschen funktionieren nicht in Formen von Schwarmintelligenz. Als nutzenorientierte Wesen möchten sie meist ihre eigene Situation optimieren und nicht unbedingt primär die der anderen. Zumindest nicht im beruflichen Kontext. Kritische Beobachter aus der Arbeitspsychologie behaupten sogar, dass ausgemachte narzisstische Persönlichkeiten in selbstführenden Strukturen so richtig aufblühen. Das Thema selbstführende Teams und Organisationssysteme wird aus meiner Sicht in puncto allgemeiner Anwendbarkeit überschätzt und bezüglich des Aspektes der Set-up-Investition und Etablierung funktionierender Regelwerke und Guidelines kolossal unterschätzt. Ich halte viel von Verantwortungsübergabe und Hierarchiereduktion in Organisationen. Aber die nicht selten dilettantische und inkonsequente Umsetzung wird auf längerer Sicht eher dazu führen, dass Unternehmen grundsätzlich davon Abstand nehmen. Positive Verantwortungsübernahmen und notwendige Freiheiten werden dann schlimmstenfalls wieder zurückgedreht, nur weil die Verantwortlichen aus den HR-Abteilungen

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Keine Leader ohne Liebe Alle sprechen über Leadership und dessen vielfältige Variationen. Selbst versierte HRlerinnen und Personaler verlieren im Meer der Anglizismen schon einmal den Überblick. Fest steht jedoch, gute Führung braucht vor allem eines: Menschenfreundlichkeit. Ein Beitrag von Anne Hünninghaus

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Abbildung: Softulka / Getty Images

ine Leadership-Infusion würde unsere Performance pushen, wir sollten also asap dazu meeten.“ Wir alle kennen Sätze wie diesen. Vielleicht ist er bislang in Ihrer Company noch nicht gefallen, das wäre für Ihre Leader eine gute Nachricht. Aber auf An­ glizismen zu verzichten, fällt in der Unternehmenswelt und insbesondere im Personalwesen – aka Human Resources – augenscheinlich schwer. Da wundert es nicht, dass auch zwei zentrale Begriffe nur selten übersetzt werden: Management und eben Leadership. Während über Ersteres schon seit Jahrzehnten unermüdlich gesprochen und geschrieben wird, ist zuletzt das Thema Führung in den Vordergrund gerückt. Und da wir im deutschsprachigen Raum aus historischen Gründen berechtigterweise ungern von Führern sprechen, dreht sich eben alles um Leader. „Leadership ist ein Teilbereich des Managements“, erklärt Dirk Lippold, Hochschulprofessor und Berater für Führungs- und HR-Themen. Als ehemaliger Geschäftsführer der Unternehmensberatung Capgemini fußt sein Wissen nicht nur auf Theorie: „Managen heißt, etwas über Organisation und Planung zu einem Soll zu führen. Führung bedeutet erst einmal, anderen Menschen auf dem Weg zu diesem Ziel Orientierung zu geben und eventuelle Steine wegzuschaffen, die ihnen vor die Füße fallen.“ Das klingt zunächst simpler als es ist. Denn zu gutem Leadership gehört noch einiges mehr als zu navigieren und mit dem Räumfahrzeug vorauszufahren. Begeisterung und Wertschätzung sieht Lippold als oberste Erfordernisse. Offenheit und die Fähigkeit, Vertrauen sowohl zu wecken als auch zu schenken, kommen gleich dahinter. Führung ist ganz offensichtlich eine Aufgabe für Menschenfreunde. Das ist nicht besonders überraschend. Dennoch – auch wenn wir alle schrecklich gern sprechen über Agilität, flache Hierarchien und Kommunikation auf Augenhöhe: Es ist noch längst nicht überall die Regel, dass für Führungsaufgaben diejenigen nominiert werden, die dazu geboren sind, die sich für die Aufgabe begeistern, empathisch auf Teams einzugehen. Stattdessen bekommt oft Titel und Team, wer sich als exzellente Fachkraft hervorgetan hat.

Schlechte Führung ist teuer Dass sich ein solches Vorgehen rächen kann, weiß HR am besten. Eine gute Führungskraft erkennt und schult die Potenziale des gesamten Teams und des einzelnen Mitglieds. Bei lustloser Führung fällt nicht nur dieser Effekt weg, oft 17


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Die Verlässlichen Leadership ist keine Frage des Vertrauens, sondern eine der Kultur. Bei Führung geht es um Verlässlichkeit. Die richtige Begrifflichkeit bewahrt davor, sich und andere moralisch zu überfordern. Ein Gastbeitrag von Michaela Levermann

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Das Bauwerk Stonehenge im Süden Englands wurde vor mehr als 4.000 Jahren errichtet – von wem, kann nicht mit Sicherheit bestimmt werden. Es ranken sich viele Mythen um die alten Steine, die seit jeher ver‑ lässlich in einer bestimmten Po‑ sition zueinander stehen, aufeinan‑ der aufbauen und sich gegenseitig stützen.

Foto: Parinya Suwanitch / Getty Images

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as Homeoffice konfrontierte viele Führungskräfte mit der Frage, welche Rolle Vertrauen für sie spielt. Das hat viel mit dem Bedürfnis nach Sicherheit und Handlungsfähigkeit zu tun. Denn insbesondere das Führen und Miteinanderarbeiten auf Distanz eröffnet ungewohnte Freiheiten und beschneidet zugleich gewohnte Kontrollstrategien. Wie wir angesichts einer solchen Situation angemessen miteinander umgehen können, ist einerseits eine kulturelle und andererseits eine strategische Frage. Der Vertrauensbegriff fristet ein ähnliches Dasein wie der Nachhaltigkeitsbegriff. Wir begegnen ihm so gut wie täglich, doch nur selten wird er ausbuchstabiert. Aber es gibt einen wesentlichen Unterschied: Vertrauen ist individuell d ezem ber 20 21

erfahrbar. In der intimen und lebenswichtigen Erfahrung von Vertrauen zeigt sich uns eine Welt, in der grundsätzlich gegeben und Verantwortung übernommen wird. Die Rede von Vertrauen erweckt Assoziationen. Wir können eine gedankliche und emotionale Verbindung zu eigenen Vertrauensbeziehungen herstellen. Auch wenn wir auf Ebene des individuellen Erlebens meist nicht darüber sprechen: Wir wissen, was diese Beziehungen so unverwechselbar macht. Vertrauen ist nichts, was man herstellen, entscheiden, vorschreiben oder einfordern kann. Es ist ein Geschenk und ein Wert an sich. Vertrauensbeziehungen sind intime Beziehungen und Teil unseres sozialen Lebens. So beschreibt es Olli Lagerspetz in Trust. The Tacit Demand. Das Besondere an Vertrauensbeziehungen ist, dass wir einander in unserem jeweils individuellen Sein anerkennen. Diese gegenseitige Anerkennung unserer Wesenskerne schenkt uns eine unvergleichliche Handlungsfreiheit, wie Philosoph Hegel in seiner Phänomenologie des Geistes schreibt. Denn im Vertrauen gibt es kein Risiko und somit auch kein Kontrollerfordernis. Wer vertraut, vertraut. Daher trifft uns auch ein Vertrauensbruch persönlich und moralisch so hart – er erschüttert uns in unserem Wesenskern. Arbeitsbeziehungen sind keine intimen Beziehungen, wie etwa Vertrauensbeziehungen, sondern persönliche Beziehungen. Diese sind laut den Kulturexperten Edgar H. Schein und Peter Schein vergleichbar mit lockeren Freundschaften, man kennt sich und ist zum Beispiel bereit, eine Verpflichtung einzugehen beziehungsweise einzuhalten. Es kommt zwar vor, dass Menschen im beruflichen Kontext eine intime Vertrauensbeziehung entwickeln, doch das sind meistens Ausnahmen. Das, was wir von einer Vertrauensbeziehung erwarten, entsteht in der Regel nicht in Arbeits- und Organisationskulturen. In beruflichen, vertraglich geregelten Kontexten geht es darum, kalkuliert mit Risiken umgehen sowie Kontrollkosten niedrig halten zu können. Darauf ist Vertrauen nicht spezialisiert. Und mehr noch: Wenn wir den Vertrauensbegriff hier ins Spiel bringen, können Assoziationen entstehen, die nicht auf diese Ebene gehören und für Verwirrung, Irritationen und Frustrationen sorgen. Denn wenn wir uns eine gute Zusammenarbeit wünschen, heißt das nicht, dass wir mit Vorgesetzten, Mitarbeitenden oder Kolleginnen von der persönlichen auf die intime Ebene wechseln wollen.

Leadership bedeutet Kulturmanagement Wie die Autoren Schein in ihrem Werk zu Organisationskultur und Leadership zutreffend analysieren, entwickeln Menschen Strategien, die ihnen dabei helfen, ihre Bedürfnisse 21


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Die Impulsgeberin Um einen Kulturwandel anzustoßen, braucht es mehr als Analysen. Petra Scharner-Wolff, Vorständin der Otto Group, ist zwar Finanzexpertin, setzt aber aufs Loslassen und Umsetzen.

Ein Porträt von Sven Lechtleitner

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Foto: Otto Group

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nfang der neunziger Jahre, zur Zeit des Mauerfalls, waren viele Studiengänge voll. Petra Scharner-Wolff, Konzernvorständin für Finanzen, Controlling und Personal bei der Otto Group, begann damals ein Studium der Wirtschaftswissenschaften. Doch das reichte ihr nicht, sie suchte nach einem neuen Impuls. Sie fand für ein Parallelstudium ein Wissenschaftsfeld, in dem ganz anders agiert wurde: die Psychologie. In ihrer Abschlussarbeit für das BWL-Studium schrieb sie dann über ein Thema aus der Wirtschafts- und Sozialpsychologie. Nach einigen Jahren in der Beratung merkt sie, dass Analyse nur ein Teil dessen ist, was wirksames Handeln ausmacht. „Wenn etwas wirklich funktionieren soll, braucht man zuerst den Zugang zum Menschen und muss dann in die Umsetzung kommen“, sagt sie. Diesem Schema sei sie seither treu geblieben. Vor rund 20 Jahren startete sie ihre Karriere bei der Otto Group und steuerte längere Zeit in der Holding das weltweite Firmenportfolio. Sie kennt den Konzern noch, als die Umsätze im E-Commerce nur einen Bruchteil ausmachten, nicht wie heute fast zwei Drittel. Ermöglicht hat dies die Transformation der Unternehmensgruppe, die sie von Anfang an begleitet hat. Sie arbeitete in verschiedenen Rollen, auch im operativen Geschäft, hat mal kleinere Firmen geführt oder einen Logistikbetrieb in der Nähe von Frankfurt. Dadurch konnte sie ein Gespür für das Zusammenspiel von dezentralen und zentralen Bereichen entwickeln. Auf d ezem ber 20 21

ihrem Karriereweg gibt es einen zentralen Wegbereiter: ihren Vorgänger Winfried Zimmermann. Er war unter anderem Chef des Beteiligungscontrollings, ein Bereich, in dem Scharner-Wolff lange arbeitete. Als er Konzernvorstand wurde, förderte er sie weiter. Für ihr Empfinden sogar manchmal ein wenig zu früh. Sie selbst hätte mit dem nächsten Karriereschritt vermutlich noch etwas gewartet. „Doch er hatte den Mut, dass ich die Rolle füllen und dort hineinwachsen konnte – für ihn war das keine große Wette“, sagt sie. An seinem Führungsstil schätzt sie, dass er immer transparent war und Informationen geteilt hat. Zimmermann habe gewusst, wie man Sachverhalte löst, die organisatorisch verfahren sind. Von ihm habe sie gelernt, wie sich Macht sinnvoll einsetzen lässt, indem Entscheidungen richtig gelenkt werden. Außer ihm hat sie kaum Vorbilder in Sachen Leadership. Der Blick auf ein Idol passe auch nicht zu ihrer Haltung. Sie ist eben nicht der Typ, der sich an Persönlichkeiten orientiert, sie lässt sich lieber von vielen Menschen in der Zusammenarbeit inspirieren, gibt Impulse – auch über die Unternehmensgrenzen hinaus.

Transformation statt Tradition Scharner-Wolff erinnert sich noch gut an die Otto-Kataloge, die es früher nahezu in jedem Haushalt gab. Auf den Titelbildern priesen Models wie Claudia Schiffer, Cindy Crawford oder Heidi Klum das Angebot an. Das Sortiment 25


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Dilemmata sind das Salz in der Suppe

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Führungskräfte stehen ganz verschiedenen Anforderungen gegenüber. Manchmal erscheinen Situationen gar ausweglos. Wie mit solchen Dilemmata umgehen: Sich auf das Glück verlassen? Abwarten bis einen die Dynamik überrollt? Oder Sachverhalte auflösen?

Ein Gastbeitrag von Alexander Wick und ­Bernd Blessin

Abbildung: Fugacar / Getty Images

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ührungskräfte leben in Widersprüchen, aus denen es keinen eindeutigen Ausweg gibt. Sonst bräuchte es keine Führungskräfte. Wohl formulierte Regeln und Vorschriften einerseits und Aufsichtspersonal andererseits, das deren Einhaltung gewährleistet, würden dann genügen. Führen erfordert, mit Alternativen umzugehen, von denen jede unverzichtbar erscheint, aber alle kaum in Einklang zu bringen sind. Ursachen von Dilemmata liegen in der Komplexität sozialer Situationen mit ihren verschiedenen Interessensgruppen und Anforderungen. Im Kontext der Personalführung sind das speziell: • das Wirtschaftlichkeitsprinzip, also der Druck auf alle Beteiligten, Kapitalrentabilität zu erzielen • der Markt und seine Merkmale, der von verschiedenen Interessen gekennzeichnet ist • die Arbeitsteilung und Koordination zwischen Personen und Einheiten mit unterschiedlichen Interessen • die individualisierten Belohnungssysteme auch bei kooperationsbedürftigen Aufgaben • die Bevorzugung von Formalisierung und Standardisierung auch in Feldern mit erhöhten Flexibilitätsanforderungen • die Inklusions- und Exklusionsmechanismen in hierarchischen Organisationen • das überholte Stereotyp, dass Führungskräfte in überlegener Weise agieren und alle Probleme selbst lösen können So ergeben sich viele Dilemmata, in denen Entscheidungen gefällt werden müssen, deren Auswirkungen nicht eindeutig gut oder schlecht, richtig oder falsch sind. d ezem ber 20 21

Allein ihre Vielzahl führt zu einem weiteren Dilemma: Befasst sich eine Führungskraft permanent mit den Dilemmata, um ihr Handeln daran zu orientieren, kommt sie kaum noch zum Arbeiten: Sie wird durch die Abwägungen gefordert und damit immobilisiert. Kümmert sie sich dagegen gar nicht darum, wird sie entweder zum zynischen Unmenschen, der sein Team ausschließlich als Mittel zum Zweck sieht, oder sie wird recht schnell darin aufgerieben, weil sie sich in Rücksichten und Aufmerksamkeiten verzettelt, die nicht miteinander vereinbar sind.

Umgang mit Führungsdilemmata Nicht alle – vielleicht sogar recht wenige – Dilemmata lassen sich nach Wunsch konfliktfrei lösen. Was bedeuten würde, dass beide Wege beschritten werden können oder zumindest ein Kompromiss möglich ist. Wie kann man nun mit solchen Situationen umgehen? Hilfreich ist, an den zentralen Merkmalen von Dilemmata anzusetzen: den Zwang zur Entscheidung zwischen gegensätzlichen Alternativen. Sind diese Merkmale überhaupt gegeben und wenn ja, welche Möglichkeiten zum Umgang damit gibt es tatsächlich? Die zwei gegensätzlichen Alternativen: • Gibt es nur diese Alternativen? Oder gibt es ein ganzes Feld davon und die beiden bisher betrachteten sind nur augenfällige Gegenpole? Es gibt nicht nur Schwarz und Weiß, sondern auch viele Graustufen. Und zusätzlich das ganze Spektrum der Farben. 35


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„Zu viele Führungskräfte verwechseln Grandiosität mit Feedbacklosigkeit“ 38

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Ulrich Grannemann nennt seine Mitarbeitenden Mitkräfte: Sie sind elementarer Bestandteil seiner Führungsarbeit. Damit verleiht er dem Phänomen Cheffing, also der Führung von unten, einen neuen Dreh. Denn eigentlich griff Cheffing eher bei inkompetenten Chefs oder entscheidungsunwilligen Managerinnen. Ein Gespräch über Demut, Beweglichkeit und evolutionäre Führung

Foto: Foto Schatz, Langenfeld

Ein Interview von Jeanne Wellnitz

Herr Grannemann, wurden Sie schon einmal von einem Teammitglied gelenkt? Oh ja. Einmal sagte eine Mitarbeiterin zu mir: „Ulrich, wenn du im Büro bist, erzählst du begeistert von zwanzig verschiedenen Dingen, die du erlebt oder gesehen hast. Ich kann nicht einschätzen, ob darin nun ein Hinweis steckt, dass ich dieses oder jenes in Gang setzen sollte. Benenne bitte deine Ziele genauer!“ Daraufhin haben wir einen sogenannten Delegationstisch im Büro aufgestellt: Sobald eine Aufgabe anstand, die jemand übernehmen sollte, sind wir zu diesem Tisch gegangen und ich habe sie dort übergeben. Angestellte und Führungskräfte sollten regelmäßig Vieraugengespräche darüber führen, wie sie zusammenarbeiten, nicht darüber, was die Aufgaben sind. Abraham Lincoln hat einmal etwas sehr Treffendes gesagt: Wenn ich acht Stunden Zeit hätte, um einen Baum zu fällen, würde ich sechs Stunden die Axt schleifen. Cheffing bedeutet also, die Axt zu schärfen? Genau, Gespräche über Arbeit, das ist Cheffing pur, weil ich die Mitkräften dann frage: Bitte, was können wir besser machen? Was kann ich besser machen? Wovon machen wir zu viel? Wovon machen wir zu wenig? Ich bin als Führungskraft in diesen Zeid ezem ber 20 21

ten nicht mehr in der Lage, diese Fragen allein zu beantworten. Ich brauche dazu mein Team. Cheffing hat also zwei Richtungen. Aus der Perspektive der Führungskräfte ist es das Zum-Mitchef-Machen der Mitkräfte: Leader creates Leader. Aus der Perspektive der Mitkräfte ist Cheffing das Ab- und Übernehmen von Führungsaufgaben. Cheffing ist also die Einflussnahme, dass mein Chef immer mehr davon macht, was ich brauche, und immer weniger davon, was ich nicht gebrauchen kann. Wenn Sie viele Personen um Input bitten, kommen dann auch viele verschiedene Dinge raus, die sie

managen müssen, oder sind die Impulse ähnlich? Wenn es um mein Verhalten als Führungspersönlichkeit geht, ist der Tenor gleich. Was die Wünsche betrifft, sind diese schon unterschiedlich. Das fängt schon bei der Frequenz der Vieraugengespräche an, die wir regelmäßig durchführen. Die einen wollen am liebsten alle 14 Tage eines, die anderen einmal im Jahr. Wie gehen Sie damit um? Durchschnitt ist alle zwölf Wochen, aber ich gehe bei bestimmten Menschen auch auf die Wünsche von weniger oder mehr ein. Als Westfale im Rheinland gefällt mir ein Prinzip: Jeder Jeck ist anders. Am Ende gibt es jedoch etwas Grundsätzliches in der Führung: Verantwortung ist nicht teilbar. Irgendjemand im Team muss entscheiden und dann die Verantwortung dafür tragen. Und darum werden wir auch in 30 Jahren noch Organigramme haben, aber sie werden natürlich noch weniger Abbild davon sein, wie die Arbeit in der Realität funktioniert. Wie sieht die Realität aus? Es gibt zwei Trends in der Wirtschaft, die ungebrochen sind: Die Macht der Käufer steigt, das spiegelt sich auch in

Was ist Cheffing? Als Cheffing bezeichnet man Führung, die von den Mitarbeitenden ausgeht. Sie versuchen, die Führungskraft zu beeinflussen und bestimmte Entscheidungen oder Verhaltensweisen hervorzurufen. Dabei geht es darum, insgesamt eine bessere Führungsarbeit zu erreichen. Während der Begriff früher darauf referierte, dass beispielsweise eine Mitarbeiterin ihre Chefin steuerte, weil diese keine Entscheidungen traf, wird der Begriff heute auch auf den Trend fragmentierter Führung bezogen. Das heißt, der Führungsanspruch in der volatilen und digitalisierten Welt steigt und muss von den Führungskräften an die Teammitglieder weitergegeben werden. Cheffing ist also aus Mitarbeiterperspektive Beratung und Übernahme von Führungsaufgaben. Aus Führungskräftesicht hingegen beinhaltet es, Aufgaben abzugeben und sich beraten zu lassen. Cheffing ist von Bossing und Staffing zu unterscheiden: Bossing bedeutet, dass Vorgesetzte Teammitglieder mobben. Staffing bezieht sich auf die Situation, dass Führungskräfte von ihren Mitarbeitenden schikaniert werden.

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Das kleine bisschen Gift Schlechte Führung zermürbt Teams und vergiftet Unternehmen. Trotzdem tolerieren viele Arbeitgeber toxische Chefinnen und Manager. Das ist ein Fehler, der sie teuer zu stehen kommt. Ein Beitrag von Mirjam Stegherr

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anzusprechen, gehen viele in die innere Kündigung. Auch Schramböhmer mied die Auseinandersetzung mit ihrem Chef: „Ich hatte Angst, dass er noch gemeiner wird.“ Aber sie wollte etwas verändern. Sie wandte sich an den Leiter des Amts. Zu ihm hatte sie einen guten Draht, sagt sie, außerdem konnte er in Gang setzen, Führungskräfte zu coachen. Das gab es nicht. Und wie sich herausstellte, sollte das auch nicht kommen. Der Amtsleiter hatte zwar ein offenes Ohr, aber kein Rückgrat und erkannte die Notwendigkeit nicht, etwas zu ändern. Zwei Jahre lang geduldete sich Schramböhmer, dann kündigte sie. Heute berät sie selbst Führungskräfte und Unternehmen für eine bessere Arbeitskultur.

Ein toxischer Effekt mit hohen Kosten

Foto: master1305 / Getty Images

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er Fliegenpilz ist einer der bekanntesten Giftpilze Europas. Wer ihn isst, erleidet Schwindel, Krämpfe und Übelkeit. Denn was in seinem Inneren steckt, ist toxisch. Immerhin ist er leicht zu erkennen. Das unterscheidet den Fliegenpilz von dem Gift, das Arbeitskulturen vernichtet: toxische Führung. Sie verursacht miese Stimmung, kranke Teams und mangelnde Leistung. Leider ist sie nicht so gut sichtbar. Und leider wird sie oft toleriert. Das macht sie nicht nur zu einem Problem für einzelne Teams, sondern zu einem Gift für den ganzen Betrieb. Jessica Schramböhmer hat zehn Jahre lang in einem vergifteten Umfeld gearbeitet. Sie war stellvertretende Leiterin Finanzen in einem deutschen Rathaus, ihren direkten Vorgesetzten bezeichnet sie rückblickend als „Griesgram“. Er habe Telefongespräche belauscht, Privates unterbunden, Mitarbeitergespräche gestoppt, Arbeitsschritte kontrolliert und niemandem vertraut. „Rückblickend kann ich sagen: Alles, was man als Chef falsch machen kann, hat er in meinen Augen falsch gemacht. Als Mitarbeiterin habe ich mich fürchterlich gefühlt“, sagt sie. Lob gab es nicht, dafür Kritik. Schramböhmer dachte, das gehöre zum Job. Doch irgendwann war der Frust zu groß. Spätestens als sie anfing, über Leadership zu lesen und über New Work, wurde ihr klar: Hier stimmt etwas nicht. Laut einer Studie des Beratungsunternehmens Gallup ist Jessica Schramböhmer nicht allein: Jede und jeder Siebte hat schon einmal schlechte Vorgesetzte erlebt. Statt sie d ezem ber 20 21

Ihr persönliches Schicksal wurde „ihre Berufung“ und sie kann gut davon leben. Wie sie sagt, liegt es daran, dass Unternehmen für Führungsfragen sensibler werden und erkannt haben, „dass positives Leadership erfolgreicher ist als strenge veraltete Führungsstile“. Mitarbeitende zu verlieren, kostet durchschnittlich 15.000 Euro pro Fall, hat das Unternehmen Deloitte errechnet. Der häufigste Grund für eine Kündigung sind Führungsfragen. Es gibt also einen guten Anlass, sich mit toxischer Führung zu beschäftigen. Unternehmen wissen schon lange, welche Folgen abusive Führung habe, sagt Professorin Christina Hoon. Sie meint Führung, die Mitarbeitende nicht aufbaut, sondern zerstört. Hoon unterrichtet Wirtschaftswissenschaften und forscht zu Familienunternehmen an der Universität Bielefeld. 2020 hat sie im Rahmen einer gemeinsamen Studie Bewertungen von über 500 Arbeitgebern auf der Plattform Kununu untersucht. Das Ergebnis: Nur jede oder jeder Fünfte sieht das Führungsverhalten der direkten Vorgesetzten als negativ. Das Führungsklima aber ist bei 85 Prozent der untersuchten Unternehmen schlecht. Wenige Fälle haben eine große Wirkung. „Unsere Studie belegt den toxischen Effekt, den schlechtes Führungsverhalten hat: Es vergiftet, wie Mitarbeitende das Unternehmen wahrnehmen“, sagt Hoon. Eine einzige schlechte Führungskraft kann dazu führen, dass die gesamte Spitze schlecht dasteht. Wer eine Chefin oder einen Boss in Kauf nimmt, der Mitarbeitende beleidigt, kontrolliert und tyrannisiert, lässt damit nicht nur eine Abteilung im Stich, sondern schnell das ganze Unternehmen. Sie habe Unternehmen erlebt, die in einer Schockstarre waren, bis eine toxische Führungskraft endlich ging, sagt Hoon: „Es ist falsch, eine Person auszuhalten, von der man weiß, dass sie 45


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New Work, New Leadership, New Pay – es sind die Schlüsselbegriffe der neuen Arbeitswelt. Ein Kernprinzip: Hierarchien sind out, Selbstführung ist in. Gerade junge Menschen wollen sich nicht mehr im klassischen Topdown-Gefüge einordnen. Wird die Rolle der Führungskraft in der neuen Arbeitswelt obsolet?

Ein Beitrag von Lilian Fiala

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ine Firma mit 60 Beschäftigten, in der Projektpalette ist von kleinsten bis hin zu großen Aufträgen für Unternehmen und Hotelketten alles dabei. Führungskräfte? Gibt es nicht, lediglich einen Geschäftsführer, den braucht es allein aus rechtlichen Gründen. Die Rede ist nicht von einem Start-up in Berlin-Friedrichshain, sondern von einer Glasbau-Manufaktur in Waghäusel, Baden-Württemberg. Das Kerngeschäft der Firma Heiler: Glasduschen, Raumteiler aus Glas, echtes Handwerk. Seit 2014 treffen bei Heiler die Mitarbeitenden alle Entscheidungen, auch die großen strategischen. „Je wichtiger die Entscheidung, desto mehr Menschen sind daran beteiligt“, sagt Stephan Heiler, Geschäftsführer des Familienbetriebs und die einzige formale Führungskraft. Wobei das „klassisch” sich allein auf den Titel nach außen beschränkt – nach innen lebt Heiler das Versprechen, dass alle in sämtliche Entschlüsse eingebunden werden und er seine formale Macht nicht anwendet. Immer mehr Unternehmen hinterfragen klassische Hie­ rarchiegefälle und versuchen sich in neuen Arbeitsmethoden und -strukturen. Doch wie viel Führungsverantwortung lässt sich tatsächlich auf jeden einzelnen Menschen übertragen? Und kommt die neue Arbeitswelt wirklich ganz ohne Führungskraft aus? Die Antwort: Ganz ohne geht es nicht – aber es geht ganz anders als gewohnt. Stephan Heiler kennt beide Seiten. Er d ezem ber 20 21

hat die Entstehung vom Einmannbetrieb unter seinem Vater Alois bis hin zum heutigen Unternehmen erlebt. Heiler junior stieg 1997 in den Familienbetrieb ein, damals im Marketing. Zu dieser Zeit gab es auch bei dem Mittelständler noch Hierarchien. Der Betrieb entwickelte sich weiter, Stephan Heiler baute den Vertrieb mit auf, übernahm die Leitung – und merkte schnell, dass klassische Führung für ihn nicht richtig funktioniert. Nach langer, teils verzweifelter Suche nach alternativen Führungsmethoden stieß er auf New-Work-Konzepte, selbstorganisierte und selbstverantwortliche Teams, agiles Arbeiten. 2010 kam sein Vater auf ihn zu: Im kommenden Jahr, zum 60. Geburtstag, wolle er den Staffelstab an seinen Sohn übergeben. Für Stephan Heiler war klar: „Es ist ungesund, alles auf eine Führungskraft zuzuschneiden – egal wie gut sie ist.“ Als neuer Geschäftsführer wollte er deshalb sein gewonnenes Wissen ins Unternehmen einbringen.

Alles andere als einfach Ein erster Versuch, eine Arbeitsgruppe mit den damals noch bestehenden Führungskräften im Unternehmen zu gründen, scheiterte – fünf der sieben Beschäftigten in Leitungspositionen hatten daran kein Interesse. Stephan Heiler jedoch gab nicht auf und machte einen Schritt auf die gesamte Belegschaft zu. „Ich habe meine Vision erklärt und gesagt, 49


IM FOKUS

D I V E R S I TÄT

Gender im Talent Management – was HR beachten sollte Was kann HR tun, um die Problematik Think talent – think male im Talent Management zu vermeiden? Eine Studie gibt Aufschluss Ein Gastbeitrag von Marion Festing 52

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IM FOKUS

Heute wissen wir: Die Quote wirkt – aber die freiwillige Selbstverpflichtung der Wirtschaft funktioniert nicht. So das Ergebnis der Evaluation des Führungspositionengesetzes I, die die ESCP Business School Berlin im Rahmen einer Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) wissenschaftlich begleitet hat. Laut Statistischem Bundesamt waren in Deutschland im Jahr 2020 rund 28 Prozent der Führungspositionen von Frauen besetzt – im Vergleich zu den anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union lag Deutschland damit nur im unteren Drittel und unter dem EU-Durchschnitt von 34 Prozent.

Die Studie Im Rahmen ihres Forschungsprojektes zum Thema Think talent – think male sind Marion Festing, Angela Kornau und Lynn Schäfer von der ESCP Business School in Berlin folgenden Forschungsfragen nachgegangen: Unter welchen Bedingungen kann man von genderspezifischen Verzerrungen oder geschlechtsspezifischer Diskriminierung im Talent Management sprechen? Und: Verfolgen Unternehmen unterschiedliche Ansätze im Talent Management, um

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issenschaft, Politik und Wirtschaft treibt bereits seit einigen Jahren die Frage um, wie sie den Frauenanteil in Führungspositionen – als Vorständin und Geschäftsführerin sowie Führungskraft in Handel, Produktion und Dienstleistungen – erhöhen können. Die entscheidenden Impulse kamen vor allem aus Norwegen, wo 2003 als erstem Land der Welt eine Geschlechterquote von 40 Prozent für Aufsichtsräte eingeführt und eine europaweit anhaltende Debatte über Frauen in Führungspositionen initiiert wurde. 2015 kam in Deutschland mit dem Führungspositionengesetz I – dem Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst – und der damit einhergehenden Quotenregelung in Aufsichtsräten der vermeintliche Durchbruch. d ezem ber 20 21

weibliche Talente zu fördern? Wenn ja, wie unterscheiden sich diese Ansätze? Diesen Fragen wurde konzeptionell und empirisch auf der Basis einer vergleichenden Fallstudie von zwei deutschen Medienkonzernen beantwortet. Es wurden sechs Interviews mit Talent-Management- und HR-Fachleuten sowie 37 Interviews mit Teilnehmenden von Talentförderprogrammen (20 Frauen und 17 Männer) durchgeführt. Zudem wurden Evaluierungsbögen für die Analyse hinzugezogen. Die semistrukturierten Interviews beinhalteten Fragen zum fachlichen Hintergrund, zur Wahrnehmung der Talent-Management-Praktiken im Unternehmen, zur Organisationskultur sowie zu Maßnahmen der Frauenförderung. Die Gespräche dauerten rund 90 Minuten. Schließlich wurde ein Kategoriensystem entwickelt, das einen systematischen Vergleich der Unternehmen ermöglichte.

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R E C H T

E S S AY

Der Betrieb, ein Relikt im ­Arbeitsrecht? Der „Betrieb“ als zentraler Begriff im Arbeitsrecht bleibt in der neuen Arbeitswelt relevant, darf aber nicht primär physisch verstanden werden. Ein Essay von Christoph Seidler

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enn arbeitsrechtliche Laien den Begriff„Betrieb“ hören, denken sie an das Bürogebäude mit Klingelschild oder die Produktionsstätte hinter dem Werktor. Ein Bild, das heute zwar häufig zutrifft, doch stellen es die neuen Arbeitsformen zunehmend infrage. Spätestens mit der pandemiebedingten Ausweitung des Homeoffice hat das Büro an Bedeutung für die Zusammenarbeit verloren. Ein Trend, der sich auch nach dem Ende der Pandemie nicht beziehungsweise nicht vollständig umkehren wird. Daneben führen neuere Organisationsformen wie agile Strukturen oder Matrixorganisationen zu einer dynamischeren Zusammenarbeit über Standortgrenzen hinweg. Diese Entwicklung bringt verschiedene Fragen mit sich. Was oder wo ist zum Beispiel der Betrieb, wenn die Belegschaft im Homeoffice arbeitet oder mit Fahrrädern oder Pkw durch die Straßen fährt? Welcher Betriebsrat ist zuständig, wenn mein Schreibtisch in München steht, meine Führungskraft aber in Berlin sitzt? Teilweise kommt bereits die Frage auf, ob nicht die gesetzlichen Grundlagen für den Zuschnitt des Betriebs überarbeitet werden müssen.

Was versteht das Arbeitsrecht unter Betrieb? Eine Definition, die das gesamte Arbeitsrecht abdeckt, existiert nicht. Der Begriff findet sich etwa im Betriebsverfassungsgesetz als Bezugsgröße für die Mitbestimmung des Betriebsrats. Alle Beschäftigten, die einem Betrieb zuzuordnen sind, fallen unter die Zuständigkeit des dort gewählten Betriebsrats. Bei Betriebsübergängen nach § 613a Bürgerliches Gesetzbuch bezeichnet Betrieb, ob beziehungsweise welche Beschäftigten mit einem veräußerten Betrieb oder Teilen davon mitgehen. Im Kündigungsschutzgesetz bemisst sich anhand des Zuschnitts des Betriebs, zwischen 74

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Das bisherige Begriffsverständnis


IMPRESSUM

welchen Beschäftigtengruppen eine soziale Auswahl stattzufinden hat. Die jeweilige Auslegung in den verschiedenen Gesetzen ist also unterschiedlich. Selbst wenn es marginale Unterschiede gibt, ist jedoch ein Muster zu erkennen: Die Gerichte umschreiben den Betrieb in aller Regel als eine „organisatorische Einheit“, in der eine Gruppe von Beschäftigten – gegebenenfalls zusammen mit den zugehörigen Betriebsmitteln wie Arbeitsgeräten und Maschinen – einen gemeinsamen arbeitstechnischen Zweck verfolgt. Wer denkt, damit seien alle Antworten auf die Fragen der neuen Arbeitswelt beantwortet, irrt sich allerdings. Denn in der Praxis wird anhand dieser Definition üblicherweise reflexhaft der Betrieb mit dem Standort gleichgesetzt. Zum Betrieb gehört, wer seinen Schreibtisch in der Niederlassung hat. Bei Beschäftigten im Außendienst und anderen auswärts Tätigen wird ergänzend betrachtet, an welchem Standort die zuständige Führungskraft sitzt. Dieser Reflex mag in der bisherigen Arbeitswelt nachvollziehbar sein. Denn wenn die Arbeit im Betrieb – also am Standort – stattfindet und das Kollegium nebenan auf dem Flur sitzt, entspricht die organisatorische Zuordnung dem Standort. Bevor sich die Gerichte mit Organigrammen und Berichtslinien beschäftigen, nehmen sie die physische Präsenz des Unternehmens als praktische Arbeitshilfe. Diskutiert wird dann oft lediglich, ob mehrere Standorte einen Betrieb bilden oder ob an einem Standort mehrere Betriebe nebeneinander existieren, obwohl alle Beschäftigten dort in dieselbe Kantine gehen.

Der Betrieb – gestern und heute Bei aller Euphorie, die die Begriffe „New Work“ beziehungsweise „neue Arbeitswelt“ in Teilen der Arbeitswelt hervorrufen: Der räumliche Bezug des Betriebsbegriffs hat in Teilen weiterhin seine Berechtigung. In Produktionsbetrieben etwa ist die organisatorische Einheit zwangsläufig eng mit der physischen Präsenz auf dem Betriebsgelände verknüpft. Wer ein Lager betreibt, für den spielt die räumliche Anbindung der Belegschaft – und damit auch des Betriebsrats – an den Standort eine große Rolle. Doch für die neuen Arbeitsformen hilft das räumliche Denken teilweise nicht mehr weiter. Heute arbeiten Teams standortübergreifend zusammen. Der Ort des Schreibtischs folgt häufig nicht mehr der Zuordnung in der Unternehmenshierarchie, sondern zum Beispiel dem Wohnort eines Teammitglieds. Wenn Menschen fast durchgängig im Homeoffice arbeiten, ist die strukturelle Anbindung an einen Standort mitunter nur noch Selbstzweck. An seine Grenzen kommt das physische Betriebsverständnis spätestens dort, wo es den Betrieb nicht mehr gibt. Fahrradkuriere, Paketlieferanten oder Mobilitätsdienstleister haben mitunter keine Homebase mehr. Allenfalls existiert eine Lagerhalle für Ware und Fahrzeuge. Oder es wird extra für den Betriebsrat ein Büro angemietet, damit die Betriebsratsmitglieder einen Ort zum Arbeiten haben und Beschäftigte dort mit dem Gremium sprechen können. d ezem ber 20 21

Herausgeber Rudolf Hetzel Torben Werner (V. i. S. d. P.) Redaktion Sven Lechtleitner (sl) Chefredakteur sven.lechtleitner@quadriga.eu Jeanne Wellnitz (jew) Redakteurin jeanne.wellnitz@quadriga.eu Senta Gekeler (sg) Online-Redakteurin senta.gekeler@quadriga.eu Autoren und Autorinnen der Ausgabe Bernd Blessin, Gery Bruederlin, Marion Festing, Lilian Fiala, Carlos Frischmuth, Thomas Fritzsche, Anne Hünninghaus, Michaela Levermann, Lena Marbacher, Christoph Seidler, Mirjam Stegherr, Pascal Verma, Anna Wacker, Alexander Wick Lektorat Christa Melli www.literatur-und-film.de Gestaltung Marcel Franke, Damian Strohmaier Anzeigen Norman Wittig norman.wittig@quadriga.eu Abonnement Stefanie Weimann aboservice@quadriga.eu Druck PIEREG Druckcenter Berlin GmbH Benzstraße 12 12277 Berlin Im Internet www.humanresourcesmanager.de/ magazin Verlags- / Redaktionsanschrift Quadriga Media Berlin GmbH Werderscher Markt 13 10117 Berlin Telefon: 030 / 84 85 90 ­ Fax: 030 / 84 85 92 00 redaktion@humanresourcesmanager.de

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LETZTE SEITE

Der ­ ­Visionär Jörg Staff ist Chief People Officer beim IT‑Dienst­ leister Atruvia. Er sieht HR als ­integrierte Servicefunktion und hat beim Mittelständler ­klassische Führungsrollen abgeschafft. Er wurde im Oktober vom Personalmagazin zum CHRO des Jahres gewählt.

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nieren vorher etablierter Verhaltensweisen. Das zeigte sich im Arbeitsalltag durch … regelmäßige Reviews, Reflexionen und Pulse Checks. Den größten Einfluss, den Corona für die HR-Funktion hatte, ist, … dass HR sich wieder mehr den Mitarbeitenden zuwendet. HR hat das Silo verlassen, um gemeinsam mit anderen Funktionen, wie IT, Facility Management und Interne Kommunikation, Lösungen für die Menschen in der Pandemiezeit zu erarbeiten. Eine Führungsperson, die mich nachhaltig verändert hat, war … nicht nur eine. Es gab mehrere, da ich das Glück hatte, auf meinem beruflichen Weg mit vielen Führungspersönlichkeiten zusammenzuarbeiten: Bill McDermott, Lars Dalgaard, Dieter Zetsche, Klaus Zumwinkel, Rüdiger Grube, um nur einige zu nennen. Mein Team kann sich immer darauf verlassen, … dass ich persönlich als Sparringspartner erreichbar bin und hohe Eigenverantwortung und Entwicklung ermögliche. Das wertvollste Feedback zu meinem Führungsstil war …

Offenheit und Spaß in der Zusammenarbeit. Mein Lieblingsmagazine sind … Oldtimer Markt, Harvard Business Manager und Bunte. Mein erstes Geld verdient habe ich … als Zeitungsausträger. Mein älteres Ich würde meinem jüngeren Ich gern sagen, … dass ich mehr auf meine Work-Life-Balance und Nachhaltigkeit achten sollte. Ein Buch, das mich besonders beeindruckt hat, war … Selbstbild: Wie unser Denken Erfolge oder Niederlagen bewirkt von Carol Dweck. Die Fragen stellte Jeanne Wellnitz Jörg Staff ist Vorstand People und Business Services beim IT-Dienstleister Atruvia sowie Aufsichtsrat, Beirat und Investor. Zuvor war der Betriebswirt mit MBA-Abschluss bei SAP als Chief Operating Officer HR sowie in weiteren Top-Führungspositionen bei Deutsche Post World Net und Daimler tätig. Atruvia beschäftigt 8.300 Menschen. 2021 wurde Jörg Staff vom Personalmagazin zu den 40 führenden HR-Köpfen gewählt und erhielt den Publikumspreis „CHRO of the Year“.

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Foto: Artis / Uli Deck

Wahres Leadership bedeutet für mich, … auf Augenhöhe mit den Menschen zu agieren. Ich nenne das Service Leadership. Führungskräfte sollten authentisch, visionär und strategisch fokussiert sein, in Systemen denken und Diversität fördern. Der Einfluss von HR auf die Mitarbeiterzufriedenheit ist eher gering, … weil es einige Faktoren gibt, die typischerweise nicht im direkten Einflussbereich von HR sind wie beispielsweise die Kommunikation, die direkte Führung, der physische und digitale Arbeitsplatz oder Arbeitsorganisationsprozesse. Klassische Führungsrollen habe ich abgeschafft, … weil in wissensbasierten Unternehmen die Fachlichkeit genauso ihren Stellenwert braucht wie die Entwicklung der Menschen. Positiv verändert hat sich dadurch … die Einbindung von Mitarbeitenden in unternehmerische Entwicklungen, das Mitarbeiterengagement und die Qualität der Arbeitsergebnisse. Schwierigkeiten gab es hingegen bei … dem Erlernen der neuen Rollen und Verantwortungen sowie dem Abtrai-


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