KOM 6/2024 #Technologie

Page 1


Wissenschaft und Technologie

Wie Merck als Unternehmen wahrgenommen werden will.

Panda-Nachwuchs

Warum die Kommunikation des Zoo Berlin auf Milestones basiert.

#Technologie

Sich updaten

Welche Technologie-Kompetenzen Kommunikatoren benötigen.

MEINUNG

8 Kommentar CEOs machen sich in Talkshows rar. Das ist nur allzu verständlich.

IM WORTLAUT

14

Interview mit Axel Löber Merck hat ein komplexes Produktportfolio. Was bedeutet das für die Kommunikation?

TITEL: TECHNOLOGIE

22

Neue Kompetenzen

Welche Skills für Kommunikatoren wichtiger werden.

26

Revolution oder Hype? Kommunikationsprofis erinnern sich an ihren E-Mail-, iPhone- und Newsroom-Moment.

28

Kurze Videos

Bewegtbilder sind jetzt auch auf Linkedin omnipräsent.

3 Editorial  6 Bilder  9 Sprecherspitze  10 Meldungen 74 Wechselbörse  75 Impressum  82 Zahlen

32 Was zu hören Ideen für Podcasts zu Technologie, Start-up und KI.

34

Tech-Konzerne Wie amerikanische Technologieunternehmen in Deutschland kommunizieren.

38 Cyberattacken Wie Unternehmen mit Hackerangriffen umgehen sollten.

40 Virtual Reality

Trotz vielseitiger Einsatzfelder bleibt der Durchbruch aus.

POLITIK

44 Ricarda Lang Die ehemalige GrünenVorsitzende über das Ampel-Aus, Sprache und das Hamsterrad Politik.

MEDIEN

52 Hoffen und Bangen Alexander Gutzmer über Bias im Journalismus.

PRAXIS

54 Produkte, CEO, Standort Wie Trumpf seine Kommunikationsabteilung aufgebaut hat.

58 Nachwuchs Zwei kleine Pandas prägen die Öffentlichkeitsarbeit des Zoo Berlin.

62 KI-Kolumne Welche Einsatzfelder ChatGPT bietet.

64 Buchtipps Ideen, was sich zu lesen lohnen könnte.

66

Kurz vorgestellt Fragebogen: Rebekka Schnell über ihren Arbeitsalltag bei Roche.

68 Wechsel ins Unternehmen Was es beim Schritt aus der Agentur ins CorporateLeben zu beachten gilt.

70 Fragen und Antworten Kommunikationsprofis mit Tipps zu X-Alternativen, KI, Telepromptern und Avataren.

KOLUMNE

72 Mimik und Sprache Klaus Werle in der Kolumne „Das geht besser!“ über die Wichtigkeit von Worten.

76 Verband Aufruf zur Bundestagswahl, Berufsfeldstudie, Kurzinterview, Neumitglieder.

14

Interview mit Axel Löber: Wie Merck sich als Wissenschaftsund Technologieunternehmen positioniert.

58

Panda-Nachwuchs: Was die Geburt von zwei kleinen Bären für den Zoo Berlin bedeutet.

22

Update: Welche Kompetenzen sich Kommunikatoren zu Technologie und KI aneignen sollten.

44

Wie ausgewechselt: Seit Bekanntgabe ihres Abschieds als Grünen-Vorsitzende setzt sich Ricarda Lang kritisch mit den Spielregeln der Politik auseinander. Dabei hinterfragt sie auch ihre eigene Rolle.

Komplexes Portfolio

Axel Löber ist seit Ende 2023 Kommunikationschef von Merck. Für ihn war es nach knapp fünf Jahren bei E.ON eine Rückkehr. Eine seiner

Aufgaben: zu erklären, dass Merck viel mit Technologie zu tun hat und nicht ausschließlich im Pharmasegment tätig ist.

Herr Löber, ich habe vor diesem Interview Bekannte gefragt, was Merck ihrer Meinung nach macht. Überwiegend kam die Antwort, Merck sei ein Pharmaunternehmen. Das „Handelsblatt“ hat in einem Interview mit Ihrer CEO Belén Garijo 2023 ebenfalls den Begriff „Pharmakonzern“ verwendet. Stört Sie das?

Löber: Jein. Eines unserer drei Geschäftsfelder ist Pharma. Insofern ist es teilweise richtig, aber eben nicht nur. Merck hat in Darmstadt vor mehr als 350 Jahren als Apotheke angefangen. Pharma ist seither eine unserer Säulen. Das Unternehmen hat sich in den vergangenen Jahrzehnten allerdings stark diversifiziert. Zu unseren Aufgaben in der Kommunikation gehört es, unseren Stakeholdern zu vermitteln, dass wir Pharma, aber eben auch deutlich mehr sind. Das wird auch zunehmend in der Berichterstattung reflektiert.

Die Geschichte des Unternehmens reicht bis 1668 zurück. Inwieweit pflegen Sie die Legacy als ältestes pharmazeutisch-chemisches Unternehmen der Welt? Erschwert sie es nicht, Ihre Transformation zu vermitteln?

Löber: Das gehört zu den vielen Spannungsfeldern, die wir hier kommunizieren. Merck ist ein Meister der Diversifikation. Einerseits sind wir mit vielen Geschäften im Hightech-Bereich unterwegs. Andererseits haben wir eine sehr lange Geschichte. Die Historie ist ein schöner Aufhänger, eine Besonderheit. Ich habe mal den Spruch gehört, wir seien eines der ältesten Startups der Welt. Das fand ich ganz nett. Dazu passt: Wir haben die besondere Eigentümerstruktur,

dass rund 70 Prozent des Grundkapitals von der Gründerfamilie gehalten werden. 30 Prozent sind an der Börse und wir sind damit im Dax notiert. Die kurz- und mittelfristige Kapitalmarktkommunikation nehmen wir sehr ernst, und gleichzeitig verfolgen wir eine sehr langfristige Perspektive, teils über Generationen hinweg. Diese Geschichte der kontinuierlichen Transformation erzählen zu können, reizt mich.

Sie schreiben als Merck über sich: „Wir sind ein lebendiges Wissenschafts- und Technologieunternehmen.“ Inwieweit macht es einen Unterschied, ob man als Wissenschaftsund Tech-Unternehmen kommuniziert oder als Pharmakonzern?

Axel Löber

Bei E.ON war Axel Löber im Marketing tätig. Neben interner und externer Kommunikation gehört bei Merck „Marke und Content Marketing“ zu seinem Aufgabenbereich.

Löber: Die Positionierung als Wissenschafts- und Technologieunternehmen haben wir mit unserem heutigen Markendesign 2015 eingeführt. Zu dem Zeitpunkt war unser Portfolio schon recht weit aufgefächert. Auf der einen Seite haben wir den Bereich Life Science. Also alles, was man für Pharmaforschung und -produktion braucht. Der zweite Bereich nennt sich Electronics – mit Materialien und Systemen für die Halbleiter- und Displayindustrie. Und dann wie erwähnt das Pharmageschäft in unserem Bereich Healthcare. 2014/2015 wurde Merck noch überwiegend als Pharma- und Chemieunternehmen wahrgenommen. Pharma stimmt. Klassische Chemie nicht mehr. Es sind bei uns deutlich mehr technologiegetriebene Geschäfte dabei. Das wollten wir mit unserem Markenauftritt und der dazugehörigen Positionierung reflektieren.

Bringt es ein besseres Image mit sich, ein Technologieunternehmen zu sein?

Foto:
Bernd Hartung
Interview VOLKER THOMS

Tech für das Ohr

Inzwischen gibt es für fast jedes Interessengebiet Podcasts – so auch für Technologie, KI und Start-ups. Einige Vorschläge, was man hören könnte.

Startup – Jetzt ganz ehrlich

„Was verbirgt sich wirklich hinter der schillernden Fassade der Gründerszene?“ Diese Ausgangsfrage steht im Fokus des Podcasts, durch den die ntvModeratorin Janna Linke führt. Das Konzept ist eine Mischung aus Reportage und Interview. Linke beleuchtet ein Thema aus unterschiedlichen Perspektiven. Dafür spielt sie zu Beginn O-Töne der Beteiligten ein und erläutert die Hintergründe. Im Anschluss folgt ein etwa halbstündiges Interview mit einer Person aus der Startup-Szene. In der Schluss-Kategorie „Entweder-oder“ müssen sich die Interviewpartner auf eine von zwei Antwortmöglichkeiten festlegen. Linke hat 2024 den KKongress moderiert. •

WSJ Tech News Briefing

Hinter diesem Podcast-Namen stecken drei unterschiedliche Konzepte. Jeden Wochentag erscheint ein etwa zehnminütiges Interview zu einem Hauptthema, das zumeist der Cybersecurity-Reporter des „Wall Street Journal (WSJ)“, James Rundle, mit einem Kollegen führt. Des Weiteren bietet „TNB Tech Minute“ ebenfalls wochentäglich einen schnellen Überblick zu aktuellen Tech-Schlagzeilen, Host ist mal Rundle, mal Belle Lin, KI-Reporterin beim „WSJ“. Vor kurzem an den Start gegangen ist eine neue InterviewSerie unter dem Titel „Bold Names“. Hier führen jeden Samstag die Kolumnisten Tim Higgins und Christopher Mims Interviews mit Start-up-Gründern, die mit ihren Ideen und Unternehmen die etablierten Tech-Größen herausfordern. •

Handelsblatt KI-Briefing

Der KI-Podcast des „Handelsblatt“ bietet jeden Freitag Neuigkeiten rund um das Thema künstliche Intelligenz. Welche Innovationen gibt es? Welche Bedeutung haben sie für Unternehmen, Gesellschaft und Arbeitswelt? Die etwa zehnminütigen Folgen werden von Larissa Holzki, die beim „Handelsblatt“ das KI-Team leitet, sowie einem Korrespondentnetzwerk aus dem Silicon Valley und Shanghai zusammengestellt. Der Podcast wird nicht von der Journalistin selbst, sondern von ihrer mit Hilfe von KI geklonten Stimme vorgetragen. Es gibt außerdem eine Unterteilung in drei Kategorien: „Das Wichtigste zuerst“, „Worüber die Szene spricht“ und „Was Sie sonst noch wissen sollten“. Zum Podcast gibt es auch einen Newsletter. •

HBR Idea Cast

In diesem bereits 2006 gestarteten Podcast des Management-Magazins „Harvard Business Review“ werden die führenden Denker aus den Bereichen Business und Management vorgestellt. Es gibt zwei verschiedene Reihen, die jeweils einmal die Woche erscheinen. In „Future of Business“ werden CEOs und Gründer wie Nikesh Arora, Chef des US-amerikanischen ITSicherheitsunternehmens Palo Alto Networks, Robin Li, Mitgründer und CEO des chinesischen Suchmaschinenriesen Baidu, oder Reid Hoffman, Mitgründer von Linkedin, interviewt. Auf eine kurze Einführung zur Person und in das Thema folgt ein durchgängiges Gespräch. Die zweite Reihe folgt demselben Prinzip. Im Gegensatz zu „Future of Business“ kommt sie ohne eigenen Namen aus. Hier steht ein Aspekt rund um das Thema Leadership im Vordergrund. •

Jeden Dienstag stellen sich die drei Journalisten Gregor Schmalzried, Marie Kilg und Fritz Espenlaub in wechselnder Zweierkonstellation Fragen zum Thema künstliche Intelligenz. Von praktischen Fragen à la „Wie mache ich meinen Job zukunftssicher?“ oder „Wie baue ich meinen eigenen KI-Chatbot?“ über gesellschaftspolitische Fragen wie „Was bedeutet die US-Wahl für die Zukunft der KI?“ bis hin zu ethischen Aspekten deckt der ARD-Podcast von BR24 und SWR eine große Bandbreite an Themen im Zusammenhang mit KI ab. Am Anfang von jeder der etwa 40-minütigen Folgen steht ein Intro, in dem die Hosts das Thema mit einem Aufhänger anteasern. Dazu werden Ö-Töne eingespielt und es wird erklärt, was die Hörer in der Folge erwartet. Am Ende jeder Folge beantworten die zwei Hosts die Frage, was sie mit KI in der Woche gemacht haben. Abrufbar ist der Podcast unter anderem in der ARD-Audiothek. •

Wirtschaftswoche Valley Talk

Die „Wirtschaftswoche“ startete im Juni dieses Jahres mit dem „Valley Talk“ einen neuen Podcast zu Trends und Entwicklungen aus dem Silicon Valley. Durch den Podcast führt ein Dreiergespann aus San Francisco: der US-Korrespondent der „Wirtschaftswoche“, Matthias Hohensee, Marcus Schuler, Korrespondent des Bayerischen Rundfunks, sowie der Wirtschaftsprofessor, Gründer und Unternehmensberater Olaf Groth. Marcus Schuler übernimmt die Rolle des Moderators und stellt die Fragen, die seine Mitstreiter beantworten. Im Fokus der Folgen: der US-amerikanische Blick auf Technologieentwicklungen. Der Podcast ist ein durchgängiges Gespräch. Es gibt weder Einspieler noch eine Einteilung in Kategorien. Die Folgen erscheinen etwa alle zwei Wochen. Sie sind nicht auf einen bestimmten Tag festgelegt. Auch die Dauer variiert, im Schnitt sind sie etwa 40 Minuten lang. •

ARD: Der KI-Podcast

Wie ausgewechselt

Ricarda Lang ist nicht mehr grüne Parteivorsitzende. Seit sie ihren Rückzug angekündigt hat, spricht sie sehr offen über Politik und die Zwänge, denen das Spitzenpersonal ausgesetzt ist. Auf X und in Interviews tritt Lang inzwischen sehr pointiert auf und erfährt dafür viel Zuspruch.

Frau Lang, Sie haben den diesjährigen Politikaward als „Aufsteigerin des Jahres“ bekommen – einen Tag nach der desaströsen Europawahl. Haben Sie sich auf die Veranstaltung überhaupt gefreut?

Lang: Das war ein komisches Gefühl. Ich habe kurz überlegt, ob ich absage. Aber Wolfgang (Schmidt, Kanzleramtsminister, d. Red.) hatte die Laudatio schon vorbereitet und die Veranstaltung stand. Es bringt ja in so einem Moment auch nichts, sich zu Hause zu verstecken und die Decke über den Kopf zu ziehen. Trotzdem fühlte es sich nicht so feierlich an, wie sich das unter besseren Umständen angefühlt hätte. Die Jury hat Sie für Ihre Führungsstärke ausgezeichnet. Konnte Sie das in dem Moment freuen oder hat die Niederlage alles überlagert?

Lang: Doch, das konnte ich annehmen. Auch jetzt, nach dem Rücktritt, sehe ich meine eigenen Fehler, aber ich blicke nicht mit Gram zurück. Ich habe in diesem Amt Stärke entwickelt und zusammen mit Omid Nouripour die Partei in schwierigstem Schiffwasser zusammengehalten – nichts, was selbstverständlich war. Solche Erfahrungen sollte man nie in eine Schwarz-Weiß-Schablone pressen. Aber natürlich fühlte ich mich an diesem Tag nicht sehr führungsstark, besonders mit dem Eindruck, die Partei nicht aus der Krise führen zu können.

Sie sind mit 27 Parteivorsitzende geworden. Wie haben Sie sich damals auf die Rolle vorbereitet?

Wen haben Sie um Rat gefragt?

Lang: Ich hatte ein Team, mit dem ich sehr ehrlich war und das vor allem sehr ehrlich mit mir war. Das ist entscheidend. Es gibt nichts Schlimmeres, als nur von Ja-Sagern umgeben zu sein. Die geben

dir zwar ein gutes Gefühl, aber keinen unverstellten Blick auf die Realität. Mein Team hat mir oft widersprochen, manchmal sogar gesagt: „Ricarda, was für ein Schwachsinn erzählst du da?“ Das hat mich geerdet. Zudem habe ich ein stabiles privates Umfeld, wo ich mir Rat holen konnte, auch mal fernab vom Politikbetrieb. Nach Interviews hieß es da manchmal: „Ricarda, du klingst gar nicht mehr wie du selbst.“

Wie klingt Ricarda Lang denn?

Lang: Wenn ich unverstellt bin: offen, ehrlich, humorvoll. Aber ich hatte auch Phasen als Parteivorsitzende, in denen ich wie ein Roboter klang. Das passiert, wenn man auf Fragen, auf die man keine Antwort hat, etwas sagt, woran man selbst nur halb glaubt. Aber Menschen spüren das sehr genau. Politik ist ein Handwerk, und Beratung ist wichtig – von Auftritt bis Styling. Doch zu viel Input von außen kann dich unkenntlich machen. Man versucht, es allen recht zu machen, und am Ende verliert man sich selbst.

Ricarda Lang,

geboren am 17. Januar 1994 in Filderstadt, ist eine der jüngsten Spitzenpolitikerinnen Deutschlands. Die bei ihrer alleinerziehenden Mutter aufgewachsene Politikerin studierte Rechtswissenschaften in Heidelberg und Berlin, brach das Studium jedoch 2019 ab. Nach ihrem Eintritt bei den Grünen mit 18 Jahren stieg sie rasch auf: von der Bundessprecherin der Grünen Jugend (2017–2019) zur stellvertretenden Parteivorsitzenden und schließlich 2022 zur jüngsten Bundesvorsitzenden in der Geschichte der Grünen. Seit 2021 sitzt Lang als Abgeordnete im Deutschen Bundestag. Im September 2024 kündigte sie nach einer Serie von Wahlniederlagen ihren Rücktritt als Parteivorsitzende an. Die mit dem Mathematiker Florian Wilsch verheiratete Politikerin lebt in Berlin.

Was raten Sie Nachwuchspolitikerinnen, wenn die Sie heute um Rat fragen?

Lang: Junge Frauen in der Politik können es meistens niemandem recht machen. Das hat Luisa Neubauer bei meiner Abschiedsrede auf dem Parteitag treffend gesagt. Ich hätte mir gewünscht, früher weniger Energie darauf zu verwenden, Vorurteile zu widerlegen, und stattdessen mehr zu zeigen, wer ich bin. Man spielt oft nach den Spielregeln der anderen, statt eigene zu definieren.

Angela Merkel sagte neulich in einem Interview, beim Koalitionsbruch der Ampel dachte sie sich nur: „Männer.“ Was haben Sie gedacht?

Lang: Ich dachte nur: Wow, was passiert hier gerade? Am Morgen hätte ich

Interview KONRAD GÖKE

CEO als Trumpf

Die öffentliche Wahrnehmung von Trumpf wird stark durch die Kommunikation von Vorstandschefin Nicola Leibinger-Kammüller geprägt. Das Technologie- und Maschinenbauunternehmen hat sich zum Sprachrohr für den Mittelstand und die deutsche Industrie entwickelt. Wie ist die Kommunikationsabteilung aufgestellt?

Mitte 2020 erschien in der „FAZ“ ein Interview mit Nicola Leibinger-Kammüller, der Vorstandsvorsitzenden von Trumpf, und dem China-Chef des Unternehmens, Stephan Mayer.

Die Redakteurin beginnt mit der Frage, ob Leibinger-Kammüller klar ist, dass sie nach diesem Interview vielleicht nicht mehr in China einreisen darf. Leibinger-Kammüller: „Das glaube ich nicht, nähme es aber in Kauf.“ Es schwinge

immer die Sorge mit, dass es Konsequenzen hat, wenn man über den Unternehmensalltag in China spricht, sagt die 64-Jährige. Es geht in dem Interview auch darum, dass Trumpf Taiwan aus der Länderauswahl auf seiner Website löschen sollte – auf politischen Druck. „China verhält sich nach westlichen Maßstäben unzulässig. Peking verfolgt das Ziel, den Westen schrittweise zu erobern, und geht dabei sehr systematisch vor“, erklärte Leibinger-Kammüller anschlie-

ßend noch auf eine Frage zum Vorgehen Chinas in Hongkong. Trotzdem bleibe Trumpf in China engagiert.

Bei keinem anderen Thema halten sich CEOs deutscher Unternehmen in ihren Äußerungen dermaßen zurück wie bei China. Das gilt insbesondere für börsennotierte Konzerne. Die Angst vor Konsequenzen ist zu groß. Kritische Äußerungen zum politischen System? Schwierig. Trumpf ist nicht an der Börse gelistet, was eine Erklärung für Leibinger-Kammüllers klare Worte sein dürfte. Die Firma aus dem baden-württembergischen Ditzingen ist ein Familienunternehmen, das im abgelaufenen Geschäftsjahr mit rund 19.000 Mitarbeitern etwa fünf Milliarden Euro Umsatz erwirtschaftete.

Das in den Bereichen Werkzeugmaschinen, Lasertechnik und Elektronik tätige Unternehmen hat sich zu einem Sprachrohr für den Mittelstand, für Familienbetriebe und die deutsche Industrie insgesamt entwickelt. In dieser Rolle sieht sich Trumpf auch selbst, wie Kommunikationschef Andreas Möller im Gespräch bestätigt. Diese Sonderstellung hat sich mit der Zeit herauskristallisiert. Ganz zufällig entstand sie allerdings nicht. Sie basiert auf der Interpretation der Firmenchefin von Unternehmertum.

„Frau Leibinger-Kammüller ist fest davon überzeugt, dass die Wirtschaft über das Geschäftliche hinaus relevant ist und wirtschaftliche Akteure gesell-

Rainer Berghausen ist Head of Group Communications bei Trumpf.

Andreas Möller wurde bei den PR Report Awards 2024 als Kommunikator des Jahres ausgezeichnet. Die Laudatio hielt Nicola Leibinger-Kammüller. Die Kommunikationsabteilung erhielt als Team des Jahres zuvor bereits den BdKom Award.

schaftliche Stimmen sein müssen“, sagt Möller. „Bei Themen, die die Wirtschaft betreffen, sieht sie es als ihre und unsere Verpflichtung als Unternehmen an, dass wir uns wohldosiert in öffentliche Debatten einbringen.“ Das betreffe vor allem die Bedingungen, zu denen die Wirtschaft in Deutschland arbeitet. Adressaten der Kommunikation sind die allgemeine Öffentlichkeit, politische Akteure, andere Unternehmen und Verbände.

Wortlautinterviews in Printmedien

Operativ setzt Trumpf vor allem auf Interviews von Leibinger-Kammüller in reichweitenstarken Print- und OnlineMedien. In denen äußert sie ihre Meinung zu politischen Themen, dem Stand-

ort Deutschland und zu aus ihrer Sicht notwendigen Veränderungen. In der „Neuen Zürcher Zeitung“ lautet die Headline eines Gesprächs: „In Deutschland sind wir ein bisschen satt geworden und rufen reflexartig nach dem Staat“. Beim „Spiegel“ in der Online-Version: „Olaf Scholz tut mir fast leid“ und beim „Cicero“: „Dieser Staat lähmt uns Unternehmer“. Andere Medien zitieren dann wiederum aus den Interviews, was zu einer hohen Verbreitung der Aussagen führt. Freiheit ist eines der Themen, das sich durch viele Gespräche mit der CDUAnhängerin zieht. Die Notwendigkeit, Bürokratie abzubauen, und die Überregulierung, über die viele Mittelständler klagen, kommen ebenfalls häufig vor.

Interviews werden aufgrund der Terminknappheit mit Medien teilweise zwi-

schen drei und sechs Monate im Voraus geplant, sagt Möller. Er schätzt, dass im Jahr drei längere Wortlautinterviews mit Leibinger-Kammüller erscheinen, was etwa einem Viertel der Anfragen entspricht. „Wir wollen einen möglichen ‚Die-schon-wieder-Effekt‘ vermeiden.“ Hinzu kommen schriftliche Statements, die Medien zu aktuellen politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen anfragen, und Fixpunkte wie die Bilanzpressekonferenz. Auch andere Vorstände äußern sich. Talkshow-Auftritte absolviert Leibinger-Kammüller nicht. In den Social Media hat sie keine eigenen Profile –unter anderem aufgrund von Zeitmangel. Möller: „Wenn wir mit unserer CEO eine glaubwürdige Social-Media-Kommunikation machen, müsste sie auch bidirektional sein. Dann kann es kein Statement

Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.