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Relevante Sichtbarkeit statt Selbstinszenierung
Sichtbarkeit von CEOs ist dann erfolgreich, wenn sie den Zielen der Unternehmensstrategie dient. Manchmal ist es allerdings sinnvoll, die öffentliche Präsenz auf mehrere Schultern zu verteilen.
Von PATRICK KAMMERER
How does this help the bu siness?“, fragte mich der CEO, als ich ihm ein Interview mit einem großen Nachrichtenmedium vorschlage. „Because it will allow us to tell how we position ourselves for growth in the next three years. And we will only get the story published, if it is told by you“, lautete meine Antwort.
Wir haben das Interview gemacht. Und weitere danach. Die Frage des CEOs unterstreicht, welche Unterscheidung für das CEO-Positioning in der Unternehmenskommunikation wichtig ist. Es geht nicht um Selbstinszenierung oder das taktische Nutzen eines günstigen Moments, sondern um relevante Sichtbarkeit im Dienst der strategischen Unternehmensziele.
Dabei sind die Chancen und Risiken gleichermaßen groß. Positionierung kann die Position kosten – sogar die höchste, die es in einer Organisation gibt. Wenn sie beispielsweise vom Aufsichtsrat nicht als Teil des Jobs anerkannt, sondern als falsch investierte Zeit verstanden wird.
Die strategische Positionierung des Top-Personals gehört inzwischen zum Kern der Aufgaben von Kommunikator*innen in Unternehmen, in der Poli- tik und in Nichtregierungsorganisationen. Kommunikatoren machen es ebenso oft richtig, wie sie danebenliegen. Drei Grundregeln entscheiden nach meiner Erfahrung über Erfolg oder Scheitern beim CEO-Positioning.
„Carpool Karaoke“ mit Steingart
Die Welt, die ich selbst von innen am längsten kenne, ist die der Unternehmen. Im Folgenden ein Beispiel, bei dem ich nur Zaungast am Laptop war.
Im Juli 2022, wenige Tage bevor Herbert Diess erfährt, dass der Aufsichtsrat von Volkswagen seine Ablösung beschlossen hat, lernen die Abonnenten des „Pioneer Briefings“, dass der CEO des größten deutschen Automobilherstellers der bevorstehenden Aufsichts- ratssitzung gelassen entgegensieht. Er sagt es uns selbst direkt in die Kamera. Gabor Steingart, Gründer von „The Pioneer“, neben sich auf dem Beifahrersitz, steuert der Top-Manager im vollelektrischen Bulli durch Berlin und erzählt eine Viertelstunde lang über seine Arbeit, die Wettbewerber und die VW-Strategie.
Die Technik kennen wir aus dem „Carpool Karaoke“ in der Show des Moderators James Corden. Nur gesungen wird nicht. Auf Youtube wird das Video der Testfahrt mit dem ID. Buzz fast fünfzigtausendmal angeklickt. Ich merke es mir auch deshalb, weil Gabor Steingart mit verdrehtem Sicherheitsgurt neben dem entspannt lenkenden Herbert Diess sitzt und ich die damalige VWKommunikationschefin Nicole Mommsen, die ich kenne und sehr schätze, auf der Rückbank sehe. Steingart erwähnt den Börsenkurs von VW, Probleme mit den Software-Plattformen und die bevorstehende Aufsichtsratssitzung: „Kritische Fragen?“ Herbert Diess: „Nö, seh ich nicht so.“ Und weiter: „Sie sehen mich sehr entspannt.“
Next Level CEO-Positioning? In den Monaten vor dem Berlin-Video hat VW nach meiner Wahrnehmung eine kluge Kommunikationsstrategie professio- nell umgesetzt. Der CEO ist präsent in Interviews mit nationalen Medien, auf Veranstaltungen und sozialen Plattformen. Alles ist gut orchestriert. Die offensive Öffentlichkeitsarbeit wird ergänzt durch eine selbstbewusste Marketingstrategie. Indem er viel von sich zeigt und seine eigene Marke Woche für Woche weiter öffentlich etabliert, wirbt der CEO für Sympathie und neues Vertrauen in die Unternehmensmarke, die noch vor Kurzem als Synonym für Dieselgate stand.
Ich finde das strategisch und mutig zugleich, diskutiere den Ansatz in unserem eigenen Team. Dort gibt es auch skeptische Stimmen, vor allem nach einem als unglücklich empfundenen Talkshowauftritt von Diess. Mut eröffnet Chancen, bringt aber auch Risiken mit sich. Richtig gemacht, lässt sich viel gewinnen.
Der CEO als Werkzeug
Die erste Regel: Wir Menschen – Konsument*innen – wollen den echten (oder die echte) CEO sehen. Keine Aufsager von Botschaften aus den Kommunikationsabteilungen. Das ist eine Einsicht, die seit Jahren auch das Edelman Trust
Barometer herausarbeitet. Menschen interessieren sich für Menschen.
Je komplizierter die Wirklichkeit und je größer die Distanz zu Big Corporate und zu großen Institutionen ist, desto stärker ist der Bedarf nach authentischen Führungspersönlichkeiten, die Nähe herstellen können.
Konsument*innen wollen wissen, wer die Manager*innen hinter den großen Logos sind, welche Werte sie antreiben, wofür und wogegen sie einstehen und in welche Richtung sie ihre Unternehmen steuern wollen.
In diesem Punkt gibt es sogar eine Kongruenz zwischen der Welt der Verbraucher und jener der Analysten. Es geht letztlich um CEO-Visibility – um eine Vertrauen schaffende, relevante Sichtbarkeit von CEOs und nicht um CEO-Positioning als Selbstzweck.
Der erste Begriff beschreibt das Ziel, der zweite die strategische Aufgabe, um es zu erreichen. CEO-Visibility ist dabei nur ein Teil der Strategie der Unternehmenskommunikation. Der CEO ist ein Werkzeug in der Tool Box. Das zu erkennen erfordert von introvertierten Naturen Mut und Lernbereitschaft. Von anderen verlangt es eine situative Bescheidenheit. Mit anderen Worten: einen rationalen
Umgang mit der Eitelkeit auf Seiten der CEOs. Und es verlangt Selbstbewusstsein von Kommunikator*innen auf Unternehmensseite. Sie müssen entweder antreiben oder manchmal auch Nein sagen, wenn der CEO beispielsweise Lust hat, ihm (oder ihr) direkt angetragene öffentliche Auftritte wahrzunehmen, obwohl diese der Kommunikationsstrategie entgegenstehen.
Ein Plan für relevante Sichtbarkeit
Die zweite Regel: Ein One-Hit-Wonder reicht nicht. Ein einzelnes Interview in einem Leitmedium, eine Keynote pro Jahr auf einem Industrie-Event oder ein Video zum Geschäftsergebnis auf sozialen Plattformen sind zu wenig, um einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Ich habe mir in meiner bisherigen Arbeit selbst schon manchmal in die Tasche gelogen und ein großes, positives Feature oder ein vielfach geklicktes Video länger gefeiert, als es der Zielgruppe im Gedächtnis blieb.
Wirkungsanalysen zeigen, dass es für einen nachhaltigen Impact einen Plan mit relevanter Sichtbarkeit braucht, in dem a) Auftritte des oder der Vorstands-