pressesprecher 04_19 zeit

Page 1

Quadriga Media Berlin GmbH

Ausgabe 4/19

www.pressesprecher.com

ZEIT Mehr Zeit zu leben Eine berufliche Auszeit kann neue Energie und Motivation bringen.

Krisenkommunikation Warum Faktentreue trotz öffentlichen Drucks vor Schnelligkeit gehen muss.

Neue Führung gleich Jobverlust? Pressesprecher müssen bei einem CEO-Wechsel häufig gehen. Es kann auch anders laufen.



E D I TO R I A L

Mal abschalten Diese Ausgabe ist meine erste als Chefredakteur des pressesprecher. Allen Leserinnen und Lesern wünsche ich viel Spaß mit dieser und den kommenden Ausgaben. Das Titelthema lautet dieses Mal „Zeit“. Stress und Zeitdruck nehmen zu. Die Work-Life-Balance wird immer wichtiger. Dazu gehören auch Auszeiten und Urlaub. Es gibt in diesem Heft vier Meinungsbeiträge zum Thema „Arbeiten im Urlaub“. Offenbar ist es für PR-Profis normal, im Urlaub Zeit für berufliche Aufgaben aufzuwenden. Zumindest das Lesen von E-Mails gehört zur täglichen Routine – unabhängig davon, ob man sich auf Mallorca, an der Ostsee, im Skiurlaub oder zuhause in den eigenen vier Wänden aufhält. Abgesehen von Krisensituationen sollte es PR-Experten wie Angestellten in jeder Branche möglich sein, sich zwei Wochen am Stück aus dem Job auszuklinken. Psychologen raten, sich Auszeiten zu nehmen, um zu entspannen. Warum also diese permanente Erreichbarkeit, ohne dass sie notwendig ist? Möglicherweise gehört Kommunikation zu den Berufsfeldern, bei denen sich Berufliches und Privates vermischen. Wenn man im Job Freiheiten genießt, nicht nur abarbeitet, sondern sich kreativ entfalten kann, hat Kommunikation einen Unterhaltungswww.pressesprecher.com

faktor, auf den man im Urlaub nicht verzichten will. Manch gute Idee dürfte am Strand entstanden sein. Einige empfinden es vielleicht sogar als angenehm, mit Kolleginnen und Kollegen, die man sympathisch findet, von der Sonnenliege aus zu kommunizieren. Der schnelle Blick aufs Handy und in die E-Mails – er folgt oft einem zwanghaften Impuls. Suchtexperten raten Eltern, ihren Kindern gegenüber Regeln zu kommunizieren, wie viel und wann sie das Internet und mobile Endgeräte nutzen dürfen. Für Kommunikatoren würde das nicht bedeuten, im Urlaub auf das Lesen beruflicher E-Mails komplett zu verzichten. Es würde bedeuten, das Handy stundenweise ganz beiseitezulegen – Digital Detox. „Mehr Zeit zu leben“ ist die Überschrift eines Artikels in dieser Ausgabe. Außerdem geht es um CEO-Wechsel, Aufmerksamkeit, Mitarbeiter-Apps, Bilanz-PKs, Krisenkommunikation und Neid. Viel Spaß beim Lesen!

Volker Thoms, Chefredakteur 3


I N H A LT

25 76 77 86

Editorial Forum: Glosse, Kommentar & Feedback PR-Bild Award Sprecherkarte Impressum Letzte Seite / Karikatur

FORUM

8!Branchendiskussion Sind Pressesprecher noch Pressesprecher? Caren Altpeter und Rüdiger Scharf definieren Anforderungen an ihren Berufsstand.

FO KU ST H E M A : I N T E R N E KO M M U N I K AT I O N

10 Mitarbeiter-Apps

8

Sind Pressesprecher noch Pressesprecher? Caren Altpeter von Vodafone und Rüdiger Scharf von der DAK-Gesundheit setzen sich mit ihrer Berufsbezeichnung auseinander.

Unternehmen können ihre Beschäftigten bequem per App erreichen. Apps gewinnen an Akzeptanz.

13 Megabrainstorming Microsoft Deutschland macht aus seinem Ideafest ein Happening: für Kunden, Partner und Mitarbeiter.

14 Fragen oder nicht? Mitarbeiterbefragungen geben Angestellten Wertschätzung. Sinnvoll sind sie nicht in jedem Fall.

AGENDA

18

CEO-Wechsel: Was bedeutet es für Kommunikatoren, wenn plötzlich ein neuer Chef an Bord ist? 4

16 Die Branche erklären Kommunikationsprofis tauchen vermehrt in Leitmedien auf. Über PR und Öffentlichkeitsarbeit sprechen sie zu selten.

18 Neuer Chef Führungswechsel bieten Chancen für die Kommunikation. Pressesprecher können bei einem Wechsel allerdings auch ihren Job verlieren.

22 Vielfalt in Journalismus und PR Ein Plädoyer für vielfältige Lebensläufe in Redaktionen und Pressestellen

T I T E LT H E M A ZEIT

28 „Mir fehlt die Zeit“ Frank Behrendt über Zeit im Beruf des Pressesprechers

30 Arbeiten im Urlaub Vier Kommunikationsprofis berichten, inwieweit sie im Urlaub für den Job zur Verfügung stehen.

32 Mehr Zeit zu leben Eine längere berufliche Auszeit gönnen sich wenige. Dabei können Sabbaticals neue Energie bringen.

36 Acht Monate USA Kay Oberbeck von Google entschied sich spontan für eine neue Herausforderung.

38 Fakten vor Schnelligkeit Wie reagieren Unternehmen souverän in einer Krise? Ein Blick auf die Tourismusbranche

42 Aufmerksamkeit, ade Die Öffentlichkeit widmet Themen immer weniger Aufmerksamkeit. Wie damit umgehen?

September / Oktober 2019

Fotos: Valèry Kloubert; Privat; Ciny Tang

Inhalt 4/ 2019

3 6


I N H A LT

46 Zeit in Zahlen 48 Dirk Roßmann Der Chef der Drogeriemarktkette über Termindruck, Ruheinseln und Geltungssucht

52 Flüchtige Zeiten Social Media hat die Kommunikation weiter beschleunigt. Wie beeinflusst das die Kampagnenarbeit?

56 Zeitmanagement Tipps und Tricks für den richtigen Umgang mit der Zeit

68 Powergames Eon und Achtung erzielen mit einem Live-Event auf Facebook erstaunliche Reichweite.

69 Abstimmung einer PM Die Abstimmung einer Pressemitteilung: ein aufwändiger Prozess in der Pharmabranche

70 Rezension: Krisen-PR Ein neues Buch verbindet Risikomanagement mit Krisenkommunikation.

KARRIERE PRAXIS

58 Bilanz-PK Die Verkündung der Geschäftszahlen wird immer mehr zum Event.

62 100 Jahre Otto Bock Festakt mit Kanzlerin, ein Buch und ein Mitarbeiterfest. Das Orthopädietechnikunternehmen feiert sein 100-jähriges Bestehen.

72 Neid Neidforscher Rolf Haub spricht über Missgunst in Unternehmen und die Wirkung von Geld.

42

Die Öffentlichkeit widmet Themen immer weniger Aufmerksamkeit. Wie soll die Kommunikationsbranche damit umgehen?

58

Bilanzpressekonferenzen waren für Unternehmen stets Pflichtveranstaltungen. Wie unterschiedlich eine Bilanz-PK ablaufen kann, zeigen Otto, Bosch und HeidelbergCement.

66 Der Tampon-Case

Illustration: Anne Wenkel; Foto: Bosch

Das „Tampon Book“ gewann in Cannes den Grand Prix für PR.

78 Verband Ausblick auf den Kommunikationskongress, Rückblicke der Fach- und Landesgruppen, Neumitglieder www.pressesprecher.com

5


Foto: russn fckr


AGENDA

Redaktionen und Pressestellen brauchen mehr Vielfalt In den Journalismus streben überwiegend junge Großstädter mit bildungsbürgerlichem Hintergrund. Dabei wären mehr kritische Köpfe mit Erfahrungen aus unterschiedlichen Lebenswelten gefragt. Davon würden auch Kommunikationsabteilungen profitieren. Von HENRIETTE LÖWISCH

Eigentlich stehen die Türen der Deutschen Journalistenschule (DJS) in München für Bewerberinnen und Bewerber mit verschiedensten Vorkenntnissen offen. Weder ein Hochschulabschluss noch das Abitur oder ein bestimmter Notenschnitt sind zwingende Voraussetzung, um in eine der Lehrredaktionen aufgenommen zu werden. Vielmehr qualifizieren auch eine abgeschlossene Lehre oder ein Fachschulstudium zur Aufnahmeprüfung. So beschlossen es die Gründer der ersten Journalistenschule Deutschlands vor 70 Jahren auch mit Blick auf die zerrissenen Biografien der Kriegsgeneration. Formal ist das System also durchlässig geblieben, genauso wie die Berufsbezeichnung Journalist durch keinen Meisterbrief geschützt ist. Und doch sehen zu wenig junge Leute mit ungewöhnlichen Biografien darin eine Chance. Das ist nicht nur an der DJS so. Das in Oxford angesiedelte Reuters Institute for the Study of Journalism und die Universität Mainz haben diesen Sommer eine Studie über die mangelnde Diversität im Journalismus vorgelegt. Die Wissenschaftler haben dafür Chefredakteure und Ausbildungsleiter www.pressesprecher.com

Qualifizierter Nachwuchs, der hart recherchieren und die Ergebnisse auf vielen Wegen ausspielen kann, ist auf dem Arbeitsmarkt sehr gefragt.

interviewt. Ergebnis: In den Journalismus streben heute überwiegend junge Großstädter mit bildungsbürgerlichem Hintergrund. In den Redaktionen fehlen entsprechend Journalistinnen und Journalisten mit besonderem Gespür für die Anliegen jener Zielgruppen, die von den klassischen Medien nicht ausreichend erreicht werden.

Warum das so ist, dazu haben die Forscher eine ganze Reihe von Thesen zusammengetragen, wie die mangelnde Attraktivität des Berufs, ein stressiger Alltag, mittelmäßige Bezahlung und unsichere Zukunftsperspektiven. Einwandererfamilien, heißt es zum Beispiel in der Studie, wünschen sich, dass ihre Kinder nicht Journalisten, sondern Ärzte, Lehrer oder Ingenieure werden. Technikaffine junge Menschen wiederum streben in die Bällebad-Atmosphäre der Tech-Konzerne, wo sich zudem gut verdienen lässt. Moderne journalistische Vorbilder fehlen. Während sich schlechte Nachrichten über die Branche nachhaltig verbreiten, erreichen Erfolgsstorys höchstens die eigene Blase.

Schadet Homogenität der Qualität? Am schwierigsten zu belegen, aber zugleich am schwersten wiegt der Zusammenhang zwischen dem aktuellen Glaubwürdigkeitsverlust des Journalismus und der Homogenität des Berufs. Wenn klassische Medien den Eindruck erwecken, dass sie nur die Lebenswelten und Sichtweisen einer privilegierten Schicht abbilden, läuft ihnen das Publikum davon. Wenn aber viele Zielgruppen nur noch in fragmentierten Räumen erreicht werden, verliert die Gesellschaft ihre Diskussionsgrundlage; was für einen die Wahrheit ist, betrachtet der andere als Fake News. Und wer nur Nischenmedien konsumiert, interessiert sich kaum für ein Volontariat bei einer Regionalzeitung – und irgendwann auch nicht mehr für Elite-Institutionen wie die DJS. Nun mag manch einer sagen, wo liegt denn das Problem? Werden ausgebildete Journalisten überhaupt noch gebraucht in einer Zeit, in der jeder selbst publizieren kann? In der Parteien sogenannte Newsrooms eröffnen und Firmen ihre eigenen Hochglanzmagazine, Video-Storys und Podcasts 23




Illustration: Anne Wenkel


TITEL ZEIT

Mehr Zeit zu leben Den Wunsch nach einem Sabbatical haben viele Berufstätige. Eine Auszeit nehmen vergleichsweise wenige. Dabei kann eine kreative Pause neue Energie freisetzen. Das zeigen drei Beispiele von Kommunikationsprofis.

Foto: Max Lautenschläger

Von VOLKER THOMS

Mit Antje Neubauer, Leiterin Marketing und PR bei der Deutschen Bahn, hat Anfang des Jahres eine der bekanntesten Kommunikatorinnen des Landes angekündigt, eine berufliche Auszeit nehmen zu wollen. Dieser Schritt fand enorme Aufmerksamkeit. Aufgrund von Interviews, in denen sich Neubauer teilweise sehr persönlich äußerte und Einblicke in ihr Seelenleben gewährte, auch außerhalb der Kommunikationsbranche. Die Reaktion aus der Branche: Zustimmung bis Bewunderung. Respekt, Geld, Spaß, Macht, Selbstverwirklichung, die Möglichkeit zu gestalten – eine erfolgreiche berufliche Karriere kann einem vieles bieten. Wer über mehrere Jahrzehnte einen Fulltime-Job mit maximal 30 Tagen Urlaub ausgeübt hat, musste allerdings an anderer Stelle zurückstecken; Kompromisse eingehen: bei der gemeinsamen Zeit mit den Kindern, dem Partner oder Freunden, bei Urlaubsreisen und Freizeitaktivitäten. Einfach in den Tag hineinleben? Keine Lust aufzustehen? Geht nicht. Dass viele aus monetären Gründen arbeiten müssen, versteht sich von selbst. Die Mentalität, sich durchbeißen zu müssen, auch mal halbkrank im Büro aufzuschlagen und finanzielle Sicherheit anzustreben, prägte die Generationen der Babyboomer, X und Y. Sie sind um die 35 Jahre alt oder älter. Der Verlust des Arbeitsplatzes war ein reales Risiko. Die Angst berechtigt. Berufliche Pausen gehörten nicht zur Lebensplanung. Die eigenen Eltern brauchten ja auch keine. Beim Arbeitsplatzwechsel musste der Resturlaub reichen. In der Gesellschaft haben sich die Prioritäten verschoben. Karriere ist wichtig. Parallel hat die Work-Life-Balance an Bedeutung gewonnen – nicht www.pressesprecher.com

Ein Leben ohne Termine, E-Mails und Smartphone kann wunderbar sein!“ Oliver Schumacher, Deutsche Bahn

nur mit Blick auf den Arbeitstag, sondern auf ganze Lebensabschnitte. Mehr „Life“ ist angesagt. Digitale Arbeitswelten und New Work bieten neue Möglichkeiten genauso wie großzügigere Regelungen zu Elternzeit und -geld. Mütter und Väter können sich temporär hauptsächlich um die Kinder kümmern. Das ist fordernd und anstrengend. Doch entwickeln viele Beschäftigte während der Elternzeitpause neue Motivation und freuen sich, dann doch wieder regelmäßig arbeiten zu dürfen, so schön das Sorgen für Baby und Kleinkind auch ist.

Die Erkenntnis, auch ohne Arbeit gut leben zu können Oliver Schumacher hat 2018 als Leiter Kommunikation und Marketing bei der Deutschen Bahn eine berufliche Auszeit genommen. Zwei Monate waren es 33


Illustration: Anne Wenkel


TITEL ZEIT

Fakten vor Schnelligkeit Tourismus- und Verkehrsunternehmen sind besonders anfällig für Krisen. Wie bereiten sie und ihre Agenturen sich vor? Wie kommunizieren sie im Krisenfall? Von ANNETTE WALTER

Im April 2017 wurde noch kurz vor dem Abflug ein Passagier aus einer Maschine der Fluglinie United Airlines geworfen – wegen Überbuchung. Der Mann wehrte sich. Das Sicherheitsteam ging recht ruppig vor. Ein Video des Vorfalls kursierte im Netz. Der Mann trug Medienberichten zufolge eine Gehirnerschütterung und eine gebrochene Nase davon. Er verlor zwei Schneidezähne. Für die Airline war der Vorfall ein PR-Desaster. Die Empörung in den Sozialen Netzwerken schlug hohe Wellen; Medien sprangen auf. Krisenkommunikation war gefragt. Der Chef der Fluglinie bekundete zwar anschließend öffentlich sein Bedauern, nachdem er Aufnahmen des Vorfalls gesehen hatte. United Airlines gelobte Besserung. Der Imageschaden war dennoch da. Die negative Stimmung der Fluggesellschaft gegenüber ließ sich nicht einfangen. Dieser Fall illustriert, wie Soziale Medien in der Krisenkommunikation das Tempo vorgeben und als Beschleuniger wirken. Dass die Komponente Zeit eine deutlich wichtigere Rolle als früher spielt – darin sind sich PR- und Kommunikationsfachleute einig. Airlines, Bahnbetreiber und Urlaubsanbieter sind besonders anfällig für Krisenszenarien. Neben Unfällen bedeuten auch Flugausfälle, Waldbrände, Epidemien und Streiks ein Reputationsrisiko. Hausgemachte Probleme wie schlechter Service, unfreundliche Mitarbeiter und Qualitätsmängel greifen Medien und Online-User besonders gern zu Urlaubszeiten auf. www.pressesprecher.com

„Ich wende lieber eine positive Strategie an.“ Johannes Winter, Thomas Cook Group Airlines

Wie damit umgehen? Wie sich vorbereiten? Die erste Stunde nach Ausbruch einer Krise gilt mit Abstand als die kritischste, schreiben die Tourismusexperten Dr. Markus Pillmayer und Professor Nicolai Scherle in ihrem Beitrag „Krisen und Krisenmanagement im Tourismus – Eine konzeptionelle Einführung“ im Sammelband „Krisenkommunikation in Tourismusorganisationen“ von Silke Hahn und Zeljka Neuss. 60 Minuten? Ein kurzer Zeitraum, in dem schnelles Handeln und Entscheiden gefragt ist. Ein Foto geht in Sekunden um die Welt; ein Tweet ist schnell abgesetzt.

Die Macht der Bilder Darauf gelte es zu reagieren und sich vorzubereiten, erklärt Johannes Winter, Head of Communications bei Thomas Cook Group Airlines. „In der Pressestelle muss man mit einem bereits vorhandenen Bild 39


Wie gestalten Sie das neue Kommunikationsmanagement?

MBA Communication & Leadership – Praxisnähe und einzigartiges Netzwerk – berufsbegleitendes Lernen und individuelle Schwerpunktsetzung – digitale und ökonomische Souveränität – inklusives Mentoring- und Coachingprogramm

Stipendien-Check online

quadriga-university.com


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.