Visavis katalog online

Page 1



U

nserem Archiv haben wir unsere Aufmerksamkeit geschenkt und allerorten interessante Arbeiten unserer Kolleginnen aus früheren Jahrzehnten entdeckt. Eine interessante Beziehungskiste ist nun entstanden. Dreizehn Künstlerinnen setzen sich mit Arbeiten der früheren Künstlerinnen auseinander. Mit aktuellen Arbeiten reagieren sie auf Funde aus dem Archiv und geben künstlerische Antworten in ihrer aktuellen Material- und Formsprache. Nachfolgend stehen sich die jeweiligen Kolleginnen bildhaft gegenüber.


Susan Tauss trifft Mares Schultz In der Auseinandersetzung mit dem Portrait eines Mannes, das mir vollkommen unbekannt war, habe ich mich als Betrachter in die Rolle des „vis a vis“ begeben und einen inneren Monolg geführt, den ich in Briefform äußere und als einen überdimensionierten Brief all den Betrachtern der Ausstellung zugänglich mache, die wiederum zum „vis a vis“ werden und in die Rolle des Zuschauers schlüpfen. Alle Gedanken finden immer im Kopf des Betrachters statt und malen sich ein Bild ihres Gegenübers. Das eigentliche Leben bleibt unbekannt. Damit beantworte ich die Frage nach meinem „vis a vis“ mit einem einseitig geführten Gespräch, das jeder Betrachter weiterführen kann. Als Künstlerin benütze für diese Arbeit keine Malmittel, sondern zeichne mit Worten, denn Worte sind Buchstaben gewordene Gedanken, wie sie jeder denkende Mensch formt.


Susan Tauss Brief an Theo 75 x 120 cm Laserdruck auf Papier 2016

Mares Schultz Mann mit Hemd 1955


Maike Mezger trifft Käthe Löwenthal Käthe Löwenthal „Ansicht von Kloster Lorch“ Das Bild ist in lockerer Technik gemalt. Zwei Wege führen diagonal durch die Ebene und verlaufen sich im Ungewissen. Das zarte Rosa des Himmels und die hellen Farbtöne im Vordergrund können sich nicht gegen das dominierende Braun und Schwarz der Berge behaupten. Das Bild wird von einer melancholischen, bedrohlich wirkenden Stimmung geprägt. Maike Mezger „Weg, Wunschweg, Schicksalsweg“ Auch in diese Bild wird die Weite der Ebene durch eine Diagonale dargestellt. Eine eindeutig zielgerichtete Straße führt durch Felder, die als klar abgegrenzte Farbflächen gegliedert sind. Das Magenta des Himmels und die blauen Berge stimmen in den Farbklang ein. Neben der Straße auf der Mitte des unteren Bildrandes steht das Fahrrad.


Maike Mezger Weg, Wunschweg, Schicksalsweg 70 x 80 cm Acryl auf Leinwand

Käthe Löwenthal Ansicht von Kloster Lorch 36 x 48 cm


Elke Lang-Müller trifft Käthe Löwenthal Das Schicksal von Käthe Löwenthal(1878 - 1942) hat Elke Lang-Müller besonders berührt, da sie als Jüdin in Izbica/Polen im Jahr 1942 umgebracht wurde. Sie war 64 Jahre alt. Obwohl Käthe Löwenthal vom Malerinnenverein 1934 ausgeschlossen wurde, sind Bilder von Ihr nicht der Zerstörung anheim gefallen, sondern dem BBK erhalten geblieben. Diese Tatsache wird hochgeschätzt. Ihre Bilder betrachtet Elke Lang-Müller als sehr hoffnungsvoll und naturverbunden. Sie zeigen oft einen Weg der in eine Zukunft führt, die Gutes verspricht. Das Gegenteil war der Fall für sie! Das hat Elke Lang-Müller bewogen, ebenfalls einen Weg zu malen, der aber nicht klar und zielgerichtet ist, sondern diffus und geheimnisvoll aber doch nicht ganz hoffnungslos. Die Arbeit ist mit Acrylfarbe mit einer Öllasur gemalt. Der Farbauftrag ist sehr vielschichtig. Sie möchte ihr Bild als Hommage an Käthe Löwenthal verstanden wissen. Es verweist auf die Möglichkeit eines Aufbruchs. Ein Aufbruch, um neue Lebensräume zu erkunden.


Elke Lang-Müller Hommage an Käthe Löwenthal 50 x 50 cm Acryl/Öllasur auf Leinwand

Käthe Löwenthal Ansicht von Kloster Lorch 36 x 48 cm


Uta Kamleiter trifft Helene Kirschke In Anlehnung an die Farbpalette und die Qualität, in der die unvollendete Skizze von Helene Kirschke gemalt wurde, hat Uta Kamleiter eine freie Farbkomposition geschaffen. Das Motiv des „Werdenden“ d.h. Unvollendeten sprach sie besonders an. Helene Kirschke hat das Bild aus dem Rahmen gelöst und hinten auf der Leinwand signiert. Dort ist auch eine weitere, flüchtige Skizze. Leider konnte nichts Näheres über das persönliche Schicksal von H. Kirschke in Erfahrung gebracht werden. Sie wohnte 14 Jahre in einer Atelierwohnung, bis 1938. Wurde sie unter den Nazis verfolgt? Sie war nur bis 1938 Mitglied. 1945 wählte sie in Danzig den Freitod.


Uta Kamleiter O.T. 40 x 50 cm Eitempera auf Leinwand

Helene Kirschke Portraitstudie einer dunkelhaarigen Frau 34 x 38 cm


Andrea Eitel trifft Julie Strathmeyer-Wertz Andrea Eitel malt so ungefähr alle 5 Jahre ein Selbstportrait, einfach um zu sehen, was die Zeit einem so antut. Als sie beim Aufräumen der Bilderkammer im BBK auf dieses „Selbstportrait vor Staffelei“ von Julie Strathmeyer-Wertz stieß, was ihr klar: das ist der Auslöser für ein weiteres Selbstportrait. Sie hatte kurz zuvor zu Hause eine sehr spannende Spiegel-Fenster-Situation entdeckt und sich als „Spiegel-Ich“ hineinversetzt. Streng schauen sie beide.


Andrea Eitel Spiegel-Ich 60 x 60cm Öl auf Leinwand

Julie Strathmeyer-Wertz Selbstportrait vor Staffelei 90 X 70 cm


Birgit Herzberg-Jochum trifft Agathe Baumann Agathe Baumann (21.11.1921 – 19.1.2013) Faden, Knoten, Spitzenausschnitte – Agathe Baumann schuf Figuren, Pflanzen, Tiere, aber auch grafische Formen. Sie hat mit diesen Fäden gemalt, durch Verdichtung plastisch geformt und sie aufwändig in einen Metallrahmen eingespannt. Das dreidimensionale Fadenbild war Unikat und gleichzeitig Modell für farbige Serigrafien. Unterste Schicht war ein farbig gedruckter Hintergrund. Angepasst ans Motiv schnitt sie für jede Birgit Herzberg-Jochum In den Werken von BHJ ist die Dreidimensionalität ein entscheidendes Merkmal. Daher war es ihr ein dringendes Anliegen, eine Arbeit von Agathe Baumann auszuwählen. Die Stofflichkeit, Transparenz und Leichtigkeit des Bildmaterials – einer transparenten Gaze (PES/ CO/Mischgewebe) sind Transporteur eines besonderen Raumgefühls, welches sich beim Betrachten der Arbeiten einstellt. Die Vielschichtigkeit der Materialien (Stoff, Papier, Wolle, Plastik) deutet auf eine komplexe inhaltliche Struktur hin, welche den Betrachter auf eine eigene Reise schickt. Die Stickungen und Lochungen in den Werken zeigen zum Einen eine Verletzlichkeit im übertragenen Sinne an, als auch eine Sichtbarmachung von Erlebtem. (Positive wie negative Erfahrungen). Sie bilden Narben auf der transparenten Oberfläche, welche das Innere nach Außen transportieren.


Birgit Herzberg-Jochum The Flowers I got, 2017 100 x100 cm Mixed Media auf PES Gaze

Agathe Baumann Schierling 48 x 64 cm, Fadenbild


Andrea Peter trifft Mares Schultz Andrea Peter ging es bei ihrer Arbeit darum, die Perspektive zu wechseln, sowohl was die räumliche, zeitliche als auch die inhaltliche Verortung der in Mares Schultz‘ Bild dargestellten Szenerie anbelangt. Von einer heiteren, sommerlichen Seelandschaft mit Blick von oben auf eine weite Seenlandschaft hin zu einem Blick von unten vom Wasser her. Der Blick auf einen Landungssteg weit außerhalb der Reichweite, getaucht in Licht, das nicht von einer sommerlichen Sonne, sondern eher von Flutlichtanlagen auszugehen scheint. Mit Mauern, die zu steil und zu hoch sind, um daran hinauf zum ungewissen Ufer zu gelangen. Zusätzlich lassen Doppelungen in der Szene den Grund schwankend und unsicher wirken und so kann das Bild auch als Symbol für unsere Zeit verstanden werden.


Andrea Peter Im grĂźnen bereich - Landungssteg II, 2017 100 x120 cm Acryl auf Leinwand

Mares Schultz Landungssteg


Isabell Munck trifft eine Unbekannte Das Bild auf das sich Isabell Munck bezogen hat ist nicht signiert und datiert, von daher von einer unbekannten Künstlerin aus unserer Vereinshistorie. Dieses Bild ist zwar um einiges kleiner als die Umsetzung ( ca. 38 x 15 cm), der dort zum Tragen kommende Formenkanon hat sie jedoch sofort angesprochen. Isabell Munck hat dann damit begonnen, eine Form daraus zu “entnehmen” und sie frei in ihrer abstrakten, assoziativen Formensprache fotografisch zu interpretieren. Bis ihr aufgefallen ist, dass sie bereits 2011 eine Arbeit fertig gestellt hatte, die in idealer Weise zu der ihr vorher nicht bekannten Arbeit korrespondiert. Wahrscheinlich hat sie sich unbewusst genau deswegen dieses Bild ausgesucht. Zumeist beginnt sie ihre Arbeit mit einer Zeichnung zur Findung der Grundkomposition. Wie bei allen ihren Bildern ist das Bild aus ca. 30-50 Einzelbildern am Computer zusammen gesetzt ( jedoch nicht verfremdet, der Computer dient ausschließlich zur Komposition). In diesem Fall sind die Einzelbilder im Fotostudio entstandene Abbildungen von Eisformationen. Diese einzelnen Eisfiguren gestaltet Isabell Munck in der ihr eigenen Technik, wie sie das Eis in die von ihr gewünschte Form bringe. Das Endprodukt ist eine Fotografie, der Weg dorthin jedoch sehr bildhauerisch.


Isabell Munck Zentrisch in der Schwebe, 2011 100 x 100 cm Fotografie

KĂźnstlerin unbekannt 15 x 38 cm


Karin Dorn-Tetzlaff trifft Maria Hiller-Föll Seit 2014 beschäftigt sich Karin Dorn-Tetzlaff mit Kindheitsfotos ihrer Mutter aus den Jahren 19421945. Diese wurden in ihrer alten Heimat aufgenommen. 14-jährig wurde sie nach Kriegsende mit ihren Eltern von dort vertrieben. Die Eltern besaßen einen Bauernhof im Sudetenland – bei den meisten Aufnahmen handelt es sich um Außenaufnahmen in der Nähe des Hofes. Sie vergrößert und kopiert die Fotos und reibt diese ganz oder teilweise mit Lavendelöl auf Büttenkarten ab. Dem Prozess des Verlusts, dem hier durch Übermalung bzw. Weglassen der Umgebung Rechnung getragen wird, setzt sie die Kraft der Erneuerung entgegen. Hierfür und als Symbol für das Schöpferische und Sinnliche stehen die gezeichneten Blüten aus zarten Grafitstrichen. Im Arbeitsprozess kommt Karin Dorn-Tetzlaff dem Wesen der Personen sehr nahe, auch weil sie sicher gehen will, bei der Abreibung die Aura der Person zu erhalten. Der Blick geht immer wieder vom Foto zur Abreibung und zurück. Es ist ein Prozess des Sehens, Tastens und Erkennens. In diese Arbeit fließt auch mit ein, dass ihr ihre Mutter versichert hat, wie glücklich und frei sie dort inmitten der Natur aufgewachsen ist. Genau in diesem Arbeitsprozess befand sie sich, als sie während der Sichtung unseres Archivs im Sommer 2016 die Arbeit „Damenporträt“ mit Hut aus dem Jahr 1913 von Maria Hiller-Foell (18801943) begegnete und sie berührte. Es ist diese Zurückhaltung mit der sie fast zärtlich das Wesen der Porträtierten (sie sieht darin eine heranwachsende junge Frau) ausleuchtet. Und in dieser Haltung und Herangehensweise aber auch in der Aura der Porträtierten ist die Verbindung zu ihren Arbeiten. So entstand Ende 2016 nach und nach diese 9-teilige Arbeit aus Frottagen mit Grafit, die in die Werkreihe „she is so pretty from her head to her toes“ gehört. Diesen Titel könnte auch die Arbeit von Maria Hiller-Foell tragen.


Karin Dorn-Tetzlaff „she is so pretty from her head to her toes“ 9-teilig, Grafit/Frottage auf Büttenkarten, je 10x30 cm

Maria Hiller-Föll (1880-1943) „Damenporträt mit Hut“, 1913


Barbara Lörz trifft Anna Huber Das Original von Anna Huber, ein Blumenstillleben zeigt Päonien auf dunklem Grund in einer Blumenvase. In Bezug auf den Titel Päonien, stellt Barbara Lörz nur die Blütenpracht der Pfingstrosen,i n drei Zustandsformen dar. Knospend, aufgeblüht und zum Teil mit abfallenden Blütenblättern. Die wichtigste Farbe ist dabei Pink. Es sollten Blüten in einer lichten transparenten Umgebung gezeigt werden. Die Technik ist in ihrer Arbeit in dem ihr eigenen Stil angelegt: mit Unter- und Übermalung, eingeklebten Seidenpapieren, teils Linien und gedruckten Stellen , dabei ist der Bilduntergrund durchscheinend. Bei Betrachtung aus der Ferne entdeckt der Beobachter weitere Zusammenhänge und andere Blüten im Gemenge. Diese Arbeit weicht von ihrem sonstigen Kunstschaffen ab, Barbara Lörz beschäftigt sich eigentlich mit Papierschöpfen, und dem Herstellen neuer Papierzusammenhänge.


Barbara Lörz „nur rosa“ Pfingstblütenrosen 50 x 60 cm, Acryl, Öl, Bleistift auf Leinwand

Anna Huber Phäonien 45 X 60 cm


Monika Plattner trifft eine Unbekannte Angeregt durch das unbekannte Mädchenporträt hat Monika Plattner ein Porträt einer Frau im gleichen Format und ähnlichem Ausschnitt gemalt. Das unbekannte Mädchen hat eine Schleife im Haar, die Frau eine Seerose. Ihr Bild ist so gehängt, dass sich die beiden Frauen anschauen. Auch die Farbigkeit ist ähnlich. Während es sich bei dem Archivbild um eine lockere, skizzenhafte Malweise handelt, ist ihr Porträt eher realistisch gehalten.


Monika Plattner „nur rosa“ Pfingstblütenrosen 50 x 60 cm, Acryl, Öl, Bleistift auf Leinwand

Künstlerin unbekannt Phäonien 45 X 60 cm


Silke Hemmer trifft Helene Wagner Helene Wagners Bild zeigt das scheinbare Idyll ihres Wohnraumes. Jahrzehnte sind vergangen. Was hat sich verändert? Worin spiegelt sich das heutige Leben? Was ist geblieben?


Helene Wagner Interieur mit Verandaausblick um 1930 44 x 35 cm

Silke Hemmer Zeitenwende 30 x 45 cm


Véronique Stohrer trifft Johanna Daun Die Künstlerin stellt eines klar: Hier ist Frau selbstbestimmt! Nicht länger als Objekt künstlerischer oder sexueller Begierde herzuhalten. Sondern selbstbestimmt, frech, provokant sich selbst darzustellen. Sie muss gar nichts! Außer das was Sie will! Akt stehen ist postmodern! Seelische und Körperliche Lebendigkeit und der gierige Wachstum (der aussen durch die Pflanzenvielfalt und Wildheit dargestellt) wird!


Véronique Stohrer CHIPIE (das Biest) 75 x 90 cm, Acryl auf Leinwand

Johanna Daun Frau mit einer Brust 30 x 45 cm


Kunst machen. Kunst zeigen. Über Kunst sprechen. Im Bund Bildender Künstlerinnen Württembergs e.V. sind rund hundert zeitgenössische Künstlerinnen zusammengeschlossen. Malerei, Grafik, Installation, Fotografie, Plastik – alle Sparten sind vertreten. Im eigenen Atelierhaus zeigen die Mitglieder in jährlich acht Ausstellungen Auszüge ihrer aktuellen künstlerischen Positionen. Durch Kunstgespräche, offene Atelier-Tage sowie Kooperationen mit anderen Institutionen bilden Künstlerinnen ein aktives Netzwerk, in dem sie sich lebendig und aktuell austauschen können. Der BBK ist als feste Größe im Kulturgeschehen der Stadt Stuttgart verankert und hat mit seiner über 120-jährigen Geschichte schon immer viel zur kulturellen Vielfalt der Kunstszene Stuttgarts beigetragen. Das Atelierhaus mit zehn Ateliers wird vom gewählten Vorstand und dem Künstlerischen Beirat selbst ehrenamtlich verwaltet und organisiert. Der Verein wird von Stadt und Land gefördert. Wir bieten lebendigen Austausch mit anderen Künstlerinnen, und die Möglichkeit, sich aktiv am Ausstellungsprogramm zu beteiligen. Das Angebot an Künstlerinnen: Gemeinschafts- und Gruppenausstellungen im BBK Atelierhaus Einzelausstellungen Austausch mit anderen Kunstvereinen Ausstellungsorganisation und Vermittlung Kunstfahrten Weiterbildung in Form von Vorträgen und Symposien Ateliergespräche und Atelierbesuche


Bund Bildender KĂźnstlerinnen WĂźrttembergs e.V. Atelierhaus Eugenstr.17 70182 Stuttgart 1. Vorsitzende Birgit Herzberg-Jochum 2. Vorsitzende Yvonne Rudisch www.bbk-wuerttemberg.de info@bbk-wuerttemberg.de



Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.