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4 HEISSES EISEN 16 KREUZBERG 22 KUNST STOFF GUSS

gentlich nichts am Hut. Vertane Zeit also. Bestenfalls noch Zeit, um abzuschalten. Aber wer kann das schon? Also bleibt die Nacht, um über das zu grübeln, was der scheidende Tag gerade so brachte. Und der

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kommende bringen wird. Die Nacht aber

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gearbeitet, produziert, Dienst geleistet. An

48 SCHNEEGESTÖBER 54 SÜSSES ZUR NACHT 56 HEISSES SILBER 62 NOT ARZT 74 SCHLAF GUT 81 VORSCHAU 82 IMPRESSUM

Anzeigengestaltung www.hoch5.com

Mit Schlafen? Hat der Unternehmer ja ei-

ist nicht nur zum Grübeln da. In ihr wird die Fersen all derer, die im Wirtschaftskreis Herford abends mit der Arbeit starten und morgens Feierabend machen, haben wir uns für diese Ausgabe unseres Magazins geheftet. Sind wach geblieben, sind dreckig geworden, haben Dinge gesehen, die man lieber nicht sehen möchte. Und Menschen kennen gelernt, die die Nacht zum Tage machen. Und dafür sorgen, dass die Wirtschaft brummt. Ganz gleich, wie der Mond, wie die Sonne gerade steht. Wenn Sie also mal wieder schlaflos im Bett liegen, dann vergessen Sie das Grübeln. Und lesen Sie einfach. Von denen, die gerade arbeiten


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SCHWARZ. WIE DIE NACHT. AUF DEM BODEN. AUF DEN HANDRÜCKEN. IN DEN GESICHTERN DER MITARBEITER. ABER VERALTET? IST HIER NICHTS. ALLES MODERN. UND DOCH NACHAHMEND, WAS SCHON NAPOLEON SO PRODUZIERTE.


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Wer mit Karl-Heinrich Thiele durch die Karlshütte

stammten sie aus dem Mittelalter. Über ihnen

in Ahle läuft, lernt schnell alle Mitarbeiter kennen. aber zeigen Flachbildschirme, wo gerade 1.400 Den einen mit dem ganzen, den anderen nur per

Grad heißes Eisen aus dem Ofen fließt. Es ist bei-

Vornamen. Ich bin ja schon so lange hier, dass ich

des. Erklärt Karl-Heinrich Thiele. Die Karlshütte

viele schon ewig kenne. Sagt der geschäftsfüh- ist sicherlich nicht die größte Gussproduktionsrende Gesellschafter. Und meint damit auch: als

stätte in Deutschland. Eher eine, die im Mittelfeld

Kind habe ich hier schon meinem Vater, meinem

rangiert. Die sich bei den Stückzahlen irgendwo

Großvater, seinen Mitarbeitern bei der Arbeit

zwischen 30 und 20.000 Stück bewegt. Gleich-

zugesehen. Und Menschen getroffen, die heute

zeitig ist sie aber eine derer, die am modernsten

immer noch da sind. Als Kind muss er sich mit

ausgestattet ist. Die Formanlage ist für Produk-

schmutzigen Händen ungläubig und erstaunt zu- tionsstätten dieser Art mit 13 Jahren nicht alt, gleich die Augen gerieben haben, als er hier zum ersten Mal in die hohen Hallen kam.

sondern jung. Nur das, was hier eigentlich geschieht, das machte Napoleon schon genauso, als er Munition für seine Kriege gießen ließ. Wenn

Von überall her dampft und schießt es,

Karl-Heinrich Thiele erklärt, was da eigentlich

Nebel­schwaden stehen in den Räumen,

geschieht, in diesen riesigen Öfen, die von außen

wabern von links noch rechts,

wie überdimensionierte Wasserspeicher ausse-

ohne sich gänzlich verziehen zu wollen.

hen, greift er gerne zu Stift und Papier. Unten rein

Mittendrin goldene Lichtpunkte.

in den Ofen, in dem sich Steine gegen die 2.000

Die tanzen über dampfenden Formen, zischen aus

Grad-Hitze stemmen, kommt Koks. Und den gibt

Löchern in die Luft und verleihen der ganzen Atmosphäre

es – leider, sagt Karl-Heinrich Thiele – nicht mehr

eine anziehend-unheimliche Mischung.

in Deutschland. Also kommt die so veränderte Kohle aus Polen. Oder Tschechien. Und mit dem

Aber man muss kein Kind sein, um sich hier

LKW nach Bünde. Früher, sicher, da ging vieles

faszinieren zu lassen. Männer mit von Ruß ge- noch mit der Bahn durch Deutschland. Nicht umschwärzten Gesichtern schieben ein­ ach­ sige

sonst liegt die Karlshütte direkt an der Bahnlinie.

Schubkarren vor sich her, die aussehen, als

Aber da geht heute nichts mehr.


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Also karren die Lastwagen heran, was später für

Produkte nach Deutschland, zu europäischen

diese unglaubliche Hitzeentwicklung sorgt. Oben

Kunden, wird eine Zylinderkopfart gar für einen

drauf kommt, man kann das nur so ausdrücken, Besteller in Südafrika in Ahle hergestellt. Aber Schrott. Nicht mehr die gute alte Gussbadewanne, man muss gar nicht so weit reisen, um hier herdie gehört auch im Eisenhandel längst der Vergan- gestellte Gussteile in Aktion zu sehen. Da reicht genheit an. Eisenbahnschienen finden sich schon

schon eine Fahrt über die Autobahn. Und ein

eher über dem schwitzenden Koks. Und all das, was

hungriger Stopp an einer Aral-Tankstelle. Wer hier

viel zu wertvoll ist, um nicht nur sprichwörtlich

Waffeln, getoastete Sandwiches bestellt, der sieht

zum alten Eisen zu gehören. Das orangeglühende

Waffelteig oder Toastbrot in schwarzen Gusseisen

Metall bahnt sich also den Weg an dem Koks vorbei

verschwinden. Und genießt ein paar Augenblicke

nach unten, oben drauf kommt wieder eine Lage

später, was durch Bünder Gusshandwerk heiß ge-

Koks, wieder Schrott, dann auch einmal Roheisen, macht und zusammen gedrückt wurde. aus Erz gewonnen und per Schiff aus Brasilien, aus

Damals, also vor 400 Jahren, da war dieses

Russland kommend über Bremerhaven, Rotter- Prinzip, waren diese sogenannten Kopal-Öfen dam, Hamburg in Bünde eintreffend. Auch wieder

längst erfunden. Befeuert noch mit Holzkohle

per LKW, auch wenn die Karlshütte direkt an der

und wegen des hohen Waldaufkommens häu-

Bahnlinie liegt. Aber die Zeiten, als hier Güterwa- fig in Schweden stehend. Und irgendwann, gons Koks und Metall gleichermaßen anlieferten, als halb Schweden abgeholzt war, weil all das sind vorbei. Vorbei auch die Zeiten, als sie hier aus- Holz in diesen Öfen verschwand. Auch Imperial schließlich für Imperial produzierten. Der aufmerksame Besucher wird schon beim

setzte darauf, so Gussteile herstellen zu können. Um widerstandsfähige Teile für die Ofenprodukti-

Heraussuchen der Adresse aufhorchen. Imperial­ on zu gewinnen. Es mögen so zwei, drei Kilometer straße. Und wird dann vom Firmeninhaber erfah- Luftlinie zwischen Hütte und Produktionsstätte ren, dass das auch mal so war. Dass hier nur und

bei Imperial gewesen sein. Und man mag sich

ausschließlich für Imperial produziert wurde. gut vorstellen, wie ächzende Dampfloko­motiven Ohne sich vorstellen zu können, was heute längst

Wagons voller Gussteile gen Innenstadt gezogen

Wirklichkeit ist. Heute gehen die hier gegossenen

haben, wo sie in Backöfen verbaut wurden.


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Zu dieser Zeit gehörte Imperial schon dem

drehen? Meine Familie nimmt die Verantwortung

Großvater von Karl-Heinrich Thiele. Der ver- für die Mitarbeiter sehr ernst. Sagt Karl-Heinrich diente sein Geld eigentlich in – wen wundert’s

Thiele. Und beantwortet damit eigentlich auch

in Bünde? – der Tabakindustrie. Aber als Im- schon die Frage. Auch zumachen? Die rund 100 perial Konkurs anmeldete, da fragte man

Mitarbeiter auf die Straße stellen? Kommt und

an, ob er sich nicht vorstellen könne, zu über­ kam nicht in Frage. Also wurde das gesucht, was nehmen. Und er konnte. Einen Teil der Hallen hatte

Wirtschaftsjuristen Fremdgeschäftsführer nen-

er längst für die Lagerung seines Tabaks angemie- nen. Und was heute nicht mehr so einfach zu tet, warum dann nicht nach der Weltwirtschafts- finden ist. Karl-Heinrich Thiele bastelt derweil krise die Chance ergreifen und umsatteln? Wobei

an seiner eigenen Karriere. Nur nicht im eigenen

der Firmengründer die Erfolgsstory mit dem Ta- Betrieb. Wobei zu diesem Zeitpunkt die Karlshütbak nicht beendete, sondern nur zweigleisig un­ tenanteile dreigeteilt sind. Einer gehört dem Vater, ternehmerisch weiterreiste. Weitsicht bewies der

einer der Mutter, einer Sohn Karl-Heinrich. 2006

Mann auch, als er 1949 die Karlshütte gründete. war dann Ende. Der alte Geschäftsführer ging, ein Und mit ihr bis 1971 ausschließlich für Imperial

neuer wollte nicht kommen, war nicht zu finden.

produzierte, ehe er dann auch Bosch und AEG, Und was macht man da? Fragte sich die Familie. Kochs-Adler und Olympia bediente. 1989 dann

Die Geschäfte mit dem selbstproduzierten Guss-

eigentlich der Schnitt. Oder besser: der Punkt. teilen liefen prima, die Weltwirtschaftskrise war Denn geraucht wurde immer weniger. Und wenn

(noch) nicht in Sicht. Also stand der Sohn vor einer

man ehrlich ist, wird nie mehr so viel geraucht

schweren Entscheidung. Aber wenn man heute

werden wie früher. Also wurde das Tabakunter- mit ihm gemeinsam durch die Produktionshalnehmen liquidiert. Und um den Strich perfekt

len läuft, dann wirkt es nicht so, als sei das hier

zu machen, trennte sich die Familie Thiele auch

eine wirklich schwere Entscheidung gewesen.

von Imperial. Miele kaufte, alles schien geklärt.

Er kennt sich aus. Mit den Werten, die der Ofen

Nur die Karlshütte, die wollten sie nicht in

leisten muss. Und das auch tut. Er weiß, wie wel-

Gütersloh. So etwas hatten sie schon , das konn- ches Teil auszusehen hat, welcher Produktionsten sie selber. Also hier einfach den Schlüssel um- schritt auf den nächsten folgen muss. Und auch


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folgt. Er sei 2006 Geschäftsführer geworden. Mit

eher wie eine riesige Schmiede wirkt. Dieser Ein-

Haut und Haar. Und der Verantwortung, die an bei- druck wird zum Ende der Schicht noch verstärkt. dem klebt. Unterstreicht Karl-Heinrich Thiele. Und

Dann konkurriert ein gelbes Warnblinklicht mit

erklärt damit auch, warum er damals nicht nur die

all den flackernden Flammen auf der Formenbahn.

Führung der Geschäfte, sondern auch gleich alle

Buhlt das Signallicht um Aufmerksamkeit, noch

Unternehmensanteile seiner Eltern übernahm. unterstützt von einem gellenden Hupkonzert, Ganz oder gar nicht halt, so sieht das einer, der sich

das bei all den Mitarbeitern hier nur ein ruhiges

all das vielleicht gar nicht hätte antun müssen. Der

Kopfnicken hervorruft. Okay, der Ofen wird ab-

ja eine gute Stellung hatte und stiller Gesellschafter

gelassen. Gut, wir passen auf, dass wir nicht zu

war. Aber Tradition verpflichtet dann doch. Und

nah rankommen. Und ja, wir sehen die mattgraue

familiäre Tradition erst recht.

Kette, die sich jedem in den Weg stellt, der gerade

Also steht Karl-Heinrich Thiele ganz vor- versucht an den beiden vor sich hin dampfenden, ne, wenn es um das Lenken der Karlshütte geht. ächzenden, schwitzenden Öfen vorbeizugehen. Wenn sich das mittelständische Unternehmen mit

Zwei Mann stehen mitten drin in dem Spekta-

den rund 80 Mitarbeitern gegen die Mitbewerber

kel. Eingehüllt in eine reflektierende Silberschür-

stemmt. Die kommen heute nicht wie erwartet

zenschicht. Und der Betrachter fragt sich, wo all

aus China, sondern vor allem und immer noch aus

die Hitze wohl hinreflektiert werden soll. Ist ja

Deutschland. Und dem nahen europäischen Aus- nichts da, wo es kälter ist, wo Hitze noch aufgeland. In Großserie, da gehen andere. Die Karlshüt- nommen werden kann, Ein schweißtreibender Job te bedient das mittlere Segment. Aber nur, wenn

also. Und ein gefährlicher.

es um die Anzahl geht. Ist Qualität gefragt, dann rangieren die Produkte aus Ahle auf allerhöchstem

Denn der Ofen,

Niveau. Wohl auch, weil sich die Firma, ihre Geräte

der eben noch flüssigen Guss produzierte,

und das Personal auf technologisch höchstem Ni-

das jetzt lavagleich anfängt zäh und

veau bewegen. Dem Laien erschließt sich das beim

dunkelorange zu werden und sich langsam

ersten Besuch nicht. Unwissend und staunend

in bereitgestellte Handwagen ergießt,

schaut der sich in einer Produktionswelt um, die

wird nun geöffnet.


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Es dampft. Ist neblig. Und heiß. Schweißtreibende Arbeit also. Wenn Löcher verschlossen werden müssen, damit das zähflüssige Metall formgerecht erkalten kann.


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Geöffnet mit einem beherzten Schlag, der den

ten Gesichter reiben und in deren Augen doch ein

Boden nach unten springen lässt. Was dann ge- Funkeln zu erkennen ist, wenn sie davon erzähschieht, treibt manch einem Pyrotechniker den

len, wie lange sie das hier schon machen. Wie an-

Neid in die Augen. Man würde sich gerne ganz

strengend das sei. Und wie lange sie noch weiter­

vorne hinstellen. Sich die Sicherheitskette in den

machen werden. Bis zur Rente halt, am Ofen,

Bauch schneiden lassen, sich vorn überbeugen, in der Hitze . um genau hinzusehen.

Auf der Internetseite des Unternehmens werden immer die Mitarbeiter genannt, die gerade

Und plötzlich

Firmenjubiläum feiern. Zehn Jahre? Ist hier kein

mittendrin zu stehen.

echter Wert. 25 Jahre? Eher Alltag. Es gibt einen,

Mittendrin in einem Meer

der ist seit 43 Jahren hier. Der kannte noch mei-

aus Funken.

nen Großvater. Erzählt Karl-Heinrich Thiele. Und

Die glühwürmchengleich um die beiden Arbeiter herum tanzen, aufplatzen, noch stärker strahlen,

man ahnt, dass auch hier das Wort Tradition eine gewichtige Rolle spielt. Vor dem Ofen sieht es jetzt aus, wie in einem Holzkohlengrill zur besten Spätsommerzeit.

knallen, funkeln, fauchen, verlöschen.

Schuhkartongroße Koksbatzen rollen über den

Leuchtend orange Koksbrocken

Boden. Werden – es sieht irgendwie niedlich aus,

sausen nach unten, schlagen aneinander,

aber es zeigt Wirkung, keine Frage – mit einer

reiben sich, dampfen, zischen.

kleinen Wasserfontäne aus einem Gartenschlauch abgekühlt. Irgendwann dann erlischt beides;

Es kann – das sei keine Rederei – in solch einem

Signallicht und Glut. Die Kette wird zur Seite ge-

Moment sehr gefährlich werden. Warnt der Fir- schoben, ein paar Aufräumarbeiten noch, wähmeninhaber. Und schaut nicht einmal hin, wenn

rend nebenan der zweite Ofen Fahrt aufnimmt.

es durch den Ofen gen Fußboden rauscht. Alles

Sprich Hitze aufbaut. Mitarbeiter, für die Enge

Gewohnheit. Die Hitze, der Dampf, das Zischen, nichts ist, vor der man sich fürchten muss, krieder Anblick der Männer, die sich ihre verschwitz- chen Stunden später in Ofen Nummer eins und


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bauen die Steinwand nach, rüsten die Ofenwand

Leiharbeitern gearbeitet, wo es möglich ist. Aber

gegen die nächste Hitzewelle, die sich beim er- Fachkräfte, die bekommst du nicht über den Perneuten Anfeuern wieder an ihr bilden wird.

sonaldienstleister. Weiß Thiele. Und ist froh, dass

Es gab allerdings eine Zeit, als es mit dem An- er all die Facharbeiter auch in der Krise behalten feuern so eine Sache war. Als vieles still stand. In

hat. Auch, wenn sich das in Zeiten des massiven

und vor dem Ofen. Die Wirtschaftskrise erwisch- Auftragsrückgangs manchmal auch anders angete auch die Karlshütte. Und das massiv. Von den

fühlt haben kann. Kurzarbeit habe man da gefah-

3.500 Tonnen Guss, die sonst jährlich hier produ- ren, volles Rohr. Aber jetzt sei es anders herum, ziert wurden, blieb kaum etwas übrig. Die Kun- sind auch die Aussichten gute. den schauten erst einmal in ihrem Lager nach, ehe

Nun ist sie also wieder ein florierendes Unter-

sie bestellten. Und suchten am Ende in jeder Ecke, nehmen, die Karlshütte. Mit einer Historie, die ehe sie nachorderten. Das Ergebnis kippte nach

sich eng an eine Familie anschmiegt. Bleibt am

unten. Um 40 Prozent. Unter dem Strich bildet

Ende noch die Frage nach der Generation Nummer

sich, was Thiele einen dicken Verlust nennt. Auch

vier. Viel zu jung. Sagt Thiele lachend und winkt

heute wird noch kein echtes Geld verdient. Aber

ab. Zwei Töchter, fünf und acht Jahre alt, stehen

die Lage ist genauso rasch, wie sie in den Keller

noch längst nicht in den Startlöchern. Aber vor-

gerauscht ist, wieder ins positive gekippt. Jetzt

stellbar, doch, vorstellbar sei das.

müssen plötzlich viele nachordern, jetzt kommt produktions- und zahlentechnisch wieder das Niveau des Jahres 2006 in Sicht. Vorsichtiger ist Karl-Heinrich Thiele dennoch geworden. Vor allem, wenn es um Neueinstellun-

Und im Gesicht von Karl-Heinrich Thiele ist das zu erkennen,

gen geht. Man habe sich, und das darf man bei

was sein Unternehmen ausmacht.

diesem Unternehmen ruhig wörtlich nehmen,

Dieses Funkeln, wie bei den tanzenden

ordentlich die Finger, wenn nicht die Hände

Glühwürmchenblitzen.

verbrannt. Und das müsse, das dürfe nicht noch ein zweites Mal passieren. Also wird jetzt da mit

Nur kurz aufblitzend. Und doch von einigem Gewicht


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WÄCHST MAN REIN, INS AMT DES BÜRGERMEISTERS? SICHERLICH. UND IST DAS EINFACH? NEIN.

Aber unheimlich spannend. Sehr reiz- Dass er immer wieder neue Menschen voll. Und gleichsam anstrengend. Und

Man müsse auch qualifizierte Menschen

kennenlernt, sich neuen Herausforde- mit ihren Familien zu uns lotsen, in dem

das solle man nicht nur auf die geleiste- rungen stellen, sich weiterbilden muss. wir eine gute Schul-Infrastruktur, ein ten Arbeitsstunden beziehen. Sondern

Aber wo erlebt man so etwas - mit über

gutes Freizeit, Kultur- und Sportange-

auf den Druck. Morgens, wenn Bruno

50, wenn nicht in diesem Amt? Also

bot vorhalten. Mit Düsseldorf, Berlin,

Wollbrink in die Zeitungen schaut, dann

doch (s)ein Traumberuf. Aber keiner, München, da kann der Kreis, kann die

hat er schon hin und wieder den ersten

bei dem er jeden Tag Freudentränen

Frust. Abends, beim letzten Gespräch

vergießt, dass solle man ruhig wissen. verstecken müssen wir uns, muss sich

Stadt Herford nicht mithalten. Aber

dann den letzten. Erzählt der Herforder

Also gibt es auch schlaflose Nächte?

die Region OWL noch lange nicht. Ein

Bürgermeister . Das liegt vielleicht auch

Naja, vielleicht nicht komplette Nächte. Wechselspiel also. Die Gewerbesteuer als

daran, dass der Bürgermeister von der

Aber man gerät schon ins Grübeln. Und

eine der Haupteinnahmequellen. Und

Bevölkerung so gesehen wird, als könne

denkt sich: Muss man sich das antun?

die Verpflichtung, die Infrastruktur zu

er alles alleine entscheiden. Jeder sagt:

Das schlimmste ist dabei, sich unge- schaffen, damit es der Wirtschaft - und

Das kann der ja mal gerade regeln. Aber

recht behandelt zu fühlen. Mit Kritik, damit allen Herfordern - gut geht. Bei-

die Gemeindeordnung zeige - Gott sei

da muss man umgehen, sicher. Gerade

fall? Bekommt man dafür nie. Nicht da-

Dank, dass das hier kein Königtum ist. wenn sie sachlich, wenn sie konstruk- für, dass die Haushaltssicherung nicht Aber der Druck ist da. Der öffentliche, tiv ist, dann lässt sich mit ihr etwas be- eingetreten ist, dass eigenständig ausder mediale. Und, wenn man das mal

wegen. Wenn nicht, dann kommt schon

so sagen dürfe, irgendjemand hat immer

eine gewisse Ohnmacht auf. Wer ver- Aufwiegen? Darf man keinesfalls. Nicht

gegeben und eingespart werden kann.

etwas zu nölen. Und mittendrin steht

steht schon all die finanziellen Zusam- Kultur gegen Sport gegen Wirtschaft

halt der Bürgermeister. Kein Traum- menhänge. Wer begreift, welche Aus- gegen Freizeit. Ziel muss es sein, mögberuf also? Doch doch, das könne man

wirkungen es hat, wenn diese Schraube

lichst alle städtischen Angebote aufrecht

ruhig so sagen. Hier kann man gestalten, gedreht wird. Und eine andere nicht. zu erhalten. Genauso wichtig ist es aber hier kommt immer etwas neues, vieles

Sehen Sie beispielsweise den Fach- auch, im Rahmen der finanziellen Ge-

ist nicht planbar, verändert sich ständig. kräftemangel. Auf der einen Seite ist

samtverantwortung den Mut zu haben,

Das hat durchaus seinen Reiz. Anfangs, es Aufgabe der Wirtschaft, ausreichend

den Rotstift anzusetzen. Augenmaß ist

da war Bruno Wollbrink ein normaler, ihrer Verpflichtung zur qualifizierten

da gefragt. Und Weitblick. Und was den

ein gebürtiger Herforder. Ratsmitglied

Ausbildung nachzukommen hier hat

meisten fehlt: Eine Spur mehr Gelas-

über Jahrzehnte, einer, der sich als

es aus meiner Sicht in der Vergangen- senheit. Und die hat Bruno Wollbrink.

klassischer Vereinsmeier bezeichnet. heit Defizite gegeben. Auf der anderen

Auf die Palme? Bringt mich so schnell

Der glaubte, dass er die Bevölkerung

Seite ist es Aufgabe der Stadt, dass die

nichts. Auch wenn die Emotionalität bei

schon kenne. Als Bürgermeister hat er

sogenannten weichen Standortfaktoren

den Gesprächspartner, den Briefeschrei-

schnell gemerkt, dass das nicht so ist. passen. Sagt einer, der es wissen muss. bern immer mehr zunimmt


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Eine eisige Nacht in Kreuzberg. Auto durch den Schnee rückwärts durch die Einbahnstraße pflügen lassen, dann ins absolute Halteverbot dirigieren. Passiert schon nichts. Beschwichtigt Lars Montag, gebürtiger Kirchlengeraner, jetzt Regisseur eben in Berlin und heute Abend Gesprächspartner auf einer Reise durch die Nacht.

ÜBER FERNSEHEN? MUSST DU DICH MIT MIR NICHT DRÜBER UNTERHALTEN. DAS SCHAU ICH NICHT, DAVON HAB ICH GAR KEINE AHNUNG. SAGT EINER, DER EIGENTLICH DOCH MASSGEBLICH DARAN BETEILIGT IST. ALS REGISSEUR. VOM TATORT.


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Kreuzberg, das steht für den Laien für

tut auch die Unkompliziertheit seiner

billige Kneipen und ebensolchen Fu- Hauptdarstellerin Ulrike Folkerts. Top sel. Für grafittibesprayte Häuser und

sei die, unkompliziert, nie launisch,

manch eine düster-dunkle Ecke, in der

top eben. Und man möchte eigentlich

das Wort Tatort noch seiner Ursprungs- die ganz anderen Geschichten hören. bedeutung folgt. Aber Kreuzberg wan- Die, wo Schauspieler mimosengleich delt sich. Was schon in Kneipe Nummer

auftreten. Wo das Wort launisch fett

eins deutlich wird. Die Kellner bezopft, und kursiv geschrieben wird und der die Musik eine zurückhaltende und das

Regisseur erst Kopfgrippe bekommt

Steak auf dem Teller des Kirk Royal ein

und dann ein „nie wieder“ ausstößt,

ausgezeichnetes. Lars Montag isst nur

wenn er den Namen noch einmal auf

Fleisch, keine Beilage. Trinkt nur Was- einer Besetzungsliste liest. Aber all das, ser, keine Kohlensäure. Und erzählt, all diese Geschichten gibt es an diesem wie das so ist, auf dem Set. Wenn die

eisig kalten Berliner Abend nicht. Na-

Zeit im Nacken nicht nur sitzt, son- türlich gäbe es die, vor denen ihn Koldern trampelt. Wenn die drei Monate

legen warnten. Aber auch denen sei er

Drehzeit sich lang anhören und kurz

immer unbedarft und professionell

anfühlen. Regie beim Tatort, sicher, gegenüber getreten. Was sich immer das sei der cineastische Ritterschlag, auch gelohnt habe. Obwohl, fügt er wenn es um das deutsche Fernsehen

dann noch an und trennt mit spitzem

gehe. Aber eben auch harte Arbeit. Messer ein weiteres Stück vom Steak ab, Morgens um 5.30 Uhr Sprechproben. obwohl, mit Muriel Baumeister würde Wenn es mal nicht klappe, wenn der

er nie wieder arbeiten. Und das Stück

Texte dann doch nicht der richtige, Fleisch schluckt er nicht, das würgt er der passende, der sich an die Szene

herunter.

anschmiegende zu sein scheint, dann

Gut gestärkt geht es raus in die Kreuz-

einfach alle Drehbücher einsammeln

berger Nacht. Rüber in die Anker-

und improvisieren lassen. Das habe

Klause, Spelunke am Kanal, In-place,

schon manches Mal geholfen. Helfen

ein To-be, ein Must-Have. So stellt man


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sich vor, müsse doch einer reden, der

er dabei vor allem eins: zur Ruhe ge-

zu all den Bussie-Parties eingeladen

kommen. Ist mit dem Rad durch Berlin

wird, zu dem Hape Kerkeling und Atze

geradelt, hat Freunde besucht, Ideen

Schröder bei der Berlinale zum Brun- gesammelt. Für Drehbücher, die er chen kommen und bis tief in die Nacht

mittlerweile mit verfasst. Für Konzepte,

bleiben. Aber so redet er gar nicht. Ist

die in der Branche als eigenwillig und

immer noch der, mit dem wir vor rund

vielleicht gerade deshalb interessant

20 Jahren das Abitur bastelten. Der, der

gelten. Er habe sich für den Frankfur-

sich so sehr begeistern lassen kann. ter Tatort vorstellen können, dass der Und andere begeistert. Er hat unlängst

neue Kommissar gar keiner ist. Also

die Hypnose-Ausbildung abgeschlos- kein echter. Eher so ein Hochstapler. sen. Und kann sich nun noch besser in

Einer, der kein Arzt ist und als solcher

die reinversetzen, die seine Ideen am

doch eine sehr gute Figur abgäbe. Zwei

Set umsetzen. Wobei man sich das Le- Schauplätze also in jeder Serie, in jeder ben eines Regisseurs nicht so vorstellen

Szene. Das Versteckspiel vor den eige-

solle, als jage er von Dreh­ort zu Drehort, nen Kollegen und die Tätersuche unverbrächte Monate als Nachtschatten- ter den Verdächtigen. Vielleicht doch gewächs beim Schneiden. Lars Montag

ein wenig zu abgefahren. Denkt Lars

denkt jahresweise. Im vergangenen ist

Montag und sagten die Verantwort­


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lichen. Aber denken kann man ja mal. nicht. Sagt Lars Montag beim Gang

ich jetzt einen low-budget Kurzfilm

Und müssen muss er eh nicht mehr. durch die spärlich beleuchten Gassen. machen wollte, die Mannschaft wüsste Denn wer in der Tatort-Liga spielt, Wird gemacht. Innen drin nur Russen, ich schon. Sagt Lars Montag. Die meisder verdient nicht nur bei der Erst- Parka-Bemantelte, die Cola kostet 1,50, ten wohnen ja eh um die Ecke. Viele ausstrahlung, sondern auch bei jeder

der Tee 1,40. Ein verlockendes Zahlen- von ihnen sieht er im Theater; Schau-

Wiederholung. Und wiederholt wird ja

werk also, eines, das der Quote nach

spieler, die er immer wieder gerne

gerade im Tatortbereich besonders viel. der Erstausstrahlung gleichen sollte. einsetzt, denen er jetzt im Winter gern Er, also der Tatort, sei derzeit infla­­­ti­ Natürlich sitzt auch Lars Monatg ker- vom Theatersessel aus zusieht. Aber onär. Findet nicht nur Lars Montag. Ein

zengerade vor dem Plasma-Bildschirm, auch Beleuchter und Mädels für alles,

Hype gar? Sicher. Aber eben auch der

wenn tags zuvor sein Film gelaufen ist. Focuspuller und Dollyfahrer wären mit

40. Tatortgeburtstag. Und ein, wenn

Über Videotext ist dann die Quote ab- von der Partie. Weil sie ihren Job nicht

nicht das Fernseh-Kulturgut. 2011 steht

ruf- und einschätzbar. Ist sie gut, klin- als solchen betrachteten. Sondern lieb-

Lars Montag wieder hinter der Kamera. gelt schnell darauf das Telefon, kom- ten. So wie er. Sagt einer, der noch mal Drei Filme stehen derzeit auf dem Ka- men die Angebote. Ist sie es nicht, bleibt

am Tee nippt, dann geht es zurück in

lender, der sich gerade vom Druck- ins

die Kälte. Rein ins Auto ohne Strafzettel,

das Telefon still. So einfach ist das.

iPhone-Format wandelt. Der Kompass

Einfach, viel einfacher als in jedem an- vorbei an den Nutten, rein in die Sack-

des Multi-Telefons leitet uns auch zu

deren Beruf sei es, ein Team zu finden, gasse, in der die Lampen noch gasbe-

Kneipe Nummer drei, Kantina 62. Ist

das sich begeistern ließe, das – wenn

trieben sind und es mehr nach Notting

ne Russenkneipe, aber schreib das

nötig – auch umsonst arbeitete. Wenn

Hill denn nach Berlin Mitte aussieht

ES SEI EINE SPANNENDE ZEIT. HIER IN BERLIN. UND ÜBERHAUPT. SAGT LARS MONTAG. UND MAN WILL NICHT WIDERSPRECHEN.


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SCHLAFLOSE NÄCHTE? HAT ER NIE GEHABT. DIE SITUATION HABE IHN VIELMEHR ZUR KREATIVITÄT GEDRÄNGT. UND DAS HABE SPASS GEMACHT.


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Obwohl da auch Existenzängste waren. Sicher. Wer führt schon gerne solche Gespräche? In denen es darum geht, dass man nicht zahlen kann. Nicht die Steuer, nicht die Lohnnebenkosten. Aber vielleicht waren es gerade diese klaren Worte, diese klaren Ansagen, die den Gegenüber überzeugten. Wir sind hier in Ostwestfalen. Sagt Jörg Tilmes, Geschäftsführer der Heinze Gruppe mit Sitz in Herford. Und da rede man halt gerade(r) aus. 2009, da habe es eben alles andere als rosig ausgesehen. Die Handyproduktion hatte sich längst aus dem Herzen Herfords nach Asien verzogen, Autohersteller brauchten nichts, orderten nichts, rührten sich nicht. Da haben wir die Produktion einfach dicht gemacht. Erzählt Jörg Tilmes heute. Vier Wochen lang Stillstand. Ende. Wenn auch nur vorläufig. Es sei, so dürfe man das ruhig nennen, um die Wurst gegangen. Meetings hätten sich aneinander gereiht. Gespräche, die man eigentlich so nicht führen will, wenn man ein Geschäft leitet. Und die man dann doch führen muss. Ist sich Tilmes sicher. Alle haben am Ende mitgemacht. Finanzamt, Krankenkassen und auch die Belegschaft, die einen Monat lang auf die Hälfte ihres Gehalts verzichtete. Es wurde also gestundet. Und wieder zurückgezahlt. Eine Landesbürgschaft half weiter, im Mai 2010 lief die Produktion auf Hochtouren, liefen die schwarzen Bilanzzahlen wieder über die Bildschirme in der Buchhaltung. Aber das, was da von Dezember 2008 bis April 2009 weggebrochen war, ließ sich nicht mehr aufholen. Also ist Jörg Tilmes einer, der vorsichtig geworden ist. Der nur zögerlich einstellt, der Investitionen scheut. Könnte man meinen. Aber der Geschäftsführer agiert und agierte


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anders. Selbst in der Krise dachte er über Neueinstellungen nach. Wenn Du keine guten Ingenieure hast, kannst Du einpacken. Wusste er schon damals. Und wenn eine Maschine kaputt geht, dann geht der Umsatz in den Keller. Aufgestellt hat er auch ganz winzige, unscheinbar klingende Rechnungen. Wenn ich eine Gitterbox miete, dann zahle ich 2,80 Euro im Monat. Wenn ich sie kaufe, dann 30, vielleicht 35 Euro. Dauert also nicht lange, bis sich der Kauf rentiert. Wenn denn das Geld für solch einen Kauf da wäre. Solche Überlegungen haben Tilmes häufig in seinem Berufsleben begleitet. Er war Geschäftsführer bei KIA Deutschland. Sitz in Bremen, den Hof voller Autos und ein Werbeetat, mit dem nun wirklich keine Bäume auszureissen sind. Daewoo ging in Konkurs, KIA lebt noch heute, so die Bilanz. Ähnlich bei Fiat, bei Alfa Romeo, wo Jörg Tilmes auch wo Jörg Tilmes auch das Marketingbudget verantwortete. Und Kreativität das ersetzen musste, was die Konkurrenz an Geld oben auf den Werbetopf aufsatteln konnte. Genug geredet, Rundgang durch die Firma. Der Weg führt durch die Kantine, frisch renoviert und doch längst kein Schmuckstück. Alles funktionell eingerichtet, der Fußboden mausgrau gesprenkelt, die Beleuchtung nichts für die Sofaecke im eigenen Wohnzimmer. Wenn Jörg Tilmes durch die Produktionshallen läuft, ziehen die Mitarbeiterinnen ihre Baumwollhandschuhe aus und schütteln seine Hand. Man kennt sich, man schätzt sich. Durch schwere Zeiten sei man gegangen, sicher. Aber eben auch gemeinsam, das sei das entscheidende. Zierleisten werden gerade hergestellt, nebenan die Vorrichtung in der Mercedes C-Klasse, die die Fahrertür öffnen lässt. Bronze glänzend hängen


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ren und dann nach Asien liefern könne. Es sei halt eine unberechenbare, nennen wir sie ruhig verrückte Branche. Sagt der 49-Jährige. Aber vielleicht fasziniere auch genau das. Dieses auf und ab, das Ringen um Aufträge, das gestärkte Rückrad, das nun sogar ermögliche, mit den Autohersteller über Preise zu reden. Und damit sind erstmals wieder die steigenden Preise gemeint. Eine spannende Zeit also auch jetzt noch. So aufregend und arbeitsreich, dass der normale Tag meist nicht ausreicht, um all die anfallende Arbeit zu schaffen. Manchmal sitze ich hier bis 20 Uhr, manchmal auch bis 1 Uhr. Sagt der, auf den abends, oder besser: nachts niemand wartet. Die Familie – Frau und vier Kinder – ist längst in Hamburg wohnen geblieben. Bei Fiat bin ich in elf Jahren zehn Mal umgezogen. Da ist der Bogen irgendwann überspannt. Erzählt der Geschäftsführer. Also pendelt er, Montag der Bürotag in Hamburg, Dienstag bis Freitag Herford oder Oberlungwitz in Sachsen, wo eine weitere Galvanik betrieben wird. Ein rastloses (Arbeits-)Leben also. Aber eines, das sich lohne. Das solle man aber nicht wörtlich, sprich finanziell sehen. Denn die Landesbürgschaft ist mit Auflagen verbunden, Geld aus der Firma ziehen, das Geschäftsführergehalt anheben – alles nicht möglich. Und auch nicht gewollt. Es gehe jetzt darum, den Betrieb auf die kommenden Jahre vorzubereiten. Und nun auch einmal den Spieß Kunststoffgehäuse über der Galvanik­anlage; spä-

umzudrehen. Was ja lange nicht möglich war. Immer wieder musste

ter werden sie dem Fahrer im 3er-BMW anzeigen,

neu mit den KfZ-Firmen verhandelt werden. Immer nur in eine

in welchem Gang er sich gerade befindet. Ein paar

Richtung, immer nur noch einmal fragen lassen, ob er, ob die ganze

Meter weiter die Gehäuse für das Gigaset-Telefon,

Zuliefererbranche nicht doch günstiger anbieten könne. Jetzt sind

Marktführer in Deutschland, beliebt in Büro- und

wir mal dran. Nimmt sich Jörg Tilmes vor. Also bei der nächsten

Einfamilienhaus gleichermaßen. Wieso das denn

Verhandlungsrunde ein noch breiteres Kreuz, ein noch stärkeres

funktioniere, mit dem Festnetztelefon? Und nicht

Rückrad zeigen. Damit nicht nur der Umsatz, sondern auch der

klappe mit dem Handy, was die Produktion in Eu-

Gewinn steigt. Man darf nie aufgeben. Sagt Jörg Tilmes. Und das

ropa angeht. Schulterzucken. Nackenkratzen. So

soll nicht als Durchhalteparole verstanden werden. Sondern eher

etwas folge keiner echten Logik. Erst will alles

so, dass man immer zum Limit gehen müsse. Und darüber hinaus.

nach Asien. Soll der Produzent am besten gleich

Und es wirkt nicht so, als sei das ungemütlich. Sondern eher das,

mitkommen. Ein paar Monate später dann der

was Jörg Tilmes ausmache. Und eben nicht für schlaflose Nächte,

Anruf. Ob man nicht doch in Herford produzie-

sondern manchmal sogar für Spaß sorge


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ER KOMMT AUS DER DUNKELHEIT. ZU JEDER TAGESZEIT. AUCH NACHTS. PIRSCHT SICH NICHT ERST HERAN, SONDERN JAGT DRAUFLOS. EIN ENTKOMMEN? GIBT ES NICHT. DENN ES GIBT KAUM EINEN FISCH, DER SCHNELLER IST ALS ER.


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Nach Jäger sieht der blaue Marlin jetzt aber gar nicht aus. Nicht mal blau, sondern glänzend weiß schimmert der Körper, der da auf einer Holzkonstruktion in der Werkstatt von Oliver Fuckert zu schweben scheint. In drei Teilen wurde der Fisch aus den USA geliefert, auseinander gesägt von

einem Zwei-Komponenten-Kleber, der aussieht

Männern, die eher zu hohe Portokos- wie Knetgummi. Knetet und drückt, verbindet so ten denn die Schönheit eines Meeres- die beiden Teile miteinander und formt mit ihnen bewohners im Auge hatten. Dabei ist

eine Augenhöhle. Als Vorbild dienen vier leicht

dieser Marlin nie geschwommen. Ent- unscharfe Bilder von google. Vor allem aber die stammt er einer Form. Gegossen wur- eigene Vorstellungskraft. Und die ist bei dem pasde der Flossenträger in einem Stück, sionierten Angler eine ganz ausgezeichnete, wenn ehe er auseinander geschnitten, von

es um Fische geht. Vorne am Einfamilienhaus in

Oliver Fuckert wieder zusammen

Ahle schon der erste Lachs, ausgefräst aus einem

gesetzt wurde. Die Augen nur porö- massiven Holzstück. Auf dem Geländewagen die se Höhlen, die Farbe, die Struktur, nächste Forelle, an der Haustür, im Flur, auf dem die Lebendigkeit fehlt. Ein trauriges

Weg runter in den Keller, runter zur Werkstatt:

Bild also. Aber eines, das sich ändern

überall Fische an der Wand. Nachgebildet von

wird. Denn bestellt hat ein Ein-Sterne- einem, der schon auf der Weltmeisterschaft der Restaurant aus Hamburg. Das wurde

Tierpräparatoren Pokale und Urkunden gewann.

auf den Namen Blue Marlin getauft und

Der europaweit den Anglern zur verlängerten Er-

will nun schon vorne am Eingang zei- innerung verhilft, die zwar einen großen, einen gen, woher diese Namensgebung rührt. kapitalen Fisch gefangen haben. Aber nicht wisAlso greift Oliver Fuckert erst einmal zu

sen, wie sie so einen gegen die einsetzende Ver­


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wesung schützen sollen. Also packen

wartend, auch für die Ewigkeit prä- genau gleicht. Und für ein Leben lang

sie den großen Barsch, Hecht, Lachs in

pariert zu werden. Was dabei passiert, hält. Wer nur ein Foto schießen konn-

feuchte Handtücher. Legen das ganze

ist dem technisch nicht so versierten

te, dann den Fisch wieder zurücksetze,

in die Tiefkühltruhe, nehmen das ge- nicht eingängig. Fuckert schneidet

muss auch nicht auf sein Abbild an der

frorene Paket wieder raus und schi- den Fisch auseinander, gießt davon

Wand, auf die Trophäe in Fernseher­

cken es per Express an Oliver Fuckert. Teile ab, setzt sie wieder zusammen

nähe verzichten. Dann modelliert Oli­

In dessen Tiefkühltruhe sich die Flos- und erschafft so in seinem Keller, was

ver Fuckert nach Foto und Gefühl. Und

senträger aneinander reiben, darauf

vor allem: nach Erfahrung. Denn er ist

dem kapitalen Fang auf die Schuppe


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selber Angler, besser: Fliegen­fi scher. Wurm, Brot, Köderfisch? Kommen nicht ans Schnurende. Nur die Fliege, meist selbst gebunden, kunstvoll und ganz sacht auf die Wasseroberfläche und damit schmackhaft vor das Raubfischmaul platziert. Irgendwann wurden die so von ihm zur Strecke gebrachten Fische größer. Wuchs damit auch die Frage, wie man so etwas konservieren, den Augenblick irgendwie festhalten könne. Also brachte er sich selber bei, was heute nur sehr wenige beherrschen. zeichnen würden. Klein-klein geht es auch mit Übte und perfektionierte, ehe er auch

dem Lackieren des 3,50 Meter-Marlins los. Ab-

die ersten Auftragsarbeiten annahm. geklebt wird der Fisch, dabei bedenkend, dass Heute schicken Angler aus ganz Europa

die Farbe auf der Mitte der Fischseite von Silber

ihre Fänge des Lebens. Museen beauf- hin zu Blau wechselt. Und das nicht mit einer Litragen den, der auch (haupt-)beruflich

nie vom Lineal gezogen. Sondern es darum geht,

den Blick für die Anatomie mit dem

einen organischen, einen intuitiven Wechsel zu

Geschick seiner Hände paart. Denn

schaffen. Die Augen des Fisches, mit Air-Brush

als Facharzt für Allgemeinchirurgie, zum farbigen Funkeln gebracht, schauen schon als Operateur im Lukas-Krankenhaus, nach vorne. Oliver Fuckert setzt die Lackiermaske der meist minimal-invasiv und sich

auf, lässt erst schwarz, dann blau, dann braun,

damit auf engstem Terrain bewegt, ist

später violett und wieder blau in die Spritzpisto-

Fuckert Arbeiten gewohnt, die Unge- le laufen. Das sei das schwierigste. Schwierig sei duldige wohl als eher fummelig be- es zu bestimmen, welche Farbe aufzutragen ist,


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Die Nacht? Ist zum Schlafen da. Zum Träumen, zum Entspannen. Aber vielleicht kennen Sie dieses Gefühl gar nicht. Oder erinnern sich nur noch vage daran, wie es ist, abzuschalten. Einzuschlafen, ohne vorher lange wachzuliegen? Und das durchzuplanen, was nach viel zu kurzer Nacht startet? Und gleichzeitig das Revue passieren zu lassen, was eben noch passiert ist? Kennen Sie nur vom Hörensagen. Sehen Sie sich manchmal im Bett von links nach rechts und ebenso in Ihrem Kopf die Probleme wälzen? Ausgeschlafen heißt bei Ihnen noch längst nicht ausgeruht, frisch, fit, den neuen Tag beginnend. Müdigkeit, das hat bei Ihnen nichts zu tun mit Tages- und Nachtzeit. Müde? Sind Sie nicht. Sie sind matt. Mitten am Tag, mitten in Ihren Gedanken. Lohnt es noch, sich darüber aufzuregen? Lohnt es noch, in das hier seine Energie zu stecken? Und war da früher nicht viel mehr Energie in dem, wie Sie Dinge angepackt haben? In Ihnen? Vielleicht ist es an der Zeit, die Zeit ein wenig zurück zu drehen. Sich an das zu erinnern, was vor den schlaflosen Nächten, vor den Einschlafproblemen war. Einfach mal abschalten. Den virtuellen Kalender, die Hektik, den Alltag. Eine Auszeit nehmen. Wir zeigen Ihnen, wie Sie genau das lernen. Sie können sich verändern. Wir zeigen Ihnen wie. Nur Sie können sich verändern. Wir unterstützen Sie dabei. Damit Sie das Licht ausschalten, um selber abzuschalten. Und die Nacht wieder zu dem wird, was sie eigentlich sein soll: Die Zeit, in der Probleme nicht gewälzt werden sollen. Sondern schlafen.


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damit ein bestimmter Farbverlauf, eine Schattierung, das Gesamtbild Gestalt annimmt. Fuckert tauscht die Pistolen, trägt mit dem Pinsel Pigmente auf, tupft hier, lackiert da. Und so langsam ahnt auch der Laie, was da, abgeklebt und unter Kreppapierklebeband versteckt, entsteht. Wieder ein flüchtiger Blick auf die Fotos, dann wieder auf das

in imposanter? Noch stärker leuchtend, noch in-

Original. Und man weiß nicht, wer hier

tensiver schillernd? Schwer vorstellbar. Erst aber

eigentlich von wem abschaut. Am Ende

wird der Marlin zwischengelagert. Bei Freunden,

dann der letzte (Kenner-)Blick von der

die mit gutem, mit sehr gutem Wein handeln und

Seite, eine dicke Klarlackschicht drü- in deren Weinkeller noch Platz ist. Da lagert der ber gezogen und der Fisch, der Marlin, Kunstschuppenträger jetzt, dick eingepackt in das Kunstwerk ist fertig. Aber zu Ende

Noppenfolie und exakt zusammengeschnittenen

ist die Produktion der neuen Fisch­ Pappschablonen, die die empfindlichen Flossen restaurant-Attraktion noch nicht. 3,50 Meter, die wollen erst einmal

vor Stößen und Kratzern bewahren sollen. Die letzte Reise tritt er dann mit dem Anhänger an.

bewegt werden. Wollten anfangs run- Wieder gut verpackt, schön vorsichtig fahrend, tergeschafft werden in den Keller. Und

damit nicht in Sekundenbruchteilen kaputt geht,

später wieder hinauf. Jetzt aber nicht in

was an vielen Tagen entstanden ist. Angestrahlt

drei Teilen, sondern komplett zusam- wird er dann in einem großen Holz-Glas-Kasten mengesetzt. Wollen auf den Anhänger

vor dem Restaurant präsentiert. Wird die locken,

geladen, dann Kopf nach unten vor

die Hunger nach Fischigem verspüren. Und vor

dem Restaurant aufgehängt werden. allem abends, im dunkeln kommen werden. So Dabei, sagt Oliver Fuckert, sei das hier

wie der Fisch, der nie den Ozean gesehen hat,

eigentlich eher ein kleiner. Marlins, die

nicht einmal sehen kann. Und doch unglaublich

gibt es noch in viel größer. Aber auch

echt aussieht


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ER IST DER KLEINE BRUDER. WENN ER ZUM GROSSEN X5 AUFSCHAUT. UND DER GROSSE, WENN SICH DIE VIER AUGENRINGE ZUM KLEINEN X1 RUNTER BEWEGEN. ER IST AUCH DER NACHFOLGER. WENN ER AUF SEINEN VORGÄNGER ZURÜCK SCHAUT. VOR ALLEM ABER IST ER EINS: DIE GOLDENE MITTE.


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Schreiben Sie es so, dass es den Pferdeliebhabern

genau das nicht nötig hat. Wir rangieren also die

gefällt. Und den Yachtbesitzern. Hieß es vor vielen

2,0 Liter Dieselvariante aus der Parkbucht und

Jahren. Da fuhren wir zum ersten Mal den taufri- schon hier zeigt sich, warum SUV und HF gut zuschen BMW X5, quasi den BMW SUV 1.0 für einen

sammen passen. Rund herum sorgt der Schnee im

Fahrbericht spazieren. Und der freundliche BMW- geräumten Zustand für räumliche Enge, doch die Händler war sich nicht sicher, wer denn eigentlich

Sitzposition ist hoch, der Rundumblick groß und

so ein Auto kaufen sollte. Viele Jahre später ist der

der Allrad das passende Gegenmittel für Eis und

Mann bei B&K in Herford verwundert, warum es

Kälte und die Paarung aus beidem. Schnee und Eis

denn der neue X3 sein soll. Es stünde doch auch

braucht der SUV-Fahrer aber längst nicht mehr,

der fast noch genauso neue X5 zur Fahrt bereit. um seine Autowahl argumentativ zu untermauAber, man muss sich bescheiden können. Wobei

ern. Was bei Schnee klappt, kann bei Regen nicht

das beim neuen X3 nichts mit müssen zu tun hat. verkehrt sein. Sagt man sich, den X3 lenkend. Und Auf den ersten, und wohl auch auf den zweiten

wussten Sie, dass der Juli der regenreichste Tag in

Blick wirkt der X3 gar nicht so neu. Er platziert

Deutschland ist? Wir dirigieren den X3 durch die

sich größenmäßig geschickt in die Lücke zwi- Herforder Innenstadt. Und dabei zeigt er, dass das schen X1 und X5, duckt sich fast weg, obwohl er

doch klappt. Das man doch innen groß und außen


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bietet nicht nur dabei das ausgeklügelte Sicherheitssystem, sondern eben auch der Allrad, der ja Pate bei der Namenswahl stand. Wenn es um das Etwas mehr, auch um viel mehr geht, dann tanzt der X3 aus der Reihe. Und das im positiven Sinne. Er ist – immer im Vergleich zum ohnehin schon sehr erfolgreichen Vorgänger – um acht Zentimeter gewachsen, hat gleichzeitig aber abgenommen. Start-Stop ist jetzt beimX3 mit an Bord, vor allem aber herrscht jetzt feiner Zwirn, hochwertiges Leder im Inneren vor, das dann doch stark an den großen Bruder erinnert. Was ja nicht schlecht sein muss, ganz im Gegenteil. Nach 100 Kilometern peilen wir die Zapfsäule an, sieben Liter, ein guter und realistischer Wert. Am Ende dann ein Blick klein sein kann. Was im krassen Gegenteil zum

ins Zahlenwerk. 39.100 Euro kostet der neue X3,

Erscheinungsbild der meisten B-Promis steht. nackig, sozusagen. Und so will ihn ja keiner haDie Rücksitze werden auch bei längeren Touren

ben. Also kommen noch ein paar Tausender drauf.

nicht zur Strafbank und warum der freundliche

Dann aber erhält man einen sehr ausgewachsenen,

B&K Mitarbeiter die Verarbeitung, die Auswahl

na, sagen wir ruhig Geländewagen. Auch wenn er

der Materialien, einfach das Ambiente lobte, ist

das Gelände wohl nie sehen wird. Es sei denn, Sie

uns längst bewusst geworden. Es sind die run- sind Pferdeliebhaber, oder Yachtbesitzer. Und sie tergedimmten Lichter, das Leder, das jeder Couch

können sich damit abfinden, dass Sie eben nicht

gut stehen würde. Es ist aber auch der Motor, der

das dickste Schiff in der BMW X-Familie fahren.

da vorne surrt, nein schnurrt, wenn er nicht ge- Dabei können wir Sie beruhigen: er fühlt sich dick treten wird. Wenn aber das Gaspedal nach unten

und schmal genug an, je nachdem, von wo man

wandert, dann wird der X3 zum – das darf man

drauf guckt. Und? Fragt der freundliche B&K Mit-

ruhig so nennen – Raser. Und der Fahrer schaut

arbeiter, als wir den BMW zurückbringen. Cooles

irritiert in den Fahrzeugbrief und liest nach, dass

Auto? Ja, doch, sicher. Auch wenn wir es nicht so

da wirklich nur zwei Liter Hubraum werkeln. Und

nennen würden. Eher: sehr überzeugend. Aber

sich das nach sehr viel mehr anfühlt. Sicherheit

beides meint heute wohl das gleiche


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SCHULE, LERNEN, SCHNELL WIEDER VERGESSEN? MODERNER TANZUNTERRICHT SIEHT HEUTE GANZ ANDERS AUS.

Die Zeiten sind längst vorbei. Die, in denen Kinder zu Jugendlichen werden und im Tanzkurs schüchtern das Tanzbein zaghaft aufsetzen und gleichzeitig verträumt die Tanzpartnerin anschauen. Und nach dem Kurs entschwinden in Disco und Hochzeitsnacht, gerüstet mit dem bröckelnden Basiswissen rund um das Thema Tanzen und dem ein oder anderen Schritt, der bei einem Großteil der Einerleimusik dann doch weiterhilft. Tanzen – das ist heute viel mehr eine Lebenseinstellung. Eine, bei der es auch seitens der Tanzschule nicht ausreicht, drei Schritte vorzutanzen, die Lichtorgel anzuwerfen und die passende Musik in den CD-Player zu schieben. Natürlich gibt es noch den klassischen Tanzkurs. Und viele Jugendliche, die den begeistert besuchen. Aber Tanzschule? Das ist weit mehr als klassischer Tanzkurs in der Teenagerzeit. Schon allein das Wort Tanzschule ist das

Die Doppeltür schwingt, die Musik spielt auf,

falsche. Findet Peter Marks. Und nennt deshalb

Peter Marks geht, nein wippt von Gast zu Gast,

seinen Bünder Betrieb auch gleich Tanzhaus. kurze Begrüßung, man kennt sich, man schätzt Denn hierher kommen nicht nur die, die erstmals

sich, schon über viele Jahre hinweg. Getanzt?

das Tanzparkett betreten. Sondern auch die, die

Wird nicht sofort. Das hier, das ist keine Tanz-

nicht mehr lernen, sondern nur noch genießen

veranstaltung. Das ist ein geselliger, ein stilechter

wollen. Und das in einem Ambiente, das weit

Abend. Nicht ohne Grund spielen hier Musiker der

entfernt ist von dem, was früher geboten wurde.

heimischen Musikschule auf – um mal zu zeigen,

Szenenwechsel: ein kalter Freitagabend im

dass so etwas wichtig ist. Die Schule und die Mu-

November; im Foyer plaudern die, die sich raus- siker. Vor allem aber: Der Fortbestand von beidem. geputzt haben, die Haare geföhnt, die Schuhe

Sagt Peter Marks noch und entschwindet wieder

gewienert. Innen im Tanzsaal die letzten Vor- in Richtung Bar, in Richtung Buffet und Eingang. bereitungen, jeder trägt eine Maske in dieser venezia­n ischen Nacht, die das Gesicht und wohl

Natürlich wird später auch getanzt, schwungvoller, einfach besser, als das an anderer Stätte

auch ein wenig das Lampenfieber verdeckt. Hin- der Fall wäre. Denn natürlich treffen sich hier vor ten üben in barocken Kleidern die Musiker an

allem die, die nicht nur klassische Klänge und ex-

Geige und Cello, Sektkorken ploppen schwung- klusives Essen, sondern eben auch tanzbare Musik voll aus glasgrünen Flaschenhälsen. Ein letztes

und deren Umsetzung lieben. Aber: Nur tanzen?

Zusammenkommen, Mut zusprechen, verbales

Das ist längst vorbei. Heute, da geht es um Enter­

Auf-die-Schulterklopfen, dann kann beginnen, tainment, um das Schaffen einer Atmosphäre, die was hier gleich drei Abende lang stattfindet und

abendfüllend ist, die sich nicht aufdrängt und

dennoch längst nicht zum Alltag geworden ist. doch bleibenden Charakter besitzt. Kein Wun-


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der also, das auch Frank Muschalle mit seinem Jazztrio hier gastiert, dass zum Candlelight-Dinner, zum Hüttenzauber geladen wird. Eins, zwei, Wiegenschritt? Nicht vergessen. Aber hier fehl am Platz. Natürlich kommt immer noch Tanzen lernen vor Tanzen gehen. Aber die Gewichtung ist eine ganz andere geworden. Dabei spielt das Alter kaum (noch) eine Rolle. Vier Jahre? Kein Problem. 30 Jahre und keine Lust mehr, sich von jungen Hüpfern von der Tanzfläche schieben zu lassen? Auch kein Thema. Vielleicht sogar Tanzmuffel? Auch da hat Peter Marks ein Gegengift. Einfach mal reinschnuppern, später dann einen Kurs besuchen, in dem es nicht um den perfekten Schritt, sondern um den Spaß daran geht. Damit – und das ist jedem, auch dem größten Tanzmuffel peinlich –, weiß Peter Marks, niemand betreten

Hinter der Maske?

nach unten gucken muss, wenn er denn doch mal

Lässt es sich gut verstecken.

aufgefordert wird. Vielleicht geht ja dieses Un-

Und nicht nur sich.

behagen. Und bleibt die Freude an der Bewegung

Sondern auch das Lampenfieber,

zur Musik. Das hat auch schon vor vielen Jahren geklappt. Und funktioniert noch heute

das trotz Professionalität dann doch manchmal auftaucht.


Die Initiative Wirtschaftsstandort Kreis Herford e.V. ist ein Zusammenschluss von heimischen Unternehmen, Verwaltungen, Freunden und Förderern und gibt seit mehr als einem Jahrzehnt positive Impulse für den Wirtschaftsstandort Kreis Herford. Ausführliche Informationen zu unseren Angeboten sowie Ihre Ansprechpartner finden Sie unter www.iwkh.de Initiative Wirtschaftsstandort Kreis Herford e. V. Amtshausstraße 3 • 32051 Herford Tel.: +49.5221 13 1000 • Fax: +49.5221 13 1349

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Beginn: 19.15 Uhr, Ort: Bridgeland Bielefeld

24.03.2011

Unterzeichnung der KURS-Vereinbarungen

bei der Firma Hettich Holding GmbH in Kirchlengern, 14.00 Uhr

06.04.2011 Business-AKTIV: „Raumdüfte - Erfolgreicher mit Duftmarketing“

Referent: Jens Reißmann, Beginn: 19.15 Uhr

Ort: SMV Sitz- und Objektmöbel GmbH, Löhne

BUDEN ZAUBER

Einmal im Jahr kommen die zusammen, die

früher Kreismeisterschaft war. Und immer

sich eigentlich noch im Winterschlaf befinden.

noch das gleiche bedeutet. Am Ende gewann

Also von der Bewegung her gesehen. Aber der

ein Kleiner: der SV Oetinghausen. Und damit

Januar ist traditionell der Monat, in dem die

zeigte sich einmal wieder, dass Halle und Frei-

Hallen-Kreismeisterschaft im Fußball ausge-

luft nicht viel miteinander zu tun haben. Und

tragen wird. Dieses Mal allerdings unter einem

Widufix sich um beides kümmert. Die Kleinen.

besonderen Titel: Widufixcup nannte sich, was

Und die Großen


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WAS IST DAS FÜR EINE VORSTELLUNG, WENN MAN ANFANG JANUAR WEISS, DASS MAN – SAGEN WIR – AM 17. OKTOBER ARBEITEN MUSS. ODER EBEN AUCH NICHT. GANZ GLEICH, OB DER 17. OKTOBER EIN WERKTAG IST. ODER EBEN NICHT.

Bei Gerresheimer im Bünde sind erst

einmal alle Tage Werktage. Außer die gesetzlichen Feiertage. Aber auch das kann sich ändern, wer weiß. Die Pläne sehen dann auch aus wie komplizierte

Exceltabellen, durchschaubar nur von

dem, der hier arbeitet. Durchschaubar auch die Rohstoffe, die hier bearbeitet

werden. Früher, da gab es an diesem Standort auch Kanülen und weitere

medizinische Glasprodukte in braun. Doch die sind längst konzernintern umgeschichtet, werden nun irgendwo

an einem der 40 Standorte, von einem

(anderen) Teil der 9.400 Mitarbeiter weltweit hergestellt. Hier, in Bünde,


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da gibt es nur noch klares Glas. Wobei

fühl für Tag und Nacht nehmend. Ver- mal hinschauen, nicht mal reinschnup-

das nicht als einschränkend verstan- stärkt wird dieser Effekt noch in dem, pern möchte. Wer sich nähert, der muss den werden sollte. Denn wer durch

was der Kenner Reinraum nennt. Und

die Produktionshallen schreitet, wer

was von außen ein wenig unheimlich

Sicher ist sicher. Es öffnete sich dann

das 26.000 Quadratmeter große Areal

ausschaut. Den 100.000er Reinraum

eine kleine Klappe und heraus fahren

zu Fuß in Angriff nimmt, der erhält

gibt es hier, also eine Konstruktion aus

Spritzen, sich in saubersten Verpa-

schnell eine Idee davon, wie viel hier

Überdruck und komplexer Filteranlage, ckungsmaterialien drängend, immer

produziert wird. Und unter welchen, die es schafft, dass pro Kubikmeter Luft

zum Kittel noch eine Haube aufsetzen.

wieder überprüft, so rein wie möglich

nun, außergewöhnlichen Bedingungen. nur 100.000 Partikel vorkommen. Da- gehalten. Heraus kommt auch ein leichEin nächtlicher Rundgang also, zuvor den

Einmal-Textilkittel

rin dann eine – hermetisch abgetrenn- ter Windstoß, denn drinnen im Pro-

übergezo- te – weitere Steigerung: der Reinraum

gen, dann Marketingmanagerin Heidi

duktionsraum herrscht ein Überdruck,

10.000. Die Mitarbeiter darin sehen

damit es die Luft raustreibt und nicht

Vemmer, dem Leiter des Personalwe- aus wie eine Mischung aus Imker und

Partikel eingesogen werden. Warum

sens Olaf Grädler und seinem Produk- Tuareg. Das Gesicht kaum erkennbar, all dieser Aufwand? Weil die Kunden, tions-Pendant Klaus Wuttke gefolgt

jedes Körperteil mehrfach abgedeckt. verständlicherweise, sehr genau, nein,

durch die Produktionshallen. Durch

Sie sind erst durch eine Schleuse in

penibel sind. Wird hier in einer vorfüll-

Hallen, die nicht die Tageszeit, nicht

Reinraum 100.000 geschlüpft, haben

baren, sogenannten RTF-Spritze eine

einmal die Jahreszeit spüren lassen. sich umgezogen, wurden weiter ge- Verunreinigung festgestellt, dann geht Gut, es wird hier etwas wärmer, wenn

schleust, wieder umgezogen, dann

sie direkt zurück. Und mit ihr 699.999

es draußen heiß ist und drinnen durch

mit der Arbeit beginnend. Hier mal

weitere. Denn das Risiko der Verun-

die vielen glasschmelzenden Flammen

kurz auf die Toilette, kurz eine rau- reinigung ist zu groß. Für den, der die

die Zimmertemperatur noch angeheizt

chen gehen? Nicht möglich. Ein riesi- Spritze nutzt. Und natürlich erst recht

wird. Das Licht aber: immer das gleiche. ger Aufwand also. Selbst für den, der

für den, der sie gesetzt bekommt. Also

Auf viel weiße Fläche fallend, das Ge- sich neugierig der Scheibe nähert, der

wird gewaschen, silikonisiert und


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sterilisiert, ehe die pharmazeutische

Computer, Sensoren und Durchleuch- verpackt auf den Arm, die Po-Backe

Industrie ihr wachsames Auge darauf

tungsanlagen festgestellt, dass diese

warten, in die sie eingespritzt werden

wirft. Was natürlich auch Gerreshei- Gläschen keine Risse, auch keine noch

sollen. Die Maschinen laufen dazu 24/7, sprich 24 Stunden, sieben Tage die Wo-

mer längst getan hat. Überall auf den

so kleinen, in sich tragen. Ein ewiges

26.000 Quadratmetern wird genau

Ringen um die Qualität also, ein steti- che. Weil nur so die Maschinenkapazi-

hingeschaut, wird kontrolliert und

ges Überprüfen, ein genaues Hinschau- täten voll ausgeschöpft werden können.

noch einmal nachgemessen, nachge- en, ehe ausgeliefert werden kann, was

Vor allem aber, weil die Prozesse – und

wogen. Gibt es ein sensibleres Feld als

nicht mehr droht zurückzukommen. damit die Qualität – stabil gehalten

die Herstellung solch medizinischen

Dabei sind die Anforderungen der

werden kann. Müssen die Flammen

Equipments? Selbst die Temperaturen

Kunden immer weiter gestiegen. Und

erst auf Temperatur gebracht, die Öfen

sind hier exakt vorgegeben. Eintau- mit ihnen das ohnehin schon sehr hohe

erst wieder aufgewärmt werden, dann

send Grad misst jede Flamme, die das

Qualitätsbewusstsein beim Unterneh- geht nicht nur Zeit verloren. Sondern

in Stangen angelieferte Glas schmelzt

men Gerresheimer, das viele immer

entstehen Produkte, die eben noch aus

und damit schneidet. Sechshundert

noch Bünder Glas nennen. So langsam

der Aufwärmzeit stammen. Und damit

Grad der Ofen, der das so bearbeite- setzt sich aber der neue Begriff durch, nicht geeignet sind, um sie auszuliefern. te Glas später brennt. Entspannung

vier Jahre, nachdem er offiziell einge- Im Vier-Schicht-Betrieb wird also pro-

wird dieser Prozess bei Gerreshei- führt wurde. 630 Mitarbeiter arbeiten

duziert, die Qualität gesichert, die Lo-

mer genannt, und kennzeichnet den

hier in Bünde, an einer der modernsten

gistik in Gang gesetzt. Alles basiert auf

eigentlichen physikalischen Prozess

Produktionsstätten weltweit, wenn es

einem 28-Tage-Rhythmus. Alles auch

am Ende der Produktionskette. Wobei

um vorfüllbare Spritzenmodule geht. darauf, die jährlich rund 500 Millionen

damit auch die Haltung der Produk- Langzeitlagerungen von Medikamen- produzierten Spritzen fehlerfrei zum tionsmitarbeiter zu diesem Zeitpunkt

ten werden mit diesen Produkten

Kunden zu bringen. In einem Prozess,

charakterisiert werden kann. Denn

möglich gemacht, Impfstoffe etwa, die

der Tag und Nacht, hell und dunkel

jetzt haben menschliches Auge und

schon passend portioniert und steril

nicht kennt


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Alles friert. Überall schneit’s. Einer fährt trotzdem. Durch die Nacht. Damit andere fahren können. Und nicht nur rutschen.


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damit auch nicht der Einsatz seiner Männer, seines Gerätes. 175 Kilometer hat Andreas Kleineberg auf seiner Liste. Verstreut über das ganze Kreisgebiet. Und nicht alle miteinander verbunden, sondern häufiger unterbrochen von Bundes-, von Stadtstraßen. Ein unhaltbarer Zustand sei das gewesen, damals, als noch jede Gemeinde für sich, der Kreis, StraßenNRW für sich gestreut hätten. Zumindest mit den Kommunen habe man sich zusammen Aus der Ruhe? Bringt Volker Sasse so

mit 170 Pferdestärken vorne schieben, gesetzt. Habe er sich einigen können.

schnell nichts. Auch nicht die Autos, hinten streuen und aufpassen, dass er

Und dann einen Plan erarbeitet, der

die hinter ihm drängeln, die immer

selbst nicht ins Rutschen gerät. Angst

den einen für den anderen mitstreu-

näher auffahren. Dabei sollten die sich

aber? Die kennt Volker Sasse nicht. Der

en lässt. Am Ende des Winters kommt

eher Gedanken über die Lebensdauer

fährt für den Kreisbauhof in Vlotho

dann die Abschlussrechnung, der eine

ihres Kühlers machen. Denn die sinkt

schon seit 17 Jahren. Allrad, ordent- zahlt, der andere kassiert, je nachdem

gerade bedenklich und rasant. Volker

liches Gewicht und Schneeketten, die

Sasse wirft Salz auf die Straße. Und

sich automatisch unter die Räder wer- und am Ende auch gestreut hat.

damit auch vor die drängelnden Au- fen und damit als Lebensrettung geltos, vor, in ihre Kühler. Sieben Meter

ten, helfen, die Bodenhaftung nicht zu

wie viel er eigentlich streuen musste Für Volker Sasse heißt das auch, dass er irgendwann den passenden

schafft der Auswurf einige Meter hin- verlieren. Und wenn es doch einmal zu

Knopf drückt und hinten am Wagen

ter ihm, lenkbar in verschiedene Rich- glatt, zu rutschig ist, dann legt Volker

der Salzauswurf stoppt. Eben noch ist

tungen. Hier oben, auf den Straßen

Sasse den Rückwärtsgang ein. Nicht, das Schild „Willkommen im Kreis Lip-

K 17 und K 16, oben in Vlotho, gute 340

um zu flüchten. Sondern um eben an- pe“ vorbeigehuscht, schon sucht sich

Meter hoch, da muss der Unimog schon

ders herum den Berg hochzufahren. der Bauhofmitarbeiter einen Wende-

seine ganze Kraft aufbringen. Muss

Und sich dabei selber das Salz vor die

platz und es geht zurück ins Kreisge-

Füße, sprich Räder zu werfen.

biet. Jetzt werden die Gesichter der

Einige Kilometer entfernt sitzt Andreas Kleineberg. Der ist im Kreishaus dafür verantwortlich, dass in den Bauhöfen in Enger, Bünde und Vlotho alles reibungslos abläuft. Wobei reibunglos nicht nach Plan bedeutet. Denn Kleineberg kann noch so viele Pläne aufstellen, kann gedanklich Personal und Autos hin und her schieben, planbar ist der Winter nun einmal nicht. Und


51 automobilen Drängler noch länger, Streufahrzeug verbirgt. Lauge, FS30

wenig glatt ist, dann weiß man, dass es

ärgerten sie sich eben noch über den

genannt, wird da gleich auf dem Streu- oben am Berg echte Probleme gibt. Sagt

orangeleuchtenden Schleicher vor

teller mit Salz vermischt und sorgt da- dann auch Volker Sasse auf dem Weg

ihnen, fahren, nein rutschen sie jetzt

für, dass die Salzbrocken bei Raureif

hoch in die Vlothoer Berge. Schnee­

auf

nicht gleich wieder von der Fahrbahn

flocken prasseln auf die Panorama-

ungeräumter

Strecke.

Wobei

Schleicher eigentlich der komplett

fliegen und im Straßengraben landen. Windschutzscheibe,

falsche Ausdruck ist. Denn fahren darf

Das ganze bleibt also kleben. Und sorgt

Volker Sasse mit Schneepflug eigentlich

dafür, dass gleiches mit den Autoreifen

nur wenige Stundenkilometer schnell. der Nachfolgenden passiert. Aber dieses Tempolimit wird gerne

Schneemassen

fliegen vom Pflug angetrieben in den Straßengraben. Langweilig? Werde es hier oben nicht. Auch wenn man

Wann dieser Klebeeffekt einsetzt, eine ordentliche Portion Gelassenheit

einmal überschritten - und niemand

wann die insgesamt sechs Fahrzeuge

beschwert sich. Der Verkehr kommt

der drei Bauhöfe ausrücken, ist fest ge- auszuüben. Und eben auch zeitliche

mitbringen sollte, um so einen Beruf

nicht zum Erliegen und Volker Sasse

regelt. Und folgt in der Praxis nicht im- Flexibilität. Seine Familie sei längst

kommt schneller nach Hause. Meint

mer diesem Plan. Morgens um drei Uhr

daran gewöhnt, dass die Wochenen-

man, doch gerade letzteres tritt nicht

beobachten die sogenannten Oberwär- den, die frühen Morgende, die Aben-

ein. Jetzt, im Dezember 2010, erinnert

ter Wetterradar und Straßenoberfläche. de verschneit sind und sich verregnet

sich Volker Sasse noch ans Vorjahr. Da

Soll heißen: Sie stehen draußen auf der

anfühlen. Überstunden fallen an, die

saß er gemeinsam mit seinem Kolle- Straße, schauen genau hin, fassen an, irgendwann im Sommer abgefeiert gen 18 Stunden auf dem Streufahrzeug, beurteilen, ob ausgerückt werden muss

werden. Da geht es dann ins lange

gegen Schnee, gegen Eis ankämpfend. oder nicht. Wenn es hier unten nur ein

Wochenende, wird ein zeitlicher Speck

Und selten als echter Sieger vom Platz

angefressen, der in der Wintersaison

gehend. Man muss wissen, dass Salz

davor längst aufgegessen wurde. Wenn

irgendwann nicht mehr wirkt. Erklärt

es um Überstunden, um die Härte des

dann auch Andreas Kleineberg. Wenn

Winters geht, hält Andreas Kleineberg

das Quecksilber nach unten, unter

imposante Zahlen bereit. Im Winter

die Minus-zehn-Grad-Marke rutscht,

07/08 fielen 872 Winterdienststunden

dann hilft auch das brockenweise auf

an. Bei allen Mitarbeitern, allen Bau-

die Fahrbahn geworfene Salz nicht.

höfen. Ein überschaubarer Wert also.

Dann hilft auch nicht, was sich in

Im Jahr darauf dann 2.379, einen Win-

blauen Zusatztanks auf manch einem

ter später 5.170 Winterdienststunden. Ein Rekord. Erst einmal. Denn was im vergangenen Dezember passierte, scheint auch diese Marke bröckeln zu lassen. Dass es einmal so früh angefangen hat zu schneien, wir so früh angefangen haben zu schieben ist mehr als ungewöhnlich. Erzählt Volker Sasse. Der fährt, wenn notwendig, abends bis


52


53

22 Uhr, sitzt morgens um 4 Uhr wieder

Schneeketten ausgestattet, vorne einen

in seinem Fahrzeug. Tauscht den Platz

kleinen Schneepflug angesetzt, um den

immer wieder mit seinem Beifahrer, eigenen Hof schneefrei zu halten und der bei der Rückwärtsfahrt rausspringt

sicher zum Arbeitseinsatz zu gelangen.

und einweist. Die Grenzen dessen, was

Meist ist es dann der immer gleiche

leistbar sei, sind da manches Mal er- Weg, den Volker Sasse mit dem Unimog reicht. Sind sich Sasse und Kleineberg

fährt. Nur selten ruft die Polizei, rufen

sicher. Aber gibt es eine Alternative?

Anwohner die Schneeräumer zu Hilfe.

Eben so sicher nicht. Also schwingt

Dann werden Schneewehen beseitigt,

sich Volker Sasse Morgen für Morgen

kommt manches Mal auch die Schnee-

auf ein eigentümliches Gefährt. Nur

fräse zum Einsatz, die nur schrittweise

wenige Minuten vom Vlothoer Bauhof

vorwärts kommt, dafür aber auch mit

entfernt wohnend hat sich der gelern- meterhohem Schnee fertig wird. te Handwerker einen kleinen Traktor zurecht gemacht hat. Hat ihn mit

Das Ende des Winters? Sehnen sie alle herbei. Wenn die Fahrten am frühen Morgen, am späten Abend seltener werden. Wenn wieder durchgeschlafen werden kann. Sie müssen sich unseren Bauhof wie einen kleinen Bauernhof vorstellen. Sagt Andreas Kleineberg. Im Sommer wird geschnitten und gemäht, im Winter eben Schnee geschoben. In einem Ausmaß, das nun doch wieder nicht an einen kleinen Bauernhof erinnert. Gleichzeitig aber dafür sorgt, dass die, die da im Rückspiegel aufblenden und drängeln, dann doch sicher an ihr Ziel kommen


54

INS BETT? GEHT MELANIE BRAUN GLEICH ZWEI MAL PRO TAG. EINEN MITTAGSSCHLAF? DEN GÖNNEN SICH HIER EIGENTLICH ALLE. SAGT DIE 33-JÄHRIGE MORGENS UM 5.30 UHR. Da steht die Konditor-Meisterin in der

hier. Hat sie eben gerade ausgerech- sicher. Ein straff durchorganisierter

Backstube vom Bäckerjungen. Wo- net. Hier, das heißt: kommt um 2 Uhr bei sich Backstube irgendwie viel zu

Tag also. Wobei das Zeitmanagement

in der Nacht. Und geht, wenn alles fer- in der Nacht noch viel wichtiger ist.

niedlich anhört. Hier wird nicht klein- tig ist. Jetzt, in der Vorweihnachtszeit, Wir kämpfen hier eigentlich Stunde klein gespielt, hier wird groß gedacht. kann das auch einmal 12 Uhr werden.

um Stunde gegen die Zeit, sagt ein

Der Haken, der den Spekulatius-Teig

Dann schnell nach Hause. Kurz zur

Kollege. Bestellungen werden abge-

durchknetet, ist männerarmlang. In

Ablenkung in den Fernseher geguckt,

arbeitet, schokobraune Masse in qua-

der Schüssel ließe sich ein Dreijähriger

dann ab ins Bett. Schläft man tags- dratische Formen gestrichen. Sahne-

baden, die nebenan liegende Sahne- über genauso fest wie in der Nacht? Na

schnitten sind gerade der Renner, mal

schnittenform beherbergt am Ende so

sicher, sagt Melanie Braun. Zwei Stun- mit hellem, dann mit dunklem Boden.

viele Kalorien, dass sich davon ein Dorf

den lang vielleicht, ganz ohne Wecker,

Kuchen, Torten, all das, was lecker

in Afrika über Wochen ernähren könn- ohne Zeitdruck. Dann aufstehen, den

schmeckt und Pfunde auf die Hüften

te. Also zumindest gefühlt. Mittendrin

Tag organisieren und um 10 Uhr wie- bringt, entsteht hier. Wird zu den war-

in dieser XL-Backstube steht Melanie

der ins Bett fallen. Zuvor aber dann

tenden Lieferwagen geschoben, die in

Braun. 5 Jahre und 8 Tage ist sie jetzt

doch den Wecker stellen. Sicher ist

zwei Touren all die Filialen beliefern,


55

die tags zuvor ihre Bestellungen ab- ten. In der Weihnachtszeit dann noch gegeben haben. Der Computer spuckt

Hexenhaus, Spekulatius und Bären-

also abends aus, was in der Nacht dar- tatzenplätzchen, je nach Bestellliste. auf gebacken wird. Butter und Zucker

Nach Weihnachten dann die nächste

vermischen sich in großen Schüsseln, Hochzeit. Bis Silvester müssen 30.000 die Rezepturen finden sich im Kopf

Berliner fertig gestellt, mit Marmelade,

von Melanie Braun wieder. Manchmal, Creme, Kirschwasser oder Eierlikör geda müsse man doch mal nachschau- füllt werden. Dann folgt das, was man en, sicher. Erzählt die, die eigentlich

nicht als Ruhezeit bezeichnen sollte.

Hotel­fachfrau werden wollte. Aber das

Aber was sich manchmal so anfühlt.

ist schwer, wenn man aus Lübbecke

Denn Januar und Februar, das schei-

kommt. Und der Opa Bäcker, der Vater

nen nicht die Monate der Leckermäuler

Konditor ist. Also doch erst einmal die

zu sein. Dann gehen die Bestellungen

Lehre zur Konditorin machen – kann

etwas zurück, dann stapeln sich die

ja nicht schaden. Und dann? Dann ist

Bleche zwar immer noch rund um die

sie hängengeblieben. Hat den Meister

edelstählerne Arbeitsplatte, aber es

hinten dranggehängt. Und hat sich

bleibt dann doch besser überschaubar.

arrangiert mit der Nachtarbeit. Ideal?

Auch an diesen ruhigeren Tagen ge-

Nein, ideal sei es nicht, so zu arbeiten. nießt Melanie Braun das WochenenAber in diesem Handwerk natürlich

de. Kann sofort den Schalter umlegen,

unumgänglich. Vielleicht komme ir- kann sich abends ins Bett legen und gendwann das Zwei-Schichten-System, bis morgens durchschlafen. Das gleiändere sich dann was. Jetzt aber heißt

che Bild auch im Urlaub: kein Problem

es fünf Tage in der Woche um 2 Uhr mit

mit der Umstellung. Für die normalen

der Arbeit zu beginnen. Und freitags

Arbeitsnächte, für die Erdbeer- und

um 22 Uhr zu kommen, um all diejeni- Pflaumenkuchenzeit gilt dagegen: gen zu bedienen, die am Wochenende

Abends lange feiern? Unmöglich. Und

nicht selber in der Küche stehen und

meistens: Wunschdenken. Aber zu

doch süß Gebackenes naschen wollen.

ändern? Zu ändern ist das nicht. Sagt

Zu Arbeitsbeginn geht es aber erst

Melanie Braun. Und setzt mit dem gro-

einmal um Herzhaftes. Um rund 500

ßen Pinsel einen weiteren Schokostrich

Brötchen, die belegt werden wollen. auf das Lebkuchenstück, das gleich den Dann folgen Kuchen und Sahneschnit- Zaun um das Hexenhaus bilden wird


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57


58

DIE UHR AN DER WAND ZEIGT EXAKT 24 UHR. Olaf Klusmann steht vor dem Kaffeeautomaten, erst einmal Koffeinhaltiges zapfen, damit die Nacht nicht noch länger wird, als sie eh schon ist. Wobei, Nachtschicht, das ist für den Schichtleiter und seine Kollegen bei Power-Cast Vobra in Enger nichts ungewöhnliches. Eine Woche Spätschicht, zwei Wochen früh, dann wieder eine spät und

Verantwortlich ist Olaf Klusmann dann für die Mitarbeiter, die als Ma-

dann ab in die Nachtschicht. Zwei Wochen lang.

schinisten neben den roboterbetriebe-

Denn nur dann gewöhnt man sich dran. Sagt

nen Aluguss-Maschinen stehen. Die die

Klusmann und nippt am Plastikbecherkaffee. Ge-

gespritzten Aluteile entgegen nehmen,

wöhnen, dass heißt vor allem: zurecht kommen

noch einmal kurz nachfeilen, schlei-

mit dem Schlaf am nächsten Morgen. Denn die

fen, kontrollieren, ob das Kühlelement,

Arbeit, ganz gleich ob früh oder spät, tagsüber

die Halogenlampenfassung, das Kühl-

oder nachts, ist immer die gleiche. Roboterarme

schrankscharnier auch einwandfrei

greifen in 740 Grad heißes und damit flüssiges

sind. Dabei hilft ein nicht nur sprich-

Aluminium, gießen es flammend in eine Maschi-

wörtlich zu nehmender Röntgenblick

ne, die mit 840 Tonnen Zuhaltekraft das Metall

ein paar Meter weiter. Im festen Rhyth-

in die wieder von Roboterhand vorbereitete Form

mus und doch in wahlloser Folge wer-

spritzt. Wobei spritzen nur der Fachterminus ist.

den von allen Maschinen Probestücke

Für den Laien schaut das anders aus. Und hört es

eingesammelt und geröntgt. Wird auf

sich auch anders an. Erst schiebt der Bolzen et-

den Bildschirmen beobachtet, ob sich

was langsamer, dann jagt er mit bis zu fünf Meter

beim Gießen nicht doch ein Luftbläs-

die Sekunde (!) das Metall ins Formeninnere. Um

chen einschließen ließ, ob die Form

beides – Beschleunigung und Kraft – erreichen

doch nicht so vorgewärmt, so mit

zu können, knallt es ordentlich. Hallt es durch die ohnehin dunklen Hallen, in denen Dampfschwaden die aufgehängten Lampen verdunkeln. Stille herrscht dagegen, wenn OIaf Klusmann morgens um 6 Uhr seine Schicht übergeben hat. Kurz noch die Tochter zur Schule bringen, dann ab ins Bett, die Ruhe, den Schlaf genießen. Manchmal, da ginge dieses Genießen so weit, dass er erst um 18 Uhr wieder aufwache. Gerade gestern Abend passiert. Aber die absolute Ausnahme. Meist um 15 Uhr ist die – wenn man so will – Nacht zu Ende. Und kann der (Arbeits-)Tag beginnen.


59

Trennmittel vorbereitet war, dass das

auch eines ist, das sich nicht nur hören

Ergebnis ein einwandfreies ist. Gibt es

sondern auch sehen lassen kann. Der

nichts zu beanstanden, dann geht es

Kaffee ist ausgetrunken, weiter geht

meist weiter an die Stanzen und Boh-

es mit wachsamen Augen durch den

rer, rüber in die Halle nebenan. Kera-

Betrieb. Vorbei an den sich stapeln-

mikdreiecke drängen sich in Maschine

den Formen. Echte Dauerbrenner, die

Nummer eins an den Gussteilen, rub-

über Jahre laufen, gibt es immer sel- 98 Cent. Über den etwas kleineren Dau-

Vor anderthalb Jahren waren das noch

beln an ihnen die letzten Kanten ab. Es

tener. Viel häufiger will der Kunde

men kalkuliert. Und doch eindrucks-

wird mal gesandstrahlt, dann wieder

neue Teile. Und entstehen damit auch

voll zeigend, dass das mit der Roh-

gebohrt und gewendet, gefräst und

neue Formen, die irgendwo eingelagert

stoffverknappung und den steigenden

poliert, ehe am Ende Teile entstehen,

werden wollen. Gegen halb drei dann

Preisen nichts ist, was nur in den fetten

die kaum noch an den just gespritzten

eine halbstündige Pause, den Rest ar- Überschriften der Vier-Buchstaben-

Rohling erinnern. Gerade diese Weiter-

beitet man auf einer Pobacke ab, das ist

verarbeitung sei es, die die Qualität des

nur noch ein Gucken. Sagt Olaf Klus- trifft alle, kleine wie richtig große Be-

Zeitung stattfindet. Das Problem be-

Unternehmens, der ganzen Unterneh-

mann und schaut weiter, dass die eine

mensgruppe ausmache. Sagt Klusmann.

Maschine umgebaut wird, die andere

zu denen gehöre das Unternehmen

Dabei spricht er von einer Unterneh-

pausenlos weiterproduziert.

nicht. Aber vielleicht mache es das ge-

triebe. Zu den richtigen Großen? Nein,

mensgruppe, die für ihn mehr ein wirt-

Wer noch mehr über Power-Cast

rade aus. Denn es produziert nicht nur

schaftsrechtliches Konstrukt ist. Er hat

Vobra in Enger erfahren möchte, wen

hochwertige Aluminiumgussteile. Son-

das alles miterlebt. Kommt gerade aus

Firmenzahlen und Perspektiven in- dern sitzt schon in der Planungsphase

Mexiko, hat ein Vierteljahr lang den

teressieren, der kommt dann doch

Kollegen gezeigt, wie Roboter rich-

lieber tagsüber. Wenn nebenan na- da an Neukonstruktionen gedacht wird,

tig eingestellt werden, damit es nicht

türlich weiterhin mit hohem Druck

sitzen wir manches Mal schon mit am

in drei Phasen Aluminium in Formen

Tisch. Geben Tipps, nehmen die Mach-

nur laut knallt, sondern das Ergebnis

mit seinen Kunden zusammen. Wenn

gespritzt wird. Die Krise, natürlich, barkeit unter die Lupe und erklären die die hat es auch hier gegeben. Und sie sei, fast auch schon

notwendigen Produktionsschritte. Sagt

natürlich, auch hier überwunden. Die Zahlen bewegten

Uwe Heydasch. Dem macht die Auf-

sich wieder auf das zu, was vor der Krise als normal galt. tragslage keine Sorge. Dann doch eher Sagt Geschäftsführer Uwe Heydasch. Der steht an einem

das Werkzeuglager, das ständig wächst.

Donnerstagmorgen mit Betriebsleiter und Prokurist Hans- In den Regalen, auf Paletten drängen Werner Zünd in der Montagehalle. Neben ihnen stapelt sich

sich die schwarz-silbrig schimmern-

das Aluminium meterhoch, in Barrenform, an Goldbar- den Formen, die mal über viele Jahre, ren erinnernd, wenn nur der Farbton passen würde. Zwei

dann nur ganz selten eingesetzt wer-

Euro kostet das Kilo. Über den großen Daumen gerechnet. den. Grundstückstechnisch sind wir


60

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61

an unsere Grenzen gekommen. Erklärt

schichtbetrieb ist nicht das, was sich je-

Heydasch. Vielleicht ließe sich noch

dermann wünscht. Aber der technisch

der Innenhof überdachten, dann aber

Interessierte erhält hier Einblicke und

sei Schluss. Schon jetzt gibt es exter-

Verantwortung, lernt einen gesamten

ne Aufbewahrungsplätze im dreistel-

Fertigungsprozess nicht nur kennen,

ligen Bereich, um das vorzuhalten, was

sondern ist ein großer Teil von ihm.

vor allem in der KfZ-Zubehörbranche

Das könne begeistern. Und sei doch ge-

benötigt und auch noch nach Jahren

paart mit den blendenden Aussichten

nachbestellt wird. Bedient werden die-

sicher eine Überlegung wert. Sagen die

se Kunden von überall her. Unsere Mit-

beiden, die nachts nicht da sind. Aber

bewerber gibt es eigentlich weltweit.

man kann auch Olaf Klusmann fragen.

Sagt dann auch Uwe Heydasch. Liegt

Seit 1984 mit kleinen Unterbrechun-

der bei den Größen, die er spritzen

gen hier – und doch nur 47 Jahre alt.

lassen kann, nicht bei den Riesen der

Es sei eine lohnende Aufgabe. Und die

Branche, so ist er bei der Ausbildung

Nachtarbeit? Die lohne sich auch. Sagt

ein ganz Großer. Jährlich fi nden bei

Klusmann. Und lenkt den Blick auch

ihm viele junge Menschen die Möglich-

auf die Zuschläge, die zu später Stunde

keit, sich in der Gieß- und neuerdings

zu verdienen sind. Es hat halt alles auch

auch Zerspanungstechnik ausbilden

mindestens eine gute Seite

zu lassen. Und das mit besten Berufschancen. Wenn sich da jemand richtig reinhängt, wenn er vielleicht den Techniker, ein Studium hinten anhängt, dann braucht er sich um seine berufl iche Zukunft gar keine Sorgen zu machen. Ist sich Hans-Werner Zünd sicher. Wenn es nur genügend Bewerber geben würde. Und die dann auch noch qualifi ziert und motiviert wären. Natürlich schrecke einiges ab, das wissen Heydasch und Zünd auch. Laut ist es, und manchmal warm, wenn nicht heiß. Und auch der Drei-


62

WENN SIE WÄHLEN MÜSSTE? SIE WÜRDE SICH GEGEN DAS NEONLICHT ENTSCHEIDEN. GEGEN DIE MANCHMAL GESPENSTISCHE STILLE, DANN WIEDER GEGEN DIE HEKTIK, DIE AUF DER INTENSIVSTATION DES LUKAS-KRANKENHAUSES HERRSCHT.


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64

Dann lieber das machen, was ihr drei

wenn der – aus der Laienperspektive

bis vier Mal pro Monat aufgetragen

betrachtet – gar nicht richtig losgeht.

wird. Ein 24-Stunden-Dienst, 8 Stun- Denn erst einmal heißt es: warten. So den auf der Intensivstation, dann die

wie am Wochenende zuvor. Der Notarzt

rot-silber-reflektierende Notarzt-Jacke

da konnte sich über eine ausgedehnte

überstreifen. Zur Seite steht der Anäs- Nachtruhe freuen. Sieben Stunden am thesistin Antje Hendel in dieser Nacht

Stück, in der Unterkunft fernsehschau-

Michael Henseler, Rettungsassistent, 37

end, schlafend. Einmalig. Sagt Ralf

Jahre alt, 16 Jahre lang schon mit von

Beening. Und meint: Mehr als außer-

der Partie. 24 Stunden lang im Ein- gewöhnlich. Kurz vor fünf Uhr dann satz. Auf dem, was offizielle Notarzt­ das eindringliche Piepen. Das aus dem einsatzfahrzeug, kurz NEF, genannt

Schlaf reißt. Auch den, der eigentlich

wird. Und bei den Medizinern unter

keinen flachen Schlaf hat. Ich schlafe

rotem Auto läuft. Dieses rote Auto ist

hier sehr tief, so wie zu Hause. Er-

im Fall des Lukas-Krankenhaus ein

zählt Notarzt Ralf Beening noch, ehe

VW Touareg, keine 18 Monate alt und

es losgeht. Wenn er von einem Einsatz

schon die 100.000 Kilometermarke

kommt, dann geht es ganz schnell,

touchierend. Er fährt immer. Und das

Klettverschluss auf, Schuhe aus, Hose

meint wirklich immer. Tag und Nacht. aus, Pullover aus, reingehuscht ins Bett, Durch das gesamte Kreisgebiet. Denn

unter die Decke. Und dann die Augen

was am Bünder Krankenhaus statio- zu, schnell eingeschlafen, schnell niert ist, bedient auch Enger, Spenge, wieder aufgewacht und das Procedere Rödinghausen, Kirchlengern und Tei- beginnt von vorn – nur in die andere le von Löhne. Wenn es nach der offi- Richtung. Es sei ein Wettlauf mit der ziellen Einsatzverteilung geht. Aber

Zeit. Sagt Antje Hendel. Und meint das

um die geht es meist nicht. Sondern

mit einer gesunden Portion Humor. Ich

darum, dem schnellstmöglichst Hilfe

will erst einmal vor meinem Kollegen

zu bieten, der sie benötigt. Was dar- angezogen vor der Tür stehen. Nimmt aus werden kann, zeigt sich in dieser

sie sich jede Nacht, kurz vor dem Ein-

Freitagnacht. Erst einmal aber Überga- schlafen vor. Doch in dieser Freitagbe, der Kollege reicht den Pieper wei- nacht soll es nichts werden. Mit dem ter, kurzes Gespräch unter Kollegen, Gewinn des internen Wettstreit. Und dann ist Antje Hendel im Dienst. Auch

überhaupt, mit dem Einschlafen. Kurz


65


MAUERN, DACH, TÜR UND FENSTER. So einfach ist das nicht.

DENN DAS AUGE BAUT MIT. Nicht nur bei dem, der den Bau in Auftrag gibt. Sondern auch bei dem, der täglich am Bau vorbeifährt.

EIN GEBÄUDE, DAS MUSS PASSEN. Ins Lebenskonzept des Erbauers.

ABER AUCH: IN DIE LANDSCHAFT. Das gilt nicht nur für das Einfamilienhaus. Sondern auch für Industriebauten.

WIR BEHALTEN DAS IM BLICK. Das Sich-an-die-Landschaft-anschmiegen. Die Kosten, die passen – vor wie nach dem Bau. Im Blick haben wir auch alle organisatorischen Abläufe, all das, was am Ende einen gelungenen Bau ausmacht. Und das sind selten nackte Zahlen, selten Mauern, Dach, Tür und Fenster. Sondern das, was sich von außen

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erkennen lässt. Und das, was sich dahinter verbirgt.


67

nach 19 Uhr der erste Alarm. Das Pie- anderer. Eine Frau liegt im Bett eines pen reißt heraus. Aus allem. Aus dem

le, Arzt nicht notwendig, umdrehen,

Herforder Altenheims. Nicht ansprech- einparken, wieder warten. Ganze

gemütlichen Pizzaessen, dem Vorbei- bar. Und damit ein Fall für den Notarzt. fünf Minuten, dann jault der Pieper schauen bei Kollegen, bei Patienten, Auf der Leitstelle wird abgefragt, was

wieder. Und wieder das gleiche Spiel.

die schon heute morgen eingeliefert

genau vorgefallen, was der Anrufende

Dieses Mal auf nach Löhne, mit 170

wurden auf die Intensivstation. Und

wirklich vermelden will. Und dann

und Blaulicht über die Autobahn, die

doch noch nicht loslassen. Man könne

entschieden. Reicht es, den Rettungs- mit Martinshorn und Lichthupe zur

das schon. Nicht an den Pieper den- wagen mit zwei versierten Rettungssa- Seite schieben, die nicht hören, nicht ken, nicht angespannt sein. Erzählen

nitätern loszuschicken? Oder braucht

sehen und wohl auch nicht selber ein-

die beiden Notärzte. Wenn es aber los- es einen Notarzt? Nicht ansprechbar, mal in eine Lage kommen wollen, wo geht, sind beide hellwach. Und schauen

bewusstlos, Herzstörung, Lähmungs- Zeit nicht Geld, sondern Leben ist. Am

als erstes auf dieses bernsteinfarbene

erscheinungen, Bluthochdruck, all

Display, das erklärt, was der Einsatz

das erfordert das rote Auto. Doch das

tin, die schon im Rettungswagen liegt.

beinhalte, wo es hingehe. Was man da

passende ist gerade nicht da. Denn das

Alles okay auch hier, kurze Abspra-

Einsatzort kurzer Blick auf die Patien-

auf keinen Fall lesen will? Irgendwas

NEF des Klinikums Herford steht gera- che, dann fährt das große rote Auto

mit Kindern. Sind sich alle Befragten

de neben einem verunfallten Auto auf

ins Klinikum Herford und das kleine

einig. Weil Kinder anders sind. Anders

der A2 und das sogenannte Kreis-NEF

zurück nach Bünde. Aber ankommen

in der Dosierung, wenn es Medikamen- verrichtet nur 12 Stunden lang seine

tut es da nicht. Denn der Mann auf der

te braucht. Anders, wenn sie gefragt

Schicht. Und das tagsüber. Also geht es

Wache hat viel zu tun. Notrufe treffen

werden, wo und was wehtue. Und vor

für Antje Hendel und Michael Henseler

ein und wollen weitergeben werden.

allem: Wenn Kinder Opfer sind, dann

nach Herford. Allerdings nur 3 Minuten

Also die Kurzinfo gleich direkt ins

sind die Angehörigen noch schockier- lang. Dann kommt die Entwarnung via

Auto. Auf nach Spenge, ganz hinten

ter, gilt es sich nicht nur um das Kind, Funk. Parallel losgeschickter Herforder

an die Kreisgrenze. Person hinter ver-

sondern um die gesamte Familie zu

Rettungswagen ist schon eingetroffen, schlossener Tür. Steht auf dem Mel-

kümmern. Einsatz Nummer eins ist ein

alles in Ordnung, Lage unter Kontrol- der. Und das kann dreierlei bedeuten.


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69 Keiner da. Verletzter da. Toter da. Also

In einem Bett, das von 40 tickenden

wieder das Gaspedal treten, den Sechs- Weckern gesäumt wird. Ein Bild, das zylinder über Landstraßen jagen, an

ich so schnell nicht vergesse. Ist sich

denen spontane Wildwechsel drohen, Antje Hendel auf der Rückfahrt sicher. auf denen das Martinshorn nur an

Zuvor hat sie die Leiche gewendet. Und

Kreuzungen ertönt, um die schlafen

genau hingeschaut. Ob da nicht doch

zu lassen, die schlafen können. Müde?

Spuren eines unnatürlichen Todes zu

Nein, müde werde man bei diesen

finden seien. Dann alles abgedeckt,

Einsätzen, bei diesen 24-Stunden- nur die Augen herausschauen lassen. Schichten nicht. Erzählt Antje Hendel. Ein Nachbar wirft einen schüchternen Dafür sorge schon das Adrenalin. Also

Blick, dann das Nicken, ja, das ist der,

weiter durch die Nacht. Die Feuerwehr

der hier wohnt. Und wohl auch der, der

ist schon da, bricht die Tür auf, Ret- hier ganz natürlich gestorben sei. Aber tungskräfte dringen in das in die Jahre

auch: der hier ganz alleine gestorben

gekommene Haus ein. Antje Hendel mit

ist. Vielleicht lange brauchte, um vom

schnellem Schritt hinterher. Rauf in

Dies-ins Jenseits zu wechseln. Schön

den ersten Stock, Blick in die Augen der

sei die Vorstellung nicht. Sagt Antje

Rettungssanitäter, Blick in die Augen

Hendel. Und dann ist es lange still im

der Polizei, in die Augen des Toten. Der

roten Auto, nur das Knacken des Funk-

liegt schon geschätzte 48 Stunden hier. gerätes ist zu hören.


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71

Immer steht im Hintergrund ein leitender Notarzt bereit. Bereit, um die Organisation vor Ort zu übernehmen, um zu entscheiden, welcher der Verletzten wohin gebracht werden soll. Auch das aber sehr selten. Häufiger, vor allem in dieser Nacht, sind da schon Herzinfarkt, Schlag- und Schwächeanfall. An Schlafen ist kaum zu denken, es kommt wie es kommt. Hat Antje Hendel vor Schichtbeginn gesagt. Und es kommt. Ganz dicke. 14 Mal ist das rote Auto in dieser Nacht unterwegs, kreuz und quer durch den gesamten Kreis. Einmal hilft gar das NEF aus Lippe aus, es ist ein durchdachtes Konstrukt, das sich gegen eine noch so hohe Zahl von Notfällen stemmt. Nur der letzte Trumpf bleibt in der Nacht im Ärmel. Oder besser: im Hangar. Denn die Rettungshubschrauber, stationiert in Bielefeld, Münster und Rheine fliegen nur von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang. Also jagt der Bünder NEF auch mal nach Lübbecke, nach Melle, in dieser Nacht immer wieder nach Herford. Meldet sich an und ab, nimmt die Notärztin wieder auf, die gerade noch im fahrenden Rettungswagen der Verletzten einen Zugang legte und sich jetzt wieder abkömmlich und damit einsatzbereit gemeldet hat. Jeder, da ist sich die 40-jährige Notärztin sicher, jeder Notarzt habe so eine gute Hand voll Einsätze, die er nicht vergessen werde. Und über die er dennoch nicht gerne redet. Michael Henseler nickt. Und erzählt auch nichts. Nach 24 Stunden, morgens um 8 Uhr dann die letzte Diensthandlung. Es geht in dieser Freitagnacht genauso

wieder mit absackendem Blutdruck. Die Übergabe. Und dann die Frage: Ins

weiter. Kurz angekommen am Lukas- Es sind die internistischen Fälle, die Krankenhaus, dann schon wieder der

Bett legen oder wach bleiben? Besser

meist den Notarzt aus dem Schlaf jagen. nicht hinlegen. Sind sich die beiden

nächste Einsatz. Aufgeregte Ehemän- Verkehrsunfälle, natürlich, die gibt es

Erschöpften sicher. Denn dann ge-

ner rufen an, die ihre Frauen bewusst- auch. Aber viel seltener als geglaubt. langt man nie wieder zurück in den los auf der Toilette aufgefunden haben. Und die großen Geschichten, die, die

Tag-Nacht-Rhythmus. Und der sollte

Söhne, die ihren Vater, ihre Mutter ge- von Einsatzorganisatoren Massenanfall

eigentlich erst wieder durcheinander

funden haben, sich vor Schmerz win- von Verletzten genannt werden, die

gebracht werden, wenn die nächste

dend, mal mit rasendem Puls, dann

Schicht auf dem roten Auto ansteht

gibt es nur sehr selten.


Das Wetter könnte kaum perfekter sein. Mitte Januar, der Schnee gehört längst grauweißer Vergangenheit an, es regnet, der Boden schmatzt, sabbert, spuckt und tropft. Mittendrin der neue VW Amarok, von unserer Beifahrerin Anorak genannt und irgendwie passen Auto, Wetter, Untergrund und Spitzname bestens zusammen.

Nehmen Sie den Wagen ruhig richtig

darauf warten, Spaziergänger wieder

Allrad-Antrieb ruht im Tiefschlaf und

ran. Dafür ist er ja gedacht. Hat uns der

einzusammeln. Er will nicht an, er will

innen drin ist alles nicht ganz so vor-

freundliche Herr Rolland vom gleich- in die Natur. Also erst einmal zum be-

nehm luxuriös wie im kleinen Bruder,

namigen VW-Autohaus in Spenge noch

freundeten Sandgrubenbesitzer gefah-

aber auch hier gibt es Klima und Navi,

mitgegeben. Und er dürfe auch dreckig

ren, Schüssel für die Grubenschranke

elektrische Heber und Versteller und

werden, sicher. Sagt Herr Rolland noch

besorgt und dann kann das Matschver-

eine Sitzheizung, die so heiß geschal-

und weiß eigentlich gar nicht, was er

gnügen losgehen. Auf der Fahrt dahin,

tet werden kann, dass Fahrer und Bei-

da gerade in Gang setzt. Denn so ein

also zum Sandgrubenschlüsselverleiher,

fahrer das Gefühl beschleichen, braune

Amarok, von dem unsere Beifahrerin

ist der VW Amarok ganz Golf. Er lässt

Rillen beim nächsten Blick in den Spie-

meint, er sehe aus wie ein großer Golf

sich trotz seiner wuchtigen Größe sehr

gel und auf den Po auszumachen. Ange-

auf hohen Beinen, will ja in die Natur. gut durch die Tempo 30 Zone dirigieren,

kommen, aufgeschlossen, reingefahren.

Und das heißt nicht: Auf Parkplätzen

Die Pfützen stehen zentimeterhoch, der

seine 120 kW ziehen ordentlich an, der


Boden ist lehmig, glitschig, saftig. Nun

ganz so locker, aber hey, dafür nimmt

ten wandern können. Ihr Bankkonto?

hat der Herr Rolland zwar vom Matsch

er gleich eine ganze Europalette hinten

Wird maximal mit knapp 40.000 Euro

gesprochen, seinen Wagen aber nicht

auf der Laderampe mit. Sie werden ihn

belastet. Wenn Sie denn alles nehmen,

so recht drauf vorbereitet. Soll heißen:

lieben. Die, die durch die Welt, die man

was für den VW Amarok so zu bestel-

Die Reifen sind, nun, straßentaug- früher einmal die dritte nannte, fahren, len ist. Aber lebt die Konkurrenz davon, lich. Und nicht für Wetter, Januar und

um Hilfe zu leisten. Die, die Brennholz

dass sie erst sonderausstattungsmäßig

Matsch gedacht. Aber das soll uns jetzt, verbrauchen wie andere Wattestäb- aufgewertet wird, bleibt der VW Amawo wir schon knöcheltief drinstehen, chen. Die, die das Gewehr um- und

rok am besten nackt. Nur nen Anorak,

nicht mehr aufhalten. Also rührt der

sich im Geländewagen auf dem Weg

irgendwo hinten unter den Rücksitzen

Allrad, sperrt das Differenzial, drehen

zur Jagd anschnallen. Und auch die, versteckt, würde ihm gut stehen. Aber

die Reifen in dem, was man Schoko- die all das gar nicht brauchen. Keinen pudding nennen könnten. Jetzt spulen

den gibt’s nicht zu bestellen. Den muss

Lastenesel, keinen Wasserbüffel, kei- man schon mitbringen. Wahlweise tut’s

sich im Kopf die Daten des Amarok ab, ne Bergziege. Sondern ein Auto wollen, auch ein Friesennerz. Oder ein Parka. die dann doch weit entfernt vom Golf

das von außen zeigt, wer da drin sitzt. Hauptsache das Wetter, der Regen, der

sind. 12 Prozent Steigung nimmt er – Schnickschnack? Ist Ihnen schnuppe. leichte Wind, diese in die Achseln zieHead-Up Display? Sie haben zwei gut

hende Kälte passt. Aber darauf ist in

dran hängen-auch locker. 1.090 Ki- funktionierende Augen, die sogar von

locker. 2,8 Tonnen lassen sich hinten

unseren Breitengraden ja eigentlich

lometer kommt er weit – okay, nicht

links nach rechts, von oben nach un- immer Verlass


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ATEM PAUSE 117 Sekunden können sehr lang sein. Also gefühlt. Obwohl diese 117 Sekunden sich nicht fühlen lassen. Weil sie nicht nur sprichwörtlich im Schlaf verstreichen. Aber genau deshalb sind sie so gefährlich. Denn während der knappen zwei Minuten atmet der Patient nicht. Und wiederholt diese Atempause. Immer wieder, jede Nacht. Man mag sich nicht vorstellen, dass so

im benachbarten Riemsloh für den

etwas im Schlaf passieren kann. Dass

Vertrieb zuständig. Menzel lenkt sei-

die Atmung einfach aussetzt. Aber das

nen Firmenpassat in medizin-weiß an

gibt es. 117 Sekunden sind Rekord, okay.

einem verschneiten Dezember-Abend

Aber auch 90, 100 Sekunden gibt es.

nach Bad Oeynhausen ins Schlaflabor.

Und das gar nicht mal so selten. Passiert

380 Stück gibt es davon, bundesweit,

das häufiger als zehn Mal pro nächt­ Tendenz fallend. Denn die Gesundlicher Stunde, dann ist die Krankheit

heitsreform hat sich vor allem um

erkannt: Schlafapnoe. Ehe das aber so

das Reformieren und nicht um die

weit ist, braucht es erst einmal eine

Gesundheit gekümmert. Dabei ist die

aufmerksame Ehefrau. Eine, die sich

volkswirtschaftliche Rechnung eine

nachts nicht verärgert von einer zu an-

simple und ebenso erschreckende: bei

deren Seite dreht, wenn der Ehemann

wem nachts die Atmung aussetzt, setzt

mal wieder zum sägenden Biber wird.

viel wahrscheinlicher der Schlaganfall

Sondern genau hinhört. Um nichts zu

ein. Oder auch: ein Druckatmungs-

hören. Keine Atmung, kein Prusten,

generator kostet die Krankenkasse

kein Schnarchen. Den ersten, denen

so um die 2.000 Euro. Die Kosten für

diese Krankheit am häufigsten auffällt.

die Behandlung eines Schlaganfallpa-

sind die Ehefrauen. Sagt dann auch

tienten übersteigen diesen Wert um

Falko Menzel, bei FLO-Medizintechnik

ein vielfaches. 400.000 Menschen in


75


76

Deutschland leben, sprich schlafen

ihr Körper gerade glaubte, zu ersticken.

mit so einem Gerät. Tendenz steigend. Und dass das gar nicht so abwegig war. Einer von ihnen ist Wolfgang Brink- Ganz so schlimm war es bei Wolfgang mann. Der hat sich gerade den Schlaf- Brinkmann nicht. Glaubt und sagt er. anzug übergezogen, will aber erst noch

Aber als Außendienstler war er viel

Fußball schauen, ehe er im Bett liegend

unterwegs. Und hatte im Hotelbett

dann auch die Augen schließt. Wie man

niemanden, der horchen konnte, wer

schlafen kann, mit zehn Elektroden

da wie häufig atmet. Jetzt liegt er also

am Kopf, zweien an der Brust, zwei

in dem Bad Oeynhausener Einzelzim-

EKG-Sensoren, Sensoren-Gurten um

mer, Fußball läuft, eine halbe Stunde

Bauch und Thorax, Elektroden an den

lang wurde er mit Elektroden gespickt

Beinen, Blutsauerstoffmessgerät am

und verkabelt, ehe die Nacht beginnen

Finger, bleibt sein Geheimnis. Man

kann. Allerdings nur für ihn, nicht für

müsse halt müde genug sein. Sagt der, die Mitarbeiter im Herz- und Diabeder das früher vor allem tagsüber war. teszentrum in Bad Oeynhausen. Die Dabei ging er zeitig ins Bett, führte ein

harren aus, verkabeln erst, beobachten

ausgeglichenes Leben. Und klagte doch

dann. Stunde um Stunde vor Monitoren

über das, was Ärzte Tagesmüdigkeit

sitzend, Herzfrequenzen, Hirnströme,

nennen. Erklären kann sich die Gründe

Blutsauerstoff analysierend. Dabei auch

meist niemand. Weiß dann auch Falko

einen Blick auf den oder die Patien­ten

Menzel. Einige der Patienten wachen

werfend. Mittels Infrarotkamera und

auch nachts auf, schweißgebadet, mit

Bildschirm wird kontrolliert, ob der

Herzrasen. Und merken gar nicht, dass

Patient gerade schlecht oder gar nicht


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atmet. Oder er sich gerade umdreht

ein kleines, mitternachtsblaues Gerät

und dadurch die Zacken und Dellen in

vor, das funktioniert wie ein Staubsau-

den Messwertkurven herrühren. Ein

ger. Nur andersherum. Was sich wie ein

Arzt ist auch immer vor Ort. Sicher

weit hergeholtes Bild liest, ist Realität.

ist sicher. Und gleichzeitig ein dickes

Denn den Druckatmungsgenerator von

Plus im Vergleich zu den wie Pilze aus

FLO, den irgendein Abkürzungslieb­

dem Boden schießenden ambulanten

haber FLO xPAP taufte, wurde von

Schlaflaboren.

Manfred Runge entwickelt. Eher aus

Wolfgang Brinkmann kennt die

Gefälligkeit für einen, der schon ein

Prozedur hier, weiß, wie man am bes- solches Gerät hatte. Dem es aber zu ten schlafen kann mit den Kabeln, die

teuer und vor allem zu laut war. Run-

über den Bauch, den ganzen Körper

ge, eigentlich Inhaber des Industriesau-

laufen. Denn er ist nicht zum ersten Mal

gerunternehmens Ruwac in Riemsloh,

hier. Sein Hausarzt, zu dem ihn seine

ließ sich nicht lange bitten. Und entwi-

Ehefrau sanft schupste, erkannte das

ckelt, die Saugerstruktur umdrehend,

Problem, schickte ihn mit einem ein­ ein Gerät, das seitdem als richtungsfachen Messgerät wieder nach Hause

weisend, als state of the art gilt, wenn

und vor allem ins Bett und sah dann, es um die nächtliche Unterstützung dass auch bei ihm der Atem stockte. der menschlichen Lunge geht. Auch Und das mehr als zehn Mal pro Stunde. dieses Gerät, oder besser: die AtemDer Arzt überwies ihn ins Schlaf­labor, maske, der Schlauch sieht angelegt die Werte wurden bestätigt, Falko

etwas – nun – beängstigend aus. Für

Menzel kam auf den Plan und führte

den Laien. Und trägt sich anfangs auch


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nicht so leicht, so komfortabel. Für den

holsamer wird. Aber das wird schon.

Patienten. Das müssen beide zugeben. Sind sich alle Beteiligten sicher. Wird Menzel und Brinkmann. Aber es sei eine

es nichts, mit dem Schlaf im Schlaflabor,

Frage der Zeit, dass die richtige Maske, dann hilft ein Schlafmittel. Was später, das passende Gel-Kissen gefunden sei. wieder Zuhause, durch den FLO xPAP Und dann stehe einer nun wirklich (be)

ersetzt wird. Bei Wolfgang Brinkmann

ruhigen(den) Nacht nichts mehr im

funktioniert das einwandfrei. Wenn ich

Wege. Und nicht nur einer. Sondern je- das Gerät einschalte, die Maske überder. Aussetzen, mal ohne Maske schla- stülpe und meine Frau noch kurz ins fen? Kommt nicht in Frage. Sagen Arzt, Bad huscht, dann bin ich eingeschlaKrankenschwester, Vertriebler. Und

fen, wenn sie wiederkommt. Erzählt er.

auch Wolfgang Brinkmann. Ausreden

Gute Nacht, also. In seinem Fall aller-

gäbe es auch keine, denn das Gerät

dings auch: kurze Nacht, Denn um 5.15

lässt sich im Flugzeug, im Lastwagen

Uhr ist die Nacht zu Ende. Sechs Tage

anschließen, über Akkubetrieb auch

in der Woche, einzige Ausnahme: der

im Zelt, an entlegensten Orten der Welt

Sonntag. An jedem anderen Tag wacht

betreiben. Wolfgang Brinkmann schläft

er leise auf, schleicht sich aus dem

derweil weiter. Auf der Nase die Maske, Schlafzimmer, fährt zum Schwimmbad neben ihm das Gerät, das so leise surrt, und dreht eine halbe Stunde lang seine dass es kaum wahrnehmbar ist. Es muss

Bahnen, ehe er Brötchen kauft und zu-

noch besser eingestellt werden, der

rück nach Hause fährt. Er macht all das

ausströmende Druck noch weiter op- freiwillig, der Gesundheit wegen. Und timiert werden, damit die Nächte noch

jetzt auch wieder ausgeschlafen. Des

besser, der Schlaf noch tiefer, noch er- FLO xPAP wegen


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XX oder XY?

Ist ja wohl heute kein echtes Unterscheidungsmerkmal mehr. Früher, gut, da mag das so gewesen sein. Aber heute? Boxer, Kanzler, Astronaut, Gewichtheber? Längst keine Berufe mehr, die zwei unterschiedliche Chromosomen-Buchstaben voraussetzen. Und bei Unternehmern? Und ihren weiblichen Pendants? Da spielen Chromosom- und Buchstabenkombinationen auch längst keinen Walzer mehr. Sagen die einen. Und bezweifeln die anderen. Ein tiefer Einblick also in die (Wirtschafts-)Welt von Männlein und Weiblein. Dabei wird es im kommenden 52 8 keine Wortakrobatik geben, bei der sich weibliche Anhänge an männliche Worte anschmiegen. Versprochen. Alles andere aber: Genau unterteilt. In XX und XY

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Wenn es sein muss, schlagen wir uns für das 52 8 Magazin auch die Nacht um die Ohren. Wir, das sind auch weiterhin zwei Personen: Elena Perschin sorgte sich darum, dass die Nacht nicht nur les-, sondern auch gestalterisch spürbar wird. Tobias Heyer war vor allem nachts mit Block und Kamera unterwegs. Auch, wenn er alles ist, nur kein Nachtmensch. Auch dieses Heft folgt dem Prinzip der Frische. Nichts, auch nicht die Anzeigen, entstammen der Konserve. Sondern sind, was wir lieben: Selbstgemacht. Ganz gleich zu welcher Tages- und Nachtzeit.

Wenn Sie auch einmal drin sein möchten, in unserem Magazin, dann schreiben Sie uns. Unter info@528-magazin.de sind wir erreichbar, Tag und Nacht. Nur zurückschreiben werden wir Ihnen dann doch irgendwann am Tage.

Impressum Herausgeber: hoch5 GmbH & Co. KG in Kooperation mit Initiative Wirtschaftsstandort Kreis Herford e.V und widufix – aktiv für Unternehmen im Kreis Herford V.i.S.d.P.: Tobias Heyer Konzept, Redaktion, Art Direction, alle Fotos und Texte: hoch5 GmbH & Co. KG, Bünde www.hoch5.com Druck: Heidenreich Print GmbH, Bünde Auflage: 3.000 Stück

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