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Berns wochenzeitung Dienstag, 7. septemBer 2010
persönlich… Der gelernte Grafiker und Mitinhaber der Agentur hilda design matters in Zürich gestaltete bereits vor zehn Jahren (fast auf den Tag genau) den damals neu lancierten Bernerbär. Chmelik gehört zur nach wie vor grossen LeserInnen-Gemeinde, die Printprodukte dem elektronischen Lesen vorziehen: «Ich liebe die physische Präsenz der Dinge, der Geschmack und das Knistern des Papiers, kurz: die Aura der
Jiri chmelik (39):
Zeitungen», schwärmt Jiri Chmelik. Im Mai dieses Jahres begann Chmelik, sich intensiv mit der Neugestaltung des Bernerbär zu befassen. In enger Zusammenarbeit mit Chefredaktor Matthias Mast ging es ihm darum, sowohl die Form als auch den Inhalt zu einer Vision des Bernerbär zu verschmelzen. Das gemeinsame Credo lautete: «Der Bernerbär für Bern, für die Stadt am Puls, die Stadt an der Aare. Bern, Stadt on the move». Jiri Chmelik ist verheiratet mit einer Grafikerin und Vater zweier Kinder
Interview jiri chmelik
Gestalter des neuen Bernerbär
Jiri Chmelik über die aura und sinnlichkeit, über die Beständigkeit des Papiers und das Wesen des Bernerbär
Die Arbeit ist getan – der Bernerbär strahlt im frischem Glanz und mit inhaltlichem Gloria. Die Reaktionen der Leserinnen und Leser auf den neuen Bernerbär sind bisher mehrheitlich positiv. Besonders dem weiblichen und jüngeren Publikum scheint das aufgefrischte Layout zu gefallen, während die älteren sprich reiferen Herren noch Mühe haben mit den roten Punkten. Jiri Chmelik, der grafische Gestalter des neuen Bernerbär, hat sich seit Mai dieses Jahres intensiv mit dem Wesen dieser einzigartigen Zeitung, «die es leider in Zürich nicht gibt» (Zitat Chmelik) befasst. AuTor matthias mast FoToS jiri chmelik
Bernerbär: jiri, als wir uns diesen Frühling nach zehn jahren wiedergesehen haben, war ich doch sehr überrascht. Weisst du warum? jiri chmelik: Nein, bin ich so gealtert
after all those years?
naja, sagen wir mal reifer geworden bist du... spass beiseite: nein, ich war überrascht, in der Weltstadt Zürich auf einen der angesagtesten Grafik-Designer zu treffen, der information aus den Zeitungen derjenigen aus dem internet vorzieht.
Ich denke, dass immer jedes neue Medium die bestehenden Medien präzisiert.
Das Internet, welches ich übrigens ein spannendes Medium finde, sollte demnach dazu führen, dass die Stärken der gedruckten Zeitung wie neu herausgearbeitet werden können. Was bedeutet dies für die Printmedien im allgemeinen?
Im Internet findet der Benutzer, was er im Vornherein sucht. In der Zeitung wird etwas an den Leser herangetragen, etwas das er vielleicht nie gesucht hätte. Diese Auswahl und Präsentation in der Zeitung ist überraschender und breiter. Es entsteht so etwas wie eine grosse spannende Community der Leserinnen und Leser von einzelnen Artikeln.
«Die ausWahl unD Präsentation in Der ZeitunG ist üBerraschenDer»
«Der BernerBär schmeckt nach Bern» Die Zeitung kann man aber auch auf dem internet oder mit dem ipad lesen!
Ja schon, aber da fehlt meines Erachtens das physische Element, das Papier eben, das auch etwas potenziell Beständiges vermittelt: Etwas, dass man auf die Seite legen, einrahmen, einkleben oder an den Kühlschrank pinnen kann. Konkret denke ich da beim Bernerbär an Polo Hofers Philosophiesprüche, die Cartoons, die ganzen Event-Vorschauseiten oder die Serie «einst und jetzt». Man bedenke auch die Vielseitigkeit des Zeitungspapiers als Sonnenschutz oder Isoaltionsmaterial unter vielem anderem. Kürzlich wurden in unserer Altwohnung die Fenster renoviert und zum Vorschein kamen gute erhaltende Zeitungsseiten aus dem Zürcher Tagblatt vom 1. Juni 1942. Da soll noch einer sagen, Papier sei nicht beständig. Wie hast du jetzt bei der Gestaltung des vorliegenden neuen Bernerbär deine liebe zum Zeitungspapier mit den ansprüchen für Berns GratisWochenzeitung verschmolzen?
Mein Team sowie du und ich haben sich intensiv mit der Frage befasst, was der Bernerbär eigentlich darstellt für die Bundesstadt und ihre Umgebung: Wir sind zum Schluss gekommen, dass der Bernerbär ein Phänomen ist, welches drei Dimensionen in einer einzigen Zeitung vereint: Erstens ist der Bernerbär die frisch gemachte Berner Schlachtplatte. Jede Woche frisch auf dem Tisch. Dampfend heiss, sinnlich, Appetit anregend, währschafte Kost. Genug für alle. Zweitens schmeckt der Bernerbär nach Bern. Der Auftritt, die Sprache, das Verhalten – typisch bernisch. Alles atmet Bern. Unverfälschter Charakter. Der Wein wie der Boden. Natürlich ursprünglich. Die Zeitung wie die Menschen. Wie das Leben in Bern. Bern, wie alle es lieben! Drittens präsentiert der Bernerbär den Schmelztiegel Bern. Die Stadt der Milieus und Quartiere. Eine Welt der Macher, Beamten, Trendsetter, der Bünzlis und Paradiesvögel. Die Plattform der Zukunft, Büh-
«Der BernerBär Präsentiert Den schmelZtiGel Bern. Die PlattForm Der ZukunFt unD Bühne Des altBeWährten»
ne des Altbewährten. Die Stadt der Märkte, der Haute Culture, der Beizen und Sporttempel. Schauplatz von Distinguiertheit und Klatsch und Tratsch. Stadt der Arbeit, der Deals und der Karrieren. Stadt des laisser-faire, des Vergnügens, der langen Nächte und der Liebe. Stadt am Puls. Stadt an der Aare. Bern, Stadt on the move. Was heisst dies nun im Design?
Der Bernerbär ist frischer, luftiger und übersichtlicher geworden. Die neue Gestaltung und die neuen Schriften tragen dazu bei, die Inhalte den Lesern noch näherzubringen als bisher. Etwas, was vor allem bei den Vorschauseiten zum Tragen kommt. Mit grossen Bildern und deutlichen Zitaten vereinfachen wir die Leserführung, ohne beim Inhalt abzuspecken. Kurz gesagt: Mit dem neuen Layout zelebrieren wir die Lust am Zeitunglesen und Zeitungschauen!
Bernerbär-Designer Jiri Chmelik präsentiert die Vielfunktionalität der Zeitungen (von oben links nach unten rechts): durchblättern, lesen, intensiv studieren, rausreissen als Erinnerungsstück, als Sonnenschutz