pressesprecher
Ausgabe 7/14 | Oktober 2014 | Helios Media Gmbh | ISSN 1612-7668 | www.pressesprecher.com
Magazin f端r Kommunikation
Wer bin ich? Kommunikationskontrolling, Evaluation und Eigen-PR
INHALT
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Abgezählt Warum die Furcht vor den Zahlen in der PR-Abteilung unbegründet ist.
06 Agenda 03 Editorial 06 Kommentar und Glosse 08 Neue Rubrik Der „Sprechende Schreibtisch“ 10 KK14 Impressionen vom Kommunikationskongress in Berlin 14 Titel: Kommunikations-Controlling, Evaluation und Eigen-PR 15 Auftakt Vertrauen ist gut... 18 Gastbeitrag In zwölf Schritten zum Reputationsertrag 24 Interview Kommunikations- Controlling und Evaluation – das Yin & Yang der PR? 30 Messenachbereitung Mit allen Sinnen 36 Eigen-PR Warum merkt niemand, wie gut ich bin? 40 Praxis 40 Best Case Media Relations beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt 44 App-Entwicklung Bibliotheken auf die Hand 48
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Recht Rechtliche Fallstricke bei Preisausschreiben und Gewinnspielen
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Abgehoben Wie man komplizierte Wissenschaft kommuniziert und einen Astronauten als Marke positioniert.
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UNS AUF: FOLGEN SIE ook.com/ www.faceb her pressesprec r.com/ www.twitte her pressesprec
Appgefahren
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Wie man Bibliotheken fürs Handy entwickelt und Frauenrechte in die Welt bringt
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Wissen Storys, die Studien s chreiben
52 Neu gedacht Im Krankenhaus: Chefsache Unternehmenskommunikation 54 Bücher Lesetipps 56
Karriere
56 Seiteneinsteiger Wie Umwege der Karriere dienen können 60 Laufbahn und Wechsel 64 Sprecherkarte 65 Daten Impressum, Abo, Credits 66 Verband 66 Inhalt und Thesenjournalismus 68 Gewinner Die„Pressestellen des Jahres“ 70 Gratulation Der Nachwuchsförderpreis 71 Hautnah Der BdP-Fragebogen
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Abgebogen
72 Herzlich willkommen Neue Mitglieder stellen sich vor 73 Was kommt Künftige BdP-Veranstaltungen 75 Was war Vergangene BdP-Veranstaltungen 78 Kein Kommentar
Quereinsteigen, ausbrechen, umplanen: Nur ein kleiner Teil der PR-Karrieren hat tatsächlich einen stringenten Lebenslauf. Drei Biografien
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AGENDA
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Der sprechende Schreibtisch In unserer neuen Rubrik präsentieren wir die Arbeitsplätze von Kommunikatoren und lassen sie erzählen, womit sie sich tagtäglich im Job umgeben. Den Auftakt macht der geheimste Schreibtisch Deutschlands: BND-Sprecher Martin Heinemann zeigt uns sein Berliner Büro und nimmt uns mit ins Lagezentrum. Da im ganzen Haus allerstrengste Sicherheitsvorschriften gelten, war allein der Weg der Bilddateien zu uns spannend wie ein Krimi … aber mehr dürfen wir nicht verraten.
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1 Gauck-Bild Das Porträt des Bundespräsidenten hängt deutschlandweit in v ielen öffentlichen Gebäuden – so auch im Lagezentrum des Bundesnachrichtendiensts. 2 Die Wanduhr zeigt die Zeitzonen von New York, London, Berlin, Moskau und Peking: Wichtig für das Timing internationaler Gespräche. 8
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3 Die Kameras überblicken den ganzen Raum. Bei der Besprechung der Nachrichtenlage sitzen hier zahlreiche Experten. Der BND unterscheidet zwischen Spitzen-, Regel-, Krisen- und Kooperationsberichterstattung und jener für die Bundeswehr sowie ausgewählte Ressorts. 4 Die große Leinwand wird auch bei regelmäßigen Videokonferenzen genutzt: Die BND-Zentrale sitzt in Pullach bei München, der Leitungsstab in Berlin. Hinzu kommen zahlreiche Standorte im In- und Ausland. Alle Gebäude und Leitungen sind besonders gesichert, auch gegen Lauschangriffe. Im gesamten Gebäude sind keine Handys erlaubt, nur wenige Mitarbeiter sind überhaupt von außen telefonisch erreichbar.
AGENDA
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1 Tüte „Streng geheim“ Der Renner bei Jobbörsen und Messen.
4 Kaffeekanne Die darf auf keinem Schreibtisch fehlen.
2 Fernseher Hier verfolgen wir aktuelle Nachrichten, Pressekonferenzen oder auch Bundestagsdebatten.
5 Mitgliederverzeichnis der Bundespressekonferenz … wird auch bei uns gebraucht.
3 A usstellungsplakat und Fotoband Der Bundesnachrichtendienst hat ein außergewöhnliches Fotoprojekt angestoßen, um seinen Standort in Pullach vor dem Umzug der Zentrale nach Berlin künstlerisch zu dokumentieren. Dafür konnten wir den renommierten Fotografen Martin Schlüter gewinnen. Schlüter durfte sich 14 Nächte lang – quasi unzensiert – auf dem BND-Gelände bewegen und hat dabei einzigartige Impressionen eingefangen. Erstmals in der Geschichte des Bundesnachrichtendiensts schieben wir das schwere Tor in Pullach auf und gewähren der Öffentlichkeit einen Einblick in unsere Arbeitswelt. Entstanden ist ein spannendes Buch – und eine Fotoausstellung, die auf Tournee geht.
6 Grundriss Besucherzentrum Bis zum Jahresende werden wir fast 5.000 interessierte Bürgerinnen und Bürger bei uns empfangen haben. Besuchergruppen kommen aus ganz Deutschland: aus Wahlkreisen von Bundestagsabgeordneten, von politischen Stiftungen, Schulen und Universitäten. In unserer neuen Zentrale in Berlin werden wir unsere Gäste sogar in einem für jedermann frei zugänglichen Besucherzentrum begrüßen können. Dort wird es auch eine Ausstellung geben. Wir werden über unseren Auftrag und unsere Arbeit informieren, über die parlamentarische Kontrolle, über den BND als modernen Arbeitgeber und vieles mehr.
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Haben Sie alle Zahlen im Blick? Reicht Ihr Budget? Geht es Ihnen gut? Kennen Sie Ihre Onliner und haben alles mobile-optimiert? Dass es bei Evaluation und KommunikationsControlling nicht nur um Zahlen geht, werden Sie in unserer Titelstrecke erleben.
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Infografik ANTJE v. DANIELS
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Warum die Furcht vor den Zahlen in der PR-Abteilung unbegründet ist und Kommunikations-Controlling als Chance genutzt werden sollte.
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Vertrauen ist gut…
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Text ANNE HÜNNINGHAUS
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ontrolliert zu werden, ist Als würde ich mit einem Thermeistens wenig spaßig. mometer die Temperatur des Sei es der strenge Blick Badewassers messen. Das Condes Fahrkartenkontrolleurs in trolling beinhaltet aber die Zielder S-Bahn, die hochgezogene setzung: Ich möchte eine angeAugenbraue des Zahnarzts bei nehme Wassertemperatur haben der Routineuntersuchung oder und steuere aktiv darauf hin, indas Gefühl diffusen Unbehadem ich an den Reglern drehe.“ gens, wenn die Polizei nach Genau abbilden zu können, welFührerschein und Fahrzeugchen Beitrag die Kommunikapapieren verlangt. Wir mögen tion zum Unternehmenserfolg leistet, diene auch zur Verstänes nicht, von anderen überdigung mit den anderen Abteiwacht und auf die Probe gelungen. stellt zu werden. Der Wortursprung liegt im Dass nur große Konzerne eine solche Steuerung benötiFranzösischen: „Contre rôle“ gen, hält Nies dabei für einen bedeutet wörtlich übersetzt Irrtum: „Ob sich jemand als einfach „Gegenregister“. Wir haben also ein Originalregi‚Medienotto‘ oder KommunikaKein Schreckgespenst: Nicht jedem macht es so viel Freude wie der tionsmanager begreift, ist völlig ster, dessen Inhalte wir mitSesamstraßenfigur Graf Zahl. Dennoch kann es sich durchaus auch in der unabhängig von der Unternehhilfe eines zweiten auf ihre Kommunikation auszahlen, auszuzählen. Richtigkeit hin prüfen. Auch mensgröße, sondern eine Frage der Herangehensweise. Stelle ich das klingt nicht sonderlich glamir die Frage, wie genau ich etmourös. Aber immerhin wewas zum Unternehmenserfolg niger nach Machtausübung, Herrschaft und Schikane und mehr nach der PR-Abteilung herrscht dann die Angst vor, beitragen kann oder sage ich: ‚Ich mache auf der Messe xy einen Stand, weil Budget da ist schlichtem Pragmatismus. Schlägt man das dass jemand kommt und fragt: ‚Wie viel Kilo und wir das schon immer gemacht haben‘?“ Wort „to control“ im Dictionary nach, findet Pigment haben wir mehr verkauft, weil ihr dieGerade die Vielzahl der neuen Kommuniman die Verben steuern, regeln, beherrschen se Veranstaltung organisiert habt?‘“ Eine unanübrigens weit vor dem deutschen kontrolliegenehme Vorstellung. kationskanäle und der immer größere Wettbewerb um Aufmerksamkeit machen eine ren. Controlling ist also beileibe nicht mit Kontrolle gleichzusetzen. Doch auch wenn es um Weicher Faktor, harte Zahlen? gezielte Steuerung und Feinjustierung unverSteuerungsprozesse im Unternehmen geht, Es wäre viel gewonnen, glaubt Nies, wenn sich zichtbar. Hinzu kommt der finanzielle Aspekt. herrscht im ersten Moment häufig Skepsis vor. das Verständnis von Kommunikations-ConDieser Ansicht ist auch Alexander Zell, Leitrolling als Management oder Steuerung durchter Konzernkommunikation beim Frankfurter Ein Missverständnis, glaubt Ulrich Nies, setzen würde. Doch gerade in kleinen UnterEnergieversorger Mainova. „In Zeiten, in deder seit 2010 die Kommunikation für die Renehmen sind die Definitionen oft schwammig, nen es allen gut geht, kann man vielleicht auch gionen Europa, den Nahen Osten und Afrika beim Spezialchemiekonzern Clariant verantgerade was die Abgrenzung von Controlling ohne Zahlen auf die Kommunikation vertrauwortet. „In den Unternehmen wird Controlund Evaluation anbelangt. Nies fällt diese en. Aber in Zeiten sinkender Budgets - wenn ling häufig mit dem Messen gleichgesetzt. In leicht: „Evaluation ist lediglich das Messgerät. die Unternehmensleitung entscheiden muss, 15
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500 welchen Euro sie in welches Projekt steckt, müssen auch wir unsere Wirkung empirisch nachweisen können.“
im Unternehmen gibt es niemanden mehr, der glaubt, dass wir überflüssig sind.“
Die Sehnsucht nach dem Meer
„Kennzahlen sind nicht dazu da, um einzelne Personen anzuprangern, sondern um sich von Bauchbeurteilungen zu befreien“, sagt Jan Erik Sass, Leiter des DPRG-Arbeitskreises Kommunikationssteuerung und Wertschöpfung. Das Controlling schaffe viele Vorteile und sei zudem alternativlos: „Bewertet wird man sowieso, und dann ist es besser, wenn die Kriterien dieser Beurteilung rational sind und selbst gesetzt werden.“ Die Intention ist Sass zufolge, Klarheit über Ziele zu gewinnen, Transparenz zum Kommunikationsstatus zu schaffen und dann aus den Ergebnissen weiterführende Fragen und Handlungsempfehlungen zu entwickeln – nicht das Bemessen der Leistung an nackten Zahlen. Dadurch entstehen bei allen Beteilig ten eine größere Sicherheit und neue Verhaltensoptionen. Zudem wirkt ein klares Zielbild motivierend auf die Mitarbeiter. Erst indem sie zum Business Partner des Managements wird, könne Unternehmenskommunikation eine strategische Bedeutung beanspruchen, sagt Sass. Grundsätzlich gelte: „Je mehr ich als Kommunikationsverantwortlicher weiß und je früher ich die Planungen des Managements kenne, desto besser kann ich die Kommunikation auch steuern und riskante Entwicklungen mit meiner internen Beratung auffangen.“ Andererseits gehöre es ebenfalls zur Rolle eines Kommunikationsverantwortlichen, die Erwartungen und Themen der Stakeholder gegenüber dem Management frühzeitig zu vertreten. Offene Türen und ein kontinuierlicher Dialog sind für die Kommunikationssteuerung also essenziell. Es ist ein Trugschluss anzunehmen, dass die Unternehmenskommunikation eine Monopolstellung einnimmt, was die Gestaltung
Zell wurde 2009 bei Mainova eingestellt – mit dem klaren Auftrag, dort Prozesse der Kommunikationssteuerung zu implementieren. In seinem neuen Kollegium begegnete auch ihm die Furcht vor den Zahlen. „Ich musste anfangs schon Überzeugungsarbeit leisten“, erinnert er sich. Das häufigste Argument gegen das Kommunikations-Controlling war, dass es doch überhaupt nicht möglich sei, einen so weichen Faktor wie Kommunikation zu bemessen. „Aber wir müssen doch wissen, ob und wenn ja, welche Wirkung wir mit unserer Arbeit erzielen!“, insistierte Zell. Er versuchte, allen klar zu machen, welche Chancen darin liegen, nachweisen zu können, dass die Konzernkommunikation einen aktiven Part für die Wertschöpfung der Mainova beisteuert. Anstatt, bildlich gesprochen, zu erklären, wie man ein Boot baut, habe er seine Abteilung ganz im Sinne des Schriftstellers Antoine de Saint-Exupéry die Sehnsucht nach dem Meer gelehrt. Nach einem halben Jahr hatten sich alle Mitarbeiter mit der neuen Art der Steuerung angefreundet. „Auch für unsere Reputation innerhalb des Unternehmens war die Einführung des Controllings extrem hilfreich“, ist sich der Kommunikationschef sicher. Während es woanders oft über PRler heiße, „die machen doch immer nur ihre tollen Pressebildchen und feiern sich selbst“, gebe es eine solche Abschätzung bei Mainova nicht mehr. Über das Stadium, sich als Abteilung durch das Kommunikations-Controlling legitimieren zu müssen, sei man inzwischen aber weit hinaus, sagt Zell. „Natürlich muss ich mich rechtfertigen für das, was ich tue, beispielsweise wenn ich Geld für Sponsoring ausgebe. Aber 16
Aus dem Kopf statt aus dem Bauch
von Marke und Reputation betrifft. Sass betont, man müsse sich klar machen, dass diese maßgeblicher von anderen Organisationsfunktionen im Unternehmen bestimmt werden. „Wenn man plausibel machen möchte, dass die Unternehmenskommunikation diese immateriellen Werte unterstützt, geht es darum, in Zwischenschritten zu zeigen, wie sie beeinflusst wurden.“ Mit einer Medienresonanzanalyse allein sei das nicht getan. Wichtig ist, dass auch Kommunikationskennzahlen nicht isoliert zu betrachten, sondern stets erklärungs- und interpretationsbedürftig sind und immer im Kontext zu spezifischen Ereignissen, wie beispielsweise Ressourcenbeschränkungen oder Branchenentwicklungen, gesehen werden müssen. Das betrifft laut Sass sowohl Kennzahlen der Medienresonanzanalyse als auch andere Bereiche.
Und wie funktioniert das jetzt in der Praxis? Mit den klassischen KPI des Controllings ist das Instrument der Kommunikation nicht messbar. Es gilt, nicht nur die Quantität, sondern auch die Qualität zu berücksichtigen. Die Wahl einer geeigneten Methode fällt daher in vielen Unternehmen schwer. Bei Mainova hat man sich dafür entschieden, gemeinsam mit Professor Lothar Rolke von der Hochschule Mainz ein eigenes Konzept zu erarbeiten. „Ich habe ein am Ergebnis orientiertes Verständnis von Kommunikation. Daran muss sich unsere Arbeit messen lassen. Eine reine Medienreso-
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nanzanalyse reicht uns deshalb nicht. Wir messen die Qualität der Kommunikation nicht in der Anzahl der veröffentlichten Meldungen, sondern schauen, wie sich durch die Kommunikationsarbeit über die verschiedenen Kanäle das Verhalten der Zielgruppen verändert. Anhand von zuvor festgelegten Zielvorgaben können wir dann Maßnahmen ergreifen und die Kommunikationsaktivitäten steuern“, erklärt Alexander Zell. Dazu wurden zunächst die Kommunika tionsthemen des Energieversorgers in verschiedene Bereiche wie beispielsweise „Gesellschaftliches Engagement“ oder „Wirtschaftsfaktor“ eingeteilt. Diese Felder werden kommunikativ bearbeitet und daraufhin die Medienresonanz in Augenschein genommen. „Wir haben darauf geachtet, alle relevanten Medien zu erfassen, also auch kleine, lokale Anbieter miteinzubeziehen. Außerdem analysieren wir auch die Tonalität der Veröffentlichungen.“ Diese Medienresonanznanalyse wird anschließend eng mit einer quartalsweisen Telefonumfrage verknüpft. Zell kann seither belegen: „Je mehr Themen von uns in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden, desto positiver bewerten die Befragten das Image der Mainova. Und das Image ist – neben dem Preis – einer der entscheidenden Faktoren für den Vertragsabschluss. Damit haben wir also nachweisbar einen starken Einfluss auf den unternehmerischen Erfolg.“ Aus den Ergebnissen des PR-Controllings lassen sich klare Konsequenzen für die strategische Themenplanung ableiten. So sei der Einfluss von CSR-Themen inzwischen überproportional stark positiv. Ein solches Wissen ist viel wert. Der Kommunikationschef erklärt: „Wir wissen, dass Preiserhöhungen natürlich immer eine negative Wirkung auf das Image haben. Die Tonalität können wir entschärfen, indem wir zum einen die Gründe dafür kommunizieren und zum anderen zur selben Zeit
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eine positive Begleitmeldung aus dem CSR-Bereich ergänzen.“ Diese Rechnung klingt fast zu einfach, um wahr zu sein.
Gemeinsames Ziel: Wertschöpfung Doch damit nicht genug. Aktuell plant die Mainova noch einen weiteren Schritt, um das Controlling voranzutreiben: „Wir arbeiten gerade an einer Verzahnung mit den anderen Kommunikationskanälen des Unternehmens wie dem Marketing, um künftig ein integriertes Monitoring zu betreiben.“ Man wolle ganz genau wissen, welches Thema über welchen Kanal bei welcher Zielgruppe wie wirkt. Dazu müssen sich die üblichen Zerstreuungen der verschiedenen Abteilungen konzentrieren. Für Zell ist das der nächste logische Schritt: „Die Frage ist doch: Wie erreiche ich die Zielgruppe am besten? Sollte das über ein Plakat gehen, ist das zwar Sache des Marketings – aber dennoch Teil unserer ressortübergreifenden Zielvereinbarung.“ Auch bei Clariant soll das gemeinsame Ziel nicht aus den Augen verloren werden. Die Kommunikationsstrategie leitet sich direkt aus der Wachstumsstrategie des Unternehmens ab: Was ist die Vision des Konzerns? Wofür steht die Marke? Aus diesen Fragen wurden auch hier Metathemen, wie zum Beispiel „Innovation“ oder „Nachhaltigkeit“ generiert und Zielgruppen bestimmt. „Eine Einheit kümmert sich darum, Inhaltspakete für die verschiedenen Stakeholdergruppen zu schnüren“, erklärt Ulrich Nies. „So stellen wir sicher, dass wir mit einer Stimme sprechen.“ Die entsprechenden Inhalte konzertiert ein Editorial Office, einmal im Monat werden neue Themen besprochen. Clariant analysiert Medieninhalte und beobachtet die Reaktionen in den sozialen Medien in Zusammenarbeit mit einem externen Partner für globales Monitoring. „Wichtig war uns, dass dieser uns nicht einfach Big Data vor die Tür kippt, sondern
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auch Hilfe bei der Interpretation der Daten bietet.“ Schließlich gehe es darum, Schlüsse zu ziehen, sich nicht nur über eine positive Medienresonanz zu freuen, sondern auch herauszufinden, wie man diese noch verstärken kann.
Der Blick in den Spiegel Doch bei aller Liebe zu Zahlen und harten Fakten, sollte man es nicht übertreiben. „Wenn jemand mir einen Reputationswert in Euro umrechnen will, steige ich aus. Das empfinde ich als ein Anbiedern an andere Messsysteme“, sagt Nies. Schließlich habe man diesen Betrag auf keinem Konto. Befragt er aber Journalisten nach der Qualität der Meldungen, erfährt er genau, wo er tätig werden muss, um sich den Zielen anzunähern. Generell gilt jedoch für den Kommunikator: „Fast entscheidender als in jedem Einzelfall das Ziel zu erreichen, ist, zu wissen, welche Maßnahmen funktionieren und welche nicht.“ Eine simple Formel, die in jedem Unternehmen die Qualität und Effektivität der Kommunikation bestimmt, wird es also wohl auch in Zukunft nicht geben. Dennoch erleichtert eine gute Steuerung – inklusive Evaluation – letztlich die Arbeit und verschafft die beruhigende Sicherheit, trotz „weicher“ Faktoren einen konkreten Beitrag zum Unternehmen zu leisten. Und wenn das der Fall ist, macht ein Blick auf das Cover dieses Magazins doch gleich viel mehr Spaß, oder?
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„Was war das denn?“ Ein Gespräch mit Andreas Schütz, Head of Media Relations beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), über die Positionierung des Astronauten Alexander Gerst, den Sänger der Band Van Halen und die Vorteile eines Hacker-Angriffs. Text JUDITH SCHULDREICH & FLORIAN TILL PATZER
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err Schütz, 167.000 Twitter-Follower, 30.000 Aufrufe für ein Video und zum „Arbeitsbeginn“ ein Public Viewing in Köln, Frankfurt und Künzelsau. Man könnte meinen, wir sprechen nicht über den deutschen Astronauten Alexander Gerst und das DLR, sondern über einen Popstar. Andreas Schütz: Alex ist tatsächlich genau der richtige Mann zur richtigen Zeit. Und das nicht nur als Wissenschaftler, sondern auch als Botschafter für unsere Arbeit und die Faszination Wissenschaft, insbesondere für die bemannte Raumfahrt.
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Dabei ist Alexander Gerst nicht der erste Deutsche im Weltall. Warum funktioniert die Pressearbeit dieses Mal besonders gut? Es stimmt, mit Thomas Reiter und Hans Schlegel hatten wir 2006 und 2008 die beiden vorherigen deutschen Astronauten am Start, aber die „blue dot“-Mission von Alex haben wir wirklich gründlich seit drei Jahren kommunikativ vorbereitet, hochgefahren und das Thema besetzt. Dass wir kurz vor Alexanders Start ins All dann noch unverhofft mit einem anderen Thema in das Blickfeld der Medien gerieten, war sozusagen ein Glücksfall.
Wem und was hatten Sie denn diesen „Glücksfall“ zu verdanken? Den Kollegen vom „Spiegel“ oder eher – ganz, ganz vorsichtig ausgedrückt – vermutlich ausländischen Profi-Hackern. Diese hatten das DLR bereits im November vergangenen Jahres angegriffen. Der „Spiegel“ war auf einmal drei Wochen vor dem Start der „blue dot“-Mission darüber informiert und brachte einen Artikel. Andere Kommunikatoren würden so etwas allerdings eher als Krise denn als Glücksfall bezeichnen.
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Viele Kollegen der Presse sahen das zunächst auch so. Sie konnten mich am Tag der Veröffentlichung nicht erreichen, da ich im Flieger nach Japan saß. Allerdings haben wir die Aufmerksamkeit durch den Artikel genutzt und sie mit unserer traditionellen Pressekonferenz auf der Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung (ILA) für die zwei Wochen bis zum Start hochgehalten. 4.600 Presseclippings in den Tagen nach Missionsstart waren für uns das zweitbeste Ergebnis nach der Aschewolke des Eyjafjallajökull. Normal sind für uns rund 1.500 Beiträge über alle Forschungsbereiche im Vierteljahr. 2012 sorgte der Strato-Sprung des Österreichers Felix Baumgartner für Aufsehen. Konnten Sie aus dessen Vermarktung etwas für die Kommunikation des DLR lernen? Mit einem Budget von 50 Millionen Euro lässt sich natürlich viel machen. Leider steht einem selten so viel Geld zur Verfügung. Was ich allerdings für mich mitgenommen habe, ist die Einstellung von Red Bull. Ich war kurz vor dem Sprung in Salzburg und die Kollegen dort ha-
ben offen gesagt: Wenn wir etwas machen, dann machen wir es richtig und feuern aus allen Rohren – kommunikativ gesprochen. Das haben wir jetzt auch gemacht. Wir haben zudem einen Spannungsbogen aufgebaut. Angefangen mit Pressemitteilungen über Footage-Material für Funk und Fernsehen, Pressereisen, Webund Podcasts, das komplette Social-Media-Programm sowie interne und externe Veranstaltungen.
DLR-Pressesprecher Andreas Schütz erklärt die Kampagne zur Mission „Blue Dot“. Mit dieser ist das DLR für den Internationalen Deutschen PR-Preis in der Kategorie „Integrierte Strategische Kommunikation“ nominiert.
Und dennoch konkurriert das DLR kommunikativ mit seinen ISS-Kooperationspartnern, in Europa vor allem mit der europäischen Raumfahrtagentur ESA. Wie behauptet man in dieser Stimmenvielfalt seine Position? Von Konkurrenz möchte ich nicht sprechen. Wir haben uns mit der ESA abgesprochen, eine Linie entwickelt. Die ESA hat sich in der Kommunikation auf die Person Alexander Gerst konzentriert und wir stärker die Arbeit und Forschung auf der ISS in den Mittelpunkt gestellt. Das DLR ist schließlich auch mehr als Raumfahrt. Unsere anderen Forschungs-
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„Heute nicht. Ich hab Migräne.“ Die richtige Geschichte. Zur richtigen Zeit.
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schwerpunkte Luftfahrt, Verkehr, Energie und Sicherheit werden in Anbetracht einer solchen Mission seltener wahrgenommen, obwohl sich das mittlerweile auch verändert hat. Noch vor einigen Jahren hat das Allensbacher Institut für uns eine Studie zu der Frage „Was ist das DLR?“ gemacht und hanebüchene Antworten bekommen. Die meisten Antworten waren Deutsche Lebens- oder Luftrettung, selbst der US-Sänger David Lee Roth, der sich DLR nannte und seit 2007 Sänger der Band Van Halen ist, wurde genannt. Mittlerweile sind wir in der breiten Wahrnehmung zumindest die mit der Luftund Raumfahrt. Alexander Gerst hat bereits vor seiner Zeit als Astronaut über seine Forschungen als Geophysiker gebloggt. Welche Erfahrungen haben Sie mit Wissenschaftlern und deren Einstellung zur Presse- und Öffentlichkeitsarbeit gemacht? Der Wissenschaftler ist das Entscheidende. In der Wissenschaftskommunikation übersetzen wir ja eigentlich nur seine Arbeit. Für die Forscher selbst sind die hoch wissenschaftlichen Veröffentlichungen in „Nature“ oder „Science“ das Non-Plus-Ultra. Wir haben lange gebraucht, um unsere Kollegen davon zu überzeugen, dass der Weg über die Pressearbeit und die Übersetzung ins „Populärwissenschaftliche“ auch ein Weg ist, den man gehen muss. Aber nach wie vor gibt es bei uns weiterhin zwei Gruppen. Einerseits diejenigen, die unsere – in die Alltagssprache übersetzten – Texte nur sehr zögerlich freigeben, weil sie ihnen zu unwissenschaftlich sind und andere, die die von uns produzierten Videos sogar für ihre Vorträge einsetzen. In einem Artikel der „Wirtschaftswoche“ hieß es im Mai: „Vom Astronauten zum Werbeträger“. Mal ehrlich, welchen Einfluss hatte die „Medientauglichkeit“ bei der Auswahl der Wissenschaftler für die Raumfahrt-Mission?
„The most amazing thing“ schreibt die ESA zum Bild von Alexander Gerst bei seinem Weltraumspaziergang. 42
Alexander Gerst testet auf der Internationalen Raumstation ISS seinen Anzug vor dem Weltraumspaziergang.
Das spielt keine Rolle. Sie sollten sich einmal die erste Pressekonferenz der damals neuen ESA-Astronauten im Jahr 2009 anschauen. Das ist kein Vergleich zum heutigen Alexander Gerst. Er hat sich überhaupt nicht wohlgefühlt, saß damals vor der Presse fast wie ein „verschrecktes Reh“. Auf dem Rückweg zum Flughafen fragte er mich nur: „Was war das denn?“ Er hat sich erst mit den Jahren an die Aufmerksamkeit und den Umgang mit den Medien gewöhnt. Und füllt auch diese Rolle mit Bravour aus. Die Astronauten bekommen also kein Medientraining? Nein, Sie haben es selbst angesprochen, dass Alex schon vor der Vorbereitung auf die ISS-Mission über seine Forschung gebloggt hat. Es ist eine neue Generation. Andere Astronauten lassen sich nicht darauf ein, nebenbei auch noch Social-Media-Kanäle zu bespielen oder diese Vielzahl an Interviews zu geben. Das ist wohlgemerkt auch nicht Alexanders Hauptaufgabe. Am 10. November kehrt Alexander Gerst zur Erde zurück. Für Sie bedeutet das sicherlich noch einmal richtig viel Arbeit, bevor ein langes Projekt zu Ende geht. Was war für Sie rückblickend ein ganz besonderes Highlight? Da fallen mir zwei Dinge ein: Einerseits eine 20-minütige Live-Schalte zur ISS aus Künzelsau, dem Heimatort von Alexander Gerst. Was sich da abgespielt hat, hätte ich in
meinen kühnsten Träumen nicht erwartet. 5.000 Menschen haben getobt wie bei einem Pop-Konzert, als das Bild von einem grinsenden Alex auf der Leinwand erschien. Andererseits ein Zufallsprodukt, das für unsere Kommunikation wahres Gold war: Anfang dieses Jahres haben wir in Houston TV-Material produziert und ein Kameramann hat ungefragt ein Pausengespräch vom Chef der Produktionsfirma mit dem ehemaligen Astronauten Hans Schlegel mitgeschnitten. Die beiden haben sich fast eine Stunde unterhalten und wir haben im Anschluss einen halbstündigen Film daraus gemacht. Der lief wie geschnitten Brot. Beides sind für mich Momente, die zeigen, dass man seine Strategie flexibel halten muss und dass wir in der Vermittlung von Wissenschaft die Begeisterung der Menschen wecken können. Zum Abschluss noch eine persönliche Frage, Herr Schütz: Muss man als DLR-Pressesprecher nicht auch ein bisschen Trekkie sein? Nein, das muss man nicht (lacht). Ich bin von Hause aus Luft- und Raumfahrtingenieur. Unsere Kommunikationschefin ist studierte Geographin und wir haben noch viele andere beruflichen Hintergründe im Team. Was uns eint, ist die Begeisterung für die Sache. Aber wenn Sie beruflich an den Polarkreis fliegen dürfen, um in einer Inuit-Zeremonie eine Antennenanlage in Betrieb zu nehmen, oder beim Start eines Satelliten auf russischem Militärsperrgebiet live mit dabei sind, ist das schon großartig. Andreas Schütz ist seit 2008 Head of Media Relations und Pressesprecher des Deutschen Zentrums für Luftund Raumfahrt (DLR). Zuvor war der studierte Luft- und Raumfahrtingenieur dort Fachredakteur.
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Quereinsteigen, ausbrechen, umplanen: Nur ein kleiner Teil der PR-Karrieren hat tatsächlich einen stringenten Verlauf. Doch die Erfahrungen, die auf beruflichen Umwegen gemacht wurden, können in der Kommunikation durchaus nützlich sein. Drei Biografien.
Der bunte Faden Text ANNE HÜNNINGHAUS
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örg Moberg war bereits seit 15 Jahren in der Finanzkommunikation tätig, als er 2005 zusammen mit seiner Frau und den drei Kindern die Koffer packte. Sein Arbeitgeber, der Vermögensverwalter Fidelity, hatte ihm nach langer Zeit in Frankfurt und kürzerer in London angeboten, in das Stockholmer Büro zu wechseln und von dort aus die Kommunikation für Zentral- und Nordeuropa zu leiten. Moberg sagte sofort zu. Doch der Umzug in die schwedische Hauptstadt sollte nicht der einzige Umbruch bleiben. Mit der Zeit entstand der Plan, dort eine eigene Bäckerei zu gründen. „Ich war nicht wirklich amtsmüde, aber meine Frau und ich wollten gerne mal zusammen arbeiten und dadurch mehr Zeit miteinander verbringen“, erklärt der 52-Jährige den Entschluss. Gemeinsam analysierten sie vor Ort den Markt für Sauerteigbrot und bereits 2007 konnte das Brothaus Moberg eröffnet werden. Die Kollegen bei Fidelity nahmen den Jobwechsel gelassen: „Eventuell hat der eine oder andere die Stirn gerunzelt, als er von unseren Plänen erfahren hat, aber die meis ten haben uns dazu beglückwünscht“, so Moberg. Das Büro des ehemaligen Arbeitgebers vor Ort bestellte sogar regelmäßig Brot aus seiner Backstube. Dem PR-Geschick des Gründers verdankte der Laden große mediale Aufmerksamkeit. Es gab viel zu tun, dennoch war das Tempo des neuen Arbeitsalltags ein grundlegend anderes. Moberg resümiert: „Trotz des großen Arbeitspensums in der Bäckerei war das für mich eine komplette mentale Entschleunigung.“ Manchmal muss man von einem eingeschlagenen Weg abweichen, sich beruflich auf neue Pfade begeben. Das heißt allerdings nicht, dass der ursprüngliche Plan ein falscher war, oder dass man sich verirrt hat. „Umbrüche gehören zum Leben dazu. Meiner Erfahrung nach ist ein Böhm rroter Faden in jeder le ol K t Birgi lang war sich füllte sie hs Jahre Vita vorhanden, er ec n S : an ir D A On häftigt. funk besc wenn auch nicht gehen. zu beim Hör R P e di
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immer auf den ersten Blick“, sagt Monika Schammas, Gründungs-Gesellschafterin der Kommunikations- und Personalberatung Comtract. In ihrer Funktion als Karriereberaterin hat Schammas eine Art „Röntgenblick“ auf Lebensläufe entwickelt. Auch vermeintlich krumme Berufswege erweisen sich ihr zufolge meist als schlüssig, wenn man ein wenig tiefer gräbt. Eine Vita ganz ohne Brüche gibt es selten, schlussendlich machen gerade diese die Persönlichkeit aus, bilden das Profil eines Menschen, der mehr als ein Interessengebiet hat. Und auch zum Job gehört natürlich nicht nur Kommunikations-Know-how sondern auch der persönliche Erfahrungsschatz.
Zwischen Rezeption und Radio Auch Birgit Koller-Böhm hat die Erfahrung gemacht, dass eine Karriere nicht immer planbar ist. Seit Anfang des Jahres ist sie PR-Managerin der Hotelgruppe Arcotel. Dabei sahen ihre Berufsvorstellungen ursprünglich anders aus. Nach dem Abitur absolvierte die Österreicherin eine Ausbildung am Tourismuskolleg, arbeitete unter anderem an der Rezeption und im Service. Danach schloss sie ein Studium der Publizistik und Kommunikationswissenschaft an, mit dem Ziel, sich stärker in Richtung Werbung und Eventmanagement zu orientieren. Doch es kam anders: Nach einem Praktikum bei einem Wiener Radiosender wurde Koller-Böhm dort ein Job angeboten. Sechs Jahre lang war sie von da an in verschiedenen Stationen beim Hörfunk tätig, zu Beginn in der Redaktion, später als Nachrichtenmoderatorin. „Das hat sich einfach so ergeben, es war nie mein Plan, beim Radio zu arbeiten“, sagt Koller-Böhm heute. „Ich glaube, das ist oft so – man muss erst in der Szene drin sein, um sich einen Beruf wirklich vorstellen zu können.“ Irgendwann hatte sie Lust auf eine neue Herausforderung und stieß auf die Stellenanzeige der Hotelgruppe. „PR hat mich immer interessiert, ebenso wie der Tourismusbereich. Die Stelle passte perfekt.“ Die PR-Managerin, die zusammen mit einer Kollegin auch für die interne Kommunikation der zehn Arcotel-Hotels zuständig ist, profitiert nun von ihrem Blick über den Tellerrand. „Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie es ist, zu kellnern oder an der Rezeption zu stehen, mit welchen Fragen und Problemen die Menschen dort auf einen zukommen. Dieses Verständnis hilft mir in der PR-Arbeit.“ Auch ihre Stationen beim Radio möchte Koller-Böhm nicht missen. „Hier habe ich gelernt, zu recherchieren, Themen nach ihrer Wichtigkeit zu ordnen und auf den Punkt zu bringen. Beim Radio ist man sofort on Air, wenn etwas passiert. Schnelligkeit und die Fähigkeit zur Improvi-
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sation sind essentiell.“ Ihre beruflichen Abstecher sieht die Kommunikatorin daher positiv: „Aus jeder Tätigkeit kann man etwas für die weitere Laufbahn mitnehmen.“
Persönlichkeiten gesucht Manchmal scheint das eigene Profil wie ein fehlendes Puzzleteil zu einem Gesuch zu passen. „Wer sich auf ein Fachgebiet spezialisiert hat, hat meist weniger Optionen, sollte diese dann aber umso zielgerichteter verfolgen“, beschreibt Personalberaterin Schammas die Herausforderung für Experten. „Mir begegnet es immer wieder, dass Arbeitgeber betonen, dass sie Persönlichkeiten suchen. Gerade Menschen, die ihre eigenen beruflichen Umwege gegangen sind, bringen diese oft mit.“ Wie viel Geradlinigkeit gefragt ist, hänge aber immer stark vom Unternehmen ab. In einem kleinen Familienunternehmen, das nicht permanent im Licht der Öffentlichkeit steht, wird ein Quereinsteiger, der sich PR-Professionalität erst noch aneignen muss, willkommener sein, als in einem Dax-Konzern. Kommt man an den Punkt, sich neu zu bewerben, hilft es, die Vorzüge seines abwechslungs- und erfahrungsreichen Lebenslaufs zu betonen, statt vermeintliche Unterbrechungen oder Sackgassen zu verstecken. „Es ist enorm wichtig, authentisch zu sein und zu seiner Vita zu stehen“, betont Schammas. Gerade von einem Kommunikator müsse man erwarten können, dass er auch Kritisches argumentieren kann. Vielen seien die verschlungenen Wege in der Vita jedoch zunächst unangenehm. Wenn Schammas danach fragt, was die Leute aus ihren einzelnen Stationen gelernt haben, erhellen sich die Mienen meist: „Da fällt ihnen immer etwas ein.“
Von der Küche in die PR-Abteilung Martin Jeutner, heute Pressesprecher der karitativen Stephanus-Stiftung, war nicht immer klar, wohin ihn seine berufliche Reise führen würde. Zu Beginn der 1980er Jahre machte er in der DDR eine Ausbildung zum Koch. Eine pragmatische Entscheidung statt lang gehegter Wunschvorstellung. Nachdem der Pfarrerssohn einige Jahre lang in verschiedenen Küchen – von der Autobahnraststätte bis zum diakonischen Unternehmen Oberlinhaus – gearbeitet hatte, wusste er, dass er diesen Beruf nicht bis zur Rente ausüben wollte.
Martin Jeutner 1988 in der Küche des St. Elisabeth-Stifts in Berlin. Inzwischen gehört die Einrichtung zum Konzern Stephanus-Stiftung, wo Jeutner heute Pressesprecher ist.
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„Der Impuls in die Kommunikation einzusteigen, kam 1987, als ich im St. Elisabeth-Stift in Ostberlin angefangen habe“, sagt Jeutner. Die Leitung des Altenpflegeheims bekam eines Tages einen Kopierer aus dem Westen geschenkt, woraufhin eine Hauszeitung eingeführt wurde. Für diese sollte Jeutner Rezepttipps verfassen. Das Schreiben ging ihm locker von der Hand, schließlich wurde er fester Teil der Redaktion. Zwei Jahre nach seiner Ausreise nach Westberlin bewarb sich Jeutner an der Berliner Hotelfachschule, und drückte mit dem Schwerpunkt Marketing und Kommunikation erneut zwei Jahre lang die Schulbank. „Ich hatte keinen Plan, wo genau das hinführen sollte. Hauptsache war, nicht mehr kochen zu müssen.“ Als es nach dem erfolgreichen Abschluss der Ausbildung ans Bewerben ging, fiel ihm auf, dass er über keine Arbeitszeugnisse seiner Stationen verfügte. Er schrieb sich diese selbst und bat seine ehemaligen Arbeitgeber darum, zu unterzeichnen. Der Direktor des Oberlinhauses interessierte sich für seine Ausbildung und machte ihm schließlich das Angebot, in die Kommunikation einzusteigen. „Plötzlich war ich Leiter der Spendenabteilung, hatte drei Mitarbeiter und sollte die Pressearbeit für einen internationalen Taubblindenkongress verantworten. Dabei hatte ich zu diesem Zeitpunkt noch keine einzige Pressemitteilung geschrieben.“ Ratschläge und Hilfe bekam er von einem befreundeten Kommunikator. Jeutner bildete sich weiter fort, schloss ein Fernstudium im Bereich Kommunikation und Journalistik an. 1995 ging der für die Leitung der Kommunikation des Oberlinhauses verantwortliche Diakon in den Ruhestand, Jeutner rückte nach. 2004 wurde ihm schließlich die Stelle als Leiter Kommunikation der Stephanus-Stiftung angeboten, die er noch heute bekleidet. Bewerben müssen hat er sich in seiner Karriere nie. „Geld oder Macht spielten nie eine große Rolle für mich. Ich habe immer nur geschaut, ob mich die Aufgabe herausfordert und ich sie erfüllen kann.“ Seine ursprüngliche Ausbildung hat Jeutner dabei nie bereut, erempfindet die gemachten Erfahrungen als Bonus. „Ich habe als Koch gelernt, an mehreren Gerichten gleichzeitig zu arbeiten und die Übersicht zu behalten. Jeder möchte etwas anderes essen. Doch jedes Gericht braucht seine Zeit und muss zum richtigen Zeitpunkt fertig sein, damit alle gemeinsam essen können. In der Kommunikation ist das ganz ähnlich. Ohne meine Erfahrungen als Koch könnte ich heute nicht so erfolgreich arbeiten.“ Nicht jedem liegt das stringente Vorzeichnen des eigenen Werdegangs. „Wege können so vielfältig sein, das Geradlinige ist oft langweilig. Die großen Konzernchefs haben alle keinen Karriereplan gehabt. Ich glaube, dahin wird es sich wieder entwickeln.“ Jeutner bekommt häufig Bewerbungen von jungen Menschen, bei denen er nicht so recht weiß, wo sie hinwollen. Dann sucht er im Gespräch nach einem Thema, für das sie brennen. Abschlussarbeiten geben manchmal einen Hinweis. Jeutner freut sich über die vielfältigen Möglichkeiten der heutigen Berufsanfänger, die zahlreichen Auslands aufenthalte, die ihm schon in den Lebensläufen der Studenten begeg-
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nen – „wer flexibel ist, wird es leichter haben. Gerade in den vergangen en Jahren ist mir deutlicher geworden: Die eigentliche Berufung findet den, der offen ist dafür und wer Veränderungen als Chance annimmt. Absichern kann man sich ohnehin nicht.“
Karriereplanung ohne Scheuklappen An der Bereitschaft zu Umwegen habe sich bei heutigen Berufsanfängern im Vergleich zu früher wenig geändert, glaubt Monika Schammas. Einmal im Semester stellt sie mit ihrem Kollegen Udo Lahm Studierenden der Uni Heidelberg das Berufsfeld PR vor. „Es sind immernoch dieselben Fragen, die bewegen. Ich habe sogar den Eindruck, dass heute eine noch größere Unsicherheit vorherrscht.“ Doch wer sich seiner Karriereplanung von vorneherein zu sicher ist, ist ebenfalls nicht davor gefeit, diese irgendwann in Zweifel zu ziehen. „Gerade die, die sehr ehrgeizig ihre Viten vorantreiben, hinterfragen oft an einem bestimmten Punkt ihre Karriere“, so die Beobachtung von Monika Schammas. „Oder sie driften sogar in den Burnout, weil ihnen ihr ausschließliches Ziel den Blick nach links und rechts verbaut hat.“ Als Coach rät sie zur frühzeitigen Reflexion. Einen völlig anderen Blickwinkel einzunehmen könne Kraft geben, allerdings passe es nicht zu jeder Persönlichkeit. „Ich höre im Coaching immer wieder, dass viele PR-Profis bedauern, ihr Leben lang kein Produkt zum Anfassen kreiert zu haben.“ Meist entstehe dieser Wunsch in der fortgeschrittenen Karriere, wenn der Blick sich zurück richtet. Ob Sabbatical, Ehrenamt oder die komplette Neuorientierung, die Lösung liege dann in der Person und ihrer Biografie.
Entwickeln statt ausbrechen Jörg Moberg kehrte im März 2011 wieder nach Frankfurt zurück. Nachdem er erfahren hatte, dass seine Mutter in Deutschland erkrankt war, zog er gemeinsam mit seiner Familie einen Strich unter das Kapitel Schweden. Sie verkauften die Bäckerei, die heute als Produktionsstandort genutzt wird, und Moberg wurde Leiter des Frankfurter Büros der Agentur fischerAppelt. Vor einem Jahr wechselte er schließlich zurück zu seinem früheren Arbeitgeber Fidelity. Der Zeit in Stockholm kann Moberg viel Gutes abgewinnen. „Ich habe mir eine absolute Gelassenheit und Entspanntheit angeeignet, dieses Feedback habe ich auch von früheren Kollegen bekommen.“ Sein Credo? „Es geht immer weiter. Man sollte sich nicht so viele Sorgen machen. Es wäre keine Katastrophe, wenn man den Job oder den Wohnort wechseln müsste.“ Auch seiner Zeit als Bäckereibesitzer möchte er im Nachhinein keinen Stempel aufdrücken. „Wir haben uns entschlossen, diese Zeit nicht als Umweg oder Ausbrechen zu verstehen, sondern einfach als Teil einer permanenten Entwicklung. Das passt nicht zu jedem, aber für uns hat das saugut geklappt.“ Bis zu fünfmal im Jahr verschlägt es die Mobergs dann doch wieder nach Skandinavien. Bereits Anfang Dezember wird die Familie in die alte Heimat Stockholm reisen.
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