Ein interview zum Kennenlernen

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Vor einigen Tagen haben sie mich interviewt, weil sie mich besser kennenlernen wollten. Leider konnte das Interview nicht länger als 2 bis 5 Minuten dauern. Die Wahrheit ist, dass man in dieser Zeit nicht viel über eine Person wissen kann, also beschloss ich, die gleichen Fragen zu beantworten, aber mit etwas mehr Zeit beim Antworten. Bei Interesse könnt ihr gerne das folgende schriftliche Interview lesen.

Hochschule für Musik: Bitte stellen Sie sich doch einmal kurz vor. Wer sind Sie? Horacio Valera: Mein Name ist Horacio Marcelo Valera. Ich bin am 18. November 1968 in Buenos Aires, Argentinien geboren. Seit August 1992 bin mit meiner Frau Roxana verheiratet und wir haben 2 Jungs, Esteban und Román. Ich bin Christ, und folge Jesus nach seitdem ich 15 war. Ich bin Malerei und Zeichnung Lehrer, Grafikdesigner und habe Werbung und Kommunikation studiert. Ich bin auch Schriftseller und habe In Buenos Aires Theaterstücke und Veranstaltungen produziert. Seit 7 Jahren in März 2014 kam ich nach Deutschland. Bin seitdem ein Nürnberger. Wohne im Stadtteil Gostenhof und habe mein Kunstatelier in Plärrer.

HfM: Was ist Ihr Bezug zur Musik? Spielen Sie ein Instrument? H.V.: Ich liebe einfach Musik. In meiner Familie spielt Musik eine wichtige Rolle. Meine Mutter war Soprano, nicht professionell, aber sie hat immer gesungen und sie machte es herrlich. Ich hatte noch 5 Onkel, und ein von denen war Tenor im Chor unter der Leitung des österreichischen Dirigenten Kurt Pahlen. Andere Onkel haben auch Instrumente gespeilt und Musik komponiert. Ich singe gerne und spiele Klavier, Trompete, Horn, Blockflöte und Duduk, eine antike armenische Blockflöte aus Aprikosenbaumholz gemacht.

HfM: Wie/Warum sind Sie zur Hochschule gekommen?


H.V.: Ich arbeite bei einer Firma im Sicherheit und Überwachungsdient. Ich hatte als Überwachungsobjekt die Kaiserburg in Nürnberg und eine Woche musste ich einen kranken Kollegen in der Hochschule für Musik in Nürnberg ersetzen. Eine Woche später hat der Direktor der Hochschule mit meiner Firma telefoniert und er hat gesagt die Schulleitung wollte mich permanent in der Hochschule haben. So hat´s angefangen.

HfM: Wie finden Sie das Umfeld/Atmosphäre der Hochschule? H.V.: In der Hochschule für Musik fühle ich mich wirklich Zuhause. Musik schwebt in der Luft. Es ist so angenehm und ich fühle mich ein privilegierter Mann, hier arbeiten zu dürfen und so viele begabte Künstler zu begegnen.

HfM: Welche Lustigen/Spannenden/Interessanten Geschichten haben Sie mit Studierenden erlebt? H.V.: Ich habe viele lustigen Anekdoten am Arbeitsplatz erfahren, aber zweifellos war eine Episode kurz vor dem letzten Weihnachten. Es war viel los in der Hochschule wegen der vielen Kontrolle und Stress mit der Pandemie. Ich hatte eine Schlange von Dozenten und Studierenden, die auf den Zugang in der Hochschule aufwarteten. Plus den vielen Telefonaten, plus die Einarbeitung einer neuen Kollegin, empfang der Korrespondenz und vieles mehr. Und plötzlich klingelte es. Es war ein Junge. Er hat mich gefragt ob ich kurz ein paar Minuten hatte. Er wollte wissen ob er Talent hatte, um sich als Student in der Hochschule für Musik bewerben zu können. Und ab sofort fing er spontan an zu singen mit der Begleitung einer Ukulele oder so was. Er sang wirklich schlecht und die Musik klang atonal und verstimmt. Die Leute warteten vor dem Empfang, meine Kollegin guckte mich neugierig an und wollte wissen wer am Apparat war. „Jemand singt“ konnte ich nur ganz leise sagen. Wenn der Junge fertig war hat mich gefragt ob ich fand, dass er Talent als potenzieller Musiker hatte. Ich bin die Fassade einer Hochschule und auch der Fassade einer berühmten Firma, was könnte ich denn sagen. Meine Antwort kam ohne sich warten zu lassen: „Na ja, wenn jemand sich traut, einen Instrument zu spielen und so mutig zu singen, Talent ist schon da, vielleicht kann man ihn ein bisschen kultivieren…“ Und in diesem Moment fing der Junge an zu lachen. „Herzlich Willkommen Sie sind in einer Sendung vom Radio Energy in Nürnberg…“ Sie haben mich gelobt, und meinten ich sei ein wunderbarer Mensch. Das Lustige war, dass viele Studierende und Dozenten hatten auch die Sendung gerade gehört. Alle kamen zu mir an die Pforte um mich zu gratulieren. Auch das Personal der Verwaltung und vom Präsidium. Alle Leute in der Hochschule hatten diesen Spaß gehört und waren dankbar und stolz auf meine Gelassenheit und nette Reaktion.

HfM: Auf was könnten Sie in Ihrem Job nicht verzichten? H.V.: Auf den Kontakt mit Menschen. Ich schätze es sehr den Kontakt mit Menschen. Wenn ich jemanden begrüße und frage „Wie geht es?“ das frage ich im ernst. Ich habe wirklich Interesse, es zu wissen wie den Menschen geht und was ich tun könnte, damit es ihnen gut geht. Mir ist wirklich eine große Ehre und Freude jeden Tag solchen Menschen zu begegnen. Mutige studierende, die ihre Träume verfolgen, ausgezeichnete Dozenten, alle Künstler mit vielen Talente.

HfM: Was macht Ihnen an ihrem Job am meisten Spaß?


H.V.: Genau dasselbe: Der Kontakt mit den Menschen. Ich habe die Gelegenheit gehabt wunderbare Künstler kennenzulernen. Mit vielen haben wir sogar tiefen Gespräche. Manchmal benutzen sie mich als Psychologe, Berater oder einfach finden sie in mir ein geduldiges Ohr. Sie erzählen mich über Probleme und Situationen die sie haben. Ich werde immer wieder zu Geburtstagspartys eingeladen, sie laden mich sie in ihren WGs zu besuchen. Wir essen gerne zusammen. Sie besuchen mich auch in meinem Atelier in Plärrer.

HfM: Warum machen Sie heute den Job, den Sie heute machen? H.V.: Das ist eigentlich nicht mein Hauptjob. Mein Job in Deutschland ist im Rahmen des Glaubens orientiert. Ich unterstütze die Gemeinde Jesu in verschiedenen Rahmen, sei es Gebetsgruppen, Training und Jüngerschaft der neuen Christen, in Evangelisation, im prophetischen Dienst aber auch im Rahmen der Kreativität und Kunst. So war mein ganzes Leben in ganzem Argentinien aber auch in Uruguay, Brasilien, Spanien und seit 2014 auch hier in Deutschland, wo ich in den letzten 7 Jahren in mehr als 90 Städten und Dörfern aktiv tätig war. Fast jedes Wochenende bin ich unterwegs im Dienst in Hauskreisen und Gruppen. Ich muss nur noch es erwähnen, warum Ich folge Jesus seitdem ich 15 war. Ich war ein rebellischer Junge, voller Hass und Rachesucht. Mein Vater war von Zuhause weg als ich 8 war. Es war so unfair, so schmerzhaft und peinlich. Meine Mutter war alleine und musste arbeiten gehen. Ich war nur 8 und musste auch arbeiten gehen. Nach der Schule habe immer was gemacht um Kohle zu gewinnen. Am Wochenende habe bei einem Kiosk geholfen und auch in einem Lebensmittelladen an der Ecke. Meine Zuflucht war damals alles, was mit Intellektuellem, Wissen, Büchern, Literatur und grundsätzlich mit Musik zu tun hatte. Ich liebte klassische Musik. Ich könnte alles hören, Mozart, Beethoven, Schubert, Vivaldi, Strauß, aber ohne Zweifel war Richard Wagner mein Favorit. Jedes Mal, wenn ich Der Ring der Nibelungen, Tannhäuser, Die Meistersinger von Nürnberg und vor allem den Walkürenritt hörte, brannte mein Herz und eine plötzliche Kraftwelle überrollte mich. Ich musste wissen, woher dieses erhabene Gefühl kam. So kam es, dass ich mich durch Recherchen, Lektüre, Bibliotheksbesuche mit den altdeutschen Mythentraditionen, mit den nordischen Runen beschäftigte. Schließlich war ich total mit dem Nationalsozialismus involviert. Hass, der Geist der Waisenschaft in Abwesenheit meines Vaters und der Wunsch nach Rache angesichts der Ungerechtigkeiten, die er erlebte, ließen die Nazi-Samen in meinem Herzen keimen, als ich gerade 11 Jahre alt war. Mein Zimmer sah genauso wie ein Nazi-Bunker aus. Ich hatte ein Porträt des Führers, eine Hakenkreuzfahne, einen deutschen Wehrmachtshelm als Krönung meiner Bibliothek. Meine Mutter war zerstört. Sie hatte ihren Mann verloren und jetzt ihr Kind war ganz verrückt durch diese tödliche Ideologie geprägt. 1983 habe ich das Gymnasium begonnen. Er hatte hervorragende Noten, er war der Beste in der Schule, aber er war ein trauriger, verbitterter Junge ohne Freunde. Ich war verrückt nach diesen Ideen. Aber verrückter waren meine Klassenkameraden, die mir in den Pausen zuhörten, ihnen von Hitler und der einzigen Hoffnung für die Welt durch sein politisches Erbe zu erzählen. Wir haben anderen jüdischen Studenten mit Scherzen und ständigen Beleidigungen das Leben praktisch unmöglich gemacht.


Im Februar 1983 besuchte ich ein von der Schule organisiertes Camp. Es war in Bariloche, im argentinischen Patagonien. Ich war bereit, wirklich einige Anhänger zu gewinnen und eine politischrevolutionäre Bewegung in meinem Land zu starten. Da war ich gerade 15 Jahre alt. Aber in der ersten Nacht hatte ich einen Traum, der mein Leben für immer verändern sollte. Ich träumte, dass ich mich in einer Loge befände, die auf einer Plattform montiert war, die mit der Zeppelintribüne von Nürnberg identisch war, nur dass sie sich auf der Seite der Avenida Libertador in Buenos Aires befand, wo damals in meinem Land die Militärparaden abgehalten wurden. Es war ein Nazispektakel in seiner ganzen Pracht mit Hakenkreuzfahnen, überall waren Säulen mit goldenen Adlern die ihren Kapitellen krönten. Als Hintergrundmusik preußischen Märschen. Ich konnte die Texte aller diesen Märschen auswendig singen. Ich stand in meiner braunen Uniform, meiner Hakenkreuzbinde, auf dem Rednerpult und grüßte die unzähligen Truppen, die im Stechschritt auf dieser Allee marschierten. Plötzlich, als ich zum Horizont blickte, wo meine Soldatenkolonnen marschierten, konnte ich eine Armee sehen, die marschierte, aber in die entgegengesetzte Richtung. Alle seine Soldaten trugen weiße Gewänder und rückten zwischen meinen Truppen vor. Dabei nahmen sie ihre Waffen aus den Händen und zogen auch sie in weiße Gewänder. Dann würden meine Truppen auf eigenen Schritten umdrehen und auch in die entgegengesetzte Richtung marschieren. In diesem Moment wurde ich völlig beunruhigt von meinem Platz aus aufgerichtet und konnte die Szene von oben aus der Vogelperspektive sehen und zu meinem Erstaunen, die Soldaten waren dann auch alle weiß gekleidet und die Menge von Soldaten hatte von oben gesehen die Form eines Kreuzes. Dann bin ich aufgewacht. Da hörte ich eine Stimme, die zu mir sagte: „Du musst zu meiner Armee gehören.!“ Ich suchte überall, um herauszufinden, wer mit mir gesprochen hatte. In diesem Raum schliefen 8 Jungs, aber sie schliefen alle vollständig. Dann fing ich so an zu weinen, dass ich die Tränen nicht zurückhalten konnte. Ich konnte mein ganzes Leben durch meinen Kopf gehen sehen, als wäre es ein Film. Jeden Moment konnte ich mich mit absoluter Klarheit daran erinnern. Von der Krippe bis zu dieser Nacht im Lager. Ich verstand, dass ich die ersten Jahre meines Lebens in ständigem Leiden und Groll verbracht hatte und dass der Hass, den ich damals erlebte, ein Ende haben musste. Gott sprach in dieser Nacht zu mir und veränderte mein Herz. Am nächsten Tag waren alle erstaunt über mein Verhalten. Sie waren erstaunt, dass ich ein Lächeln im Gesicht hatte, statt der Bitterkeitsmaske, die ich immer hatte. Im folgenden Jahr ließ ich mich taufen und begann, dem Herrn zu dienen. Gott sagte mir, er hatte so eine Berufung für mein Leben, aber durch meinen Hass und Bitterkeit konnte ich diesen Auftrag fast kaputtmachen, aber er würde mich eines Tages nach Deutschland bringen, um Ihm und dem deutschen Volk zu dienen, um einen anderen Lebensstil zu zeigen, um Seine Liebe zu den Menschen fließen zu lassen. Ein Jahr später habe ich angefangen Deutsch zu lernen.

HfM: Mit welcher Musik würden Sie den Abend verbringen? H.V.: Da ich Musik in allen möglichen Stilen mag, und da jeder Abend immer anders ist, dann könnte ich jeden Abend mit einer anderen Musik verbringen.


Mein Musikgeschmack reicht von Klassik über Folklore, epische Musik, bayerische Blasorchester, ich kann Mozart, Rachmaninow, Puccini, Schostakovich, Bernstein, sowie Hansi Hinterseer, Andreas Gabalier, Semino Rossi oder die Alpentrio hören. Sogar ich liebe es zu jodeln und mache es gerne. Aber vor allem genieße ich die Musik, die Lob und Anbetung Gottes ausdrückt, es ist die Musik, die auch aus meinem Herzen kommt. Meine Mutter sagte mir immer, dass ich mein musikalisches Gehör an alle möglichen Stilrichtungen gewöhnen müsste, da ich nicht wusste, wo mich das Leben hinbringen könnte. Und sie war nicht so falsch, wenn man nicht sieht, wo ich gelandet bin, nicht mehr und nicht weniger als an der Hochschule für Musik in Nürnberg.


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