Georg Meck im Interview
Wie der „Focus“-Chefredakteur das Nachrichtenmagazin ausrichten will.
Georg Meck im Interview
Wie der „Focus“-Chefredakteur das Nachrichtenmagazin ausrichten will.
Politische Wirtschaft Unternehmen und CEOs positionieren sich gegen die AfD.
Statement um 7 Uhr Warum die Sprecher der Deutschen Bahn regelmäßig vor die Kamera treten.
Die Kritik an Social Media konzentrierte sich in den vergangenen Monaten hauptsächlich auf X. Hier könne sich nach der Übernahme durch Elon Musk Hass und Hetze unkontrolliert verbreiten, heißt es oft. User suchten nach Alternativen und glaubten, sie in Mastodon und Bluesky gefunden zu haben. Mein Eindruck ist, dass einige Akteure aus dem politischen und medialen Umfeld wieder zu X zurückgekehrt sind, weil der Konkurrenz die Relevanz fehlt.
Zuletzt gab es einige Berichte darüber, wie die AfD Tiktok nutzt und wie präsent die Partei dort im Vergleich zu den anderen Parteien ist. Der Politik- und Kommunikationsberater Johannes Hillje hat ausgewertet, dass Videos des Kanals der AfD-Bundestagsfraktion zwischen Januar 2022 und Dezember 2023 im Schnitt 430.000 Impressionen erzielten, während die FDP als zweitbeste Partei lediglich rund 53.000 erreichte.
Die ARD/ZDF-Onlinestudie 2023 kommt zu dem Ergebnis, dass 30 Prozent der 14- bis 29-Jährigen Tiktok täglich nutzen. X erreicht in dieser Gruppe lediglich sieben Prozent. In Deutschland müssen Tiktok-User mindestens 13 Jahre alt sein. Im vergangenen Jahr führte die vom chinesischen Unternehmen ByteDance betriebene Plattform die Regel ein, dass unter 18-Jährige einen Code eingeben müssen, wenn sie mehr als 60 Minuten vor dem Bildschirm sitzen. Technisch begrenzt wird die Nutzungsdauer damit allerdings nicht. Die Vorgabe wirkt eher wie der Versuch, sich präventiv gegen Kritik an der intensiven Nutzung bei Minderjährigen zu wappnen.
Ich will hier sicherlich nicht den strengen Erziehungsberechtigten spielen. Als Unternehmen oder Marke aber völlig unkritisch seinen Tiktok-Kanal zu feiern und zu ignorieren, was für problematische Inhalte sich bei Themen wie der AfD oder zu Israel/Palästina unter Kindern und Jugendlichen verbreiten, kann es auch nicht sein.
Zum Zeitpunkt des Erscheinens des E-Papers streikt die Lokführergewerkschaft GDL gerade mal nicht. Wenn die gedruckte Version herauskommt, kann das wieder anders aussehen. Wir haben uns kurz vor einer längeren Streikphase mit Anja Bröker und Achim Stauß von der Deutschen Bahn darüber unterhalten, welche Funktion ihren Live-Statements in Streikperioden zukommt. Warum treten sie vor die Kamera? Was gilt es zu beachten? Darüber hinaus gibt es ein Interview mit Georg Meck, Chefredakteur des „Focus“. Mit ihm haben wir unter anderem über die Handschrift des Magazins gesprochen und wie er die Positionierung von Unternehmen und CEOs gegen die AfD einschätzt. Zu diesem Thema gibt es zwei weitere Artikel in dieser Ausgabe.
Viel Spaß beim Lesen!
Volker Thoms, Chefredakteur
MEINUNG
8 Kommentar
Unternehmen sollten gegen die AfD weniger moralisch und dafür stärker faktenorientiert argumentieren.
IM WORTLAUT
14
Der „Focus“
Chefredakteur Georg Meck spricht darüber, wie er das Magazin ausrichten will und wann er Haltung von CEOs für überzeugend hält.
TITEL: EXTERN
22
Politische Wirtschaft
Unternehmen tun sich mit politischen Statements oft schwer. Wie viel Risiko gehen Firmen damit ein?
26
Spezialwissen
Fachmedien sind nah dran an Verbänden und Unternehmen. Wie wichtig ist die Fachpresse für das Agenda Setting?
30
Trust Barometer
Edelman registriert in der jährlich stattfindenden Umfrage eine ausgeprägte Technologieskepsis und wenig Vertrauen in die Politik.
3 Editorial 6 Bilder 9 Sprecherspitze 10 Meldungen 74 Wechselbörse 75 Impressum 82 Zahlen
32
Vor der Kamera
Anja Bröker und Achim Stauß sprechen für die Deutsche Bahn. Welche Funktion haben ihre TV-Statements in Streikphasen?
38
KOM fragt Kommunikationsverantwortliche über Threads, Daten und die Kommunikation mit Bürgern.
42
Virtuelle Influencerin
Die Landesbank BadenWürttemberg setzt eine mit KI generierte Influencerin ein. Welchen Sinn hat das?
45
Zahlen-Dschungel Kennzahlen sollen dazu dienen, Kommunikation besser zu steuern. Oft werden sie nur für den Blick zurück genutzt.
MEDIEN
48
Table Media
Table Media hat bekannte Journalisten verpflichtet. Was liefert das Medium eigentlich an Inhalten?
52
Haltung im ÖRR
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk steht oft in der Kritik. Werden die gesellschaftlich relevanten Themen abgebildet?
PRAXIS
56
Entertainment first ProSiebenSat.1 Media hat seine Kommunikationsabteilung umstrukturiert und will seine Unterhaltungskompetenz unterstreichen.
60
KI-Kolumne
Konrad Göke über Möglichkeiten, niedrigschwellig in künstliche Intelligenz einzusteigen.
62
Die richtige Plattform
Die Zahl sozialer Netzwerke steigt. An welchen Parametern sollen sich Behörden bei der Nutzung orientieren?
66
Die EU will mehr Ehrlichkeit bei Nachhaltigkeitsversprechen. Was heißt das für Werbung und PR?
68
Krisenkommunikation Fehlverhalten von Führungskräften kann eine Organisation in eine schwere Krise stürzen. Bei der Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt ist Sensibilität gefragt.
AGENTUREN
72
Kurz vorgestellt Loredana Julia Schelper von Hill & Knowlton beantwortet den Agenturfragebogen.
76
Verband
Events 2024, Polarisierung, Nachwuchsförderung, Interview.
Fotos:
14
Im Wortlaut: Interview mit „Focus“Chefredakteur Georg Meck.
56
Wie die Kommunikationsabteilung von ProSiebenSat.1 Media aufgebaut ist.
32
Hohe TVPräsenz: Anja Bröker und Achim Stauß sprechen für die Deutsche Bahn während der Streiks.
42
Neu zum Leben erweckt: die virtuelle Influencerin Katharina von Württemberg.
„Focus“-Chefredakteur Georg Meck spricht im Interview darüber, wie er das Nachrichtenmagazin ausrichten will, welche Erwartung er an Wirtschaftsthemen hat und wie er die Haltung von CEOs zur AfD einschätzt.
Herr Meck, Mitte Oktober waren die Hamas-Morde in allen Magazinen das Titelthema. Da ich* auf dem Weg in den Urlaub war, wollte ich auch etwas Positives lesen. Ich habe mir dann am Flughafen aufgrund eines Porträts über London den „Focus“ gekauft. Bin ich ein typischer Leser?
Meck: Womöglich ja. „48 Stunden“ in einer attraktiven Stadt ist ein wiederkehrendes Format. Es wird generell gerne gelesen. Höchstwahrscheinlich ist es das Bedürfnis der „Focus“Leser, hin und wieder mal Wochenend-Trips zu machen.
Inwieweit erwarten „Focus“-Leser, in Ihrem Magazin etwas über solche weichen Themen zu finden?
ist seit April 2023 „Focus“Chefredakteur. Parallel leitet der 56-Jährige die Redaktion von „Focus Money“. Vorher arbeitete Meck rund 20 Jahre für die „FAZ“ und „FAS“, wo er zuletzt Leiter des Wirtschaftsressorts war.
Meck: Lifestyle-Themen sind seit jeher Bestandteil des „Focus“. Alle Auswertungen und die Marktforschung zeigen aber, dass unsere Leser am liebsten Politik, Wirtschaft und Wissenschaft lesen und diese Themenfelder auch mit der Marke verbinden. Wir sind kein LifestyleMedium, sondern ein Nachrichtenmagazin. Das Image wollen wir weiter stärken. Im Vergleich zu den anderen Magazinen wird uns die höchste Wirtschaftskompetenz zugetraut. Politik und Wissen sind ebenfalls Themen, die stark mit „Focus“ assoziiert werden.
Ihre Mediadaten sagen, 41 Prozent der Leser seien zwischen 20 und 49 Jahre alt. Sie verdienen besser als der Durchschnitt. 68 Prozent sind männlich. Warum ist das so?
Meck: Da unterscheiden wir uns nicht groß von anderen Nachrichtenmagazinen. Dass unsere Leser eher gut verdienen, ist bei uns und auch bei „Focus Money“ so. Dort gewinnen wir am stärksten bei Frauen und sind inzwischen der Finanztitel mit dem höchsten Frauenanteil. Beim „Focus“ haben wir auch Geschichten, die Frauen ansprechen und von diesen sehr ernst genommen werden. Eines der ersten Titelthemen, die Franziska (Anmerkung: Franziska Reich, die zweite Chefredakteurin) und ich zu verantworten hatten, war eine sehr spektakuläre Recherche über häusliche Gewalt. Wir hatten 45 Frauen auf dem Cover, demnächst ist ein Follow-up geplant. Für viele Frauen war diese Ausgabe das erste Mal, dass sie zum „Focus“ gegriffen haben. Um Frauen zu erreichen, müssen wir Geschichten generell anders erzählen: weniger von den Institutionen und mehr von der Perspektive des Publikums her.
Weshalb sollte man den „Focus“ am Kiosk kaufen? Was machen Sie anders oder besser als Ihre Wettbewerber „Spiegel“, „Stern“ und die „Zeit“?
Meck: Unser Anspruch ist es, dass unsere Leser erfahren, was in der Woche passiert ist und was in der nächsten Woche läuft. Wir ordnen die Geschehnisse ein und liefern die Fakten dazu. Uns geht es weniger um Gefühle und Stimmungen. Ein Teil unseres Nutzwertes ist, dass wir die Leser wappnen für das Gespräch am Abend und für das ganze Wochenende. Sie können sich eine Meinung bilden und mitdiskutieren.
Edeka
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Mehr
PREISSTRE IT
Absatz von Kellogg’s leidet deutlich
Auseinandersetzungen mit dem Handel haben das Deutschlandge- schäft des Kell g’
Haus ohne Ware
Leerstände: Das Kaufhaus hat jede Anziehungskraft verloren. Doch die Nachnutzung ist schwierig. 25
Anschub für Lieferanten
Klimaschutz: Die Händler lassen sich einiges einfallen, um die Hersteller anzutreiben. 30
Raoul Roßmann und Christoph Werner lehnen die Regulierungen der Lieferketten ab Seite 22
Marktplatz Bio & Regional Neue Gentechnik: Öko-Branche sieht gentechnikfreie Koexistenz in Gefahr und drängt auf Transparenz 33
ARL T/L AIF
FO TO JOHANNE
Olivenöl wird im Handel knapp
Bei Olivenöl treten im Handel zu- nehmend Regallücken auf – vor al- lem Ware im Preiseinstieg wird knapp Bereits im vergangenen Jahr haben steigende Preise in der Kate- gorie zu einem Absatzrückgang von rund 18 Prozent geführt, wie aus Marktforschungsdaten hervorgeht. Gleichzeitig sind die Verbraucher- preise deutlich gestiegen. Mehrere Hersteller wollen ihre Preise im ers- ten Halbjahr 2024 weiter erhöhen. Als Grund werden bisher noch nicht weitergegebene gestiegene Rohstoff- preise angegeben. In Deutschland hat Marktführer Deoleo mit der Marke Bertolli die Preise in den ver- gangenen Jahren bereits deutlich er- höht. Unter anderem durch neue Bezugsländer sieht das Unterneh- men jedoch seine Lieferfähigkeit ge- sichert. Seite 12 des/lz 06-24
Hexenschuss
In Wirtschaftszweigen wie Apotheken, Lebensmittel und Automobil gibt es Fachmedien, die eine signifikante Reichweiten besitzen. Für Verbände sind sie wichtig, um frühzeitig Themen zu besetzen und politische Entscheider zu erreichen.
Von KATHI PREPPNERDie Berichterstattung in Fachmedien wie „Lebensmittel Zeitung“,„Apotheken Umschau“ und „Automobilwoche“ beeinflusst häufig die Tonalität in Leitmedien. Für Verbände sind sie wichtig, um ihre Sicht darzustellen.
Benjamin Rohrer kennt beide Welten: Seit knapp einem Jahr leitet er die Kommunikation der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA), also der Interessenvertretung der Apothekerschaft hierzulande. Er weiß aber auch, wie es auf der anderen Seite des Schreibtischs aussieht. Vor seinem Kommunikationsjob hat Rohrer als Journalist für drei der wichtigsten Fachmedien der Apothekenbranche gearbeitet, zuletzt als Chefredakteur der „Pharmazeutischen Zeitung“, die von der ABDA selbst herausgegeben wird. Davor war er Online-Chefredakteur bei der unabhängigen „Deutschen Apotheker Zeitung“. Volontiert hat er vor vielen Jahren bei „Apotheke Adhoc“. Heute sagt Rohrer: „Je unabhängiger und je weiter weg von uns ein Medium ist, das über uns berichtet, desto glaubhafter ist die Nachricht.“
Für den Kommunikationschef des Verbands spielen Leitmedien wie „FAZ“, „Spiegel“, dpa oder das „Handelsblatt“ eine besondere Rolle. Denn über sie erreicht er auch die breite Bevölkerung und die Politik – und Letztere legt in der
Arzneimittelpreisverordnung die Apothekenhonorare fest.
Zu den Hauptstadtjournalist*innen der reichweitenstarken Medien, die sich mit Gesundheitspolitik befassen, hat die ABDA laut Rohrer einen guten Draht. „Die betrachten uns natürlich auch des Öfteren kritisch, was ihr gutes Recht ist. Aber aus unserer Sicht als Interessenvertretung sind die Laienmedien für den politischen Erfolg wichtiger als die Fachmedien“, sagt der Verbandskommunikator. „Wenn eines dieser Medienhäuser ein Interview mit unserer Präsidentin führt, hat das eine ganz andere Reichweite und Schlagkraft.“
Bitten große Medien Verbandspräsidentin Gabriele Regina Overwiening zum Gespräch, gibt es meist einen aktuellen Aufhänger: Das „ZDF-Morgenmagazin“, der Deutschlandfunk und der „Spiegel“ befragten sie vor allem zu den Lieferengpässen von Medikamenten. Im „Handelsblatt“ ging es um die Digitalisierung der Apotheken und das E-Rezept, in der „Süddeutschen Zeitung“ bekam Overwiening Raum für verschiedene Themen: Dort sprach sie 2021 nicht nur über Coronaimpfstoffe, sondern auch über das Apothekensterben, die Konkurrenz durch Online-Händler und das E-Rezept. Der „Apotheken Umschau“ gab Overwiening hingegen schon kurz vor ihrem Antritt an der Verbandsspitze Anfang 2021 ihr erstes Interview. Seitdem folgten zwei weitere ausführliche Gespräche, und auch in den Podcasts des Gesundheitsmagazins kam sie bereits zu Wort.
„Wenn wir von der Bevölkerung gehört werden wollen, kooperieren wir sehr gerne mit Kundenzeitschriften und schalten dort Anzeigen.“
Benjamin Rohrer, ABDA
Wenn die mediale Präsenz einer Branche sowieso schon groß ist, welche Aufgabe kommt dann Branchenmedien zu? Der Fachpresse?
Branchenmedien würden häufig mehr in die Tiefe gehen. Nach Ansicht von Rohrer sind sie aber vor allem wichtig für die Informationslage innerhalb der Apotheken- und Pharmabranche. Eine Ausnahme ist hier die Gesundheitspolitik: Laut Rohrer informieren sich
„In den Fachmedien kommen mitunter ganz andere Expertinnen und Experten zu Wort.“
Manon Struck-Pacyna, Lebensmittelverband
Gesundheitspolitiker*innen auch über Fachmedien. Eine Sonderrolle nimmt zudem die „Apotheken Umschau“ ein, die sich an die Kundschaft der Apotheken richtet.
Durch die Konkurrenz der Zeitschrift „Mylife“ hat sie zwar einen Teil ihrer Reichweite eingebüßt, aber mit knapp 17 Millionen Leser*innen ist sie immer noch riesig. Für die ABDA sind Zeitschriften wie die „Apotheken Umschau“ interessant, weil es viele berufspolitische Themen gibt, die der Verband in Richtung Patienten spielen will. „Wenn wir von der Bevölkerung gehört werden wollen, kooperieren wir sehr gerne mit Kundenzeitschriften und schalten dort Anzeigen“, sagt Rohrer. Als Beispiel nennt er die flächendeckende Einführung des E-Rezepts.
„Wir haben natürlich ein großes Interesse daran, dass die E-Rezepte in die Apotheke kommen und nicht in den Versandhandel gehen“, erklärt er. Darum schaltete der Verband eine einseitige Anzeige plus Advertorial in der Kundenzeitschrift, wo erklärt wird, warum die Patienten das E-Rezept weiter in der Apotheke einlösen sollen und wie das überhaupt funktioniert. Mit den Redaktionsteams der Kundenzeitschriften sind er und sein Team regelmäßig in Kontakt. Diese Zeitschriften haben wiederum ein Interesse daran, dass es den Apotheken gut geht.
Holt Euch den wichtigsten Award für digitale Kommunikation im deutschsprachigen Raum!
Anja Bröker und Achim Stauß sprechen für die Deutsche Bahn. Vor allem in Krisensituationen wie während des GDL-Streiks sind sie häufig auch in den Hauptnachrichtensendungen zu sehen. Wann treten sie vor die Kamera? Welche Funktion haben ihre Statements?
Interview CAROLIN SACHSE-HENNINGER und VOLKER THOMS
Herr Stauß, wie viel Spaß macht es, morgens um sieben Uhr am Berliner Hauptbahnhof zu stehen und Millionen Menschen zu erklären, dass für sie bahntechnisch so gut wie nichts mehr geht?
Stauß: Spaß ist nicht ganz die richtige Beschreibung für meine Gefühle morgens um sieben am Bahnhof, zumal ich dann merke, dass auch unsere Fahrgäste gerade nicht so viel Spaß haben. Aber es ist eine riesige Chance, wenn man durch ein Statement vor fünf bis sechs Kamerateams, die zum Teil live übertragen, mit relativ geringem Aufwand fast ungefiltert Millionen Menschen erreichen und Stimmungen beeinflussen kann. Es ist auch die Gelegenheit, einem Tarifkonflikt, der vielschichtig und zum Teil juristisch ist, ein menschliches Gesicht zu geben. Und nicht zu vergessen die vielen Beschäftigten der DB und deren Familien unter den Zuschauern, die noch genauer hinhören als der Durchschnitt. Deswegen versuchen wir, immer auch eine Botschaft für sie unterzubringen.
Welche Rolle spielt die Uhrzeit? Häufig laden Sie zu sieben Uhr morgens ein.
Bröker: Die Uhrzeit ist wichtig. Sieben Uhr ist bewusst gewählt, weil wir wissen, dass wir so in die Frühsendungen im Radio und Fernsehen kommen. Wir setzen auf diese Weise unsere Botschaften für den Tag. Das frühe Aufstehen lohnt sich. Ihnen geht es also schon darum, Reichweite zu erzielen und gehört zu werden? Sie könnten auch den Ansatz wählen: Die
Situation ist für uns unangenehm. Wir gehen jetzt in Deckung.
Stauß: Wenn wir nicht reden, reden andere über uns. Das ist das Besondere an der Bahn: Viele fühlen sich berufen, Diskussionen mit ihren Beiträgen zu bereichern. Das ist auch okay. Wir sind nun mal ein Unternehmen, das stark wahrgenommen und genutzt wird. Umso wichtiger ist es für Anja und mich, einen Gegenpol zu bilden, komplexe Zusammenhänge auf den Punkt zu bringen und verständlich zu machen, ohne dabei unzulässig zu vereinfachen.
Der Ort, an dem Sie am häufigsten stehen, ist der Berliner Hauptbahnhof.
„Viele fühlen sich berufen, Diskussionen mit ihren Beiträgen zu bereichern.“
Bröker: Ein Bahnhof ist ein geeigneter Ort, um unsere Position zu erklären. Hier spielt sich alles ab. Ich stand vor kurzem bei einem Live-Interview für das ZDF-Morgenmagazin an einem kleinen Bahnhof: in Cottbus. Es ist wichtig, dass man nicht irgendwo in einem warmen Büro sitzt, sondern dort, wo das Leben spielt. Am Bahnhof lässt sich die Situation gut beschreiben und erklären, wie wir mit ihr umgehen. Was machen wir als DB? Wie funktioniert der Notfahrplan? Aber auch, um zu sagen, dass es uns nicht egal ist, wie es den Fahrgästen geht. Diese empathische Note ist mir wichtig. Stauß: Zu Empathie gehört auch, am Bahnhof die Stimmung zu spüren: Wie geht es den Reisenden, aber auch unseren Mitarbeitenden? Wir schauen immer mal bei den Servicekräften an der DB Information vorbei oder sprechen Fotos:
Die Landesbank Baden-Württemberg hat seit Kurzem eine virtuelle Corporate Influencerin. Um sie zu finden, blickte die Bank in ihre Geschichte zurück und nutzte künstliche Intelligenz.
VonCAROLIN SACHSE-HENNINGER
Katharina macht, was Corporate Influencer tun: Sie gewährt ihren rund 8.000 Followern auf Linkedin regelmäßig Einblicke in den Alltag ihres Unternehmens, stellt Kolleg*innen und Themen vor, spiegelt mit einem Mix aus Texten, Bildern (häufig Selfies) und Videos die Unternehmenskultur wider. So weit, so gewöhnlich. Nur: Katharina gibt es eigentlich gar nicht. Beziehungsweise nicht mehr. Denn Katharina von Württemberg ist vor mehr als 200 Jahren gestorben. Für eine Employer-Branding-Kampagne hat die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) ihre königliche Gründerin virtuell wiederauferstehen lassen.
Historie – das weiß Angela Brötel, Leiterin Konzernkommunikation, Marketing und Vorstandsstab bei der LBBW
– ist ein besonderer Attraktivitätsfaktor. Die Geschichte eines Unternehmens verleiht ihm einen distinktiven Charakter. Angesichts von Arbeitskräftemangel und demografischem Wandel muss sich auch die LBBW abheben. Gemeinsam mit der Agentur Scholz & Friends entwickelte die integrierte Kommunikations- und Marketingabteilung der Bank seit dem Frühjahr 2023 eine Kampagne mit Fokus auf Linkedin. Umgesetzt wurde die Kampagne mit einem Volumen von rund 800.000 Euro von Oktober bis Dezember. Ein Viertel des Budgets entfiel auf die virtuelle Markenbotschafterin Katharina von Württemberg.
Der Claim #NeuesSchaffen soll zweierlei vermitteln. Zum einen sieht sich die Bank als Innovationstreiberin, die
die Transformation der deutschen Wirtschaft begleitet und sich intensiv mit Trends wie etwa dem Metaverse oder künstlicher Intelligenz beschäftigt. Zum anderen steht der menschliche Aspekt im Fokus. Brötel: „Wir sind ein Großkonzern, aber ein menschlicher. Bei der LBBW kennt und trifft man sich persönlich, menschlich sein zeichnet uns aus.“ Das Wort „schaffen“ verweist zudem auf die regionale Verortung und Arbeitskultur im Unternehmen, die auf den Prinzipien von New Work fußt.
„Wir sind innovativ und trauen uns was. Deswegen haben wir Katharina mittels künstlicher Intelligenz zum Leben erweckt“, sagt die Kommunikationschefin. Katharina von Württemberg war als Gründerin der LBBW schon häufiger
Selfie-Modus: Persönliche Ansichten und Bezüge zur Biografie der historischen Katharina sollen die Authentizität und Glaubwürdigkeit der virtuellen Influencerin erhöhen.
ProSiebenSat.1 Media definiert sich vor allem über seine Programminhalte.
Die Unterhaltungskompetenz der Sender will Kommunikationschefin Stefanie Rupp-Menedetter künftig stärker betonen. Ihre Abteilung hat sie unter anderem deshalb umstrukturiert.
Zu ProSiebenSat.1 Media gehören – wenig überraschend – die Fernsehsender ProSieben und Sat.1. Beide Programme dürfte in Deutschland fast jeder kennen. Was auf den Sendern läuft und wie deren Formate ankommen, beeinflusst deshalb, wie der Medienkonzern öffentlich wahrgenommen wird. ProSiebenSat.1 ist aber deutlich mehr: Sender wie Kabel Eins und Sixx, Marken wie die Dating-Plattform ElitePartner, das Vergleichsportal Verivox und E-Commerce-Anbieter wie Flaconi sind ebenfalls Teil des Unternehmens.
Stefanie Rupp-Menedetter, Executive Vice President Group Communications und Konzernsprecherin, antwortet auf die Frage nach dem wichtigsten Geschäftsbereich allerdings nicht mit einem der bekannten TV-Sender: „Im Entertainment-Segment ganz klar Joyn. Das ist die Zukunft! Gleich danach kommt Sat.1 und als drittes ProSieben“, sagt sie. Der Öffentlichkeit zu erklären, was Joyn ist, wird eine der zentralen Aufgaben für die Unternehmenskommunikation in den kommenden Jahren sein.
Bei Joyn handelt es sich nicht nur um die Streaming-Plattform und die Mediathek der Sendergruppe, sondern auch um ein Live-TV-Angebot, über das sich zusätzlich öffentlich-rechtliche Pro -
gramme wie ARD, ZDF und Arte, aber auch CNBC und Bloomberg empfangen lassen. Die Entwicklung im TV-Markt geht seit Jahren dahin, dass Zuschauer Inhalte häufiger online und on Demand konsumieren wollen. Auch ARD und ZDF investieren deshalb in ihre Mediatheken und Online-Auftritte.
ProSiebenSat.1 will nun beim Publikum Joyn stärker in den Fokus rücken.
„Unsere Zuschauer sind im Vergleich zu den öffentlich-rechtlichen Sendern im Schnitt deutlich jünger. Sie wollen immer und überall fernsehen können, dafür aber nicht verschiedene Apps nutzen, sondern eine App für alle Sender haben, mit der sie alles perfekt schauen können“, erklärt Rupp-Menedetter. Der komplette Content müsse im TV funktionieren, aber auch auf Joyn und damit im Internet. In