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Vor allem empathisch

Was PR-Profis können müssen

Welche Kompetenzen und Fähigkeiten müssen Kommunikatoren heute besitzen? Diese Frage haben wir vier Kommunikationsverantwortlichen gestellt. Die Anfragen haben wir versendet, bevor die Coronakrise das dominierende Thema wurde.

Eine Prise Humor

Die Erwartungen an die Kompetenzen guter Kommunikatoren variieren stark und werden von Menschen außerhalb der Branche häufig über- oder unterschätzt. Man muss lernwillig sein und sich auf sein Handwerkszeug verlassen können. Nach meinem Berufseinstieg in einer Agentur beschäftigte ich mich mit Print-Publikationen. Dann waren es Brand und Corporate Communications in einem internationalen Konzern. Interne Kommunikation kam hinzu. Die Coronakrise erfordert jetzt Krisenkommunikation.

Gute Kommunikatorinnen und Kommunikatoren benötigen vor allem Weitblick, Empathie und Ausdauer.

Weitblick: Kommunikationsverantwortliche müssen journalistisch denken. Sie erahnen Themen wie die aktuelle Coronakrise meist, bevor sie bei Twitter oder Google trenden. Unternehmen können von der Flexibilität durch den zeitlichen Vorsprung profitieren und sich umgehend auf neue Situationen einstellen. In Krisen wird schnell sichtbar, ob Unternehmen ihre Kommunikation

„Gute Kommunikatorinnen und Kommunikatoren benötigen vor allem Weitblick, Empathie und Ausdauer. “

Aileen Wagefeld

gut und nachhaltig steuern oder plötzlich zu Getriebenen werden.

Empathie: Auch wenn Daten- und Analysekompetenzen fürs Storytelling essentiell sind: Kommunikatoren brauchen Feingefühl für Menschen und Sprache. Sie müssen einschätzen können, welche Reaktionen durch bestimmte Inhalte und Botschaften ausgelöst werden – intern wie extern.

Ausdauer: Der finanzielle Wert guter Kommunikation ist und bleibt für Unternehmen schwer messbar. Kommunikatoren sind des Öfteren mit fachfremden Meinungen konfrontiert. Brauchen wir das alles wirklich? Das verlangt ein gewisses Maß an Resilienz. Gute Kommunikatoren setzen zudem auf eine ordentliche Prise Humor.

Aileen Wagefeld ist Senior Manager PR & Communications beim Makler-Start-up Homeday.

Oldschool ist „in“

Wie oft müssen wir Kommunikatoren uns anhören, dass Kommunikation eigentlich jeder kann? Schließlich kommunizieren wir alle den lieben langen Tag.

Dass es offenbar doch nicht ganz so einfach ist, beweist die Corona-Ausnahmesituation. Wie viele hilf- und sprachlose und kommunikativ über forderte Unternehmen und Institutionen habe ich in den vergangenen Tagen erlebt? Das hatte gelegentlich apokalyptische Züge. Wenn es im Ergebnis nicht so traurig wäre, ließen sich aus der Vielzahl an verhunzten Mailings, radebrechenden Pressemitteilungen oder tausendfach vorprogrammierten SocialMedia-Posts Milieustudien ableiten und

Rückschlüsse auf Dinge wie Unternehmenskultur, Kommunikationsstrategien oder den vielzitierten „Purpose“ ziehen.

Glücklicherweise gibt es eine Reihe positiver Ausnahmen. Gemeint sind Menschen, die gerade in Zeiten der Krise ganz neue Seiten ihrer Unternehmen oder Institutionen sichtbar machen und im kommunikativen Dunkel für Orientierung und gelegentlich auch ein Schmunzeln sorgen. In einigen Häusern sitzen glücklicherweise Kommunikatoren, die unaufgeregt und mit einem klaren Kompass durch die Krise steuern und dabei professionell das notwendige Maß an Klarheit, Besonnenheit, Empathie und Souveränität vermitteln – vermeintliche „Oldschool“-Kompetenzen, die gerade in diesen Tagen von uns Kommunikatoren verlangt werden – und alles andere als selbstverständlich sind.

Christian Garrels arbeitet aktuell als freier Kommunikationsberater. Zuletzt war er für Philip Morris und davor für den ADAC tätig.

Digitales und Analoges verbinden

Unabhängig davon, ob man in einem beruflichen oder persönlichen Umfeld etwas kommunizieren muss, ist eine der wichtigsten Fähigkeiten jedes Kommunikators, die Balance zwischen den neuen digitalen Technologien und analogen Soft Skills herzustellen. Dass dies immer wichtiger wird, sehen wir nicht nur in Zeiten von Corona und Kontaktverboten, in denen ein Arbeiten ohne Zoom oder Slack für mich unvorstellbar wäre. Mich mit einem Journalisten per Videokonferenz zu unterhalten statt persönlich mit Maske und zwei Metern Abstand, finde ich aktuell die bessere Lösung.

Technologie allgemein – insbesondere die künstliche Intelligenz (KI) – entwickelt sich rasant. Es wird nur eine Frage der Zeit sein, bis automatisierte Plattfor

„Dass es offenbar doch nicht ganz so einfach ist, beweist die Corona-Ausnahmesituation.“

Christian Garrels

men auftauchen, die es PR-Spezialistinnen und -Spezialisten ermöglichen, in wenigen Minuten eine internationale Presseliste aus Tausenden von internationalen Quellen zu einem bestimmten Thema zu erstellen. Eine tolle Vorstellung, aber erreiche ich dann auch wirklich die richtigen Journalisten und Influencer, und werden sie auch auf mich und meine Nachricht reagieren, wenn wir noch nie vorher Kontakt hatten?

Ich denke, dass Kommunikatorinnen und Kommunikatoren in Zukunft beides brauchen: die Beherrschung der sich ständig weiterentwickelnden Technologie und die Fähigkeit, persönliche Beziehungen zu pflegen. In der Kommunikation geht es nicht nur darum, was man weiß, sondern auch darum, wen man kennt und welche persönlichberufliche Verbindung man aufgebaut hat. Vertrauen ist dabei wichtig, aber auch Respekt für den jeweils anderen Interessenbereich.

Ina Froehner ist Head of Communications beim Fintech-Unternehmen Finleap.

Empathische Strategen

Neben der handwerklichen Professionalität – zuhören, planen, schrei ben, messen – sind die drei wichtigsten Kompetenzen Einfühlungsvermögen, strategisches Orientierungsvermögen und Lernvermögen. Einfühlungsvermögen hilft, die Menschen aus unterschiedlichsten Kulturen, beruflichen Werdegängen und Hierarchien zu verstehen. Das ist wichtig für die Gestaltung von Kommunikationsinhalten und die maximale Kommunikationswirkung. Empathie hilft auch, die vielen Vorgesetzten zu verstehen, die man in Großorganisationen so hat.

Strategisches Orientierungsvermögen hilft, die volatilen, unsicheren, komplexen und mehrdeutigen Infor mationen einzuordnen und in operativ sinnvolle Vorgaben und Handlungen zu übersetzen. Insbesondere in Führungspositionen ist es wertvoll, klaren Kurs aufzuzeigen und zu halten.

„Lernvermögen hilft, sich ständig auf neue Situationen einzustellen.“

Felix Gress

Lernvermögen hilft, sich ständig auf neue Situationen einzustellen und Herausforderungen mit innovativen Lösungen erfolgreich zu bewältigen. Gerade im Zeitalter von Social Media und Internet ist es wichtig, Inhalt und relevante Zielgruppen bestens zu kennen und aufzubereiten sowie zusätzlich die verfügbaren Kanäle und deren neue Möglichkeiten nutzen zu können.

Perfekt sind nicht jene Kommunikateure (Anm. d. Red.: Menschen, die Kommunikation professionell betreiben), die eine Abwesenheit von Fehlern aufweisen, sondern eine Anwesenheit von Charakter.

Abstandsverweigerer: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (l.), Kanzleramtsminister Helge Braun (5. v.l.) und Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (6. v.l.) mit Ärzten und weiteren Politikern am Uniklinikum Gießen.

Inszeniert sich in der Krise als Macher: Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (l.) in einem Logistikzentrum vor Toilettenpapierstapeln.

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