Ausgabe 04/12 | Juli/August 2012 | Helios Media Gmbh | ISSN 1612-7668 | www.pressesprecher.com
Magazin f체r Kommunikation
pressesprecher
Identit채t
04 202 INHALT
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0 Agenda
Für die Kommunikationsarbeit während des Insolvenzverfahrens der Drogeriemarktkette Schlecker erntete Arnd Geiwitz Lob. Als die Abwicklung beschlossen war, übte auch er Kritik.
06 Agenda 06 Meldungen Goldener Funke 202, DRPR Doppeljahresbericht, Bundeswehr Social Media Guidelines 0 Vorbei Schlecker ist pleite. Ein Ende der Diskussion über die Insolvenz ist jedoch nicht in Sicht.
6 Kompliziert Die Energiewende erfordert einen landesweiten Ausbau der Trassen. Nicht alle Bürger haben Verständnis.
20 Titel 22 Überdesignt Statt eines neuen Logos, würde manchen Unternehmen eine verbindlichere Kultur gut tun. 24 Verbandelt Die Unternehmensidentität wird durch Mitarbeiter geprägt. Ein gutes Verhältnis zu ihnen ist notwendig. 28 Aufgespürt Maden, Fritten und Zigarettenstummel – Kriminalbiologe Mark Benecke im Interview. Thema: Identität. 4
6 Agenda
Die vier Übertragungsnetzbetreiber bemühen sich beim Stromtrassenbau um den Dialog mit den Interessengruppen. Die Politik macht es ihnen nicht leicht.
Cover: Michelangelo Caravaggio Fotos: Moritz Vennemann; Farvatar/ Dreamstime.com
2 Empört HRK-Präsident Horst Hippler will die Hochschulen reformieren. Bei denen stößt er auf Protest.
INHALT
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20 Titel
Produkte und Dienstleistungen werden immer austauschbarer. Was das für die Mitarbeiterkommunikation bedeutet und wie es dennoch gelingt, eine Unternehmensidentität aufzubauen.
34 Praxis 34 Die Meinungsführer Die meinungsstärksten Blogs zu netzpolitischen Themen. 38 Spagat Sife Germany ist ein gemeinnütziger Verein mit komplexer Struktur und begrenztem Budget. In der PR setzt er auf Netzwerken. 40 Fleißig Der Uefa Cup ist gestartet. Die Arbeit des ARDPR-Teams hebt das auf ein neues Level. 44 Gekonnt Blogs können einen wichtigen Teil innerhalb der Unternehmenskommunikation einnehmen. Was es zu beachten gilt.
48 Karriere 48 Meldungen 50 Wechsel
56 Termine 58 Verband
Fotos: Valckenbroch/ wikimedia.org; Herby Sachs/WDR
58 Neues aus dem Verband: Verbände wollen gemeinsamen Kodex 6 Porträts Christina Conradi und Jan Schnellhardt stellen sich dem Fragebogen.
40 Praxis
Public Viewing, Autokorsos, Fangesänge: Die EM ist gestartet und lässt niemanden kalt. Für das PR-Team der ARD ein Balanceakt zwischen sorgfältiger Vorbereitung und schnellem Reagieren.
62 Herzlich Willkommen Der Bundesverband begrüßt seine Neumitglieder. 63 Was war, was kommt Vergangene und künftige BdP-Veranstaltungen
66 Kein Kommentar 5
AGENDA
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Akzeptanz steht im Mittelpunkt TEXT JUDITH SCHULDREICH
Der Ausbau des Stromnetzes gilt als das Nadelöhr der Energiewende. Während sich die vier Übertragungsnetzbetreiber entlang der Stromtrassen um die Akzeptanz der Bürger bemühen, zoffen sich Bund und Länder um die Kompetenzen.
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AGENDA
Foto: Farvatar/ dreamstime.com
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„Die Energiewende ist so, wie wir sie vor einem Jahr beschlossen haben, machbar“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel beim Besuch der Bundesnetzagentur Ende Mai. Damit bekräftigte sie noch einmal das Ziel der Bundesregierung, spätestens ab 2022 auf Atomstrom verzichten zu wollen. Man werde sich diesem Ziel „leidenschaftlich widmen“, versprach Merkel. Nach der Reaktorkatastrophe im März vergangenen Jahres im japanischen Fukushima hatte die Bundesregierung die nur Monate zuvor beschlossene Verlängerung der Laufzeiten von Kernkraftwerken zurückgenommen und den Ausstieg aus der Kernenergie in Deutschland verkündet. Durch den Atomausstieg werden Wind- und Sonnenenergie immer wichtiger. Die Bundeskanzlerin setzt vor allem auf die Offshore-Windanlagen im Norden. Das Problem dabei: Der Strom, der im Norden Deutschlands gewonnen wird, muss quer durch die Republik transportiert werden, um auch die energieintensiven Industrien im Süden zu erreichen. Doch die bestehenden Stromtrassen reichen dafür nicht aus. Das Stromnetz muss modernisiert und einige Trassen müssen zusätzlich gebaut werden. In diesem Zusammenhang sind die vier Übertragungsnetzbetreiber, die für den Bau und die Wartung der überregionalen Stromnetze zuständig sind, auch in den Fokus der Öffentlichkeit gelangt. Nun haben sie einen ersten Plan vorgelegt, wie der Netzausbau gelingen könnte. Der Netzentwicklungsplan Strom enthält alle Maßnahmen, die aus Sicht der Netzbetreiber innerhalb der kommenden zehn Jahre für ein
sicheres Übertragungsnetz erforderlich sind. 3.800 Kilometer neue Stromleitungen müssen demnach gebaut und zudem viele Kilometer des bestehenden Höchstspannungsnetzes aus- beziehungsweise umgebaut werden. Kosten des gesamten Projekts: 20 Milliarden Euro. Die Offshore-Anschlüsse nicht eingerechnet. Nun sollen Interessierte und Betroffene ihre Fragen und Anmerkungen zum Netzentwicklungsplan einbringen, bevor dieser zur Überprüfung an die Bundesnetzagentur weitergereicht wird. Die Auseinandersetzung mit der Öffentlichkeit ist für die Übertragungsnetzbetreiber nicht neu. Beim Bau von Stromtrassen kommt es öfter vor, dass Bürgerinitiativen, Anwohner oder Politik protestieren und klagen. Der Dialog mit dem Verbraucher vor Ort steht daher im Zentrum ihrer Kommunikationsaktivitäten. Doch das hält die Netzbetreiber nicht davon ab, ihre Forderungen und Meinungen auch gegenüber der Politik lautstark zu vertreten.
Den Austausch suchen
Laut einer Forsa-Umfrage im Auftrag des Verbands kommunaler Unternehmen sind 6 Prozent der Befragten grundsätzlich bereit, höhere Preise für Strom zu bezahlen, wenn die Erneuerbaren Energien damit weiter ausgebaut werden könnten. Doch laut Umfrage sind die Befragten nicht nur bereit, höhere Stromkosten zu zahlen. 54 Prozent der Befragten fänden es gut beziehungsweise sehr gut, wenn in der Nachbarschaft eine Wind-Energie-Anlage stünde. „Die Ausgangslage für unsere Kommunikationsarbeit ist gut.
Die meisten Menschen haben verstanden, dass für die Energiewende neue Stromleitungen unerlässlich sind. Wir sind nun diejenigen, die sich darum kümmern müssen“, sagt Marian Rappl, Leiter Unternehmenskommunikation von Amprion. ‚Wir‘, das sind die vier Übertragungsnetzbetreiber. Neben Amprion bauen, betreiben und warten 50Hertz, Tennet und TransnetBW die überregionalen Stromnetze. Doch bereits jetzt blockieren vielerorts Bürgerinitiativen den Neu- und Weiterbau von Leitungen. Die Übertragungsnetzbetreiber rechnen auch weiterhin damit, dass Bürger gegen den Bau neuer Stromtrassen klagen und protestieren werden. Proteste seien unumgänglich. „Ich bin Realist. Auch wenn wir uns sehr bemühen, wir werden nicht vermeiden können, dass sich Bürgerinitiativen gegen solche Projekte wenden“, sagte Rainer Joswig, Geschäftsführer von TransnetBW, im Rahmen der Pressekonferenz zur Vorstellung des Netzentwicklungsplans. Man könne lediglich versuchen, zu erklären und bei den Betroffenen Überzeugungsarbeit für das Projekt zu leisten. „Transparenz, Dialogbereitschaft und ergebnisoffene Trassenprüfung sind dabei die drei Grundsätze, die es in der Kommunikation zu beachten gilt. Wir müssen den Menschen vor Ort erklären, was sie zu erwarten haben“, sagt Rappl. Widerstände sollen durch frühzeitige Kommunikation möglichst gar nicht erst entstehen. „An Infrastrukturprojekten wie Stuttgart 2 konnte man beobachten, was passiert, wenn die Bürger sich nicht genügend einbezogen fühlen. Unser Ziel ist es, als kompe-
tenter und zuverlässiger Partner in der Region wahrgenommen und anerkannt zu werden“, sagt Angela Brötel, Pressesprecherin des für Baden-Württemberg zuständigen Übertragungsnetzbetreibers TransnetBW. Deshalb hat das Unternehmen einen Interessensträgerdialog an der Schnittstelle zwischen Geschäftsführung, Kommunikations- und Fachabteilungen installiert. „Wir können beim Trassenbau nicht jeden Wunsch berücksichtigen, aber oftmals hilft es, wenn unsere Mitarbeiter aus den Bau- und Planungsabteilungen vor Ort sind und über die notwendigen Maßnahmen informieren. Im persönlichen Dialog lassen sich Fragen besser beantworten und Alternativen leichter diskutieren“, sagt Brötel. Minimale Kompromisse in der Trassenführung, falls technisch und rechtlich möglich sowie planerisch sinnvoll, und ein guter Kontakt zu den regionalen Medien könnten auf diese Weise bereits die Akzeptanz gegenüber einem Projekt steigern. Überspitzt dargestellt ginge es im Dialog vor Ort manchmal auch nur um die Frage, ob ein Strommast in der Mitte oder doch eher am Rande eines Ackers stehen wird. „Wenn man sich als Unternehmen vor Ort ernsthaft mit solchen Fragen auseinandersetzt, wird das positiv aufgenommen“, sagt Rappl. Mit Broschüren, Informationstagen und Gesprächsrunden informiert auch Tennet. „Der direkte Austausch mit Bürgerinitiativen ist wichtig, denn so kann man nicht nur für mehr Verständnis werben, sondern bekommt gleich die Rückmeldung, bei welchen Themen die Kommunikationsarbeit weiter intensiviert werden muss“, 17
AGENDA
sagt Ulrike Hörchens, Pressesprecherin von Tennet. Wie groß das Interesse auch an den überregionalen Plänen ist, konnten die Übertragungsnetzbetreiber bei der offiziellen Pressekonferenz zur Vorstellung des Netzentwicklungsplans sehen. Nur wenige Minuten nachdem der Plan im Internet zur Ansicht stand, hatte sich bereits der erste Internetnutzer zur Diskussion auf der entsprechenden Webseite eingeloggt. „Wir hoffen, dass sich möglichst viele Menschen während der Konsultationsphase bis zum 0. Juli beteiligen und ihre Fragen und Einwände an uns übermitteln“, sagt Hörchens. Unterstützung erfuhr der Aufruf von Umweltverbänden. „Der Entwurf der Übertragungsnetzbetreiber und die nun eröffneten Mitwirkungschancen der Bürger sind erste Schritte in die richtige Richtung. Alle Interessierten und Betroffenen sollten sie nutzen“, teilte Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, in einer Pressemitteilung mit. Gleichzeitig werde die Deutsche Umwelthilfe jedoch auch selbst den Entwurf einer kritischen Analyse unterziehen und gegebenenfalls Verbesserungsvorschläge unterbreiten.
Die Politik diskutiert
Doch auseinandersetzen müssen sich die Netzbetreiber nicht nur mit den Anwohnern oder Umwelt- und Naturschutzverbänden. Denn auch von Seiten der Politik hagelt es Kritik. Der Netzausbau sei zu langsam, die Netzbetreiber sollten schneller vorankommen. „Wenn es schneller gehen soll, müssen wir auch an die Verfahren ran. Schnellere Genehmigungsverfahren sind die Grundvoraussetzungen für einen zügigen Leitungsausbau“, sagt Hörchens. So habe Tennet beim Bau einer Trasse an der Grenze zwischen Thüringen und Bayern drei Jahre pausieren müssen, weil in Thüringen noch nicht
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die entsprechenden Beschlüsse vorlagen. Die Kommunikationsabteilung des Netzbetreibers versuchte den Baustopp zu erklären. „Dass sich ein Projekt um so einen großen Zeitraum verzögert, ist vor Ort nur schwer zu erklären“, sagt Hörchens. Doch damit soll nun Schluss sein, die Länder sollen Teile ihrer Kompetenz an die Bundesnetzagentur abgeben. Diese soll künftig die Bundesfachplanung und die Planfeststellungsverfahren für die geplanten Hochspannungsleitungen übernehmen. Am Rande seines Besuchs bei Amprion im Mai appellierte Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler an die Bundesländer der Übertragung der Planfeststellung auf die Bundesnetzagentur zuzustimmen. Doch die Politik ist sich uneins. Kurz vor dem Treffen der Bundesländer mit Kanzlerin Angela Merkel meldete sich Horst Seehofer in der „Süddeutschen Zeitung“ zu Wort. Wenn man in Berlin nicht vorankäme, dann mache Bayern sich vom Rest der Republik unabhängig: „Dann gründen wir ein Bayernwerk“, polterte der bayerische Ministerpräsident. Auch Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister meldete sich einen Tag vor dem Gipfeltreffen auf einer Pressekonferenz in Hannover zu Wort. Gemeinsam mit seinem Umweltminister Stefan Birkner präsentierte er die Pläne seines Bundeslandes für das Treffen. Die Bundesländer ringen öffentlich um ihre Kompetenzen. „Das Klappern gehört zum Geschäft“, sagt Hörchens. Doch während die Vorstellung McAllisters eine übergeordnete Netzgesellschaft mit Staatsbeteiligung zu gründen, nicht auf Gegenliebe bei den Übertragungsnetzbetreiber trifft, begrüßen diese das Engagement Merkels die Energiewende zur Chefsache zu machen. Rudolf Boll, Leiter Pressestelle der Bundesnetzagentur, ruft nun zur Gemein-
samkeit auf: „Wir brauchen jetzt einen breiten Konsens auch in der Bevölkerung, denn je weniger kontrovers das Thema Netzausbau angegangen wird, desto schneller kann der Netzausbau vorangetrieben werden“, sagt er. Vorbei ist die Diskussion um den Netzausbau noch lange nicht. Mit dem ersten Entwurf des Netzausbauplans ist nun zunächst eine wichtige Hürde genommen. Doch für die Bürger wird es eigentlich erst im nächs-
ten Frühjahr interessant. Dann soll der Bundesbedarfsplan feststehen, der detailliert die Verläufe für die neu zu bauenden Stromtrassen festlegt, falls an den entsprechenden Stellen die Leitungen nicht ausgebaut werden können. Auch eine erneute Konsultationsphase mit und für die Öffentlichkeit wird es dann geben. „Für alle Beteiligten wird es noch eine spannende und diskussionsreiche Zeit“, sagt Rudolf Boll.
PRAXIS
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Pressearbeit XXL: Das ARD-Team und die Fußball-Europameisterschaft Rudelgucken, ‚Schland’ anfeuern und mitfiebern: Die Uefa Euro 2012 ist gestartet. Für Journalisten aus den unterschiedlichsten Bereichen steht die ARD als einer der beiden deutschen EM-Sender im Fokus. Die Lage in der Ukraine sorgt zusätzlich für eine politische Zuspitzung. Viel zu tun also für das ARD-Presseteam beim Westdeutschen Rundfunk in Köln. TEXT BIRAND BINGÜL
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PRAXIS
Foto: WDR/Herby Sachs
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Wir gehen Großereignisse in Projektform an. Als wir uns das Umfeld zur Fußball-Europameisterschaft anschauten, war schnell klar: Das Projekt wird groß. Richtig groß. Das machte das Ausgangstableau ziemlich komplex: Die Ausgaben im Programm schaffen es in den zweistelligen Millionenbereich, hunderte von Mitarbeitern sind im Einsatz. Der WDR verantwortet federführend die Berichterstattung in Fernsehen, Hörfunk und im Internet. Daraus ergaben und ergeben sich diverse Entscheider im Programm: Teamchefs, Programmchefs, Chefs der
Außenstandorte, Chefs von Sendungen oder Wellen. Alle haben völlig berechtigte Ansprüche an die Pressearbeit. Außerdem bedeuten die beiden weitläufigen Länder Polen und Ukraine ohne Frage eine besondere logistische Herausforderung. Weder im Programm noch in der Pressearbeit lag dafür eine erprobte Musterlösung im Schrank – eine schöne Chance, neue Wege zu gehen. Und nicht zuletzt mussten wir von Anfang an die zuweilen fein ziselierte Logik der ARD berücksichtigen: Für die Pressearbeit ist in dieser Logik der federführende
WDR zuständig, aber sowohl die Sportkoordination Das Erste in München als auch die ARD-Pressestelle müssen aus guten Gründen eng eingebunden sein. Und dann sind da natürlich noch die Pressekollegen des zweiten deutschen EM-Senders ZDF, mit dem es bei aller gesunden Rivalität auch kollegial zusammenzuarbeiten gilt. Und wir haben noch gar nicht über die zahllosen Journalisten aus unterschiedlichen Ressorts gesprochen, für die wir ein relevanter Ansprechpartner sind. Also legten wir parallel zu den letzten Entscheidungen im Programm damit los, ein Projektteam aufzubauen. Die Unternehmenssprecherin des WDR, Gudrun Hindersin, beauftragte mich, dieses Team anzuführen. Für den Fernsehbereich kam Kristina Bausch hinzu, für Hörfunk und Online Uwe-Jens Lindner, beide aus der Programmkommunikation der WDR-Presseabteilung. Der Leiter unserer Bildkommunikation, Jürgen Dürrwald, übernahm für den großen und intensiven Bereich der EM-Fotografie die Verantwortung, unterstützt von unserem Fotografen Herby Sachs. Für die Sportkoordination in München stieß André Hoffmann zu uns. Sollten übergeordnete medienpolitische Themen aufkommen, würde ARD-Sprecher Stefan Wirtz ins Spiel kommen. Außerdem engagierten wir früh die Kölner Agentur Planpunkt. Deren Redaktionsleiter Marc Meissner ist fest in unserem EM-Presseteam. Im Februar baten wir dann unsere Kollegen aus Fernsehen, Hörfunk und Online, uns in einem Kickoff über ihr Programm, ihre Ideen und ihre Wünsche zu informieren. Das war Input pur auf Arbeitsebene, zwei Stunden lang,
dazu bekamen wir noch weitere Unterlagen. Für uns war das der Moment, sehr genau zuzuhören und Tuchfühlung zur EM aufzunehmen. Wir beschränkten uns also darauf, unsere Vorfreude auf das Projekt deutlich zu machen und zahlreiche Fragen zu stellen. Abschließend konnten wir das Versprechen geben, all diese Informationen zügig zu bewerten und sehr bald in einem Briefing unser Pressekonzept vorzustellen. Seitdem treffen wir uns etwa alle zwei Wochen im Projektteam, meist für mehrere Stunden. Das Protokoll führen wir übrigens in Echtzeit, was die Ergebnisse effizient sichert, so dass alle Kollegen direkt im Anschluss ihre (langen) Aufgabenlisten gemailt bekommen können. Beim ersten Treffen kristallisierten sich die wichtigsten Bestandteile unserer Pressearbeit heraus: • Unsere sportliche Botschaft lautet: Wir machen Fußball pur, sind direkt in den Stadien, nah dran. Und unsere medienpolitische Botschaft heißt: So eine enge Kooperation mit dem ZDF speziell im Produktionsbereich gab es bei einem Sportgroßereignis noch nie. Beide Botschaften waren und sind authentisch und nicht einfach übergestülpt. • Die Redaktion arbeitet an drei Hauptstandorten und mit zwei Reiseteams, die zu den Spielen ein- und ausfliegen. Wir entschieden uns, diese dezentrale Struktur auch für unsere Pressearbeit zu verfolgen. Wir sind in Köln, Warschau und Danzig vertreten und fliegen bei Bedarf auch zu Spielen mit. • Wir sammelten eine Reihe von Themen, die wir frühzeitig aktiv anbieten wollten (und haben), sowie Themen, die wir passiv spie41
PRAXIS
‚Embedded’ Pressearbeit
Von unseren Kollegen aus dem Programm hatten wir zu diesem Zeitpunkt erfahren, dass ein wichtiger Knotenpunkt für Fernsehen, Radio und Online das National Broadcasting Centre (NBC) sein würde. Erstmals solle ein trimedialer Desk Material, Infos oder OTöne kanalisieren, bearbeiten und verwerten. Häufig gehen Pressekollegen dann zu einzelnen Konferenzen – oder sie halten telefonisch Kontakt zum Programm und fragen mehrmals am Tag nach, ob es etwas für die Pressearbeit gibt. In diesem Modell sahen wir die Chance, einen Pressekollegen direkt an diesem Knotenpunkt zu installieren. Wir müssten nicht 42
hinter Infos hinterherlaufen oder die Kollegen nerven. Einer von uns würde Teil des großen Ganzen werden, durchgängig eingeklinkt in das Redaktionsteam: ‚embedded‘ Pressearbeit. Wir baten unsere Kollegen im Programm, einen Arbeitsplatz direkt am Desk zu bekommen, um die Wege so kurz wie möglich und Pressearbeit gleichsam zum Teil des Produktionsprozesses zu machen. Die Idee kam sehr gut an. Nach der EM werden wir wissen, wie gut sie funktioniert hat. Anfang März luden wir die leitenden Programmmacher ein, um unser Pressekonzept vorzustellen.
» In einer Pressekonferenz dieser Größe steckt viel Fleißarbeit und interne Abstimmung. « Fernsehteamchef Jörg Schönenborn war auch mit dabei, die verhinderte Radioteamleiterin Sabine Töpperwien informierten wir persönlich vorab. In der 20-seitigen Präsentation konnten wir unsere Pläne, Ziele und Vorgehensweisen präzise darlegen. Außerdem hatten wir bereits erste größere Akquiseerfolge in reichweitenstarken Medien zu melden. Unsere Programmkollegen waren insofern angetan von unserem Konzept, weil für sie damit im Kern klar war, was sie von uns bekommen, was wir von ihnen an Unterstützung brauchen und wohin die Reise in der Pressearbeit gehen soll. Das schaffte positive Stimmung und starkes Vertrauen in das Presseteam. Ein wichtiger Projektschritt.
Das Nadelöhr
Den Termin für die Pressekonferenz zu finden, war eine besondere Kunst: Schließlich waren unter den Protagonisten ausschließlich viel beschäftigte Menschen: Fernsehteamchef Jörg Schönen-
born und Radioteamleiterin Sabine Töpperwien, ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky, die Moderatoren Reinhold Beckmann, Gerhard Delling und Matthias Opdenhövel sowie ARD-Experte Mehmet Scholl. Dazu mussten noch einmal so viele Vertreter des ZDF können. Am Ende blieb gar kein anderer Tag übrig als der 24. April. Er wurde der Stichtag für unsere erste Kommunikation. Mehrmals reisten Kollegen nach Hamburg, um die Pressekonferenz im HSV-Stadion – so unsere Idee – vorzubereiten. In einer Pressekonferenz dieser Größenordnung steckt immer viel Fleißarbeit und viel interne Abstimmung, dazu die Absprachen mit dem ZDF, die Bühnengestaltung, die Fotosets, das Presseheft, der Einspielfilm, das Catering… Wir konnten aber auch einige kreative Ideen realisieren. Ein kleines, aber hübsches Beispiel ist für mich nach wie vor, dass wir abgeleitet aus ‚Fußball pur‘ die Idee umsetzten, unsere Programmverantwortlichen und Moderatoren im Panini-Stil ins Presseheft einzukleben. Die ARD, mit Liebe zum Detail. Am Sonntag vor der PK meldete sich Jörg Schönenborn bei mir. An diesem Wochenende gab es erste sehr deutliche Statements zur politischen Lage in der Ukraine, noch vor dem Reiseverzicht von Bundespräsident Joachim Gauck und den Bombenanschlägen. Wir waren uns einig, dass dieses Thema unbedingt in die PK gehörte, weil es schlichtweg wichtig war und weil wir uns als öffentlich-rechtlicher Sender unglaubwürdig machen würden, wenn wir uns nicht positionierten. Als politischer Chefredakteur, der die ARD-Auslandsstudios Warschau und Moskau verantwortet, war und ist Jörg Schönenborn natürlich eine Idealbesetzung für diesen schwierigen Kontext. Vor 90 schreibenden Journalisten und drei Dutzend Fotografen sagte er: „Es wird die politischste Europameisterschaft, die es bislang gegeben hat.“ Die ARD stehe an der Stelle klar auf zwei Beinen: der Sport- und der politischen Berichterstattung in den Nachrichtensendungen. Unsere Live-Twitter-Botschaften aus der
PK erreichten übrigens 64.000 Nutzer, was uns zu diesem Zeitpunkt an die Spitze der TwitterThemen brachte. In der Nachlese konnten wir feststellen, dass unsere Hauptbotschaften ‚Fußball pur‘ direkt aus den Stadien, die enge Kooperation mit dem ZDF und schließlich die Positionierung zur politischen Lage in der Ukraine gut und umfangreich von den Pressevertretern wiedergegeben wurden. Gleich nach der PK baten wir unsere Kollegen im Archiv, ab sofort täglich einen Sonderpressespiegel zur Ukraine zu erstellen. Wir boten ihn als Service auch den Programmkollegen an, was umgehend angenommen wurde. Die angemessene Balance zwischen Sport- und Politikberichterstattung zu finden und zu kommunizieren, wird in den EM-Wochen sicher eine der wichtigsten Aufgaben sein.
Nicht in Stein gemeißelt
Unser Großprojekt Fußball-Europameisterschaft verlangt eine sehr umfangreiche und sorgfältige Vorbereitung. Aber: Die Kommunikationspläne sehen wir als notwendige Richtschnur, nicht als unabänderliche Bibel. ‚Instant Pressearbeit‘ vom Reißbrett funktioniert bei so einem Ereignis genauso wenig wie Laisser-faire. Kopf und Kommunikation flexibel zu halten, wachsam und neugierig zu bleiben und im Kleinklein des Tagesgeschäfts den Überblick zu behalten – das sind für uns entscheidende Faktoren, um auf neue Themen, Risiken und Bedürfnisse zu reagieren. Schnell und wirksam. Wie gut uns das ‚auf dem Platz‘ gelungen ist, werden wir nach der EM wissen.
Birand Bingül arbeitet seit 2010 als stellvertretender Unternehmenssprecher des WDR. Er ist ARD-Presseteamchef für die Uefa Euro 2012. Zuvor arbeitete der gelernte Journalist als Redaktionsleiter, Reporter und Moderator im WDR. Bis zum Wechsel in die Kommunikation war er einer der Kommentatoren der ARD-Tagesthemen.
Foto: WDR/Herby Sachs
len, aber unbedingt inhaltlich vorbereiten wollten, um nicht während der EM Grundlagenrecherche betreiben zu müssen, wenn alle unter Druck sind. • Wir entwickelten unsere Wunsch-Dramaturgie: Der erste Kommunikationspunkt sollte die große EM-Pressekonferenz von ARD und ZDF sein, etwa sechs Wochen vor dem Start des Turniers. In der zweiten Phase bis zum Beginn des Turniers haben wir Hintergründe und Geschichten über unsere Frontleute platziert. Die EM selbst ist für uns Phase drei. Wir lassen unsere Pressearbeit auch in diesen drei Phasen evaluieren. Dazu gehören quantitative und qualitative Analysen, telefonische Nachbefragungen der Journalisten und Feedbackgespräche mit den Programmverantwortlichen. Was wir künftig noch besser machen wollen, halten wir schriftlich fest, damit die ganze Presse-Abteilung als ‚lernendes System‘ davon profitieren kann. • Unsere ‚Bildkomm‘ konzipierte eine fotografische EM-Ästhetik, unsere Interne Kommunikation brach das Thema EM auf Mitarbeiterzeitungen, Intranet und Blog herunter. • Außerdem hatten wir die Idee, die gute Kooperation mit dem ZDF auch in die Pressearbeit zu verlängern, zum Beispiel durch ein gemeinsames Presseheft zur großen Pressekonferenz und eineDoppelmoderation dort.
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TITEL
Identit채t l채sst sich ni entwerfen. Sie ist ein Prozess, der immer Unternehmenskultu gemessen werden m 20
Foto: Valckenborch/ wikimedia.org
cht am ReiĂ&#x;brett fortwährender wieder an r und -philosophie uss.
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TITEL
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Auf der Suche nach Unternehmensidentität wird das Design häufig überbetont. Andere Faktoren drohen dabei auf der Strecke zu bleiben.
Mehr Charakter statt wohlfeiler Sprüche. TEXT SEBASTIAN GÜLDE
Die Forderung nach einem grundsätzlichen Wandel kam alles andere als überraschend. Sie war längst überfällig. Und erstaunte dennoch. Die Unternehmenskultur bei Opel in Deutschland müsse sich grundlegend ändern, forderte Stephen Girsky, stellvertretender Chef des USMutterkonzerns General Motors (GM), Ende Mai in der „Zeit“. In der Tat hatte der ohnehin angeschlagene Autobauer in der Vergangenheit immer wieder Negativschlagzeilen einstecken müssen. Dabei ging es nicht nur um sinkende Absatzzahlen und eine vermeintlich angestaubte Produktpalette, auch der Umgang zwischen GM und seiner Tochter Opel und die Informationspolitik gegenüber Mitarbeitern, wenn es mal wieder um die Auslagerung von Produktionsprozessen geht, wurden immer wieder attackiert. Doch um einen versöhnlicheren Ton gegenüber Opel-Beschäftigten ging es Girsky weniger. Und so wirkte sein Vorschlag für eine neue Unternehmenskultur auf die Mitarbeiter eher wie ein Affront: „Wenn Sie jahrelang Verluste schreiben, die immer vom Konzern ausgeglichen werden, dann gewöhnen Sie sich daran und halten es irgendwann für normal, Geld zu verlieren“, sagte Girsky. „Wir müssen damit aufhören, überoptimistische Ziele zu setzen und unerreichbare Marktanteile einzuplanen.“ Da das Unternehmen in Europa auch nach einem harten Sanierungskurs weiter Überkapazitäten hätte, müsse man auch darauf reagieren. Über mögliche weitere Werksschließungen aber wollte der GM-Vizechef nicht sprechen, und auch was Einschnitte konkret mit der Unternehmenskultur zu tun hätten, verriet er nicht. Seit Monaten bestimmen Gerüchte um die Schließung von Fertigungsstätten die Berichterstattung um Opel. Die Belegschaften der einzelnen Werke würden gezielt gegeneinander ausgespielt, hieß es im „Spiegel“. Ob beispielsweise der Astra weiterhin in Rüsselsheim oder künftig im polnischen Gliwice hergestellt werden soll, behält die Konzernführung weiterhin für sich. Eine gemeinsame Unternehmensidentität sieht anders aus. Dabei hatte Opel sich erst vor sechs Jahren eine neue ‚Identität‘ verpasst. „Neue Corporate Identity für Opel“ hatte der Autobauer im Jahr 2006 öffentlichkeitswirksam angekündigt. Doch hatte der Konzern weder seine Produktpalette aufmotzen noch die Unternehmenskultur grundlegend verändern wollen. Der Auftritt der über 2.000 Vertragshändler war stattdessen für Opel das zentrale Element seiner Corporate-Identity-Strategie. „Klare Linien“, „technisch modern“, „anpassungsfähig und zugleich kosteneffizient“ sollte der neue Auftritt der Opel-Händler sein. Und so setzte man in den Opel-Häusern auf „stimmungsvoll“ beleuchtete Kundentheken, Beratungsinseln, Markenwände und ein Podest für neue Modelle. 400 Millionen Euro hatte die Umstellung auf das neue Design General Motors und die Opel-Händler gekostet. Sicher, eine solide Auffri22
schung des eigenen Markenauftritts. Aber eine Änderung der Unternehmensidentität? Dass nicht nur das Erscheinungsbild, sondern auch die Identität einen immer wichtigeren Stellenwert in der Außendarstellung eines Unternehmens einnimmt, gehört inzwischen zu den Allgemeinplätzen der Unternehmenskommunikation. Nicht nur eine kritischere Öffentlichkeit fordert von den Unternehmen ein klares Profil, auch der Wettbewerb zwischen den Unternehmen wird schärfer. Die Firmen brauchen daher ein tragfähiges Konzept für die Zukunft und klare Verhaltensrichtlinien für alle Beschäftigten. Innerhalb von Unternehmen wächst hingegen der Wunsch nach Zugehörigkeit. Gleichzeitig verliert die Identität von Unternehmen aber immer mehr an Schärfe. Wo nicht mehr charismatische Firmengründer das Bild des Unternehmens bestimmen, Firmen fusionieren, Leiharbeiter eingesetzt, einzelne Fertigungsprozesse und Dienstleistungen ausgelagert werden, geht vielen Mitarbeitern das sprichwörtliche ‚An-einem-StrangZiehen‘ verloren.
Wir werden gesehen
Wer allerdings ein unverwechselbares Image hat und sich mit einer klaren Identität von den übrigen Wettbewerbern abhebt, hat im Ringen um Kunden und mediale Aufmerksamkeit die besseren Chancen. Viele Unternehmen wollen daher das Zusammengehörigkeitsgefühl der Kollegen stärken und das Profil der Firma schärfen, den Auftritt des Unternehmens von innen aus steuern. Doch eine Corporate-Identity-Strategie benötigt vor allem eins: Zeit. Denn bis sich neue Richtlinien für alle Mitarbeiter durchgesetzt haben, ein zukunftsfähiges Leitbild für das Unternehmen erarbeitet und vermittelt wurde, vergehen Monate, manchmal Jahre. Wichtig ist für sie daher nicht nur die Frage „Wie sehen wir uns im Augenblick?“, sondern auch eine Antwort auf „Wo wollen wir eigentlich hin?“. Der neidvolle Blick auf Wettbewerber oder andere erfolgreiche Branchen hilft dabei nur wenig. Die Verführung ist groß, die Strahlkraft und das stark menschelnde Leitbild beispielsweise eines bekannten und erfolgreichen Öko-Brauseherstellers einfach für das eigene Unternehmen zu übernehmen. Die Einzigartigkeit des eigenen Unternehmens, die besondere Hochwertigkeit der eigenen Produkte lassen sich allerdings mit einem solchen Copy-PasteKonzept nicht hervorheben. Für eine langfristig wirksame Strategie müssen daher vor allem die Stärken des Unternehmens hervorgehoben und entlang einer Firmenphilosophie prägnant kommuniziert werden. Kurz: Das Unternehmen benötigt ein klares Ziel, welches Kollegen und Kunden nicht nur verstehen, sondern das sie tatsächlich begeistert, mitreißt.
TITEL
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Viel Arbeit
Die eigene Unternehmensidentität herauszuarbeiten oder gar zu verändern, bedeutet viel Arbeit. Am augenscheinlichsten für eine CorporateIdentity-Strategie ist das einheitliche Erscheinungsbild, das die Unternehmensphilosophie widerspiegelt. Denn ein klares Produktdesign, ein immer wiederkehrender Slogan, eine eigene Unternehmensfarbe und nicht zuletzt das Unternehmenslogo haben einen hohen Wiedererkennungswert und werden leichter wahrgenommen als vermeintlich umständliche Leitbilder und Verhaltensmaßregeln. Es lässt sich auch schneller vereinheitlichen als das Verhalten aller Mitarbeiter. Aber nicht nur das äußere Erscheinungsbild halten Kommunikationsexperten für identitätsprägend. Auch die Büroausstattung, die Kleidung der Mitarbeiter und deren Arbeitsmaterialien hätten Signalwert, schreibt etwa Volker Spielvogel. „Die abgetretene Fußmatte des Computerherstellers im Eingangsbereich zum PC-Anbieter; die an Paketschnüre gebundenen Plastik-Kugelschreiber des Softwareherstellers an der Empfangstheke, die jämmerlich vertrockneten Zimmerpflanzen auf den Fluren […] Ihre Botschaft heißt: keine Lust, Gleichgültigkeit, kein Interesse, keine Kreativität, keine Liebe zum Detail.“ Wesentlich wichtiger aber als optische Reize ist das Leitbild des Unternehmens. Ein Ziel nach dem Motto „in drei Jahren haben wir unseren Gewinn um 5 Prozent gesteigert“, ist schnell formuliert und sogar recht deutlich. Wirklich mitreißen könnte man damit aber bestenfalls Aktionäre. Kunden und Mitarbeiter drückt ein solcher Satz vermutlich nur noch tiefer in die Stühle. Eine Vision muss jedoch alle Beteiligte begeistern. Sie gehört zu den wesentlichen Bestandteilen der Firmenphilosophie. Aus dieser Philosophie müssen schließlich Verhaltensgrundsätze abgeleitet werden, die für alle Mitglieder eines Unternehmens gelten. Innerhalb des Unternehmens lässt sich so ein Wir-Gefühl herstellen, aber auch si20120424 PressesprecherApril2012-berechenbar copy.pdf
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24.04.12
cherstellen, dass alle entlang eines gemeinsamen Leitbilds handeln. Die Kollegen sind davon überzeugt, auf ein gemeinsames Ziel hinzuarbeiten. Für das Gros der Kommunikationsexperten liegt in der Unternehmenskultur und dem Unternehmensverhalten das eigentliche Kernstück der Unternehmensidentität. Denn Taten und Handlungsweisen hinterlassen bei Anspruchsgruppen einen stärkeren Eindruck als flüchtige optische Maßnahmen.
Design schlägt Kultur
Soweit die Theorie. In der Praxis aber bleiben viele Identitätskonzepte von Unternehmen bei optischen Veränderungen stecken. Eine frische Farbe, ein flottes Design: Fertig ist die neue Corporate Identity. Man ändert schlicht sein Erscheinungsbild und verkauft das als grundlegenden Wandel. Dabei muss man sich nicht einmal am vielzitierten Beispiel Schleckers und seiner „For-you-for-Ort“-Kampagne festbeißen. Opel, Hertz, RWE – die Liste derer, die ihr Unternehmensprofil auf Corporate Designs und knackige Slogans reduzieren, ließe sich beliebig fortsetzen. Sicher, für die eigene Identität ist ein unverwechselbares Logo zwar ein wichtiger Baustein, aber eben nur einer unter vielen. Welche Ziele das Unternehmen verfolgt, für welche Werte es steht und welche Rolle die Mitarbeiter in diesem spielen, ist damit aber noch nicht beantwortet. Kommunikationsverantwortliche und Manager sollten sich also häufiger die Frage stellen: „Wo wollen wir hin“, auch wenn die Antwort darauf weniger locker daherkommt als eine frische Farbe. Mit „Chakka-Du-schaffst-das“-Parolen oder einer blitzblanken Reklame werden Unternehmen weder bei Mitarbeitern noch bei Kunden oder Zulieferern Begeisterungsstürme wecken. Oder, um es mit Peter Ustinov zu sagen: „Vollkommenheit hat keinen Charakter.“
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AGENDA
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Hochschulrektorenkonferenz-Präsident Horst Hippler hält nicht viel von Harmonie. Mit radikalen Ideen will er die deutsche Hochschullandschaft reformieren. Die Hochschuleinrichtungen sind zwar empört – üben sich jedoch in Zurückhaltung. Denn längst sind es andere Bewertungssysteme, die den Alltag der Pressesprecher bestimmen.
Hochschulen im Klassenkampf
Verhaltener Beifall, besorgtes Murmeln in den Reihen. Als die Mitgliederversammlung der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) Ende April nach einer fast dreistündigen Wahl endlich einen Präsidenten bestimmt hatte, ahnten wohl die meisten der Anwesenden, dass der neue Amtsinhaber polarisieren würde. Denn Horst Hippler galt als umstritten. Und sie sollten Recht behalten. Der neue Präsident stellte schon bald klar, dass er einen anderen, radikaleren Weg als seine Vorgängerin Margret Wintermantel einschlagen würde. „Unis müssen Downgrade fürchten“, titelte die „Financial Times Deutschland“ nur wenige Tage nach Hipplers Amtsantritt schlagzeilenträchtig. Ein HRK-Präsident auf Seite eins einer überregionalen Tagesszeitung. Das war vor Hippler noch keinem seiner Vorgänger gelungen. Der HRK-Präsident hatte vorgeschlagen, forschungsstarken Fachhochschulen das Promotionsrecht zu gewähren. Im Umkehrzug soll dieses Recht forschungsschwachen Universitäten entzogen werden. Ein Vorschlag, der ein enormes Medienecho auf sich zog und die Hochschullandschaft in Aufruhr versetzte. Denn Hipplers 12
Idee trifft auf einen empfindlichen Nerv. Schon seit Jahren nimmt der Wettbewerb der Hochschulen untereinander zu. Im Kampf um gute Rankingplätze und Exzellenzauszeichnungen spielen Forschungsergebnisse eine immer größere Rolle. Würde sich Hipplers Vorschlag durchsetzen, käme dies einer Revolution des Hochschulsystems gleich. Doch noch verharren die Kommunikationsverantwortlichen der Hochschulen in Wartestellung.
Der umstrittene Kandidat
Schon vor seiner Wahl zum Präsidenten der Hochschulenrektorenkonferenz galt Hippler als Wackelkandidat. „Auf der Wahl ging es dramatisch zu“, sagt Christiane Dienel, Präsidentin der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst (HAWK), „Hippler galt für viele als unwählbar.“ Denn schon in seiner Tätigkeit als TU9Präsident hatte er mit seinen Forderungen die Kritik vieler Fachhochschulen auf sich gezogen. So hatte Hippler etwa dem Bachelor abgesprochen, ein berufsqualifizierender Abschluss zu sein. Das Diplom solle wieder eingeführt werden. Ein Vorschlag, der für die Fachhochschulen einem Rück-
schritt gleichkommt. „Durch die Einführung von Bachelor und Master sind die Hochschulen gleichgestellt. Eine Wiedereinführung des Diploms würde die alte Trennung wieder herstellen“, sagt Dienel. Zudem bestehe, so hatte Hippler noch vor seinem Amtseintritt verkündet, „keine Notwendigkeit“, Fachhochschulen das Promotionsrecht zu gewähren. Und nun sein neuester Vorschlag: Fachhochschulen, die leistungsstark forschen, sollen sich einfach gleich in Universität umbenennen lassen können, und somit das Promotionsrecht in Anspruch nehmen dürfen. Umgekehrt soll Hochschulen, die schwache Forschungsergebnisse liefern, der Titel der Universität aberkannt werden. Die Forschung als einziger Leistungsparameter? Das mag auf den ersten Blick logisch erscheinen. Und kann dennoch nicht funktionieren. Darüber sind sich die meisten Hochschulvertreter einig. „Hippler möchte die Anzahl der Promotionen, der einbezogenen Drittmittel und Publikationen dazu verwenden, um zu beurteilen, wer sich Uni und wer sich FH nennen darf “, sagt Elisabeth Hoffmann, Leiterin Presse und Kommunikation der TU Braunschweig
und Vorsitzende des Bundesverbands Hochschulkommunikation. „Die Fachhochschulen sagen zu Recht: Wir sind anwendungsorientiert und deswegen nicht weniger wert. Der Wettbewerb unter den Hochschulen ist schon seit Jahren immens.“ Rankingplätze und Gütesiegel spielen hierbei eine große Rolle. Ob DFG-Ranking oder Exzellenzauszeichnung: Die Liste der Hochschul-Bewertungsinstitutionen ist lang. Hoffmann bewertet diese Entwicklung jedoch durchaus als positiv: „Mehr Wettbewerb ist gut und bringt neuen Schwung in die Hochschullandschaft“, sagt sie. Darüber hinaus erhalten Studieninteressierte durch Rankings eine wichtige Orientierungshilfe. Ein Aspekt, der mit der stetig steigenden Anzahl an Studiengängen an Bedeutung gewinnt. Bislang zeigen sich die Fachhochschulen gegenüber Hipplers Vorschlag selbstbewusst und wenig ambitioniert, den Titel einer Universität ergattern zu wollen. „Was Herr Hippler macht, ist ein unnötiges Gegeneinanderausspielen“, sagt Dienel. „Absolventen anwendungsbezogener Studienabgänge sind auf dem Arbeitsmarkt heiß begehrt. Unsere Bachelorstudenten haben häufig
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TEXT LUCIA DETTMER
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Um ihren Absolventen eine Promotion zu ermÜglichen, kooperieren viele Fachhochschulen mit Universitäten 13
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systeme. Seit Oktober vergangenen Jahres ist das CHE aus dem puren Forschungsranking ausgestiegen. Unter dem Motto „Vielfältige Exzellenz“ bewertet das Ranking Hochschulen anhand von vier Dimensionen: Anwendungsbezug, Internationalität, Studierendenorientierung und Forschung. Aspekte, die von anderen Uni-Rankings bislang nicht mit einbezogen wurden. „Eine schlechte Uni ist keine gute FH“, sagt Britta Hoffmann-Kobert vom CHE. „Hochschulen ha-
kürzlich. Darüber hinaus werden die Kriterien, um eine Hochschule zu evaluieren, immer differenzierter. Die Universität zu Köln etwa, die in der Bewertung ihrer Lehre insgesamt eher schwach dasteht, konnte nun das Equis-Gütesiegel für Exzellenz in Forschung und Lehre seiner Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät ergattern. Sie katapultierte sich somit in den erlesenen Kreis einer internationalen Elite. „Jede Uni hat Stärken und Schwächen. Es gibt daher
Der neue HRK-Präsident sorgt für Aufruhr: Horst Hippler
antwortlichen der Hochschulen zunächst jedoch abwarten zu wollen. Ein Gegenangriff ist nicht geplant. „Bislang geben sich die FHs nicht sehr kämpferisch“, sagt Dienel, „sie wollen die Harmonie bewahren. Wir hoffen, dass es zu einer Diskussion anstatt einer Gegenüberstellung von Fachhochschulen und Universitäten kommt.“ Denn das Hochschulsystem bewegt sich längst in eine neue Richtung. Dies spiegelt sich auch in der Konzeption des Hochschulrankings der „Zeit“ wider. Das Ranking des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) gilt als eines der bedeutsamsten Hochschulbewertungs14
ben unterschiedliche Stärken – nur auf Forschung zu schauen, würde ihnen nicht gerecht werden. Eine Kategorisierung in FH und Uni funktioniert heute nicht mehr.“ Schon heute ist in der Bezeichnung der Hochschulen die Vorsilbe „Fach“ vielfach verschwunden. Stattdessen heißt es wie im Fall der HAWK schlicht „Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst“. Verschwunden ist bei den Bachelor- und Master- Abschlüssen auch der Zusatz „FH“ in Klammern. „The University formerly known as Fachhochschule“ bezeichnete Spiegel Online den Vorstoß der Fachhochschulen erst
keine schlechte Bewertung im eigentlichen Sinne“, sagt HoffmannKobert. Ebenso komplex wie die Hochschulen und deren einzelne Fakultäten gestaltet sich heute auch die Kommunikation. „Kommunikationsarbeit an Hochschulen bedeutete früher klassische Pressearbeit“, sagt Patrick Honecker, Pressesprecher der Universität zu Köln. „Heute geht es vielmehr um Reputation und Issues-Management. Schließlich sind wir kein privatwirtschaftliches Unternehmen, sondern ein Verbund vieler autonomer Bereiche.“ Auch die Kommunikationsveranwortlichen anderer Hochschulen sind sich einig,
dass das Profil einer Hochschule an immer mehr Bedeutung gewinnt. „Die Komplexität der Hochschulen macht es für sie schwer, einen Konsens zu finden“, sagt Hoffmann. Und auch die Studieninteressierten legen auf gänzlich verschiedene Aspekte wert.
Individualisierte Bildung
Während für manche der Studieninhalt das Wichtigste sein mag, achten andere wiederum darauf, ob ihnen der Campus gefällt oder eine Hochschule in Rankings gut abschneidet. „Die Unis müssen sich fragen: Was wollen wir? Und in welche Richtung wollen wir uns entwickeln? Und das müssen sie dann schließlich nach außen kommunizieren“, sagt Hoffmann. Der Trend geht hin zu einem differenzierten Hochschulsystem mit individuellen Stärken und Schwerpunkten. So sehen es auch die Macher des CHE-Rankings. „Wir wollen nicht für eine Gesamtwertung sorgen. Das Prinzip unseres Rankings ist es, dass die Studieninteressierten ihre eigenen Kriterien festlegen sollen, um danach eine Hochschule auszuwählen“, sagt Hoffmann-Kobert. HAWK-Präsidentin Dienel erwartet darüber hinaus eine weitere Individualisierung des Promotionsrechts. „Es wird hin zu einem differenzierten Bildungssystem gehen, das das Promotionsrecht an spezifische Fakultäten bindet“, sagt sie. Ein Gedanke, der die Debatte um die Klassifizierung der Hochschuleinrichtungen entschärfen könnte und für eine weitere Individualisierung der Hochschullandschaft sorgen würde. Auch Hippler scheint indessen von seinem Vorhaben Abstand zu nehmen. Erst kürzlich sagte er in einem Interview mit Spiegel Online: „Es gibt keine perfekte Hochschule. Es ist ein stetiger Wandel, eine stetige Anpassung an die Herausforderungen, und das muss auch so weitergehen. Wichtig ist mir vor allem, dass die Hochschulen mehr Freiheit bekommen.“ Noch ist also nichts entschieden. Die Kommunikationsexperten der Hochschulen haben jedoch gezeigt, dass sie zu einer Diskussion bereit sind.
Fotos: Harry Marx Karlsruhe Institute of Technology (KIT)
noch vor ihrem Abschluss ihren ersten Arbeitsvertrag.“ Schon heute können gute Fachhochschulabsolventen promovieren. Viele der anwendungsbezogenen Hochschulen wie die HAWK kooperieren mit regionalen Universitäten, um ihren Studenten eine Promotion zu ermöglichen. Die kritische Haltung der Fachhochschulen gegenüber Hippler stößt indessen auch bei den Universitäten auf Unterstützung. Aller Aufregung zum Trotz scheinen die Kommunikationsver-
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