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Sprecherspitze und Kommentar
Mit Liebe zu Hause SPRECHERSPITZE
Eigentlich sollte es in dieser Sprecherspitze um Folgendes gehen: „Unsere Stars: Wie sie wohnen. Wen sie lieben.“ So war es in der vergangenen Ausgabe angekündigt. Angesichts der Coronakrise wirkt dieses Thema deplatziert. Unsere PR-Celebrities sitzen fas t alle zu Hause.
Sie schrecken allerdings nicht davor zurück, ihre Pantoffeln, Trainingsklamotten, Kochkünste, Weinvorräte, Gärten und Wanddekorationen zu präsentieren. Jede Form von „Zuhause“ möchte aktuell nur niemand mehr sehen. Man möchte wieder nach draußen. Wie eine nach dem Winter auf die Weide gelassene Kuh in der Gegend rumspringen, Purzelbäume schlagen, Seifenblasen in die Luft pusten, bei einer After-CoronaParty das Tanzbein schwingen oder sich einen trinken. Letzteres dürfte noch auf sich warten lassen.
Auch um die Frage, wen unsere Stars lieben, ist es nicht gut bestellt. Trotz ausführlicher Recherche auf Twitter, Facebook und Instagram, nach intensivem Stöbern auf Linkedin und Gesprächen mit Brancheninsidern ist es nicht gelungen, zu diesem Thema etwas Interessantes zusammenzubekommen.
Das Durchsuchen der Fotogalerien vergangener Events konnte nur begrenzt Indizien liefern, wer mit wem was hat. Klar ist: Es gibt sie, die Beziehungen der Branche. Ein Pressesprecher wurde vor kurzem Hand in Hand mit einer Beraterin gesehen. Eine ehemalige Pressesprecherin und ein Manager für interne Kommunikation sollen sogar verheiratet sein. Das Coronavirus ist in Sachen Partnersuche allerdings ein gewaltiges Hindernis: Teams, Slack, Whatsapp und Zoom sind noch lange kein Tinder. Das schönste Online-Tool mit dem most fancy Hintergrund ersetzt kein feuchtfröhliches Firmenevent. Die letzte Hoffnung stellen dieses Jahr die Weihnachtsfeiern dar. Vielleicht geht da ja was für den einen oder anderen.
Angeblich lernt sich ein Drittel aller Paare auf der Arbeit kennen. „Gar nicht so dumm, sich den Schnuckelbären direkt am Arbeitsplatz zu suchen“, schreibt die IG Metall auf ihrer Website. Der Text ist von 2012, aber topaktuell. Allerdings warnt die Gewerkschaft zugleich: „Wer sich schon am Arbeitsplatz stundenlang auf der Pelle sitzt, läuft Gefahr, sich irgendwann auf die Nerven zu gehen.“ Wie sieht das erst im Homeoffice aus? Das ist der Arbeitsplatz!
Der Artikel verbreitet aber auch gute Laune. Verliebte Mitarbeiter seien engagierter und würden gerne Zusatzaufgaben übernehmen, um länger in der Nähe des oder der Angebeteten zu sein, so die Gewerkschaft. Das ließe sich zu Hause prima nutzen. Das Ein- und Ausräumen der Spülmaschine und das Wegbringen von leeren Pfandflaschen müssten verliebten Partnern im Homeoffice leicht von der Hand gehen. Bitte den Müll nicht vergessen, Schatz! „Die Liebe am Arbeitsplatz wirkt sich zudem positiv auf das Arbeitstempo aus“, ist noch so eine Weisheit. Keiner arbeitet schneller als Menschen mit Schmetterlingen im Bauch. Es gilt zu beherzigen, dass „heimliche Treffen während der Arbeitszeit und das ‚Knutschen‘ am Kopierer“ vermieden werden sollen. Schmutzige Beziehungswäsche im Homeoffice zu waschen, ist sowieso ein Tabu, weil dort noch die normale Wäsche ansteht. Eine verrückte Zeit! ×
Julia Bernhard
Ju lia Bernhard ist freischaffende Illustratorin und Comiczeichnerin. Sie lebt und arbeitet in Mainz. Ihre Arbeiten erschienen unter anderem in den Magazinen „The New Yorker“, „The Lily“ und „The Nib“. Julia Bernhard wurde mehrfach ausgezeichnet – beispielsweise vom Art Directors Club für Deutschland (ADC). Sie erhielt den Designpreis Rheinland-Pfalz und stand auf der Shortlist des Comicbuchpreises der Berthold Leibinger Stiftung sowie der Folio Society Illustration Competition. Als Dozentin unterrichtet sie Illustration an der Hochschule Mainz und der Freien Kunstakademie Frankfurt. Ihr ComicDebüt „Wie gut, dass wir darüber geredet haben“ erschien 2019 im Avant-Verlag. Sie gestaltete bereits den „pressesprecher“ 5/2019.
www.juliabernhard.de instagram.com/juliabernhardcomics instagram.com/juliabernhardillustration
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Die Stunde der Pressesprecher KOMMENTAR
Von VOLKER THOMS
Würde man Kommunikationsverantwortliche aktuell fragen, ob sie ihre Tätigk eit oder die einer Ärztin oder Krankenschwester für wichtiger halten, dürfte sich wohl keiner für den Kommunikationsberuf aussprechen. Die P olitik musste in der Coronakrise allerdings entscheiden, welche Tätigkeiten sie als systemrelevant einstuft. Die Auswahl hat Auswirkungen darauf, wer Anspruch auf die Kita-Notbetreuung hat. Es ist eine schwierige Abwägung. Selbst in dieser Ausnahmesituation spielt Lobbying eine Rolle. Welche Branche will nicht systemrelevant sein?
Mehr als einen Monat nach Beginn der Kontaktverbote und Ausgangsbeschränkungen lässt sich jedenfalls festhalten: Die Coronakrise zeigt, wie wichtig professionelle Pressearbeit ist.
Kommunikatoren in Ministerien und Rathäusern informieren über die ak tuellen Infektionszahlen. Sie erklären Lockerungen und Verschärfungen von Maßnahmen und liefern Informationen zu wirtschaftlichen Hilfen für einzelne Branchen. Sie geben J ournalisten Auskunft und bespielen ihre eigenen Kanäle. Pressesprecher der Krankenhäuser sowie diejenigen aus dem Bereich der kritischen Infrastruktur wie Telekommunikation, Energie, Verkehr und Finanzwesen sind ebenso gefragt – allein schon um Vertrauen in die Funktionsfähigkeit ihrer Systeme herzustellen. Diese Aufgaben sind unverzichtbar. Zahlreiche Kommunikatoren müssen dagegen schlechte Nachrichten verkünden: dass ihre Unternehmen Werke temporär schließen, Kurzarbeit anmelden oder staatliche Hilfen benötigen. Öffentlichkeit, Kunden und vor allem die Mitarbeiter wollen wissen, wie es weitergeht. Pressearbeit bedeutet heute automatisch, Social Media mitzubedienen. All das muss in dieser Krise oft mit wenig Personal, aus dem Homeoffice und unter Zeitdruck erfolgen. Es ist die Stunde der Pressesprecherinnen und Pressesprecher, die verstanden haben, welche Informationen Medien für ihre Arbeit benötigen, und die interne Kommunikation gleich mitdenken.
Handeln ist angesagt
Kommunikationsverantwortliche sollten sich allerdings nicht darauf beschränken, lediglich zu kommunizieren, was der Öffentlichkeit mitgeteilt werden muss. Selbst diese Krise bietet Potenzial für Storytelling.
Die Agentur Havas hat ermittelt, dass 43 Prozent der Menschen es zwar für falsch halten, wenn Unternehmen
Kommunikation muss empathisch sein. Kapital aus der Krise schlagen zu wollen, ist fatal.
die Coronakrise nutzen, um sich selbst in ein gutes Licht zu stellen. 51 Prozent sagen allerdings auch, dass Marken aktuell Werbung machen dürfen wie zuvor. Die Grundvoraussetzung ist allerdings, dass die Kommunikation empathisch und der Situation angemessen ist. In den Verdacht zu geraten, aus der Krise und aus dem Leid anderer Kapital zu schlagen, kann Vertrauen zerstören, das man spätestens nach der Corona-Zeit gebrauchen kann, wenn die Nachfrage wieder anziehen dürfte.
Haltung und Purpose wurden zuletzt zu PR-Luftnummern. Jetzt ist Handeln angesagt. Der Ton macht die Musik. Gute Kommunikatoren wissen, was die richtige Sprache ist. ×
STATISTIK „Tagesschau“ mit Top-Quoten
Von den zehn reichweitenstärksten Sendungen der „Tagesschau“ liefen acht während der Coronakrise. Lediglich Sendungen während der Fußball-WM 2014 in Brasilien und der EM in Frankreich 2016 konnten da mithalten.
Datum 29. Juni 2014 22. März 2020 5. April 2020 27. Juni 2016 15. März 2020 29. März 2020 21. März 2020 28. März 2020 23. März 2020 18. März 2020 Zuschauer 20.118 18.775 17.701 17.561 17.521 17.451 17.448 16.038 15.641 15.595 Marktanteil 57,9 46,0 48,3 56,4 47,0 45,8 47,3 45,3 42,2 40,9
Sendungen zwischen 1. Januar 1991 und 5. April 2020. Zuschauer ab drei Jahren. Alle Sender. Quelle: NDR.