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2 Eingefroren 10 BÜROKRATISCH 16 MITTENDRIN 22 MODISCH 34 EINZELKÄMPFERIN 46 ROSIG

Herd, Heim, Haus. Bitte nicht. Ist doch längst veraltet. Sagen die einen. Und bezweifeln die anderen. Es ist wohl, wie so häufig im Leben, eine Mischung aus beidem. Mischen wir also die Vorurtei­ le. Fragen Sie mal eine Unternehmerin, warum sie es als Frau so weit gebracht hat. Kann eine Frage mehr langwei­ len? Ein Heft also über die, die sich in der weiblichen Welt bewegen. Und das gar nicht bemerken. Oder zumindest: sich nicht darüber ärgern. Sondern sich richtig wohlfühlen. Eine Ausgabe also für Frauen von – nun – einer Frau und einem Mann. Sicher ist sicher. Wenn Sie sich hier nicht Zuhause fühlen? Dann klappen Sie diese Seiten einfach wie­ der zu, drehen das Heft, wenden es und landen da, wo es ganz anders zugeht. Sie werden aber wiederkommen. Be­ stimmt. Versprochen. Denn neugierig sind Sie schon jetzt. Auf eine Welt fern­ ab von Herd, Heim und Haus.


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Urlaub auf Dauer? Ist das nicht. Nicht, wenn man morgens um 5 Uhr aufsteht, sich die Stirnlampe aufsetzt und rausgeht. Rausgehen, das heißt hier vor allem: raus in die Dunkelheit, raus in die Kälte. Das Thermometer zeigt jetzt gerade 17 Grad minus. Und wenn man ehrlich ist, dann ist das viel zu warm. Sagt Birgit Homburg, 200 Kilometer nördlich vom Polarkreis lebend. In einem Dorf, das selbst diese Bezeichnung kaum verdient hat.


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Sie wohnt hier, ihr Lebenspartner Bru­ zurechtweisen und sich langsam von

Von Löhne auf gen Norden. Anfangs nur,

no, Tochter Kia. Und drei Schweden. Zwinger zu Zwinger durcharbeiten.

um sich eine andere, eine frostige, aber

20 Kilometer von der nächsten Schu­ Von der Sonne ist jetzt Ende Januar

auch freiere Luft um die Nase wehen

le, der nächsten Einkaufsmöglichkeit

noch nichts zu sehen. Kein Funkeln, zu lassen. Aber wie das nun mal so ist,

entfernt. Dafür aber begleitet von 70

kein orangegelber Streif am Horizont. mit der Freiheit und der Liebe, wur­

Huskys, bellend, springend, jabbelnd, Du musst rausgehen. Auch wenn es

de nichts draus, aus der Reise zurück.

hechelnd. Wenn der Schein der Stirn­ dunkel ist, den ganzen Tag, den ganzen

Zurück nach Löhne, zurück an den

lampe Frauchen und Futter frühmor­ November, den ganzen Dezember lang. Arbeitsplatz. Also hier geblieben. Eine gens ankündigt. Wenn Leben kommt in

Erzählt die, die anfangs auch Probleme

Sprache gelernt, die sich am Schwe­

eine Meute, die sich zum Schlaf lieber

mit dem fehlenden Sonnenschein, mit

dischen orientiert, das Finnische mit

oben auf dem Hundehüttendach ein­ der wochenlangen Nacht hatte. Die, die

aufnimmt, auch Ausdrücke aus der

herkam, um Abstand zu gewinnen. Die

Sprache der Lappen kennt, die man

wenigstens etwas Warmen einzudösen. Schule hatte sie absolviert, die Lehre im

schneien lässt, als eine Etage tiefer im

hier Samen nennt. Zurechtgefunden

Füttern, Wasser bringen, ausmisten, Büro bei Poggenpohl begonnen. Und in

in einer Welt, in der das Gewehr nicht

sich den Wunsch verspürt, dann doch

zum Schießstand, sondern in den Wald

einen der Hunde, die vor Energie nur

so strotzen, herzen, die drei Welpen, nicht in der Küchenbranche, in Ost­ getragen wird. In der der Partner im die verspielt an ihren Beinen kleben, westfalen zu enden. Also brach sie auf.

Herbst einen von 300.000 schwedi­


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schen Elchen schießt. Und das Tier, machen gerade, was man machen soll­ schnell unterwegs. Aber ohne Dich. 45 gerne einmal 750 Kilogramm schwer, te, wenn es kalt und dunkel ist: schla­ Kilometer erreichen die Hunde. In der zerstückelt und gemeinsam mit Hecht

fen. Monatelang. Für Birgit Homburg

Stunde. Auf den ersten Kilometern.

und Bachsaibling in die vier großen

kommt nicht einmal ein morgend­ Hetzen, galoppieren, sprinten, jagen

Tiefkühlschränke gepackt werden will,

liches Ausschlafen in Frage. Nicht am

los. Schießen durch ein Loch, das von

die sich in Birgit Homburgs Wohnzim­ Samstag, nicht am Sonntag. Denn die

zwei Bäumen gebildet wird, gute zwei

mer drängeln. Man darf sich das nicht

Touristen kommen. Nicht nur werktags. Meter breit ist und Hof von Landschaft

so vorstellen, als käme hier das Wasser

Sondern jeden Tag. Von Anfang Dezem­ trennt. Landschaft, das bedeutet hier:

aus einem glasklaren Fluss, als gerate

ber bis Ende April. Buchen, was Birgit

die permanente Stromversorgung zum

Homburg auf ihrer Webseite anpreist. prahlt, der beim Wort Wiehengebirge

Weite. Und nicht solche, mit der der

Glücksspiel und würden Bären hung­ Stellen sich mit wackeligen Knien auf

den Schwerpunkt auf die letzten drei

rig um das in Rot gestrichene Holzhaus

ebensolche Bretter, die hinten an den

Silben legt. Und die Begriffe Steinhu­

spazieren. Elche kommen her, sicher.

Hundeschlitten für die Füße des Steu­ de und Meer Hand in Hand gehen lässt.

Wenn es Weihnachten wird und Tan­ ernden gedacht sind. Zwei Bremsen und

Hier sind 300 Hektar ein Wert, den

nenzweigschmuck draußen auf der Ve­ ein Anker zeigen jedem, der sich hier­ Birgit Homburg als eigen bezeichnet, randa zu Elchleckerbissen werden. Und

her stellt: Es wird rasant. Und: Wenn du

wenn sie nur in die eine Richtung, da

sicher, es gibt hier auch Bären. Aber die

nicht aufpasst, dann ist Dein Gespann

drüben, hinten, hinter der Straße lie­


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gend, blickt. Die Fahrt des Hundege­ Den Motorschlitten, 180 Stundenki­ spanns pendelt sich langsam auf flotte

lometer schnell, auch wenn offiziell

Schrittgeschwindigkeit ein, unter uns

nur 70 km/h erlaubt sind, dirigiert

eine knirschende Schneedecke, dann

Birgit Homburg fast so geschickt wie

meterdickes Eis, dann ein See, der vom

die sechs Hunde vor ihrem Schlit­

Ostwestfalen schon mal Meer genannt

ten. Dem die Touristengespanne fol­

werden möchte. Weiter in mooriges

gen, ehe die erste Rast ansteht. Mit

Gebiet, dünne, langsam gewachsene

dem Abenteuer­messer, das hier zum

und gerade deshalb hervorragend zu

Alltagsmesser wird, das Anzündholz

Brennholz zu verarbeitende Birken

spalten, Feuer machen, Kaffeekanne

flitzen vorbei. Holz? Das wärmt hier

direkt in die Flammen stellen und dann

gleich drei Mal. Erzählt Birgit Homburg.

Elchfleisch braten, Kartoffelpüree an­

Beim Fällen, beim Spalten und später

rühren. Dankbar nehmen die Touristen

im Ofen. Und: ist hier längst nicht nur

entgegen, was in bunten Plastikscha­

Männersache. Jagen, fischen, schlicht

len herumgereicht wird, stecken Löffel

mit anfassen, wenn eine starke Hand, und Gabel in einen kulinarischen Mix ganz gleich ob männlich oder weib­ dessen, was Lappland hergibt. Fleisch, lich, gebraucht wird – läuft hier oben

Fisch, Beeren kommen hier auf den

in Lappland geschlechtsneutral ab. Tisch und in die Schalen, dampfend,


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wärmend und sehr, sehr gut schme­ in 20 Kilometern Entfernung besteigt. ckend. Gerastet wird in kleinen Holz­ Einen Ausflug nach Kiruna, andert­ hütten, irgendwo im Nirgendwo gele­ halb Fahrstunden entfernt? Braucht gen, an einem See, die Sauna nebenan, die Auswanderin, die längst sesshaft das Loch freizuhacken von dem, der

geworden ist, nicht. Ein Besuch bei den

nach der Hitze den herzmuskelmassie­ Eltern, bei der Schwester in Röding­ renden Kontrast zur eisig-nassen Käl­ hausen? Schafft sie nur selten. Wie auch te erleben will. Bei einer solchen Rast

mit 70 Hunden, die im Herbst trainiert,

erzählt Birgit Homburg, wie das so ist,

im Winter bewegt werden wollen? In

hier im Norden. Und wie das war, da­ denen der Vorfahr Wolf nicht nur er­ mals im Süden. Als nicht nur die Decke

kennbar, sondern auch spürbar ist. Die

auf den Kopf fiel, sondern die Wände

mit Drohgebärden und Eckzähnen klä­

immer näher zusammenrückten. Ich

ren, wer denn nun der Chef im Ring ist.

wollte einfach mal raus. Weiß sie noch

Die dann wieder jeden anbetteln, um

wie heute. Auch wenn aus „einfach mal“ gestreichelt, geherzt zu werden. Es sei dann doch 18 Jahre geworden sind.

hier oben, das wisse sie schon, eine

Wenn die eigene Tochter, gerade fünf

rauhe Welt. Erzählt Birgit Homburg am

Jahre alt, viel lieber den Hundeschlit­ Lagerfeuer. Und eine herzliche zugleich. ten denn den Bus hin zum Kindergarten

Eine, in der man noch nachschaue.


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Wenn das Licht bei der betagten Nach­ Trotz Hundegeheuls. Und ohne Ohren­ barin dann doch zu lange an bleibe. In

stöpsel. Blickt in einen Himmel, der

der man zusammen auf die Jagd gehe, grüne Polarlichtwellen hervorbringt. gemeinsam fische, Beeren sammele. All

Der den Blick freigibt auf ein Sternen­

die Holzhütten hier, selbst gebaut, um

panorama, das man in der Sternwarte

Touristen das Übernachten mit Camp- Bochum gerne an das künstliche Fir­ Charakter zu ermöglichen. Das Holz

mament zaubern würde. Das hier, das

selbst geschlagen, die Balken selbst

ist Natur pur. Erzählt die, die nicht

zusammengesetzt.

vorbeischaut, drüben im Icehotel. Da,

Hunde und Touristen sind längst

wo sich alljährlich Künstler treffen, um

wieder angekommen, auf dem Hof, im

aus Eisklötzen und Schneehaufen ein

Zwinger, in einer Gästehütte, die innen

frostiges Übernachtungserlebnis zu

dann doch beherbergt, was an Zuhause

zaubern, das erst erzittern lässt. Und

erinnert. Wäschetrockner, Mikrowelle,

für das sich viele sehr schnell erwär­

dann doch Gott sei Dank keinen Fern­ men. Aus der ganzen Welt kommen seher. Wer herkommt, bringt Ohren­ sie her, um den Whiskey an der Bar stöpsel mit, des nächtlichen Hundege­ nicht mit, sondern aus Eis zu trinken. heuls wegen. Und staunt dann schnell, Um sich in Polarschlafsäcke zu fädeln, wie leise, wie unglaublich still es ist. nur Nase und Augen herausschauen


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zu lassen, wenn die Tagesbesucher, durchwischen, Holz wiederauffüllen. die Neugierigen fort sind und nur die

Klare Ansage also. Nur so funktioniere

bleiben, die für eine Nacht so viel be­ das hier oben. Und das erstaunlich gut. zahlen wie anderswo für 14 Tage All- Für den, der hier Urlaub macht. Und inclusive-Urlaub. Auch hier kann der

für die, die hier Urlaub machen lässt.

Hotelbewohner Hundeschlitten fah­ Abends hunde(!)müde am Esstisch sitzt, ren. Zusammengepfercht mit anderen

während Lebenspartner Bruno noch

Abenteuern vorne auf einem Schlitten, mit Motorschlitten und angehängter dirigiert vom versierten Fahrer, das

Walze über die morgen zu befahre­

Abenteurern kaum spürend. Zu mir

nen Hundeschlittenwege donnert. Ein

kommen die, die mit anpacken wollen. flüchtiger Blick in die Tageszeitung, Die mithelfen, aufgeregt ebensolche

ein flinker auf die virtuelle Wetter­

Hunde ins Geschirr zu packen, Streit­ vorhersage im Rechner, dann kochen, hähne zu trennen, Schmusebedürftige

essen, zusammenräumen, ab ins Bett.

zu streicheln. Ein Abend in der Sauna?

Lange aufbleiben? Kannst du hier oben

Kein Problem. Aber hol Dir Dein Holz

vergessen. Sagt sie noch. Und Urlaub?

selbst aus dem Schuppen. Und zünd

Macht sie nicht. Braucht sie nicht. Ist ja

Dir den Bollerofen selbst an. Nachher

doch irgendwie wie Urlaub hier. Hier

dann: Wasser aus dem Kessel lassen, oben. ✴


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Wenn nicht jetzt, wann dann? Wann sollten die Zeichen für Frauen besser stehen, einen festen Arbeitsplatz zu finden? Die Konjunktur könnte nicht stärker brummen, die Situation auf dem Arbeitsmarkt keine bessere sein. Aber man solle das nicht immer von Da ist sich Frauke Schwiet­ ert sicher. Ein Blick auf die demographische Entwick­ lung hilft, um diese Einstel­ lung nur zu gut zu verstehen.

einer Seite aus sehen. Nicht die Frauen brauchen den Beruf. Die Branche braucht auch die Frauen.

Das Ganze sieht längst schon nicht mehr aus wie eine Pyramide. Sondern wie eine Urne. Oben, also im Alter, ganz breit ausei­ nandergehend. Und unten sich dann fast beängs­ tigend verjüngend. Wie solle denn das zukünftig wirtschaftlich aufgefangen werden? Ansätze gibt es da einige. Man kann dafür sorgen, dass die, die Arbeit haben, die auch bis zum Schluss wirklich ausfüllen. Oder die, die Arbeit suchen, fortbilden, besser qualifizieren. Auch die, die noch gar nicht ins Arbeitsleben eingetreten sind, sollten so gut wie möglich qualifiziert werden. Auch das wird helfen. Aber die Probleme, die da kommen, lösen?


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Das werden diese ganzen Anstrengungen nicht. „Aber überlegen Sie mal, wie viele Frauen es gibt, sehr gut ausgebildet, mit bestem Fachwissen. Sollten wir, sollten die Unternehmen nicht die­ se Ressourcen nutzen?“, fragt Frauke Schwietert. Wer dann noch einen Blick auf den drohenden Fachkräftemangel wirft, der weiß, was sie meint, wenn sie von „einem riesigen Potential“ spricht, das da schlummere. Merkwürdig nur, dass einige Frauen die sich ihnen bietenden Chancen nicht nutzen. Das beginne schon bei der Berufswahl. Wieso entscheiden sich 75 Pro­ zent der Frauen für die Top25-Berufe? Mode, Pflege, Ver­ kaufen sind die Begriffe, die hier zu leiten scheinen. Sicher, es sei auch schlau, sich für den Beruf der Industrie-, der Bürokauf­ frau zu entscheiden. Schließlich gibt es hier die meisten Ausbil­ dungs- und Arbeitsplätze. Und auch in der Krise zeigt sich die Wahl der Frauen als eine richtig gute. Denn bei den Dienstleis­

Die starke Verflechtung der Weltwirtschaft ist ein latenter Risikofaktor, „wir leben nun einmal nicht auf einer Insel“. Der Fachkräftebedarf ist heute schon ein Risikofaktor für Wachstum und Wohlstand vor Ort. Dabei konnte in der Krise unsere unbürokratische und schnelle Unterstützung mit dem Instrument der Kurzarbeit vielen Betrieben im Kreis helfen.

tern, in der Pflege kam die Krise erst gar nicht an. Und während die Männer aus der

die ihre Qualifikation und damit eigentlich auch

industriellen Produktion längst jobsuchend auf

ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt steigern. Und

der Straße standen, blieb die Arbeitslosenquote

dann kommt der Bruch. Und die Berufe, die die

der Frauen im Kreis eine erfreulich geringe. Es

Fachfrau MINT nennt, also ein Abkürzungsmix

ist wohl die Tradition, die die Frauen solche Be­ aus Mathematik, Informatik, Naturwissenschaf­ rufsentscheidungen treffen ließen, erklärt sich die

ten und Technik werden dann doch belegt, fast

Leiterin der Herforder Agentur für Arbeit dieses

überbevölkert von männlichen Bewerbern. Si­

Phänomen. Erstaunlich aber, dass sich dieses Bild

cher, es gebe auch Berufe, da ist Muskelkraft noch

in der schulischen Ausbildung noch gar nicht ab­ wichtig. Wer viel schleppen, Gewichtiges heben zeichne. Da führen die Frauen, da gibt es meist

muss, der tut sich als Mann leichter. Aber sind

unter den besten Abiturienten mehr weibliche als

diese wenigen Berufe Erklärung genug? Sicher­

männliche Absolventen. Auch bei den Studieren­ lich nicht. Vielleicht ist es auch der Freundeskreis, den: Es sind mehr Frauen an den Universitäten, der hier ein gewichtiges Wort mitzureden hat.


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Die Kurzarbeit hat nicht nur fi­nan­ ziell geholfen. Sondern hat es den Oder – und nun wird es für einen Erwachsenen doch sehr erstaunlich – sind es auch Vorabendserien, die da beeinflussen. So gibt es etwa die Serie „Mieten kau­ fen wohnen“, die das Leben von Immobilienmaklern mit Kamera und Mikrophon be­ gleitet. Gerade bei vox aus­ gestrahlt, steigt plötzlich in der Arbeitsagentur die Nachfrage nach dem Beruf des

Unternehmen auch ermöglicht, jetzt, wo die Konjunktur wieder stark anzieht, mit ihren Fachkräf­ ten, mit dem bei ihnen gebliebenen Personal sofort weitermachen zu können. Auch das ist das Resultat dieses „Instruments der Stunde“.

Immobilienmaklers.

Alles nur Zufall? Vielleicht. Aber als die beiden

te der Kfz-Mechatroniker die komplexe Elektronik aus dem Effeff beherrschen. Die heuti­ ge Arbeitsmarktsituation sollte immer von mehreren Seiten be­ leuchtet werden, erklärt Frauke Schwietert denen, die alles allzu einfach sehen. Natürlich ist es so, dass viele Frauen gar nicht Voll­ zeit arbeiten wollen. Sondern froh sind, nach 20, 25 Stunden zu ihren Familien zurückkehren zu können. Auch hierzu die pas­ sende Zahl: 39 % der Frauen, die

sozialversicherungspflichtig erwerbstätig sind,

Ruhrpott-Sheriffs Toto & Harry auf sat1 dem Poli­ arbeiten im Kreis Herford in Teilzeit. Aber was zistenberuf zum Kultstatus verhelfen, steigt auch

geschieht, wenn spätestens 2030 die sogenannten

im Kreis Herford die Zahl deren stark an, die sich

Babyboomer, d.h. Männer aus geburtsstärken

nicht nur vorstellen können, sondern gleich in die

Jahrgängen, die Firmen fast scharenweise ver­

Tat umsetzen wollen, Polizist zu werden.

lassen? Dann gehe es doch nicht darum, dass es

Gleichzeitig, und auch das werde gerne nicht

fast üblich ist, dass Frauen Teilzeit arbeiten. Dann

intensiv betrachtet, wenn die mangelnde Zahl an

müssten doch, sinnbildlich, die Löcher gestopft

geeigneten Auszubildenden angesprochen wird, werden. Auf die Beantwortung dieser Frage müss­ steigen auch die Anforderungen an diese jun­ ten sich, wenn es nach Frauke Schwietert geht, die gen Menschen. Heute gehören Computergrund­ Unternehmen schon jetzt einstellen. Es ist nun kenntnisse zum Einmaleins der Bewerber. War der

einmal so, dass die Frauen sich immer noch um

Auto­mechaniker früher der Schrauber, muss heu­ Beruf und Erziehung der Kinder oder der Pflege


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der Eltern kümmern. Aber gibt es nicht längst

sind. Oder eben auch nicht. Was spricht

Wege, die einzuschlagen wären, um sich dieser

dagegen, wenn die Mutter nebenan ar­

Situation zu stellen? Angestellte Erzieherinnen in

beitet und doch viel besser als von der

Großbetrieben wären eine Lösung. Eine andere, Arbeitsstelle aus weiß und sieht, dass von der Agentur für Arbeit längst praktizierte, alles im familiär grünen Bereich in den ist der schlichte Einkauf der Dienstleistung „Or­ eigenen vier Wänden abläuft? Sicher­ ganisation Kinderbetreuung“. Wege gebe es da immer, ist sich Frauke Schwietert sicher. Notsi­ tuationen treten nun ein­ mal auf, wenn Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen seien. Aber gibt es nicht viele Spiel­ arten, mit denen auch solchen Notsituationen von Unternehmerseite her zu begegnen sei? Te­ learbeit sei so eine Lö­ sung, übrigens auch bei der Agentur für Arbeit für viele Frauen angebo­ ten und von ihnen gerne angenommen. Muss eine Arbeitskraft, hochquali­ fiziert und ebenso moti­ viert, schlechter arbeiten, wenn sie das von zuhause aus tut? Die Alleinerzie­ henden sind doch die, die es am schwersten haben, erklärt Frauke Schwietert gerne. Und

lich nicht viel.

Es gehe also um zweierlei. Einerseits darum, Frauen zu ermutigen, den „weiblichen Weg“ zu verlassen und mal etwas zu wagen. Ihren Neigungen zu folgen, sich herausfordern zu lassen. Und andererseits darum, die, die Arbeitsplätze besetzen, dafür zu sensibilisieren, dass es die hochqualifizierten Frauen sind, die sie bald schon benötigen werden. Und eigentlich nichts dagegen spricht, deren Potential schon jetzt abzurufen, also sie schon jetzt einzustellen.

ƒ

das nicht nur in den ers­ ten Lebensmonaten der Kinder. Da komme häufig noch eine zweite schwierige Phase, wenn mit dem Grundschulalter auch die Nachmittagskomplett­ betreuung entfalle und die Kinder alleine zuhause


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So soll ein Dreh- und Angelpunkt aussehen? Die Kommandozentrale quasi, der Ort, dass die, die in der UI sind, von dem aus die rund 140 Damen der

doch auch in der Wirt­

Unternehmerinnen-Initiative zwar

schaftsinitiative sein soll­

nicht gelenkt werden, aber doch Im­ ten, geht, dann ist sie An­ pulse erhalten? Ein schlichtes Büro also

sprechpartnerin Nummer

im zweiten Stock des Kreishauses, zwei

eins. Dabei hat sie noch

Schreibtische, an einem sitzt Karin Pat­ mehr Aufgaben, kümmert zelt. Vor ihr der große Computerbild­ sich um Projekte, die die schirm, noch ein Röhrenmodell und

Vereinbarkeit von Familie

durch seine Größe irgendwie verdeut­ und Beruf gewährleisten lichend, das sich in ihm im übertrage­ sollen. Frau, Familie, Be­ nen Sinne all das abspielt, was die Un­ ruf, das sind die drei The­ ternehmerinnen-Initiative ausmacht. men, die ihre Arbeit do­ Früher, erzählt Karin Patzelt, habe sie

minieren. Alle zwei Jahre

vieles mit der guten alten Post erledigt. sind es dann aber vor allem die Unternehmerinnen, Hat Termine mitgeteilt, Ideen weiterge­ die die Zeit und Arbeitskraft von Karin Patzelt in geben, Neuigkeiten verkündigt. Heute

Anspruch nehmen. Dann trifft sie sich mit den bei­

läuft das alles via E-Mail. Dabei ist Ka­ den UI-Sprecherinnen, wertet aus, was sich zu­ rin Patzelt das Bindeglied zwischen der

vor die rund 140 UI-Mitglieder gewünscht haben.

Initiative Wirtschaftsförderung des

So entsteht das Zweijahresprogramm, inhaltlich

Kreises Herford und denen, die sich mit

vor allem von den beiden Sprecherinnen mit Le­

UI abkürzen lassen. Wenn es also um

ben gefüllt. Bei der Suche nach dem richtigen Ort,

Formularien, um Neuaufnahmen, um

an dem später die Veranstaltung stattfinden soll,

Termine, um das sanfte Erinnern daran, fängt dann die Arbeit von Karin Patzelt an. So gibt


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es die Unternehmerinnen, die sich ger­ weiß man, dass einige zu kämpfen ha­ ne bereit erklären, Treffen bei sich im

ben, nichts so leicht ist, wie es scheint.

Unternehmen abhalten zu lassen. Bei

Erzählt Karin Patzelt. Bei all diesen

anderen muss sanft nachgefragt wer­ Kontakten schätzt sie das Niveau, auf den, am Ende aber wurde immer noch

dem hier kommuniziert, diskutiert

aus jedem n.n. im Programm eine echte

wird. Dabei, auch das müsse man sa­

Adresse. Einladungen

gen, sieht sie sich meist starken, selbst­

werden

bewussten Frauen gegenüber. Und das

verschickt,

Anmeldungen ange­ bedeutet auch: Manchmal muss man nommen. Es dreht

sich auch reiben. So stark gar, dass Ka­

sich viel im Arbeits­ rin Patzelt vor einigen Jahren eine Aus­ leben

von

Karin

zeit brauchte. Nicht ihren Arbeitsplatz

Patzelt um das The­ verließ, so arg war es nun auch nicht. ma Unternehmerin. Aber einfach mal den Kopf freibekom­ Kommt dann nicht

men, wenn es um die UI geht. Sich nicht

irgendwann die Frage

um die kümmern, die es nicht gewohnt

an sich selbst, ob man

sind, dass sich um sie gekümmert wird.

nicht tauschen wolle? Den

Am Ende waren es anderthalb Jahre,

Arbeitsplatz im Kreishaus

die die Auszeit andauerte. Dann war

gegen den einer Selbststän­ die Energie wieder da. Und hält bis digen. Gefragt habe sie sich

heute. Vor der Schaltzentrale, vor dem

das schon häufig, erzählt

Büro von Karin Patzelt hängt ein gro­

Karin Patzelt. Und hat sich

ßes Bild. Gemalt 2009, gemalt auch von

doch immer gleich geant­ vielen Unternehmerinnen. Jede erhielt wortet:

Selbstständigkeit, einen zugewiesenen Platz, Motivwahl

die hat sicher seinen Reiz. Aber die

frei, Thema: unser weibliches Netzwerk.

Sicherheit einer Festanstellung auf­ Es ist ein sehr buntes, abwechslungs­ geben? Lieber nicht. Sicher ist sicher. reiches Bild geworden. Auch Karin Vielleicht liegt diese Zurückhaltung

Patzelt hat sich hier verewigt. In ihrer

aber auch daran, dass sie weiß, dass

eigenen, zurückhaltenden, unaufge­

nicht jede Unternehmensführung ein

regten Art. Weißes Ross auf blauem

Selbstläufer ist. Es sehe von außen be­ Grund, das Symbol des Kreises hat sie trachtet häufig sehr einfach aus. Aber

hier zu Papier gebracht. Eine Konstan­

wenn man so intensiv mit den Unter­ te also. So wie sie selbst das inmitten nehmerinnen zusammenarbeitet, dann

der UI ist.

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Auf den ersten, auch auf den zweiten Blick wollen die beiden so recht nicht zueinanderpassen. Optisch gesehen, sicher. Aber auch vom Temperament, von der Herangehensweise her. Die eine stellt sich der Aufgabe schon

Pfefferminzbonbon, hebt ihre beson­

seit neun Jahren, weiß, wo die Fall­ ders erfrischende Art hervor, diesen stricke liegen, wo es aufzupassen gilt, Optimismus, diese Fröhlichkeit. Beide vor allem aber: was von ihr erwartet, stehen der Unternehmerinnen-Initiati­ gewünscht wird. Die andere bringt das

ve, kurz UI, als Sprecherinnen vor. Ver­

mit, was passend mit Frische, Unbe­ treten also 140 Frauen, die sich entwe­ kümmertheit, Spontanität zu charak­ der selbstständig gemacht haben oder terisieren ist. Vielleicht sind es gerade

irgendwo in leitenden Funktionen, und

diese Gegensätze, die aus den beiden

so zum Großteil selbstständig agieren,

Damen ein harmonisches Team ma­ auch wenn das auf dem Papier anders chen. Die eine, Kerstin Krämer, pro­ aussehen mag. Zu diesem Amt sind sie fitiert gerne vom Erfahrungsschatz

eher zufällig gekommen. Die Entschei­

von Elisabeth Hoffmann-Gallhoff. Die

dung dazu spielte sich in wenigen Se­

wiederum bezeichnet ihre Kollegin als

kunden ab. „Plötzlich hat mich jemand


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vorgeschlagen, habe ich kurz überlegt, vermuten lässt. Es geht nicht nur um und es dann als Ehre, als Beweis gro­ eine ansprechende Atmosphäre, son­ ßen Vertrauens verstanden, dass ich

dern um ein Ambiente, das dem Ver­

für dieses Amt vorgeschlagen wurde“, anstaltungsinhalt, dem eigenen An­ erzählt Kerstin Krämer. Bei Elisabeth

spruch gerecht wird. Monatlich trifft

Hoffmann-Gallhoff war das nicht an­ sich ein Großteil der 140 Damen. Sie ders. Eher überraschend wurde sie

diskutieren, hören zu, erzählen selber.

vorgeschlagen, aber lange überlegen, Verschaffen sich so manches Mal einen skeptisch abwägen? Ist nicht das Ding

Wissensvorsprung, spinnen dann wei­

der spontanen Rechtsanwältin. Also

ter an ihrem Netzwerk, auf das manch

rein ins kalte Wasser. Impulsive Ent­ ein männlicher Kollege neidisch schaut. scheidungen von beiden also, die eine

Sie gelten in der iwkh als die, die sich

Herausforderung bildeten. Und die sie

am meisten umtun, die sich am häu­

gerne annahmen.

figsten treffen, die die spannendsten

Heute stehen sie souverän bei je­ Events organisieren. Stolz sind die der Versammlung, jedem Treffen ganz

Damen, dass sie dieses größte Netz in

vorne. Werfen sich die verbalen Bälle

der iwkh bilden. Stolz auch, dass sie

zu, moderieren an und ab und sorgen

der agilste Teil dieser Vereinigung sind.

sich vor allem um das Programm der „Wir? Wir bewegen etwas. Wenn man Unternehmerinnen-Initiative. Auch

so will sind wir das Herz der iwkh“,

das ist zweierlei: schön und fordernd

sagen die beiden, überzeugt von der

gleichermaßen. Denn hier gilt es nicht, Unternehmerinnen-Initiative. Und vor interessante Fortbildungen zusam­ allem: überzeugt vom eigenen Handeln. menzustellen, mal zu schauen, was

Auf Augenhöhe bewegen sich die, die

denn wie spannend sein könnte. Wir

sich nicht nur des Geschlechts wegen

folgen hier den Wünschen unserer Mit­ zusammengetan haben. Es gehe viel glieder. Heißt die klare Vorgabe. Und

mehr darum, unter seinesgleichen zu

das bedeutet auch: 140 Unternehmerin­ sein, sich auszutauschen. Sicher, wenn nen wünschen sich etwas, haben eine

eine von ihnen einen Rat, eine Dienst­

klare Vorstellung von dem, was da in

leistung benötige, dann werde erst

den kommenden zwei Jahren thema­ einmal in den eigenen Reihen geschaut. tisch auf sie zukommen soll. Dann gilt

Auch dafür ist so ein Netzwerk da. „Wer

es. Formen die beiden Sprecherinnen

aber meint, zwei, drei Mal zu uns kom­

aus Wünschen Realitäten, füttern das

men zu können und dann hagelt es nur

Gewollte mit Inhalt, sorgen sich um

so Aufträge, der geht sicherlich von den

Vortragende, um Weiterbildende, um

falschen Voraussetzungen aus“, warnt

Orte, an denen diese Treffen stattfin­ Elisabeth Hoffmann-Gallhoff. Dabei ist den. Und zaubern ein Drumherum, jede Frau, die unternehmerisch oder das längst mehr ist, als dieser Begriff

leitend tätig ist, herzlich willkom­


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men. Manchmal komme es vor, dass

ihr Wirken, ihren Antrieb beeindru­

eine der beiden Sprecherinnen solche

ckend. Macht sich so eine Gruppierung

Kandidaten direkt anspricht, dann

auch Gedanken über die Frauenquote?

wieder ist es Eigeninitiative, die die

Denken solche Frauen, die sich ja er­

UI wachsen lässt. Erster Anlaufpunkt

folgreich etabliert haben, in Beruf und

ist dabei immer Karin Patzelt. Beim

Gesellschaft, über das Errechnen vom

Bindeglied zwischen Unternehme­ weiblichen Besetzen von Spitzenpo­ rinnen-Initiative und Kreis laufen die

sitionen nach? Sicherlich nicht, mag

organisatorischen Fäden zusammen, man meinen. Aber weit gefehlt. Denn wird diejenige aufgenommen, die da­ der Vorstand der iwkh ist vor allem zugehören möchte. Was dann folgt, ist

eins: durch und durch männlich be­

neu – und als Angebot, bitte nicht als

setzt. Früher, da war das anders. Da

Verpflichtung, gemeint. Pitch nennen

saßen da Anett Kleine Döpke-Güse und

es die Damen. Und dieser Pitch lässt

Lieselore Curländer mit an der iwkh-

sich in physikalische Werte fassen. 60

Spitze. Beide sind längst mit dem Able­

Sekunden hat jedes Neumitglied, um

gen ihrer politischen Ämter abgetreten.

sich vorzustellen. Kurz hört sich das an. Jetzt sind die beiden UI-Sprecherinnen Und ist doch länger als häufig gedacht.

kooptierende Mitglieder. Und so merk­

Wissen die beiden Sprecherinnen. Den­ würdig der Name, so undurchschaubar noch: Nach dieser Minute wissen die

auch die Position. „Wir als UI gehören

Zuhörenden kurz und knapp, vor allem

einfach dazu“, sagen die beiden, den­

aber komprimiert, wer denn da neu zu

ken die 138 anderen und meinen alle

ihnen stößt. Und wissen auch: Jetzt gilt

zusammen die Mitgliedschaft im Vor­

es, den Neuankömmling in der Mitte,

stand, nicht die Position irgendwo zwi­

und nicht am Rand aufzunehmen. Das

schen den Stühlen. Sie repräsentieren

sofortige Du-Anbieten sei da sicherlich

vielleicht nicht die Großunternehmen,

der falsche Weg. So was entwickelt sich.

nicht die, die tagein, tagaus in der Pres­

Oder eben auch nicht. Du oder Sie? Das

se stehen. Aber ist es nicht die Dienst­

ist bei den Unternehmerinnen kein Kri­ leistungsbranche, die das wirtschaftli­ terium für Nähe oder Distanz. Es gehe

che Wirken im Kreis mit auszeichnet?

viel eher darum, sich mitzunehmen, Und wenn das so ist, sind es nicht die sich zu interessieren, sich kennenzuler­ Frauen, die in dieser Branche ein, wenn nen. Und möglichst früh zu erkennen, nicht das gewichtigste Wort mitzure­ wer dann da hinzugestoßen ist. Mit sei­ den haben? Kein gedanklich weiter Weg nen Stärken und Schwächen. Und mit

also, von der UI hin zum Vorstand. Und

dem Potential, das jeder Neuankömm­ einer, der sicher bald beschritten wird. ling für das Netzwerk bieten kann. Eine starke Einheit also, nicht nur zahlenmäßig, sondern vor allem durch

Denn wenn das Herz nicht zum Körper gehört, was ist dann der Körper ohne Herz?


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Ist es nicht langweilig, sich als Frau ausschließlich und über viele Jahre hinweg nur mit Männermode zu beschäftigen? Nichts zu finden im eigenen Sortiment, was auch in den eigenen Kleiderschrank passen könnte?


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Nein, ist es nicht. Oder besser: war es nicht. Sagt

ebenfalls über den gesamten Globus verteilt. Auch

Tanja Bobel, Leiterin der Abteilung für Presse- der Name ist ein internationaler, wobei dessen und Öffentlichkeitsarbeit in der bugatti Holding

Entstehung eher bodenständig wirkt. Es sollte

Brinkmann. Denn jetzt fällt ihr Blick nicht nur

vor vielen Jahren ein Name gefunden werden,

aus rein beruflichem Interesse in Kataloge und

der italienischen Chic versprüht, der modisches

Sortimentsübersichten. Plötzlich gibt es bugat­ Gespür vermittelt, ohne zu dick aufzutragen. Der ti-Schuhe und ebensolche Taschen für die Frau. damalige Marketingleiter ließ sich also ein Mai­ Die Fachwelt auf der Messe in Florenz horchte

länder Telefonbuch kommen, begann zu blättern

erstaunt auf. Die, die sonst ausschließlich für

und stoppte schon beim Buchstaben B. Der Name

Männer designten und produzierten, betreten

war also gefunden – und damals verwendete noch

nun weibliches Neuland. Und man darf das ruhig

niemand einen Gedanken daran, was mit dem

als solches bezeichnen, denn was sich nah bei­ gleichnamigen Automobil passieren könnte. Und einanderstehend liest, ist dann doch eine ganze

sollte. 1999 übernahm dann der VW-Konzern die

andere (Mode-)Welt. Versuche der Mitbewerber, italienischen Autobauer, und seitdem „stehe man sich in diese Richtung auszuweiten, hat es schon

im freundschaftlichen Austausch, schaue, dass

manches Mal gegeben. Und mit fast gleicher Re­ man sich nicht ins Markennamengehege komme,“ gelmäßigkeit holten sich die Probierenden dabei

sagt Tanja Bobel. So konnte bugatti zu einer Mar­

blaue Flecke, Misserfolge also, ab. Also wollte und

ke werden, die Lizenzen wie kaum eine andere

will bugatti langsam starten, dem Entwicklungs­ vergeben hat. Jedes halbe Jahr wird sich dazu mit prozess den notwendigen Zeitraum gewährend. den Lizenznehmern getroffen, wird beraten, wie Dabei hatten sie bei der Präsentation in Florenz

das Bild des Ganzen ein einheitliches bleibt. Nun

schon den nächsten Schritt gewagt, wussten, dass

also gibt es hier auch eine weibliche Note. „Und

es auch eine Jackenkollektion für die Dame geben

das wurde ja eigentlich auch Zeit“, erklärt Tanja

werde. Nur sollte nicht alles auf einmal vorge­ Bobel. Manches Mal hätte nicht nur sie den Kopf stellt, nicht zu sehr überrascht werden. Erst ein­ geschüttelt, als sie das Sortiment besah. Wieso mal stellte bugatti neue Mitarbeiter ein. In diesem

gibt es das nicht auch für Frauen? War die Frage,

Fall gar: nur Mitarbeiterinnen. Die kümmern sich

die die weiblichen Betrachter bewegte. Besserung

nun um eine modische Jackenlinie, die erst ein­ ist nun in Sicht. Wobei das Unternehmen ein wei­ mal nur in Italien vertrieben wird. Auch hier gilt:

terhin männlich geprägtes ist. Treffen sich die,

Erst einmal in Ruhe und im Kleinen ausprobieren, die für Finanzen und Führung verantwortlich dann vielleicht größer durchstarten. Helfen tut

sind, dann sitzen da fast nur Männer am blank

dabei, dass bugatti einer der größten deutschen

geputzten Konferenztisch. Und – auch logische

Exporteure ist, wenn es um Männermode geht. Da

Folge der Modeausrichtung – finden sich bei den

gibt es also eine italienische Handschrift, etwas, Prominenten nur Männer, die die bugatti-Mode das in Italien besonders gefällt. Und wenn das bei

werbewirksam tragen und gleichsam präsentie­

Männern im Land der Mode funktioniert, warum

ren. Man dürfe sich das aber nicht so vorstellen,

sollte das nicht auch die Frau begeistern können?

als würden da Verträge unterzeichnet, würde

Dabei hat bugatti die große Auswahl gehabt. genau festgelegt, wer wann was zu tragen hat. Mehr als 200 Shop-in-Shop-Systeme gibt es von

Auch das: basierend auf einem freundschaftlichen

bugatti. Weltweit. Und zwanzig eigene Geschäfte, Verhältnis. Da ruft am Montag Mirko Slomka an,


26


27

das zugesandte Sakko habe sehr gut

Vorbeigehende sehen kann, was und

gepasst, getragen beim Heimspiel von

wie in dem Gebäude gearbeitet wird.

Hannover 96 und damit auch getragen

Tanja Bobel wird er dabei nicht immer

in Millionen von Haushalten. Auch

zusehen können. Denn die ist viel un­

Gerhard Delling, eingekleidet von den

terwegs. Bereist die großen Magazine,

Herforder Modemachern. Peter Maffay

fährt nach Hamburg, nach München,

ebenso. Sehr gut und gleichzeitig nicht

um sich mit den Verantwortlichen von

aufdringlich gekleidet sind die Her­ Stern, Gala, Brigitte, GQ zu treffen. Da ren, zeigen nicht durch auftragende

stellt sie dann die komplette Kollekti­

Kragenstickereien, was sie da tragen. on vor, knüpft und festigt Kontakte, Und tragen dann doch zum Unter­ lässt Bild- und Textmaterial da und nehmeserfolg bei. Wachstum ist, was

sorgt so dafür, dass bugatti nicht nur

Holding und Marke derzeit auszeichnet. in Anzeigenform, sondern auch redak­ Die Umsatzzuwächse bewegen sich in

tionell in diesen großen Blättern statt­

einigen Segmenten im zweistelligen

findet. Zukünftig werden sich auch die

Prozentbereich, die Auftragseingänge

Frauenzeitschriften eingehender mit

im Frühling passen sich der Jahres­ der Marke bugatti, mit dem Herforder zeitenstimmung an. Fünf neue Stores sind in der Planung, 30 bis 50 Shopin-Shop-Systeme sollen folgen. Die allgemeine Krise, die bei bugatti gar nicht spürbar war, also ist überwun­ den, es darf wieder nach vorn geschaut werden. Oder im Fall von Tanja Bobel: nach nebenan geblickt werden. Denn wirft sie einen Blick aus dem Konfe­ renzzimmer, dann kann sie ihren zu­ künftigen Arbeitsplatz schon sehen. Das Verwaltungsgebäude auf dem Nebengrundstück nimmt so langsam Formen an. Es wird eines sein, bei dem Glasfronten vorherrschen, bei dem der

Unternehmen beschäftigen.

Und sehen, dass Herren- und Damenmode weit auseinander liegen. Und doch einiges gemeinsam haben. So wie in diesem Fall die Herkunft. Aber auch: die Qualität, die klassische Linie, die Philosophie, die sich hinter den Produkten verbirgt. E


Dauert nicht mehr lange, und Britta Heuser stellt den Laufstall wieder in ihr Büro. Ein Jahr, gut, das gibt sie sich, um wieder voll, also hundert Prozent in ihren Job einzusteigen.

Vorher wird sie auch nicht nur vorbei­ schauen. Sondern mitarbeiten. Auch das ist sicher. Schwangere Bäuche, be­ vorstehende Geburten, kranke Kinder, Kindergartenurlaub oder Schulferien, all das sind keine echten Probleme bei Breos. Das Unternehmen, das Pfeffer und Salz, Kräuter und viele andere Gewürze für Metzgereien und Lebens­ mittelhersteller ebenso wie für Endver­ braucher mischt, ist ein fast durch und durch weibliches. Und kennt sich damit

en, wenn Soll und Ist bei Gramm und

aus mit den Problemen, die eben ei­ Menge in Einklang gebracht werden gentlich nur junge Mütter kennen. An­ soll. Die Kunden vertrauen uns, weil fangs, erzählt Britta Heuser, hätten sie

wir genauer sind als andere. Sagt Britta

und ihre Kolleginnen einfach ihre Ar­ Heuser. Und meint damit auch: genau­ beitszeit dem Kindergartenrhythmus

er sind als andere, die allzu viele Ma­

angepasst. Nicht andersherum. Ge­ schinen einsetzen. Herr dieser ganzen arbeitet wurde einfach von 8.30–14 Uhr, Mischerei, Herr über all die Rezepte ist so einfach war das. Dass das aber für

dann aber doch ein Mann. Egon Heuser,

sie bedeutete, sieben Tage in der Woche

gelernter Koch, gelernter Lebensmit­

zu arbeiten, den Sohn am Wochenende

teltechniker und heute immer noch

bei Oma und Opa unterzubringen, war

Angestellter bei einem Unternehmen,

dann wiederum nicht ganz so famili­ das mit Lebensmittel-Zusatzstoffen enfreundlich. Dem Unternehmen aber

handelt. Ob sich das nicht beiße, An­

schien und scheint diese Arbeitsweise

gestelltentum und Unternehmerschaft.

gutzutun. Gerade wurde groß umge­ Nein, lautet die Antwort. Und der Blick baut, deutschlandweit und darüber

wandert rüber zu Ehefrau Britta, die ja

hinaus finden sich Kunden, die noch

irgendwie auch beides ist: angestellt auf

auf das menschliche Auge vertrau­ Papier und beim eigenen Mann. Und in


der Realität dann eben doch Unterneh­ Erzieherin nach. Familiär sei eben der

war auch das ein weiter Weg. Anfangs

merin. Denn der Ehemann sorgt sich im

Gedanke, der die Philosophie des Un­ sind die Heusers von Nachbargarten

Angestelltenverhältnis um Kunden in

ternehmens mit dem merkwürdigen

halb Deutschland. Und das ist bei ihm

Namen charakterisiere. Merkwürdig

sich ein zum gemeinsamen Grillen, im

eines, das vertikal, sprich von Nord

deshalb, weil Breos eine Mischung

Gepäck die gerade wieder verfeinerte

nach Süd aufgeteilt wurde. 50.000 ge­ aus Bremen und Osnabrück darstellen

Marinade. Das sei, das müsse man so

zu Nachbargarten gezogen. Luden

fahrene Kilometer kommen da immer

solle. Da sollte anfangs eigentlich das

sagen, anfangs nicht so gewesen, dass

noch leicht im Jahr zusammen. Und

Haupt-Absatzgebiet des Rödinghauser

diese Grillbesuche immer erfolgreich

man kann sich vorstellen, wie häufig

Unternehmens liegen. Bis Bremen sind

abgeschlossen werden konnten. Aber

Britta Heuser dann doch alleine ihren

wir aber eigentlich nie gekommen. Er­ es wurde eben weiter verfeinert, neu

Mann stehen muss. Das aber scheint

zählt Britta Heuser. Dafür aber in viele

gemessen, Neues hinzugemischt, Al­

kein Problem zu sein. Nicht, wenn der

andere Teile der Republik. Aber da war

tes weggelassen. Am Ende dann ent­

eigene Sohn krank ist. Nicht, wenn

der Name längst eine Marke. Und hatte

stand das, was heute nicht nur an den

der Kindergarten im Sommer für drei

sich herumgesprochen, dass hier Men­ Wiederverkäufer geht. Sondern auch

Wochen schließt. Im Vorjahr wurde

schen arbeiteten, die mischten, was es

im eigenen Werksverkauf angeboten

einfach ein Babysitter engagiert, jetzt, sonst so nicht zu kaufen gibt. Wer Sala­ wird. Sollte da mal ein kleiner Junge wo mehrere Mitarbeiterinnenkinder

mis herstellt, der schätzt diese Würze, hinter dem Tresen stehen, sollte man

schon älter sind, denken sie bei Breos

wer Fisch, wer Gegrilltes marinieren

sich nicht wundern: Hier arbeiten viele

schon über den Einsatz einer eigenen

möchte, der kauft hier richtig. Dabei

Mütter. Da sind die Kinder nicht weit. U


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tErMINE

01.07.2011

Zukunftskonferenz im Kreis Herford Ort: Fa. Alligator Farbwerke GmbH in Enger, Beginn: 10.00 Uhr

05.07.2011

7. öffentliche Sitzung des Ausschusses für Kreisentwicklung und Wirtschaftsförderung, Ort: Moor­ und Schwefelbad Senkelteich August Großmann in Vlotho, Beginn: 14.30 Uhr

11.07.2011

Informationsveranstaltung zu den kURs­Kooperationen, Ort: Kreishaus Herford, Beginn: 14.00 Uhr

17.07.2011

7. widufi x­Lauf in Enger, Start: EDEka­Center Wehrmann, Ringstraße 33, Beginn: 15.00 Uhr

20.07.2011

Business­aktiv: „Der Schlüssel zur Gelassenheit“ Ort: n.n. Beginn: 19.15 Uhr

24.08.2011

Sommerfest der UI, Ort: Garten von C. Plake, Beginn: 19.15 Uhr

14.09.2011

Business­aktiv: „Social Media – xiNG, Twitter, Facebook & Co.“ Ort: Kreishaus Herford, Beginn: 19.15 Uhr


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Klappe auf, Klappe zu. Ein Knopfdruck, und der Himmel rückt ein gutes Stück näher.

Der Tankwart ist Fachmann. Schaut

auf, Kofferraum auf, alles hoch-, dann

cho, und da steht schon der Gang, der

erstmal genau hin, nickt dann. Sieht

weggefahren und verstaut ganz weit

gerade der perfekte ist. Soll aber auch

irgendwie kompakter aus als der Vor­ hinten, dem Blick entzogen.

heißen: Im neuen VW Eos lässt sich das

gänger. Jetzt stimme alles. Ist sich der

genießen, um das es in jedem Cabrio

Mann sicher.

Dabei ist es jetzt, Mitte April, nicht

wirklich ladylike, was das Wetter an­ geht. Nicht um den Einsatz des Wind­

Lassen wir ihn in dem Glauben. geht. Dunkle Wolken schieben sich

shots, nicht um das Hochfahren der

Denn aus kompakter = kleiner ist beim

vor den eben noch blauen Schäfchen­ Seitenscheiben. Das hier, das ist kein

neuen VW Eos nichts geworden. Aber

wolkenhimmel, die Außentemperatur

Coupé mit übergroßem Schiebedach,

der visuelle Eindruck trügt dann doch

lässt sich an den Fingern zweier Hän­ das ist Offenfahren, so wie es sein soll.

nicht. Er ist irgendwie stimmiger, nicht

de abzählen. Die sind im Falle unserer

Wobei, gut, die Sitzheizung steht bei

so rund, halt kantiger geworden. Er

Begleitung passend zum Autolack in

dieser Witterung auf Vollgas, sicher auch

bleibt aber, da sind sich Schreiber und

Toffee lackiert, schimmern also ir­ geeignet, um Rindersteaks typisch-

Tankwart einig, ein Lady-Auto. Also das

gendwo zwischen braun und grau und

braune Grillstreifen auf die Oberfläche

getupfte Seidentuch um die eben noch

greifen nun um ein Lederlenkrad, das

zu brennen. Der Seidenschal hat sich

mit Plätteisen geglätteten Haare gebun­ den Wagen in Richtung Wiehengebirge

im Fahrtwind längst vom Haupthaar in

den, die Fliege-Puck-Sonnenbrille, die

Richtung Halsschmuck verabschiedet,

dirigiert. Es geht über Alleen, es wird

man – man beachte das seitlich ange­ hügelig, dann wieder rasant auf flacher

aber die Mundwinkel wandern konti­

brachte Label – so natürlich nie, nie, nie

Piste. Es ist ein Lady-Auto, ist sich auch

nuierlich nach oben. 122 Pferdestärken

nennen darf, aufgesetzt und dann den

unsere Fahrerin sicher. Kein Protzer, wirft unser Eos, just beim Autohaus

Knopf da an der Mittelkonsole gezogen. kein Poser. Es könnte nur ein bisschen Was dann passiert, funktioniert auch an

Bünde abgeholt und schon ans Herz

mehr brummeln, etwas mehr grum­ gewachsen, auf die Muskelprotz-Waage,

der roten Ampel. Im Stand, beim leich­ meln da vorne. Denn man hört kaum

nicht gerade viel, um sportwagengleich

ten Rollen, überall und eigentlich im­ etwas. Es ist fast so leise, dass man gar

um die Ecken zu flitzen. Aber es langt.

mer. Erst tut sich nichts, dann alles auf

nicht weiß, wann man denn hochschal­ Allemal sogar. Auch wenn es ihn na­

einmal. Scheiben runter, Schiebedach

ten soll. Wobei, kleiner Blick auf den Ta­ türlich deutlich muskulärer, auch mit


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210 PS unter der Haube gibt. Der Eos

dem Verdeck. Immer. Morgens. Abends.

im Schnitt, sondern Spitze – 198 km/h.

zieht dennoch kräftig an, ganz gleich

Immer. So wie jetzt, wo die Sonne sich

Und, da freut sich nicht nur der Rechen­

ob aus dem Stand oder schon hundert

gerade verabschiedet, die Temperatur

schieberfreund, er kostet fünf Euro we­

Stundenkilometer schnell fahrend. Und

zu allem passt, nur nicht zum Frühling. niger als 28.000 Euro. Nackig, versteht

die Bremsen packen ebenso ambitio­ Er ist ein Cruiser, da ist sich unsere Be­ sich. Aufpeppen lässt er sich natürlich niert zu, kein Problem also Fahrweise

gleitung sicher. Einer, der dahingleitet, noch an allen Ecken und Enden. Im

und Fahrzeugäußeres in Einklang zu

der, wenn es sein muss, drei weitere

bringen. „Das hier, das sieht aus wie

Passagiere mitnimmt. Allerdings sol­ Technik und Verwöhnprogrammen, für

Lack, innen, außen, mit jeder Menge

in den 80er-Jahren“, sagt unsere char­ che mit kurzen Beinen. Denn hinten

Körper und Auge gleichermaßen – das

mante Begleitung und lässt die Finger

Autohaus Bünde hilft bei der Entschei­

ist der Eos kein Platzwunder. Und auch

über die chromfarbenen Lüftungsein­ ganz hinten, am automobilen Po, im

dungsfindung gerne weiter. Am Ende

fassungen fahren. Der Blick wandert

Kofferraum ist Platz nichts, was ver­ aber reduziert sich so ein Auto auf ei­

zwischen Innenspiegel und Straße hin

schwenderisch ausgegeben wurde. Aber

nen einzigen Knopf. Um den geht es.

und her, das Haar ist längst zerzuselt, bitte: Das hier, das ist nichts, was mit

Und um nichts anderes. Also brausen

das Puder auf der Nase verflogen. Klei­ normalen Maßstäben bemessen wer­ wir weiter. Den Wind im offenen Haar, ne Sommersprossen kommen zum Vor­ den sollte. Das hier, das ist ein Spiel­ die Musik längst ausgestellt – wer will schein – und wenn nur dazu ein Auto in

zeug. Eines zwar, das dank Metalldach, schon den Fahrtwind übertönen – und

der Lage ist, dann bitte her damit. Man

Viersitzprinzip und modernster Tech­ das innere Versprechen sich gebend,

will dem potentiellen Eos-Käufer zuru­ nik alltagstauglich ist. Aber für den, das ab jetzt dieser eine Knopf nie wie­ fen, dass er sich erst einmal dafür inte­ der den Rechenschieber seinen Freund

der betätigt wird. Regen? Fahr schnell,

ressieren soll, woher der Name seines

nennt, ist so ein Auto natürlich nichts.

und er trifft Dich nicht. Kälte? Frieren

neuen Autos eigentlich stammt. In der

Obwohl er, also der Eos, den Spitzblei­ kannst du später. Die Blicke der ande­

griechischen Mythologie wird die Kö­ stiftenutzer in vielen Rechenaufgaben

ren? Bitte, immer her damit. Autofah­

nigin der Morgenröte Eos genannt. Blei­ überzeugt. Unser Eos verbraucht - im

ren wie auf dem Catwalk. Was will Frau

ben da noch Fragen offen? Also auf mit

mehr?

Schnitt - 6,2 Liter. Und er fährt – nicht

i


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35

Der Anfang? War ein unspektakulärer. Angela Holstiege zog mit ihrem Mann nach Bünde. Ein Freund und Kollege fragte, ob sie nicht aushelfen könne, zwei Ausschüsse, Sozialausschuss und Planungsausschuss seien noch zu besetzen im Stadtrat.

Eine Frage hatte die Gefragte nur: Wie viele

lichkeit. Sie habe halt gefragt, was sie interessierte.

Frauen sind in den Ausschüssen? Im Planungs­ Und auch festgestellt, dass da immer häufiger Zu­ ausschuss? Keine. Dann nehme ich den. Wählte

stimmung kam. Nicht von denen, die ganz vorne

den Planungsausschuss und saß nun vor allem

saßen. Die ob ihrer Funktion schon die, die hinter

unter einem: unter Männern. Und dazu kam:

ihnen saßen, nicht nur vertraten, sondern man­

ohne Ahnung, was denn da zu bereden, zu dis­ ches Mal auch ganz überflüssig machten. Hinten kutieren sei. „Drei Jahre habe ich gebraucht, um

aber wurde genickt. Und eigentlich hat sich Ange­

selbst festzustellen, ob ich gerade eine doofe oder

la Holstiege während ihrer gesamten politischen

eine intelligente Frage gestellt habe“, erzählt sie

Karriere mehr zu denen hingezogen gefühlt, die

zwei Jahrzehnte später mit entwaffnender Ehr­ da hinten die harten Bänke drückten. Wobei sie


sogar irgendwann auch ganz alleine saß. Irgend­ sollte man nicht einfach starten? Es gehe häufig wann, das war, als sie in den Kreistag wechselte. in der Politik viel zu sehr darum, dass über das Als einzige Grüne. Als einzige Frau. Ein Jahr lang

geredet wird, was man machen könne. Und nicht

wurden die Sitzungen mit dem Satz „Meine Her­ das, was man macht. Verlorene Zeit sei das. Und ren“ eröffnet. Ertragen hat sie das mit einer Ruhe, komme viel zu häufig in der Politik, auch der lo­ die vielleicht dann doch nur Frauen haben. Diese

kalen, vor.

Hahnenkämpfe, die liegen ihr nicht. Sich aufregen

Vielleicht ist es wegen des Drüberredens auch

über so etwas? Lieber heute drüber lachen. Auch

eine von ihr so genannte Hassliebe, die sie mit der

darüber, dass bei Sitzungen Brötchen immer ta­ Zeitschrift Emma verbindet. Lesen tut sie sie seit blettweise gereicht wurden. Ein großes für die

20 Jahren. Und sich darüber ärgern genauso lange.

CDU, ein ebensolches für die SPD, eine winziges

Aber davon loskommen? Tut sie dann doch nicht.

mit einem Brötchen drauf für die Abgeordnete der

Emma und Frauenbewegung und Quote, das

Grünen. Irgendwann – der Zeitpunkt lässt sich gar

wird ja häufig in einem Atemzug genannt. Aber

nicht mehr so richtig bestimmen – sei das ganz

so einfach sei das alles nicht. Und schon gar nicht

egal gewesen. Egal, dass sie die einzige Frau war. mit einer Quote, die sich nur in zwei Zahlen fas­ Wurscht, ob sie da nun alleine saß. Ganz gleich, sen lasse. Nehmen wir die Industrie, die Struktur dass sie die einzige war, die gegen etwas stimmte. in den Vorständen. Sollte der Frauenanteil darin Heute, heute ist das ja alles ganz anders. Da kann

nicht die Frauen repräsentieren, die sich im ge­

sie aufstehen und unter tausend Gästen die Ein­ samten Betrieb befinden? Bei den DAX-Unterneh­ zige sein, die dagegen ist. Kein Problem, nichts

men? Sicher. Aber hieße das nicht auch, dass es

Besonderes mehr.

in technischen Unternehmen eben eine deutlich

Und versteht sich doch als die, die sich für die

geringere Quote geben sollte? Nach Meinung von

Frauen einsetzt. Frauenpolitik aber? Ist ihr nie in

Angela Holstiege schon. Und diese Meinung sagt

den Sinn gekommen. Viel zu einseitig sei das. Und

auch: Frauen müssen zu ihrer Karriere gedrängt

das ist nicht die Sache der Angela Holstiege, Ein­ werden. Sonst gehen sie der einfach aus dem Weg. seitigkeit. In ihrem ganzen Leben nicht. Arbeit als

Bestes Beispiel: ihre Tochter. 27 Jahre alt und Ärz­

Lehrerin, Freizeit als Politikerin, Mutter von vier

tin. Und vor allem: froh, keine Karriere machen zu

Kindern, die Liebe für den Garten, das Akkorde­ müssen. Aus emanzipatorischer Sicht – „und ich onspiel, wo bleibt da Platz für Einseitigkeit?

komme ja aus der antiautoritären Studentenbewe­

Vielleicht hat sie sich aber auch dagegen ent­ gung“, fügt Angela Holstiege noch an –, sei das na­ schieden, sich der Frauenpolitik zu verschreiben, türlich nicht einfach zu verstehen. Aber vielleicht weil sie einfach die Herangehensweise falsch fin­ sind es dann doch die Gene. Und das Wissen, dass det. Muss man darüber reden, wie es wäre, wenn

Frau und Hahnenkampf nicht zusammen passen.

man mit dem Umdenken anfangen würde? Oder

Und für die Familie sind die Frauen ja nun auch


zuständig, da ist sich die Grünen-Politikerin

Karriere hingelegt hat und keine Kinder hat? Das

auch sicher. Wie soll man einen solchen Satz

macht sie auch traurig. Sagt die vierfache Mutter.

dann bewerten? Achselzucken. Aus-dem-Fens­

Es sei halt ein Konflikt. Und einer, der noch nicht

ter-gucken. Sich-damit-abfinden. Bei ihr selbst

lösbar sei. Vielleicht helfe die Teilzeit weiter, ihre

sei das ja nicht anders gewesen. Karriere in der

Familie habe es ja vorgelebt.

Schule? Habe sie ja nicht gemacht. Und wollte

Wenn beide Ehepartner aber in der Politik

sie auch gar nicht. Viel wichtiger sei es da ge­

sind, ist das einfach? Nicht immer. Gut, beide

wesen, Kinder zu kriegen. Und sollte das nicht

sind Grüne, die Grundlinie sei die gleiche. Aber

jede Frau? Sollte sie, da ist die Sprecherin der

die Details? Da könne man sich schon mal fetzen,

Kreis-Grünen sicher. Also diskutierte sie schon

klar. Und die Aggressivere? Ist sie, das gibt An­

zu Studentenzeiten mit ihrem Mann. Beide ka­

gela Holstiege gerne zu. Ist das gar typisch Frau?

men überein: Kinder ja, Lehramtsstelle für die

Ach, vieles, fast alles sei ja ansozialisiert. Prag­

Frau, Halbtagsstelle für den Mann. Was schnell

matischer seien Frauen, handlungsorientierter.

ausgemacht war, ließ sich dann doch nicht so

Mitgestaltend also. Und genau das will sie. Poli­

einfach umsetzen. Denn als Internist nur hal­

tisch, in ihrer Umgebung, im Kreistag. Und dar­

be Tage arbeiten? Für den Chefarzt von Angela

über hinaus? Auf Landesebene etwa? So gehe das

Holstieges Ehegatten nicht denkbar. Und damit

hier nicht. Wir sind in Ostwestfalen. Da wird man

auch: nicht möglich. Also der Wechsel rüber in

nicht wahrgenommen, von denen im Ruhrgebiet.

die Anästhesie und dann halbe Tage Intensiv­

Im Rheinland. Und wie wolle man sich da bekannt

station und Rettungswagen, halbe Tage großer

machen? Abends nach Düsseldorf fahren, nachts

Garten, große Familie.

wieder zurück. Nicht machbar. Und, pragmatisch

Wenn man Frauen in Führungsetagen ha­

eben, dann auch nicht vorstellbar. Vielleicht dann

ben will, dann gehe es halt nicht ohne die Quo­

doch in die andere Richtung, zurück in den Stadt­

te. Auch, weil Männer lieber Männer befördern.

rat? Auch nicht möglich, versperrt durch den ei­

Was ganz erklärlich ist. Denn sind nicht Männer

genen Ehemann. Zwei Holstieges? Das wollen sie

lieber unter Männern. Und, sicher, Frauen un­

niemandem zumuten. Und danach, wenn in zwei

ter Frauen? Und wenn das so ist, befördert man

Jahren das Lehrerdasein vorbei ist? Ein Buch sch­

nicht lieber den, den man besser kennt? Und

reiben. Ein kindgerechtes. Und ein kritisches. Für

schätzt? Dabei sei genau das fatal. Denn wenn

die Enkelsohn, erklärend, wie Ökonomie funkti­

oben keine Frau ist, warum soll dann unten eine

oniert. Nicht so kompliziert, wie sonst Ökonomie

danach streben, nach oben zu kommen? Wobei,

erklärt wird. Sondern einfacher. Das ist der Plan,

Karriere und Familie miteinander vereinbaren?

nach dem Beruf, nach der Politik. Da komme eine

Eigentlich immer noch ungelöst. Sagt Ange­

neue Lebensphase. Spannend sei die allemal. Und

la Holstiege. Wenn eine Frau mit 40 eine tolle

eine, auf die sie sich schon jetzt freut.

r


38

Wer Inge Brünger-Mylius, also ihre Art zu denken richtig kennenlernen möchte, der muss sich mit Historischem beschäftigen.

R


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40

Etwa mit dem Jahr 1994. Da hatte die heute 51-Jährige einen großen Haus­ halt und drei Kinder, die sie zuhause betreute. Plötzlich stand ihr Vater Felix Brünger, damaliger Inhaber des Büro­ möbelherstellers Febrü, vor ihr und teilte ihr mit: „Ich habe ein neues Un­ ternehmen gegründet. Und du machst das.“ So einfach war das. Erzählt die gelernte Erzieherin heute. Zeit, oder besser: Raum, sich das zu überlegen, schien es damals nicht zu geben. Also willigte sie ein. Startete in einem, mit einem Ein-Frau-Unternehmen, belud, entlud LKWs, kommissionierte, küm­ merte sich um Buchhaltung, Marke­ ting, Ein- und Verkauf gleichermaßen. Der Verkauf von Bürostühlen war die

Hobbys? Hab ich keine. Ich kümmere mich um meine 85-jährigen Schwiegereltern, um den 1.700 m2 Garten, um das Haus. Da bleibt alles. Nur keine Zeit für Hobbys.

R

geschäftliche Grundlage. Als die immer

17 Jahre später ist SMV nach Löhne

mehr wegbröckelte, als die Insolvenz

umgezogen, gibt 18 Mitarbeitern Arbeit

anstand, stand Inge Brünger-Mylius

und Lohn und legte in den ersten drei

vor einer schweren Entscheidung. Fir­ Monaten dieses Jahres 30 Prozent an ma kaufen? Oder lieber nicht. Hätte

Umsatz zu. Heute dreht sich das Ge­

sie gewusst, dass an SMV eine Million

schäft längst nicht mehr um den Ver­

DM Schulden klebten, sie hätte nicht

trieb günstiger Bürostühle. Heute geht

gekauft. Sagt sie heute. Aber das mit

es um Objekte, um die Gestaltung von

den Schulden ist ihr erst ein Jahr später

Eingangsbereichen, von Lounges. Im­

klar geworden, da hatte sie längst für

mer auf Kundenwunschhöhe. Etwas

eine Mark gekauft, hatte das Zuhause

höher, etwas breiter, ein anderes Ma­

so organisiert, dass Kinder und Selbst­ terial? Alles kein echtes Problem. Pro­ ständigkeit unter einen Hut zu bringen waren. Betriebswirtschaftliche Crash­

duziert wird, was der Kunde wünscht. Eine Erfolgsgeschichte also, die eine

kurse hat sie belegt, sich durchgebissen, weibliche Handschrift trägt. „Schauen viel, sehr viel durch die Febrü-Insol­ Sie sich hier im Unternehmen, in unse­ venz gelernt.

ren Büros um. Glauben Sie, das sähe so


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aus, wenn ein Mann das Sagen hätte?“, scheidung. Und der Vertriebler dreht fragt die Inhaberin, rein rhetorisch

sich zur Seite und sagt: „Kann ich nicht

versteht sich. Denn die liebevolle Ge­ entscheiden, müssen Sie Frau Brüngerstaltung der Büros, der Empfangs-, der

Mylius fragen.“ Was dann passiert, är­

Präsentationszimmer trägt weibliche

gert und amüsiert die Geschäftsführe­

Züge. Es geht ihr um das Wohlfühlen. rin heute zu gleichen Teilen. Abstellen Und das solle man sofort spüren. Aber

ließ sich dieses Phänomen, dieses Ich-

es gibt auch die männliche Seite im

will-lieber-mit-einem-Mann-spre­

Arbeitsleben von Inge Brünger-Mylius. chen nie so ganz. Technik, Brandschutzbestimmungen,

Wenn sie mit Kunststoff und Me­

DIN-Vorschriften beschäftigen sie tag­ tall, Holz und Stoff in all seinen Facet­ ein, tagaus. Da hätte sie sich erst einar­ ten umgehen muss, dann sei das hier beiten, dann durchsetzen müssen. Ging

eine Männerwelt. Wenn es aber um das

sie mit ihrem Vertriebsleiter auf eine

Einstellen neuer Mitarbeiter gehe, dann

Messe, so war der meist der erste An­ sähe das ganz anders aus. Zeugnisno­ sprechpartner. Ihm wurde erklärt, ihr

ten? „Interessieren mich nicht. Ich gu­

zugelächelt. Dann der Punkt der Ent­ cke mir den Menschen an. Baue dann einen Arbeitsplatz für ihn, um ihn he­

Seit mein Mann mit im Unternehmen arbeitet, hat er noch mehr Verständnis für mich, für meine Arbeit. Zuhause gilt aber: Kein Wort über die Firma. Und das klappt. Fast immer.

R

rum. Nicht andersherum. Suchen Sie das einmal in einem von einem Mann geführten Betrieb. Das werden Sie nicht finden.“ Es gehe darum, Stärken herauszu­ finden, bei Schwächen fortzubilden, je­ manden zur Seite zu stellen, der eben diese kompensiert. Personalfragen, das sind komplizierte, anstrengende, notwendige Fragen, die beantwortet werden müssen. „Ich habe mich dazu entschieden, zu wachsen, so groß zu sein, wie ich jetzt bin. Da muss ich mich mit dem Thema intensiv beschäftigen.“ Die Stärken ihres Mannes sind es vor allem, zu bewahren. Und auch sol­ che Menschen brauche man in einem Betrieb. Nicht nur die Visionäre. Solche


NWDfestival_az:52.8-A4

15.04.2011

12:08 Uhr

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orchesterkonzerte / kammerkonzerte / chorkonzerte / pfingst-festival / internationale sommerakademie / รถffentliche proben / schulkonzerte

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wie Inge Brünger-Mylius. Die auch ein­ teil von ihm entscheidet: Pioniergeist mal Geld in die Hand nehmen, wenn

und Mut. Beides hat Inge Brünger-

andere die Hände über dem Kopf zu­ Mylius. Daneben auch die Fähigkeit, sammenschlagen. So geschehen letztes

den Willen, die Firma vor alles zu stel­

Jahr. Da war einer ihrer Söhne – längst

len. Rund um die Uhr gilt das allerdings

gemeinsam mit einem Bruder im Be­ nicht. Auf der morgendlichen Fahrt trieb fest verankert – bei Siemens und

hin, abends weg von der Arbeit redet

schnappte auf, dass hier für einen

sie mit ihrem Mann noch über Firmen­

Lounge-Bereich eine neue, eine aus­ interna. Danach nicht mehr, das ist gefallene Möblierung geplant war. Er

ausgemachte Sache. Vor 7 Jahren stieg

schrieb auf, er brachte mit. Und wagte

ihr Mann mit ein bei SMV, nicht in die

nicht, zu hoffen. Denn 45 Bieter wa­ Geschäftsführung, nicht als Inhaber. ren im Rennen, die Erfolgsaussichten

Sondern als EDV- und IT-Fachmann.

schienen diese Bezeichnung nicht ver­ Beide scheinen froh zu sein, dass die dient zu haben. Später dann der Anruf. Rollen so verteilt sind. Sind sie im Ur­ Es sind noch drei im Rennen. Und Sie

laub übrigens auch. Er geht tauchen,

sind dabei. Jetzt galt es, das Angebot zu

sie entspannt. Keine Termine – eine

verfeinern, 15.000 Euro in die Hände

Rundreise, feste Uhrzeiten, kämen

zu nehmen. Die gleich wieder weg sind, für sie nicht in Frage, das habe sie hier wenn nicht zwei im Rennen um den Auftrag hinter sich gelassen werden. „Was haben sie da nicht alle auf

im Büro jeden Tag – , und die Mög­ lichkeit, draußen alle Mahlzeiten ein­ nehmen zu können. Ein echtes, ein

mich eingeredet. Sind zurückgeru­ vollkommenes Abschalten ist es dann dert, wollten alles, nur nicht weiter­ doch nicht. Jeden Tag checkt sie die machen.“ Am Ende entschied das, was

E-Mails. Weil sie nur entspannen kann,

meist über einen guten, einen erfolg­ wenn sie weiß, wie es in der, in ihrer reichen Unternehmer und das Gegen­ Firma läuft.

Ich hätte einfach keinen Urlaub, wenn ich nichts lesen, nichts von der Firma hören würde. Dafür bin ich viel zu ungeduldig.

R


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Jeder kennt, fast jeder hat solche Ecken, ganz gleich, ob gewerblich oder privat genutzt. Oder besser: ungenutzt. Wir beseitigen die. Sauber. Gründlich. Auch bis in die letzte dieser Ecken zupackend, wegwischend. Und das: flott, zuverlässig, mit viel Erfahrung. Rufen Sie uns an, wir kommen vorbei. Und sorgen dafür, dass Dreck und Staub dann doch der Vergangenheit angehören.

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Arbeit am besten charakterisieren“,

tungen, Konferenzen und Firmen­Ta­ Wissen. Denn mit jeder Veranstaltung

unterstreicht Christiane Berg. Beides

gungen geht, dann ist Christiane Berg

kommen automatisch eine Menge von

braucht sie, um bei ihrer Arbeit er­

mit ihrer Agentur „ansprechend“ in

strategischen Marketingfragen auf, die

folgreich zu sein. Dabei geht es bei der

ihrem Element. 15 Jahre lang hat sie

sie aus der Sicht der Marketingkauffrau

nicht nur darum, einen passenden Ort

hauptberufl ich im Bereich Marketing

gleich mit beantwortet. Mit ihrem

zu fi nden. „Ich biete ja das gesamte

gearbeitet, irgendwann kam dann die

Netzwerk aus Grafi kern, Program­ Programm von der Konzeption und

Erkenntnis, „dass ich das auch alleine, mierern und Druckereien die richtigen und vor allem besser kann.“ In ihrem relativ großen Bekanntenkreis ermu­ tigten sie viele zu dem Schritt in die

Maßnahmen in die Wege leitet. „Wenn es notwendig ist, dann kann

Budgetierung, über die zielorientierte Planung, Begleitung während der Ver­ anstaltung und der wichtigen Nachbe­

ich auch richtig mit anfassen, mit an­ reitung. Das bedeutet auch, dass ich den

Selbstständigkeit. „Du kannst das, das

packen“, erklärt die Firmeninhaberin

ist genau das Richtige für dich“, haben

dann gerne. Mittlerweile ist sie auch

Veranstaltungsort aussuche, Sponsoren und Multiplikatoren mit einbinde, die

ihr viele damals gesagt. Und Sie haben

nicht mehr alleine in ihrem Büro. Eine

Tagungsunterlagen, das Rahmenpro­

Recht gehabt. Sehr, sehr dankbar ist

Mitarbeiterin hat sie gefunden, erst

gramm, die Technik, die Einladungen

sie, dass diese Selbstständigkeit so gut

einmal stundenweise angestellt. Doch

stelle. Auch die Dienstleister und das

angelaufen ist. Vielleicht ist es auch

das Geschäft soll weiter wachsen. „Ich

Personal wähle ich aus“, so Christiane

ihre weibliche Ader in ihrer Arbeit, möchte bald mehr als eine Two­wo­ Berg. Der Kunde ist selbstverständlich die sie erfolgreich werden ließ. „Vie­ men­show sein, die ich heute bin“, so

in die Planung eingebunden, kommt

les hat auch mit weiblicher Intuition

Christiane Berg. Auch dann werden

aber selbst erst hinzu, wenn die ei­

zu tun, da kann ich meine weibliche

die organisatorischen Fäden all der

gentliche Show beginnt. Es ist also das

Sicht der Dinge einfl ießen lassen“, sagt

Kongresse, Konferenzen, Messen und

Rund­um­Sorglos­Paket, das der Kun­

Christiane Berg. Die will vor allem eins:

Veranstaltungen, die sie für ihre Kun­ de wünscht. Und genau das bietet die

Ihre Kunden ein bisschen an die Hand

den organisiert, in ihren Händen liegen. Agentur „ansprechend“ von Christiane

nehmen, sie zum Erfolg führen. Hel­ „Menschlichkeit und Natürlichkeit sind

Berg. Z


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Man muss das mรถgen. Das Arbeiten mit stacheligen Pflanzen. Allein im eigenen Garten, im eigenen Betrieb. Dessen Start ein ebenso stacheliger war wie die Pflanzen, die ihn ausmachen.

U


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Wie sieht ein Rosengarten aus, wenn die dornigen Pflanzen noch nicht blühen? Trostlos, ganz sicher. Ebenso sicher stehen sie bestimmt noch in schwarzen Plastikcontainern, warten darauf, in nur wenigen Wochen vom Rollwagen aus hundertfach im Jahr verkauft zu werden. Ehe der Betrieb wieder in einen langen Winterschlaf fällt. Das zumindest war die erdachte Ausgangslage für den Be­ such beim Garden of Roses. Und vor allem: komplett ver­ kehrt. Der Samstag vor Ostern also, frühmorgens, die Son­ ne kommt schon wärmend und vor allem unverdeckt von Wolken daher. Jeanette Griese steht mit ihrer angestellten Meisterin vorn am Eingang, letztes Unkraut wird wegge­ zupft, welke Efeuranken abgetrennt. Es ist die Ruhe vor dem Frühjahrsansturm, die Ruhe, die eigentlich nichts ist für Jeanette Griese. „Ich bin eine“, erzählt sie, „die nach vorne guckt. Was soll ich zum Jahresabschlussgespräch beim Steu­ erberater? Ich kann es eh nicht mehr ändern. Da schaue ich lieber nach vorne. Und vor allem: ruhe mich nicht aus.“ Sie kann das einfach nicht, dasitzen, den (Sonn)Tag genießen. Wenn sie es dann doch versucht, in ihrem Garten, schaut bestimmt irgendwo ein Unkrauthalm hervor. Kommen die Ideen, dass man doch jetzt gerade noch etwas um-, an-, ein- oder wegpflanzen könne. Soll heißen: Aus dem wei­ ßen (Sonntags-)T-Shirt wird dann schnell eine verdrecktes (Werktags-)Shirt. Es klappe einfach nicht. Es ging genauso wenig, wie geschehen, zehn Jahre als kaufmännische Angestellte und Chefsekretärin zu arbeiten. Parterre das Büro gelegen, die Sonne schaute nur sehr, sehr selten vorbei. Und ihr hinterher schaute eine, die eigentlich an die frische Luft gehörte. Aber diese Erkenntnis brauchte ein wenig Zeit. Zeit, in der sie bei einem Busunternehmen


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arbeitete. Und das so gewissenhaft, so organisierend tat, dass irgendwann die Kündigung ausgesprochen wurde. Ich habe immer alles so strukturiert, dass alle sofort weiterar­ beiten, sich in alles problemlos einarbeiten könnten, wenn ich von einem auf den anderen Tag nicht mehr da wäre. War ihre Devise. Wer so arbeitet, der ist kein Angestellter. Stand da. Sondern einer, der eh irgendwann Karriere machen will. Und würde. Schrieben die, deren Schreibtische in einem Zustand wie Dresden 1944 waren. Also alles noch mal von vorne. Die Ausbildung zur Großund Außenhandelskauffrau, die umfangreiche Praxis? Alles erst einmal vergessen. Das tun, was schon einmal geholfen hatte. Damals, da war sie als Au-Pair nach Brüssel gegangen. Hatte sich da vom Rosenvirus infizieren lassen. Unheilbar, wie sich herausstellte. Also sich noch einmal um eine Au-Pair-Stelle bemühen. In England fündig werden, der Ruhe, des Kopf-frei-Kriegens, auch der Rosen wegen. Und da dann den Entschluss fassen: alles noch einmal zurück, zu­ rück auf Start. Also rein in die nächste Berufswelt, die Lehre zur Gärtnerin im Garten- und Landschaftsbau beginnend.

Vom Büro in die Landschaftsgärtnerei? Kein leichter, aber ein richtiger Schritt.

U

Danach dann gleich eine ganze Kolonne geleitet, denn wann hat man das schon einmal, jemanden, der sich in die­ sem Job nicht für Baggerfahrt und Rüttelmaschine, sondern für Unkraut und Gestaltung interessiert? „Irgendwann merkst du dann, dass du das, was dein Meister weiß, auch weißt. Und dass du viel eher als er ein Händchen dafür hast, ganze Gärten durchzuplanen, anzupflanzen. Dass man viel­ leicht auch einen Blick ins Haus des Gartenbesitzers werfen, dann erst mit der Gartenplanung beginnen sollte. Seien wir ehrlich, Frauen haben dafür viel eher einen Nerv, eher ein sensibles Händchen“, ist sich Jeanette Griese sicher. Also der noch kleine Schritt in die Selbstständigkeit, Konzept erstellen, Banken besuchen, loslegen. Es sieht heute ganz leicht aus, dieses sich Selbstständig­ machen, das Leiten ihres Betriebs. Wie sie da so steht, in ei­ ner lindgrünen Rosenblumenhose - als Kollektion längst im


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Wie kleidet sich die, die die Rosen im eigenen Garten hegt und pflegt? Standesgemäß, versteht sich.

U Garden of Roses zu erstehen – inmitten der Rosen; helfende Hände krauten und gießen, zupfen und harken nebendran. Aber es muss auch ganz andere Tage gegeben haben. Solche, an denen die Geiz ist geil – Mentalität auch ihren Spenger Betrieb erreichte. „Wenn ich zwei Rosen kaufe, bekomme ich dann eine geschenkt?“, hat mal einer gefragt. Als der Euro kam, war das ähnlich. Da hielt jeder fest, was er gerade neu an Scheinen, Geldstücken und Guthaben bekommen hatte. Schwere Zeiten für eine, die alles kann, nur nicht über den Preis ihr Geschäft aufrechterhalten. Qualität sei, was sie aus­ zeichnet, immer schon. Und Qualität habe ihren Preis – alte Weisheit, immer noch gültig. Wie wird eine, auch gesellschaftlich, akzeptiert, deren Bulli ein kastiger ist, Geschäfts- und Privatwagen gleicher­ maßen? Die Hände solche, die von Rosendornen, nicht von der Maniküre in Form gebracht werden. Die Haut von der Sonne, der echten, gegerbt. Exakt zehn Jahre sind jetzt ver­ gangen, seit Startschuss Nummer zwei, seit dem Beginn der Selbstständigkeit. Und es sehe heute leicht aus, sicher. Aber auch nur auf den oberflächlichen Blick. Der schweift häufig auch auf die Öffnungszeiten des Garden of Roses. Die Türen freitags und samstags, nur in der Hochsaison auch donners­ tags geöffnet? Wenn da nicht mal ein Ehemann das Hobby seiner Frau (mit)finanziert. Mögen die einen denken. Und wissen nicht, dass in der restlichen Woche der weiße Bul­ li auf dem Weg zu Kundengärten ist. Dass er frühmorgens, wenn die, die sich all das ausdenken, noch tief und lange schlafen, mit Jeanette Griese auf dem Weg zum Großmarkt ist. Wenn sie dann Stunden später zurückfährt, kommen die Ausgeschlafenen ihr entgegen. Und dichten sich daraus auch ihre ganz eigene Wahrheit. „Irgendwann stand ich samstagmorgens beim Einkaufen, als mir ein guter Kunde verriet, was so über mich erzählt werde. Dass da ein Freund sei, einer, zu dem ich bald ziehen würde.“ Irgendwoher musste sie ja kommen, jeden frühen Morgen. Dabei ist Jeanette Griese überzeugter Single. Zumindest


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was die Menschen angeht. Mit Pflanzen aber umgibt sie sich gerne, innig, liebevoll und tagtäglich. Vor allem, wenn sie den öffentlichen Teil ihres Betriebs und Gar­ tens gleichermaßen verlas­ sen kann. Wenn sie ein paar Schritte weitergeht, dahin, wo die neu ankommenden Rosen gehegt, gepflegt, ge­ wässert, sortiert werden. Hier ganz alleine mit den Rosen? Das sei das Schönste . Vielleicht noch den Kater Sir Francis neben sich, das sollte es dann aber auch an nicht­ rosiger Gesellschaft gewesen sein. Wie viele Rosen hier stehen? „Irgendwas zwischen 200 und 300 Sorten, ca. 2500 Stück“, antwortet Jeanette Griese, den Überblick dennoch nicht verlierend. Unter ihnen auch solch Raritäten wie eine kanadische Pfingstrose , im Labor gezüchtet, in Spenge großgezogen. Darauf wartend, dass sich ein Kunde erst einmal an der Farbe, dem Wuchs erfreut. Und erst dann am Preis. Es sei eben etwas Besonderes, wenn man hier Pflanzen findet, die von den ganz Großen der Branche, von Züchtern aus England direkt hierher geliefert wurden. Wer kann schon eine Rose bieten, die dem Betrieb ge­ widmet ist, die vor tausend Neugierigen 2006 auf „Garden of Roses“ getauft und zur Rose of the year 2011 im Rosen­ mutterland in England gekürt wurde? Besonders blühwillig sei diese Rose. Also eine, die sich gerne antreiben lässt. Die sich zeigt, sich nicht versteckt. Ein wenig also wie die, die ihr den Namen gab. Die jetzt ihr zehnjähriges Firmenjubi­ läum feiert. Und dabei rundum zufrieden wirkt. Zeit also auch, um zurückzu­ blicken. Wie naiv sie gewesen ist, ganz am Anfang. Und wie häufig ihr ihre kaufmännische Ausbil­ dung dann doch geholfen habe. Häufig wurde sie auch gefragt, ob sie auch selbst züchte. Nein, tut sie nicht. Das geht nur im großen Stil, dauert Jahrzehnte, setzt Betriebsstrukturen voraus, die die ihrigen weit überfordern. Sie ist die, die berät, die emp­ fiehlt.

Eine Kundin hat sie mal zur Seite genommen. In einem ruhigen Moment. „Das Grobe, das lassen wir mal die Männer machen“, hat sie gesagt. Und angefügt: „Sie sind für das Feine, das I-Tüpfelchen quasi.“ Und es damit sehr gut getroffen.

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Auf geht,s. Auf geht,s. Auf nach Enger Auf nach Enger, Laufens we des Laufensdeswegen. Ein Heft also über das Laufen, besser auch hier: über die Bewegung. Ein Heft also, das bewegt. Wie immer beim 52 8-Magazin: auch im übertragenen Sinne. Ein Heft also, passend Ein Heft zum also Wi­über das Laufen, besser dufixlauf. Aber natürlichauch auchhier: weit da­ über die Bewegung. Ein rüber hinaus gehend.

Heft also, das bewegt. Wie immer beim 52 8-Magazin: auch im übertragenen Sinne. Ein Heft also, passend zum Wi­ dufixlauf. Aber natürlich auch weit da­ rüber hinaus gehend.






2 Priester 10 Krimi 14 Porsche 28 SLS 32 Musiker 46 Yacht

Mein Auto, mein Haus, meine Yacht. Männer denken kaum an mehr. Meint man. Und liegt damit komplett verkehrt. Meinen andere. Es ist wohl, wie so häufig im Leben, eine Mischung aus beidem. Mischen wir also die Vorurteile. Und schauen denen über die Schulter, die sich tief in der Männerwelt bewegen. Vielleicht, weil sie gar nicht anders können. Oder dürfen. Vielleicht auch, weil sich keine Frau zu ihnen wagt – beruflich gesehen. Eine Ausgabe also für Männer von – nun – einem Mann und einer Frau. Sicher ist sicher. Wenn Sie sich hier nicht Zuhause fühlen? Dann klappen Sie diese Seiten einfach wieder zu, drehen das Heft, wenden es und landen da, wo es ganz anders zugeht. Sie werden aber wiederkommen. Bestimmt. Versprochen. Denn neugierig sind Sie schon jetzt. Auf eine Welt, die dann doch aus mehr besteht. Als aus

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Auto, Haus und Yacht.


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Gibt es einen m채nnlicheren Beruf? Einen, den Frauen nicht nur nicht haben wollen? Sondern ihn nicht einmal aus체ben d체rfen? Thomas Thiele hatte so einen.


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Bewegende Worte sind das Metier von

sich der heute 50-Jährige. Man solle

Thomas Thiele. Aus Berufung. Aber

halt nie Nie sagen, das sehe der Volks- maligen Gemeindepfarrer immer noch

auch, weil sie viele Jahre lang den

mund schon ganz richtig. Es kam, was

in Bünde anzutreffen, haben sich dran

Großteil seines Berufs ausmachten. er damals schon, nun, zumindest nicht

gewöhnt. Und der, der damals gehen

Thomas Thiele war katholischer Pfarrer

anfangs Probleme hatten, ihren ehe-

für komplett unmöglich gehalten hatte. musste, hat die steinige Anfangszeit

in einer Bünder Gemeinde. Und das mit

Es kam also die Liebe. Und ging der Be- seiner Selbstständigkeit längst hinter

Herz und Seele, das könne man ruhig

ruf. Wobei das nicht so einfach ist, wie

sich gelassen. Dabei sei das eine ech-

so nennen. Obwohl, als er sich für den

sich das jetzt hier liest. Denn wer das

te Herausforderung gewesen. Einfach

Weg entschied, als er den zuvor erlern- Zölibat bricht, der gehört weiterhin den

nur dazusitzen. Und auf das Telefon zu

ten Beruf des Gärtners hinter sich ließ, Priestern des Erzbistums Paderborn an. starren. Sicher, es sei finanziell eine da „war mir schon damals bewusst, Und ist gleichzeitig suspendiert von

kritische Lage gewesen. Aber noch

dass es die Möglichkeit gibt, dass das

seinen Aufgaben. All das ist Vergangen- schwerer habe gewogen, die Zeit mit

Zölibat von mir nicht unbedingt und

heit, im August vier Jahre und damit

Inhalt zu füllen. Als Pfarrer bist du

ohne Zweifel einzuhalten sei“, erinnert

dann doch ein Weilchen her. Die, die

ständig unterwegs, der Terminkalen-


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der ist ein prall gefülltes Buch. Plötzlich

packt, selbst bewegt. Da hat er gerade

dann, von einem Tag auf den anderen:

letzte Woche die Trauerrede gehalten

zu schreiben, zu halten? Sicher, häufig

komplette Leere. Im Kalender, im Le- über oder besser: für eine Frau, die

gebe es nur wenig Zeit, um sich ein Bild

ben. Dabei wusste Thomas Thiele schon

zu machen. Nicht nur im übertrage-

alt, sehr alt war. Und seit 67 Jahren

nen solchen Menschen eine Trauerrede

damals, was er machen wollte. Trau- mit einer anderen Frau zusammen- nen, gerne auch im echten Sinne. Also erreden halten, das sollte es sein. Was

lebte. Kann man sich vorstellen, wie

schaut sich Thomas Thiele Fotos der

damals die unternehmerische Idee war, da getuschelt wurde, in der Nachbar- Verstorbenen an. Damit sich in seinem ist heute gelebte Wirklichkeit. Wenn er

schaft? Und kann man sich nicht noch

Kopf die so gesammelten Puzzleteile zu

davon erzählt, dass er nun echte Typen, schwerer vorstellen, welchen Mut es

einem Ganzen zusammenenfügen. Er

Künstler, Musiker, Charakterköpfe in

erforderte, diesen einmal eingeschla- fragt nach, lässt sich berichten. Und

den Worten der Angehörigen kennen- genen Weg fortzuführen? Respekt und

erträgt auch die Stille, das Schweigen.

lernt und dann vor der Trauergemeinde

Bewunderung sind, was Thomas Thiele

Tränen? Die muss man in solchen Si-

über sie spricht, dann merkt der Zu- für diesen Menschen empfindet. Und

tuationen auch fließen lassen können,

hörende, wie sehr ihn diese Aufgabe

gibt es dann Erfüllenderes, als für ei- weiß der ehemalige Priester. Heraus-


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fordernd seien auch die Suizide. Und

nur gut sei, wenn viel geweint würde. ten, selbst ein Feuerwehrmann bemüht

hat er in seinem früheren Beruf geahnt, Herr Gott, die Trauer ist doch eh da, sich hier in der Umgebung um Aufträwie viele es davon gibt? Hat er nicht. die muss man mit seinen Worten doch

ge. Was Thomas Thiele aber auszeich-

Und hat auch heute keine Antwort

nicht noch verstärken. Dann lieber das

net und abhebt, ist sein theologischer

auf die Frage, die viele still zu stellen

Leben anhand starker Leitworte noch

Hintergrund. Den haben viele seiner Auftraggeber nicht. Ganz im Gegenteil.

scheinen, die zu solchen Beerdigungen

einmal Revue passieren lassen. Nicht

kommen. „Ich kann keine Antworten

die Daten aneinanderreihen, bloß nicht. Viele haben den Kirchen bewusst den

geben“, sagt Thomas Thiele dann. Das

Auch nicht Esoterisches bemühen. Son- Rücken zugekehrt. Andere haben sich

sei nicht seine Aufgabe. Er ist dazu da, dern sachlich bleiben, die Schlüssel- geärgert. Über den Gemeindepfarrer, ein Bild aufzuzeigen, den mit schlich- wörter, die das Leben des Verstorbenen

der Namen auf vorherigen Beerdigun-

ten, sachlichen, dann wieder bewe- charakterisieren, erklären, mit ihnen

gen vertauschte, der für das gemein-

genden Worten zu charakterisieren, der Rede starke Stützen geben. Es gibt

same Gespräch zu wenig Zeit einkal-

der da gerade gegangen ist. Es sei ganz

eine große Konkurrenz heutzutage bei

kulierte, der gar nicht genau hinhörte,

sicher nicht so, dass eine Trauerfeier

den Trauerrednern. Lehrer, Journalis- weil er Trauerreden nach dem Bau-


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Das Priestergewand hatte Thomas Thiele längst verschenkt. Und es dann wieder zurückgeholt. Weil beide, Gewand und Thiele, wieder gebraucht wurden.

kastenprinzip zusammensetzte. Dann

So hat er das früher als katholischer

wird Thomas Thiele gerufen. Auch von

Pfarrer gemacht, so macht er das heu- ausgetreten und in die alt-katholische

denen, die dann doch christliche Lieder

te als Ein-Mann-Unternehmer. Längst

eingetreten. Die kenne heute kaum

römisch-katholischen Kirche aber

singen wollen, denen das Vaterunser

sind die Hürden des Startes in die

jemand, was eigentlich schade sei. Sie

nicht nur ein Begriff ist, sondern sie

Selbstständigkeit überwunden. Der

spaltete sich nach der Unfehlbarkeits-

begleitete, ein Leben lang. Vielleicht

Kalender ist wieder richtig voll, das

feststellung des Papstes 1874 ab und

wählen diese Menschen gerade ihn, berufliche Leben ein ausgefülltes. Er

zählt heute im gesamten deutschspra-

weil er über diese besondere Vergan- macht einen glücklichen Eindruck, wie

chigen Raum 30.000 Mitglieder. Hier

er da mit dem Hund spielt, am Esstisch

gibt es kein Zölibat, Frauen können

Tränenredner versteht, weil er kein Er- sitzt und davon erzählt, wie der Bruch

die Priesterweihe entgegennehmen,

genheit verfügt, weil er sich nicht als

satzpastor ist. Es gehe vielmehr darum, mit der katholischen Kirche ein tie- wer zum zweiten Mal verheiratet ist, in dem Angehörigengespräch Nuancen

fer, ein intensiver, ein einschneiden- darf das Abendmahl empfangen. Es

rauszuhören. Und die dann sprachlich, der wurde. Denn als gläubiger Christ

scheint eine sehr liberale Variante der

inhaltlich umzusetzen.

römisch-katholischen Kirche zu sein.

sieht er sich noch immer. Ist aus der


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Der Austritt Thieles rief noch einmal ein Donnerwetter aus Paderborn hervor, ein erboster Brief des Bischofs, der nun von Exkommunikation sprach. „Aber damit befinde ich mich eigent­l ich in bester Gesellschaft“, sagt Thomas Thiele heute. Galileo Galilei, Martin Luther, Eugen Drewermann – allesamt exkommuniziert. Der Bischof also drohte in seinem Schreiben; mit angstmachenden Drohungen, den Verlust des ewigen Heiles bei Gott betreffend. Thomas Thiele schrieb freundlich und höflich, seine Situation erklärend zurück und was dann per Post kam, nennt Thiele heute ein versöhnliches Schreiben des Bischofs. Auch hier also: ein ganz gutes, ein zufriedenstel­lendes Ende. Heute ist der ehemalige Priester wieder zu einem solchen ohne Zusatz geworden. Seine Priesterkleidung hatte er damals, vor vier Jahren einem Bielefelder Freund geschenkt. Und was hat der sich gefreut, als Thomas Thiele plötzlich wieder vor der Tür steht und fragt, ob er das Geschenk zurückhaben könne. Er ist jetzt wieder Priester, allerdings mit Zivilberuf. In Osnabrück, bei der alt-katholischen Kirche, ein Priester im Ehrenamt quasi. Sein Zivilberuf ist dabei einer, der diesen Zusatz eigentlich gar nicht benötigt. Er lehrt heute Ethik im Gesundheitswesen, arbeitet in der Senioreneinrichtung Ravensberger Residenz 15 Stunden die Woche im Sozialdienst. „Und ist es nicht herrlich, das zu tun, was ich früher auch gemacht habe? Wieder ganz nah bei den Menschen zu sein?“, fragt er sich. Und eigentlich auch nicht, denn er kennt die Antwort. Vor allem aber ist er einer, der Worte jonglieren, mit Worten fesseln kann. Einer, der bewegt.


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Ich bin ein Kerl. Ich trau mir das Weib nicht zu. Die Helden von Norbert Horst können

militeratur und Hochspannung vom

eigentlich nicht schnodderig genug

Feinsten. Dieses Mal allerdings nicht

sein. Oder besser: abgefuckt. So kön- mit dem bisherigen Kommissar Kirne man das ruhig nennen. Und auch

chenberg, sondern mit einem Erzähler

schreiben. Sagt der, der den Deutschen

und einem neuen Mann an der Spitze

Krimipreis gewann und jetzt gleich in

der Ermittlungen. Es sei einfach Zeit

die Küche entschwindet: Die Ehefrau

gewesen für etwas Neues. Vier erfolg-

hat Gäste, die Abendbrot in Gemüse- reiche Kirchenberg-Krimis, das sei form erwarten– da muss der Kerl dann

genug. Und gleichzeitig nicht abschlie-

doch ran. Die Zeit dazu hat er ja, der

ßend gemeint. Da ist schon wieder ein

fünfte Krimi ist gerade fertig geworden. Kirchenberg-Krimi in seinem Kopf, Ja, man könne sich das ruhig so vor- sicher. Aber auch: Zeit für den Neuen. stellen, dass der Finger einen Moment

Thomas Adamczyk heißt der, besser,

über der Return-Taste verharrte, dass

oder einfacher: Thomas Adam. Oder

beide, also Finger und Norbert Horst

noch besser: Steiger. Denn der Mann

im Ganzen zögerten, ehe dann doch

ermittelt in Dortmund, im Pott, und

das Senden-Feld aktiviert wurde. Das

damit erstmals in einer realen Stadt.

letzte Kapitel also abgeschickt zur Lek- Also ist der, der als Krimiautor und torin, nicht auf den letzten, sondern auf

Kriminalbeamter arbeitet, zu Kollegen

den allerletzten Drücker. Zwei zeitliche

nach Dortmund gereist. Hat sich vor

Aufschübe hat es gegeben, gelangt hat

Ort den Strich zeigen, die Eigenarten

es dennoch nur ganz knapp. Dass der

dieses Milieus erklären lassen. Entstan-

letzte, der allerletzte Abgabetermin

den sind so Ideen. Erst im Kopf, dann

dann ein Aschermittwoch war, passt

handgeschrieben auf den Rückseiten

zu dem, was da verschickt wird: Kri- unbrauchbar gewordener Blätter, dann


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wieder im Kopf. Der Plot, die Charaktere entstehen so erst einmal in einer Gedankenwelt. Und ziehen irgendwann ihren Erschaffer hinter sich her. Du lebst – das dürfe man ruhig so bezeichnen – in einer Parallelwelt, da ist sich Norbert Horst sicher. Und ebenso sicher ist: In dieser, in der entscheidenden Phase, ist er kein guter (Ehe-)Partner. Gelinde gesagt. Es sei ein Wettstreit zwischen echter und paralleler Welt. Ein Hin-und-her-gerissen-werden. Am Ende dann: Alles aufschreiben. Das sei fast das Einfachste an dem Schaffens­ prozess. Dann kehrt er langsam schon wieder zurück in das normale Leben. Zurück auch in ein normales Eheleben. Entstanden ist so der neue Krimi. Splitter im Auge heißt dieser, in Anlehnung an die Bergpredigt. Und beherbergt das, was ein Fahnder, ein Ermittler eigentlich nicht erleben möchte: einen Täter, soviel sei verraten, der sich einen Paralleltäter sucht. Ihn in Altersheimen, in Obdachlosenunterkünften auftreibt, aufspürt. Und später dann seine, sprich fremde Spuren – Blut, Sperma – am, ger­ne auch im Opfer hinterlässt. Eine faszinierende und zugleich abstoßende Vorstellung sei das, das weiß auch der, der in seinem Berufsleben vieles gesehen hat. Und immer hingeschaut hat. Denn wenn die Spurenlage eine eindeutige ist, dann ist die Verurteilung meist eine ebensolche. Seine Krimis, preisgekrönt, in einer Gesamtauflage irgendwo jenseits der 100.000er-Marke liegend, sind auf den ersten Blick reine Männerwelten. Die Protagonisten stehen dabei in wechselnden Beziehungen; Ehe, partnerschaftliche Konstanten? Literarisch zu langweilig. Auf die Spitze getrieben jetzt im neuen, im Mitte Juli


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erscheinenden Kriminalroman. Da

ratur bietet die meiste Abwechslung.

geht der Steiger immer wieder zu der

Schlichte Erzählromane in der Ichform?

selben Nutte. Bezahlt auch. Aber schläft

Enden viel zu häufig auf Seite 40 schon

nicht mit ihr. Redet nur. Auch eine Art, vor allem in zweierlei: Nabelschau und männlich und weiblich zueinander zu

Langeweile. Da ist sich Norbert Horst

führen.

sicher. Aber vielleicht versucht er sich

Wie das, wie der neue Stil, der neue

selbst dran. Und vielleicht schreibt er

Ermittler ankommen wird, ist unge- auch einmal aus der anderen, aus der wiss. Schon jetzt die bangen Fragen:

weiblichen Sicht. Das aber könne nur

Wie reagiert die Kritikerschaft? Wie die

so gehen: eintauchen in die weibliche

Leserschaft? Wo reiht sich der Roman

Welt. Und dann so schreiben, wie er

in der Amazon-Bestenliste ein? Span- glaubt, dass eine Frau schreiben würnend auch: Wie sieht er aus, der neue

de. Authentischer gehe es schließlich

Roman, wenn das Paket mit den ers- nicht. Als Mann. ten zehn Exemplaren vom DHL-Mann

Bis das soweit ist, bis aus dem Er-

überreicht wird? Und wie kommt es an, mittler eine Ermittlerin wird, vergeht wenn all die, die hinten in den Credits

noch Zeit. Erst einmal will er nichts

genannt werden, mit Rotwein und

mehr wissen vom Schreiben. Von der

druckfrischem Exemplar ihr Danke- Recherche, von dem Sichreinwerfen in schön erhalten?

die Geschichte. Ein, zwei Monate läuft

Der Goldmann-Verlag hat da, Mo- da gar nichts. Lesungen, gut, die hält nate vor der Veröffentlichung, keine

er dann schon ab. Und irgendwann

Zweifel. Schon jetzt schreibt er in seiner

kommt dann die Neugierde wieder.

Vorschau vom Start einer neuen Serie. Die Neugierde am eigenen Ich. An dem, Einfach so. Ungefragt. Und auch: un- was er sich vorstellen kann. Und an aufgefordert. Aber wenn es schon so da

dem, was er noch gar nicht ahnt, sich

steht, in der Vorschau, dann könne er

vorstellen zu können. Den Startschuss,

sich mit der Idee auch anfreunden. Also

den Druck gibt er sich dann selbst. Im

wird – Erfolg vorausgesetzt – der Steiger

wiederkehrenden Rhythmus kommt

noch einmal hinabsteigen in die dunkle

die Nachfrage vom Verlag. Wann denn

Welt. Und Norbert Horst gleich mit ihm. nun mit einem neuen Roman zu rechWird ihn verfolgen und begleiten, wird

nen sei. Und irgendwann dann die

ihm kleine Hinweise hinwerfen, die der

Antwort: bald schon. So beginnt der

Leser erst viele Seiten später als solche

Prozess von Neuem. Sich vornehmen,

erkennen wird. Das sei das eigentlich

dass es, irgendwann im kommenden

Spannende, das Herausfordernde an

Jahr, bitte nicht wieder so eng werden

diesem Buch gewesen: Dem Ermittler

würde, tut er schon jetzt. Wohl wis-

Hinweise zu geben, die ihn zögern, die

send, dass es allein beim Vornehmen

ihn sich sperren lassen, das zu glauben, bleiben wird. was ihm die Spuren zeigen. Und den Leser nicht gleich mitzunehmen auf diese Reise hin zur Wahrheit. Müssen es denn immer Krimis sein?

Ein echter Kerl, der schaut nicht auf die Uhr. Der ist irgendwann fertig. Matt zwar, aber zufrieden. Und erwartungsvoll, was draus wird. Aus dem, was da

Müssen es nicht. Aber: Kriminallite- entstanden ist.


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Es ist der teuerste. Nicht nur ein 911er aus den 70er-Jahren, sondern ein Targa, dann auch noch ein „S“. Davon gab es nur wenige. Und damit wird der Wagen in hellbraun ein Fall für Eckhard Melchior.


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Begeistern kann der sich für Autos von Porsche, so lange ihre Lenkung noch eine ist, die nicht von allzu viel Elektronik weichgespült arbeitet. So lange die Fahrgestellnummer zu Motor, Getriebe, optimalerweise auch zu Tür und Motorhaube passt. 356er und 911er bis zum Baujahr 1973 sind die Spezialitäten des gelernten Karosseriebauers. Gelernt hat er in Frankfurt. Bei einem, der schon damals in Texas Ausschau nach 356er-Karosserien hielt, bei denen die Hitze das Zinn zerfließen ließ, Stürme die klassische Form sandstrahlten. Bei denen aber Rost kein Thema war. Hier, aufgereiht, aufgestapelt in der Wüste, gab es kein Salz, keine Feuchtigkeit. Und so blieb die Karosserie wie sie ist, ohne Löcher, ohne rostige Blasenbildung unter abblätternder Lackschicht. „Den 356er, den kenn ich heute, nach all den vielen Jahren, auswendig“, erzählt Eckhard Melchior. Der hat sich längst selbstständig gemacht, arbeitet für eine komplett männliche Kundschaft. Eine Frau, die ihren Oldtimer hier vorbeibrachte? Daran kann er sich nicht erinnern. Es sind Männer wie er, irgendwo zwischen 40 und 60, die mit den drei Ziffern weit mehr verbinden als die motorisierte Überwindung einer Wegstrecke. Sein Vater? Der fuhr immer Mercedes. Sein Patenonkel aber, der fuhr im 911er vor. „Welches Auto außer ihm fuhr damals schon 200?“, fragt sich Eckhard Melchior noch heute. Ein Mythos also, damals wie heute.


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Wer den Schrauber, den Karosse- als einen mitzunehmen, der sich wirklich ausriebauer besuchen will, der fährt in

kennt“, warnt und rät Eckhard Melchior zugleich

ein kleines Industriegebiet, biegt ganz „denn Schnäppchen? Die gibt es längst nicht mehr. hinten in eine Sackgasse ab, fährt noch

Weltweit ist die Szene vernetzt, die Zeiten, in de-

ein paar Meter und schaut dann in die

nen auf Schrottplätzen automobile Oldtimer für

wachsamen Augen einer Rottweiler- nen Appel und nen Ei zu retten waren? Gehören hündin. Die kann ganz verspielt ein

längst der Vergangenheit an.“ Man kann sich

kleines Stöckchen am Boden liegend

seinem Traum aber auch von ganz anderer Seite

zerlegen. Die kann aber auch ganz an- nähern. So wie ein Unternehmer, dessen Fahrzeug ders. Stellt das Herrchen klar. Und man

ein paar Meter weiter parkt. Ein 356er SC Cabrio,

will das gar nicht so genau wissen, wird

ebenfalls eine Rarität, aufgekauft für 70.000 Euro,

schon eine ganz liebe sein, jetzt, wo

dann komplett neu wiederhergestellt. Soll heißen:

die Werkstatttüren weit offen stehen. jedes Teil aufgearbeitet. Das Verdeck, das HolzDiese Offenheit, dieses Hier-kann- lenkrad, die Karosserie. Stunde um Stunde wurde jeder-Reingucken bildet die Basis von

ab- und wieder angeschraubt, bis am Ende ein

Melchiors Arbeit. Blender, Fahrzeuge

Auto wie neu in der Werkstatt stand. Man muss

also, die nach außen viel versprechen, das mögen, ein blitzendes, ein neuwertiges Auto was sie von innen her gar nicht halten

mit fast 50 Jahren auf dem Buckel. Es nicht verste-

können, gibt es hier nicht. Geben tut

cken in hangargleichen Garagen. So ein Porsche,

es hier gerade den braunen 911er. Oder

der gehört immer noch auf die Straße. Da ist sich

auch wieder nicht. Denn er ist schon

der Karosseriebauer sicher. Alltagstauglich sind

verkauft, zwei Liebhaber schickten

sie ja, 911er wie 356er gleichermaßen. Viele Kun-

den Kenner auf die Suche, einer er- den aber kommen her, um sich Traum Nr. 5, vielhielt den Zuschlag. Gekommen ist der

leicht auch Traum Nr. 20 zu erfüllen. „Aber wenn

Braune mit den Fuchsfelgen dann aus

du schon 20 Autos hast, wie freust du dich dann

Italien, im Originalzustand. Soll hei- über Nummer 21?“, fragt sich Melchior. Dabei gibt ßen: Gummidichtungen sind leicht ein- es in der Kundschaft viele Spielarten. Den, der gerissen, die Sitze vernarbt, die Griffe

damals den 507er-BMW fuhr, ihn aus den Augen

abgegriffen. Genau das ist heute heiß

verlor, heute dann nicht bereit ist, 800.000 Euro

begehrt, häufig gesucht, von wenigen

für einen sehr guten alten zu bezahlen. Für Motor

zu bezahlen. Ein Auto, bei dem alle

und Getriebe haben Geld und Enthusiasmus dann

Teile noch die vom Rollout, vom ersten

doch gereicht. Und so dengelt und formt Eckhard

Tag sind. „Wenn du dann noch ein ge- Melchior drumherum um die stählernen Zeitzeustempeltes Scheckheft hast, dann wird

gen. Baut ein Auto auf, das kein nachgebautes ist.

ein Porsche zur Wertanlage mit guter

Sondern eine Mischung aus alt und neu, immer

Verzinsung“, weiß Eckhard Melchior. so nah wie möglich sich am Original bewegend. Eine solche suchen nach der Krise vie- 2.500 Arbeitsstunden kommen so zusammen. le. Gerade war die Börsenblase geplatzt, Und damit auch ein stolzer Preis. Aber das ist da stand das Telefon in Ostkilver nicht

einkalkuliert, es sind keine kühlen Rechner,

mehr still. Geld hatten all die Anru- die hier ordern, die hier bauen lassen. Sondern fer. Und gleichzeitig eine Idee, wie aus den dahinschmelzenden Buchwerten wieder ein greifbarer, möglichst ein

Autoverrückte. Noch verrückter, und vielleicht auch entrückter gar ist ein Projekt eine Halle weiter. So geheim

sich steigernder, werden sollte. Da- sogar, dass hier Hersteller und Modell gar nicht bei kann der, der im Internet schaut, genannt werden dürfen. Zu viele Neider gibt es der sich von den drei Ziffern blenden

in der Oldtimerwelt. Und zu viele, die gar nicht

lässt, eigentlich nur danebengreifen. glauben würden, was hier an der Wand hängt, „Es gibt kein besser investiertes Geld, sich im Aufbau befindet. Noch stehen da nur vier


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Speichenräder, gehalten von einer stählernen Konstruktion, bei der das Lenkrad noch ein auszutauschendes ist. Draußen vor der Halle zeigt sich dann in einem 1:1-Holzscheibenmodell, was hier mal entsteht. Die Geschichte des Autos, das hier wieder aufersteht, das es nur einmal auf der Welt gab, ist eine sehr kurze. Gebaut für die Rallye Mille Miglia in den 50er-Jahren, wurde der Wagen genau einen Tag alt. Dann verunglückte er. Motor und Getriebe wanderten ins Museum, die Karosserie zum Schrotthändler. Zwei fotografische Rund-um-Ansichten gibt es von dem Wagen – eine davon hängt in eben dieser Werkstatt bei Eckhard Melchior. Auch Motor und Getriebe lagern hier, vor allem aber weiß man von der Heckansicht des Autos, von dem es einige Modelle gibt. Die alle aus Unwissenheit das falsche Heck aufgesetzt bekommen haben. Ein bis anderthalb Jahre dauert es, dann werden Holzmodell, Motor, Getriebe und vor allem Erfahrung und Handwerkskunst ein Auto formen, das die Fachwelt erstaunen lassen wird. Und das wieder auf der Mille Miglia – heute zur Oldtimerrennen – rollen wird. Auch hier im Hintergrund einer, der es sich leisten kann. Der auf die staunenden Augen der Oldtimerfreunde gespannt ist. Wenn ein längst tot geglaubtes Auto, das einzige seiner Art, an den Start rollt. Mit an Bord nicht nur der Originalmotor, sondern auch eine lückenlose Historie.


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Wie man an solche Teile, an solche

begeistert, schwärmend, wie sie später erzählte.

Ideen, auch an solche Kunden kommt, Dabei muss es nicht unbedingt ein Porsche sein, bleibt das Geheimnis von Eckhard Mel- der hier aus seinem Dornröschenschlaf geweckt chior. Werbung in eigener Sache? Hat er

wird. Alfa Romeos gibt es hier auch, von damals,

bislang nie betrieben. Erstmals war er

als die Linie noch eine klassische, geschwungene,

in diesem Jahr auf der Techno Classica

eben italienische war. Und wenn er selbst wählen

in Essen. Hat sich mit eben beschrie- könnte, heute, bei den modernen, den aktuellen benem 356er-Cabrio hingestellt und

Autos? „Schwere Frage“, sagt Eckhard Melchior

erzählt, was er kann. Und vor allem:

dann. Und eine, auf die er gar nicht vorbereitet sei.

gezeigt, was er kann. Auch hier an- Der Panamera, der habe eine schöne Linienfüherkennende Kennerblicke. Denn eine

rung. Der neue Alfa C8, der habe etwas. Aber ob es

356er Karosserie? „Die ist schwer hin- für beide reiche, einmal zum gesuchten Klassiker zubekommen. Und leicht zu vermas- zu werden? Eher unwahrscheinlich. „Denn wer seln“, weiß Melchior. Der Kundenwa- soll sich in 30, 40 Jahren für solche Autos begeisgen war ein unverkäuflicher, 200.000

tern? Dann fahren wir alle mit Strom. Oder was

Euro wurden dennoch geboten. Aber

auch immer“, ist sich Eckhard Melchior sicher.

wer sich in diesen Sphären bewegt, den

Und wer von der Jugend interessiert sich heu-

interessieren solche Gebote nicht. Den

te noch für automobile Errungenschaften? Und

interessiert das Auto, der ideelle, kaum

tauscht dieses Interesse dann noch Jahrzehnte

der zu beziffernde Wert. In diesem Fall

später in Enthusiasmus um? Letzte Frage also;

nimmt die Geschichte dann aber doch

was fährt einer, der mit Autos im Wert von Ein-

eine weibliche Wendung. Denn der Be- familienhäusern handelt, privat? Einen Mercedes, sitzer ist eigentlich eher ein Mercedes- T-Modell, E-Klasse, in die Jahre gekommen. Und Fan, Eigentümer auch eines SL-Flügel- warum? „Weil er irgendwie gut fährt“, sagt Ecktürers. Seine Frau aber liebt den 356er. hard Melchior und lacht. Manchmal kann es dann Und hat in den vergangenen Wochen

doch ganz einfach sein, sich automobile Wünsche

500 Kilometer auf den Tacho gefahren, zu erfüllen.


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Gashahn auf, Feuerzeug vor die Chrom-Tülle gehalten und schon schießt eine orangefarbene Flamme hervor. Die noch schnell über die Buchenholzkohle gehalten und dem Grillvergnügen steht nichts mehr im Wege.


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Aber der Mann muss es wissen. Ist er doch Geschäftsführer bei der Fleischerei Hellmann, einer, der tagtäglich mit Fleisch zu tun hat. Und, wenn es das Wetter zulässt, selbst gerne den Grill anwirft. Er hat gleich zwei, einen mit Gas, einen mit Kohle beheizt. Und das sei schon bequem, Gashahn auf und der Gasgrill ist heiß. Aber schmecken? Schmecken tut es auf Kohle besser. Und so ein Feuerchen zu machen, das sei dann doch etwas anderes. Spricht Jan-Frederik Hellmann Millionen von Grillenden aus der Seele. Oben drauf, auf den Holzkohlegrill, kommt, ebenso natürlich, Fleisch aus dem heimischen Unternehmen. Jetzt aber grillt Hildegard Sudek, Fleischereifachverkäuferin und vor allem: Kennerin, wenn es darum geht, das Richtige richtig auf den Rost zu legen. Da liegt das gut 350 Gramm schwere T-Bone-Steak vor ihr, ungewürzt, mächtig, mager fast und ohne Sehnen, ohne Fettränder. Auf den Grill kommt es, so wie es ist. Ohne Gewürz, ohne Marinade. Denn die – wer kennt das nicht? – brennt runter, ehe sie den Teller erreicht hat. Also als Tipp: erst einmal oben ohne, sprich ohne alles auf den Rost legen. Dass das eigentlich fast immer Männersache ist, weiß auch Hildegard Sudek. Auch wenn sie selbst vom Fach ist, vor allem samstags die berät, die noch nicht wissen, was denn nun am Wochenende auf Grill und Teller gehört, darf sie zuhause nur ausnahmsweise die Grillzange – gerne sehr lang, aus Holz und hinten bitte verschraubt, nicht verklebt – in die Hand nehmen. Das ginge dem Ehemann dann doch zu weit. Der teilt eine Essgewohnheit mit vielen Ostwestfalen: erst die Wurst, quasi zum Einstimmen, dann das Fleisch. Wobei sich gerade bei der Fleischwurst alles entscheidet. Weiß wiederum Jan-Frederik Hellmann. Gute zwölf Jahre sei die geheime Rezeptur der Hellmänner alt, nur in ganz kleinen Nuancen verändert – der Kunde merkt halt doch (fast) alles. Also wird nicht viel von dem verraten, was denn reinkommt. Und die Bratwurst zu dem macht, was sie sein soll: ein gutes, ein sehr gutes Stück Fleisch. Rindfleisch gehöre auf jeden Fall


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hinein, so viel sei dann doch verraten. Gerne 20, 25 Prozent. Auffüllen mit Schweinefleisch, die Würzmischung dazu, fertig ist die Bratwurst. Klingt einfach. Ist es aber nicht. Am Ende bleibt es eine Gratwanderung zwischen Tradition und Moderne, in Zahlen nur grammweise zu fassen. Dann noch entscheiden, ob die Wurst nun eher grob oder fein sein soll, und der Genuss kann beginnen. Dabei gilt für Jan-Frederik Hellmann vor allem eins: Nie, niemals, nicht einmal dran denken, die Wurst im Senf zu ersticken. Denn sie soll nach Fleisch, nicht nach scharfem Gelb schmecken. Immer pur, des Ge- Grill stehen, um fertig zu werden. Und schmacks, der Vergleichbarkeit wegen. richtig gut schmecken wird es auch Herausschmecken kann man dann vor

nicht. Das gleiche Spiel beim Wenden.

allem, wie viel Rindfleisch drin ist. Das

Bitte nicht immer wieder hin und her

war in Zeiten von BSE anders. Und das

drehen. Sondern abwarten. Und dann:

habe man auch geschmeckt. Sagt Jan- einmal wenden. Und fertig. Es klingt Frederik Hellmann. Und sein Gesicht

ein wenig wie beim Angeln. Wer da

zeigt, dass man das zwar geschmeckt

die Schnur immer wieder einholt, den

hat. Es aber nicht geschmeckt hat.

Köder kontrolliert und wieder auswirft,

Zurück zum T-Bone-Steak. Eine gute Handbreit grillt es über schnee-

bewegt sich viel. Und fängt nichts. Neben dem T-Bone schwitzt das,

weißer Holzkohle. Ungeduldige, die

was in den letzten Jahren immer häu-

schon dann den Rost bestücken, wenn

figer in die Kühltheke wandert. Käse-

es unter ihm noch schwarz-orange ist, griller, also Bratwurst mit Goudastübekommen einen kleinen Lehrgang von

cken, die ob der Hitze schnell zerlaufen, schmeckt nur. Dafür aber umso mehr.

Hildegard Sudek. Richtig heiß ist es

Gyrosspieße oder geringelte Würste

Das mag daran liegen, dass hier eine

erst, wenn die Kohle weiß ist. Und nur

mit Gyrosgewürz. Die Würze beim

Fachfrau gegrillt hat. Auch daran, dass

dann schließen sich die Poren, bleibt

T-Bone-Steak kommt erst nach dem

das Gewürz so seine Nuancen viel bes-

der Geschmack im Fleisch, nicht trop- Grillen. Kurz auf ein Holzbrett gelegt, ser auf den Geschmacksknospen verfend auf der Kohle. Auch das vielleicht

die Marinade drüber gestrichen, kurz

teilen kann. Dabei ist es – nur die Luft

typisch Mann. Er ist ein Ungeduldiger. warten und dann abbeißen, schme- nicht durch den Mund einsaugen – nun, Aber, da ist sich die Fachfrau sicher, am

cken, genießen. Sehen Sie. Sagt Hilde- sehr, sehr würzig. Und ebenso lecker.

Ende wird er dann doch länger vor dem

gard Sudek. Und man sieht nichts. Man

Vielleicht liegt es aber auch an einem


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Umstand, der die Fleischerei Hellmann wohl einzigartig in der näheren Umgebung macht. Das Fleisch, also jedes Stück, das eben noch auf dem Grill, jetzt auf dem Teller und nebenan im Kühlhaus, in der Auslage, in der Tüte der Kunden liegt, kommt – eben auch von Hellmann. Also wird hier nicht nur aufbereitet, gewürzt, abgepackt. Sondern steht, wenn man so will, ein paar Meter weiter in Richtung Rödinghausen. Zwei Höfe liegen dort versteckt inmitten alter, riesiger Bäume. Beides Hellmann-Höfe, die Mastbullen und ebensolche Schweine beherbergen. Gefüttert mit, man ahnt es schon, Getreide, angebaut auf den umliegenden Äckern. Das Messer arbeitet sich weiter durch das krosse T-Bone-Steak und so langsam ahnt man, warum das mittlerweile gut 50 Mitarbeiter umfassende Unternehmen so gut funktioniert. Zum einen, weil die Begriffe Hellmann und Salami seit langem eng, sehr eng zusammengewachsen sind. Zum anderen aber auch, weil hier eben nichts verarbeitet wird, was irgendwoher stammt, mit irgendetwas gefüttert wurde, irgendwohin zum Schlachten gebracht wurde, dann stückweise weiterreiste und abgepackt in Tiefkuhltruhen auf Käufer wartet. Kein Wunder auch, dass Hildegard Sudek ihre Familie nach Feierabend mit Frisch-Fleisch versorgt. Auch wenn sie am Ende dann nicht hinter dem Rost, nur am Tisch Platz nehmen darf. Ist wohl typisch männlich. Sagt sie, zuckt mit den Achseln und wendet sich weiter ihrer Bratwurst zu. Muss man nicht verstehen, die Männer.


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Fast nur Frauen als Mitarbeiter. Scheint nicht einfach für einen männlichen Chef. Ist es aber, sagt Ulrich M. Kowalski. Der führt die Geschäfte der Schwester Annemarie Pflegedienst GmbH & Co. KG. Und bewegt sich damit in einem sehr weiblichen Feld.

„Wenn ich eine neue Stelle ausschreibe, der dennoch nicht spontanen Einge- ruf als solcher sei schon einer, der die dann bewerben sich fast nur Frauen“, bungen folgt. Als ihn seine Mutter frag- Grenze zur Berufung verschmilzen lassagt der gelernte Kaufmann, dessen

te, ob er sich nicht vorstellen könne, mit

se. Ja, es gibt hier das Helfersyndrom.

Mutter das Unternehmen für die am- in den Betrieb einzusteigen, ging er erst

Und ja, das sei häufiger als in anderen

bulante Pflege 1988 in Herford gründete. einmal zur Bundeswehr. Und nutzte

Berufsgruppen. Da sei es als Inhaber, als

Die gab ihm auch das M. im Namen, auf

die Zeit dort, um sich darüber klar zu

Geschäftsführer vor allem wichtig, bei

das er heute Wert legt. Weil es einerseits

werden, ob er sich das vorstellen könne. denen auf die Grenzen zu achten, die

zeigt, dass die Familientradition, die

Oder eben auch nicht. Am Ende konn- diese unbewusst überschreiten. Das

Weitergabe des väterlichen Vornamens

te er. Und wurde so zum Chef von zwei

sei vielleicht auch typisch weiblich.

immer noch funktioniert. Und ande- Männern. Und 28 Frauen. Auf die Fra- Sich noch mehr reinzuhängen, wenn rerseits Fragen aufwirft. Deren Beant- ge, ob es denn einen Unterschied gebe, Schicksalsschläge dem Gegenüber übel wortung ganz spannend sein kann. Er

zwischen Mitarbeiter und Mitarbeiterin, mitgespielt hätten. Zu intensiv darf

ist also ein neugieriger Mensch, einer, weiß er so recht keine Antwort. Der Be- diese Form der Hilfe natürlich nicht


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werden. Wollen doch rund 100 Patien- Und weiß auch: Hier weiß keiner eine ten ambulant oder in der Tagespflege

im Kreis Herford nicht, so Kowalski.

Antwort. Kein Politiker, kein Kauf- Vielleicht, weil der Kuchen, den es

versorgt werden. Und das wöchent- mann. Letzteres ist er selbst – und das

aufzuteilen gibt, immer mehr wächst.

lich. Was sich nach einer großen Zahl

sei auch in einem pflegerischen Unter- Und nicht wie in anderen Branchen eher schrumpft. Kowalski ist auch

anhört, ist für Ulrich M. Kowalski nur

nehmen kein Nachteil. Denn auch seine

der Anfang. 2040 wird sich die heutige

Mutter hat sich manchmal zu sehr dem

Sprecher des Arbeitgeberverbandes in

Zahl der Pflegebedürftigen verdoppelt

pflegerischen Aspekt gewidmet. Und

dieser Branche im Kreis Herford, gehört

haben. Die Zahl deren, die sich aber

Sachen getan, Entscheidungen getrof- dem NRW-Vorstand an, der immerhin

zum Helfen ausbilden lassen, die sich

fen, die, nun, unter kaufmännischen

630 Betriebe unter einem strukturellen

berufen fühlen, diese Pflege zu leisten, Gesichtspunkten nicht die optimals- Dach bündelt. Es werde viel gesprochen, steigt deutlich langsamer. Wo diese

ten waren. Pflege, das ist längst zu ei- viel, viel diskutiert. Damit am Ende die

klaffende Schere hinführt? Schwer zu

ner riesigen Branche geworden. Ellbo- Balance stimmt, zwischen geschäftli-

sagen. Stellt Ulrich M. Kowalski klar. genschiebereien gebe es aber dennoch

chem Ergebnis und pflegerischer Hilfe.


Dieses Magazin scheint vor allem eine Frage aufzuwerfen:


finanziert sich das? Es gibt keine Frage, die wir häufiger hören. Und keine Antwort, die wir häufiger geben.

Dies hier ist kein Projekt, das der Kreis

Boden. Sie können auch sagen: ohne

fördert. In dem öffentliche Gelder zum

die Bedenken, die sich nun manches Mal

Kreishaus-Fenster heraus geworfen

einstellen, wenn Kreative auf Controller

werden. Dies hier ist auch kein Maga- stoßen. Soll heißen: das hier, das sind zin, mit dem wir uns die Taschen voll

wir. Ungeschminkt, unplugged. So, wie

stopfen.

wir sind, wenn wir so machen dürfen,

Dies hier, das ist unser Magazin. Nennen

wie wir gerne wollen. Und wie uns vie-

Sie es ruhig unsere Spielwiese, damit

le Kunden ja auch Gott sei Dank lassen.

liegen Sie ganz richtig. Und so nennen

Da wir selber keinen Controller in der

wir es auch. Als Werbeagentur küm- Agentur haben, haben wir hier auch keimern wir uns tagtäglich um die Wün- nen, der uns die vorgestellte Frage stellt. sche unserer Kunden. Und das sehr ger- Es rechnet sich nicht. Finanziell gesehen. ne. Manchmal aber arbeiten wir lieber

Und es rechnet sich dennoch. Und wie.

ohne Sicherheitsseil, ohne doppelten

Für uns. Und vielleicht ja auch für Sie.


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Bevor es richtig losgeht, ein paar persönliche Dinge vorweg: Auf unserem Flensburger Konto glänzt eine schwarze Null. Und das berechtigterweise. Und: Auch wenn es unser Auto her- übel zu nehmen? Sicher nicht. Wir setgibt, schneller als mit 200 Stunden- zen uns also in die Sonne und schließen kilometern sind wir mit ihm noch nie

die Augen. Denn der Tipp des findigen

unterwegs gewesen. Und auch unser

Verkäufers war, nicht hinzuschauen.

Motorrad, noch deutlich schneller zu

Man würde ihn schon hören. Und wir

bewegen, besitzt einen nahezu jung- hören ihn. Es röhrt, es donnert, wenn fräulichen sechsten Gang und hier

der SLS um die Ecke kommt. Und dazu

wurde noch nicht mal die 180 auf dem

muss man ihn gar nicht antreiben,

Tacho angekratzt. Soll also heißen: Wir

nicht mit ihm über den Asphalt bret-

machen uns nichts aus Geschwindig- tern. Er mag es auch langsam. Und bekeit, zumindest nicht viel. Null auf

lohnt mit Raubtiergebrüll bei Schritt-

hundert? Auch keine echte Herausfor- geschwindigkeit. derung. Und über die Landstraße im

Der junge Bollmeyer-Verkäufer

Autobahntempo rasen? Kein Gedanke, möchte noch gerne erklären, wie das den wir daran verschwenden.

Radio, die Klimaanlage, die Spiegel einzustellen seien. Ein anderes Mal

Aber all das soll sich an diesem Tag ändern.

vielleicht. Jetzt gibt es Wichtigeres zu tun. Also den roten Start-Stop-Knopf gedrückt, nachdem wir uns, nun, in

Wobei der mit einer Enttäuschung

das Cockpit gefädelt haben. Der SLS ist

anfängt. Wir rollen bei Mercedes Boll- nichts für Menschen mit Rückenpromeyer erst in Bad Oeynhausen, dann

blemen. Wer hier noch keinen echten

in Bünde vor. Aber der Mercedes SLS

Bandscheibenvorfall hat, zu solchem

AMG? Nirgends zu sehen. Ist noch un- aber neigt, sitzt, nein liegt hier genau terwegs. Heißt es. Und meint: Da dreht

richtig. Und bekommt ihn. Er hat es ja

jemand eine Extrarunde. Ist ihm das

nicht anders gewollt.


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Auf Knopfdruck werden Körper und Sitz eins, jetzt also den Knopf gedrückt und der Tiger vor uns fängt an zu donnern, zu brüllen, zu fauchen. Wir wollen ganz langsam vom Hof rollen – der Verkäufer schaut ja skeptisch hinterher –, wir wollen gemütlich über die Landstraße bummeln, dann ein wenig die Autobahn streicheln und uns treiben lassen.

Aber es gelingt einfach nicht. Einmal das Gaspedal touchiert, und der Stier ist frei gelassen. Der, der vor uns werkelt. Und der, der in uns schlägt. Wir bügeln also vom Hof, hetzen auf die Bundesstraße, überholen den Ersten, biegen auf die Autobahn und erreichen Werte auf dem Tacho, die wir bislang nur vom Hörensagen kannten. Adrenalin staut sich in unseren Adern, die Atmung setzt viel zu häufig aus und das Wort Glückshormon bekommt eine neue Bedeutung. Die Kiste – darf man so ein 200.000- Auto nennen? – rennt, nein jagt, nein fliegt über die Bahn. All die Halbstarken in ihren Coupés drängen sich am rechten Fahrbahnrand und schauen gen Böschung. Nur nicht hinsehen, Desinteresse vortäuschen, nur nicht die Kräfte messen. Die lassen sich beim Mercedes SLS in physikalisch korrekte Werte fassen: 571 PS, null auf hundert in 3,8 Sekunden, Ende der Beschleunigung bei 317 km/h. Mit der Wirklichkeit haben diese Zahlen nichts zu tun. Und mit der Behörde, die in Flensburg und eigentlich um jede Ecke sitzt, auch nicht. Eine Kleinigkeit noch: All das, was wir jetzt schreiben, werden wir, offiziell gefragt, komplett verleugnen. Fällt also unter die künstlerische Freiheit, entsprungen unserer hüpfenden Phantasie. Wir sind mit dem SLS schnell gefahren, sehr schnell. So schnell, dass wir für Richtgeschwindigkeit, Temposchilder, 30er-Zonen keine Augen, keinen Nerv hatten. Sie sind auch viel zu schnell an uns vorbeigeschossen. Und wer einen Tacho herstellt, der nur 30, 60, 90 bis hoch zur 360 kennt, der trägt eine gewisse Mitschuld an der Raserei. Wir sind mit 250 über die Autobahn geflogen, haben kurz den Fuß vom Gas genommen und


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das Gefühl gespürt, wie sich unsere

auf die Autobahn, hinter uns drängelt

Zahnfüllungen plötzlich lockerten. Wir

ein Audi, und bitte, kann man netter

haben auf selbiges Pedal gedrückt und

aufgefordert werden? Muss man da

unsere Nackenmuskulatur erinnert

nicht die automobilen Muskeln spie-

uns noch jetzt beim Schreiben an je- len lassen? Der Spoiler fährt automanes unvorsichtige Handeln. Wir haben

tisch aus, es macht vrrooooomm und

uns also benommen wie die automo- der Audi erscheint in Matchbox­größe bile Axt im Walde, wie, auch das muss

im Innenspiegel. Gefühlt kommt

man so schreiben, eine echte Pistensau. der SLS hinter Osnabrück wieder in Natürlich kann man mit dem SLS auch

passable, sprich vernunftgesteuer-

bummeln. Aber man sollte das nicht

te Geschwindigkeitsbereiche. Kurz

tun. Es langweilt. Fahrer und Fahr- anbremsen, abbiegen und schon rollt zeug gleichermaßen. Sieht er nicht aus

der SLS wieder schneckengleich auf

wie eine Rakete, wie ein Spaceshuttle

die Bollmeyer-Parkplätze. Und? Fragt

auf vier Rädern? Dann sollte man ihn

der Verkäufer. Und nichts. Sagen wir.

auch so bewegen. Der Tag wird kom- Was willst du zu so einem Auto sagen? men, an dem der Lappen eingefordert

Dass er eine Waffe, keine Fahrzeug ist?

und nicht mehr zurückgegeben wird. Zu abgedroschen. Dass er unglaublich Und er wird bald kommen, darüber

begeistere? Seit wann untertreiben wir.

sollte sich jeder im Klaren sein, der mit

Also geben wir den Schlüssel, den, den

dem SLS liebäugelt. Die Zeit bis dahin

man nicht mehr irgendwo reinstecken,

ist es aber allemal wert. Es fühlt sich

sondern nur noch in der Tasche haben

im SLS an, als werde man von einem

muss, ab, nicken, sagen höflich Danke

gigantischen Katapult über den Asphalt

und steigen in unser 240PS-Auto. In

geschossen, die Innereien werden auf

diese lahme Schachtel, ernüchternd

Zentimeterdicke zusammengedrückt

leise wie eine Elektroauto, hoch wie

und du trittst immer weiter. So muss

ein Erntetraktor, behäbig wie ein LKW

sich das anfühlen, fahren auf Droge. Im

mit Übergewicht. Alle Welt redet von

nüchternen Zustand. Viele Kilometer später, das Hemd

Entschleunigung. Wir erleben die gerade, noch besoffen vom Geschwin-

ist verschwitzt, die Mundwinkel wol- digkeitsrausch eben, und pfeifen auf’s len nie mehr zurück in Normalstellung, Runterschalten. geht es zum Fototermin. Unsere Kollegin fährt, sonst mit einem betagten

Ein kleiner Nachtrag: Ein Fahrbericht ohne Verbrauchs- und CO2-Werte

Golf unterwegs und doch dessen wun- ist heutzutage ja komplett unseriös. dervolle Performance über den grünen

Und es ist uns noch nie passiert, dass

Klee lobend, den SLS. Weigert sich erst

wir uns nach einer Testfahrt nicht

ein wenig zu groß, zu breit, zu schnell

durch den Bordcomputer geklickt und

und steigt dann, nein, fällt dann doch

den Gesamtverbrauch angeschaut ha-

ins Wageninnere. Nur geradeaus, kei- ben. Beim SLS? Haben wir das komplett ne Kurven, keine schnellen Passagen, vergessen. Es wird wohl zweistellig hat sie noch klargestellt. Dann diese

gewesen sein, so viel ist sicher. Alles

wunderbaren Flügeltüren, zu denen

andere: graue Theorie. Nur eine letzte

man sich des Schließens wegen hoch- Gegenfrage: Waren Sie in Ihrer Jugend recken muss, geschlossen und ganz – ja, längst verjährt, ganz sicher – mal sacht losgeruckelt. Es sollte auch für

in Amsterdam, der Drogen, nicht der

sie ein denkwürdiger Tag werden. Am

Grachten wegen? Und, haben Sie da auf

Ende dann das ewig gleiche Bild: die- die Preisschilder geschaut, drauf geses Grinsen im Gesicht, dieses Ich-will- achtet, in welchem Verhältnis Rausch nie-wieder-Aussteigen. Es schwingt ein wenig Wehmut

und Kosten zueinander stehen? Haben Sie nicht. Und sollte man beim SLS auch

mit, als wir den SLS zurück zu Merce- nicht tun. Es kommt nichts Ernüchdes Bollmeyer bringen. Kurz noch mal

terndes dabei heraus.


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Ein Wohnzimmer. Eine Küche. Ein Aufnahmestudio. Ein Fernsehzimmer. Ein Konzertsaal. Alles in einem Raum. Um den zu betreten, müssen erst einmal die Schuhe ausgezogen werden, bitte. Also auf Socken in einen Raum, gelegen inmitten von Berlin-Mitte, auf dem Tisch eine Vase, in ihr ein paar vertrocknete Rosen. Sinnbild für Maximilian Hecker, den, der hier kocht und fernsieht, mischt und musiziert. Und der in der Stimmung ist, die Schattenseiten seines Lebens aufzuzählen. Weil er das gerne tut, das aufzählen, was gerade nicht läuft. Er sei eben keiner, der gut Marketing für sich machen könne. Eher das Gegenteil. Hätte ich noch einen Manager, er würde mir das verbieten. Ist sich der 33-Jährige sicher. Aber die Managerzeiten sind vorbei.


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Vorbei auch die Zeiten, i S Es sei, das dürfe man ruhig so schreiben, derzeit ein Scheideweg, auf dem er sich befinde. Auf der einen Seite sechs CDs, alle zusammen rund 100.000fach verkauft. Auf der anderen das Nichts. Also lieber auf Seite Nummer eins aufhalten. Gekauft wurden und werden seine Scheiben, die es wirklich auch als solche, also aus Vinyl gibt, zu 80 Prozent von Frauen, grob geschätzt. Es sind vor allem Asiatinnen, die hier zuschlagen. Woher das komme? Die Frage kann er kaum noch hören. Denn die stelle fast jeder. Und er kann sie dennoch nicht beantworten. Dann doch ein Versuch: Vielleicht liegt es ja doch daran, dass der Asiat an sich eben besser mit den wirklich bedeutenden Themen – Liebe, Tod, Verzweiflung – umgehen könne. Das, was in Europa vor Jahrhunderten funktionierte, ist heute eben in Asien modern. Und andersherum. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass er in Asien nicht als Musiker gesehen wird. Sondern als Idol. Hier kommen schon einmal 1.500 Begeisterte zu Konzerten in Seoul, da finden sich gerade eine Handvoll Interessierte, um in Deutschland dem zuzuhören, der seinen Stern selbst als sinkend bezeichnet. Dabei hatte alles so traumhaft begonnen. Von Bünde


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, in denen er in Stern und FAZ, Süddeutsche und Rolling Stone stand und als Popmusiker gefeiert wurde. aus nach Berlin gegangen, der Revolu- beschwerte Musikmachen verbunden

Zeitrahmen das limitiert, was andere

tion wegen. Oder noch besser, um sich

ist. So eine Plattenproduktion teilt sich

Kreativität nennen. Und was er nicht

gegen das aufzulehnen, was ihn in der

in drei Teile auf. Erstmal das Finden

als solche empfindet.

Provinz erwartete. Er wollte das nicht. der Idee. Also ans Klavier gesetzt und Gute 15 Jahre lang. Und ist sich heute

gespielt. Funktioniert bei Maximilian

Ein Grund also, warum er die letzte CD gleich hier, direkt im Wohnzim-

nicht mehr sicher, ob er wirklich re- Hecker übrigens nur, wenn er bester

merstudio, aufgenommen hat. Ob denn

bellierte. Oder nur rebellieren wollte. Laune ist. Und genau das ist er gerade

da keine qualitativen Unterschiede zu

Als Krankenpflegerschüler begannen

nicht. Der Liebe wegen, die in Tokyo

erkennen seien. Zur Antwort springt

die Tage, als Straßenmusiker endeten

gerade verloren gegangen ist. Der Situ- der Musiker auf und setzt sich hinter

sie. Den Vorbeigehenden sang er sei- ation wegen, die gerade eine ungelöste

Keyboard und Mischpult, Laptop und

ne schmerzerfüllten Lieder hinterher, ist. Stimmen also Stimmung und Lau- Boxen, die noch der Konfirmationsirgendwann blieb einer stehen, dann

ne, dann entstehen musikalische Ide- zeit entstammen. Und spielt vor, wie

noch einer, dann einer von einer Plat- en, formen sich zu Melodien, werden

sich das anhört, wenn im Wohnzim-

tenfirma. Zugehört, Angebot gemacht, aufgenommen, festgehalten mit Hand- mer aufgenommen wird. Und schiebt Ausbildung geschmissen, Vertrag un- mikrophon und Diktiergerät. Was dann

hinterher

die

Profi-Studioversion.

terzeichnet, nur noch Musik gemacht. kommt, nennt der Musiker Hausaufga- Man müsse jetzt dieses Urbane rausEine Tournee folgte, irgendwann dann

ben. Das fühlt sich so an wie der Ruf

hören, die Autos, die draußen vorbei-

der Kontakt nach Asien, in Hongkong

der Mutter: „Maxi, komm runter und

fahren, es müsse irgendwie dichter,

sitzt der Agent, ehemaliger Banker und

mach deine Hausaufgaben.“ Aufgege- auch echter, rauer vielleicht klingen.

nun darüber wachend, das pro CD auch

ben wurde: das Schreiben verdichteter

Tut es vielleicht auch. Aber man hört

Tantieme nach Berlin-Mitte wandern.

Texte. Das Fassen neuen Strophen, das

es nicht. Und das ist gut und schlecht

Maximilian Hecker sitzt also an sei- Finden einer Bridge. Dann später: die

gleichermaßen. Schlecht, weil man

nem Esstisch, die Füße in weißen Haus- Arbeit im Studio: stimmen, einspielen, das doch eigentlich hören müsse. Wo singen. Und singen, da dürfe man sich

die Fenster doch nicht jeglichen Schall

von damals, von den Anfängen, als sei- nichts vormachen, das ist immer noch

schuhen, die Haare im Gesicht. Wenn er

eliminieren. Und die Wohnung halt in

ne Videos bei mtv und viva liefen und

die Königsdisziplin. Daran würde al- der Nähe der Charité liegt, und somit

er in Stern und zdf vorgestellt wurde, les gemessen, da könne es am ehesten

Sirenen zum akustischen Alltag gehö-

erzählt, dann schwingt da keine echte

scheitern. Man merkt ihm die Anstren- ren. Gut aber, dass nun zumindest Teil

Melancholie mit. Der Abschnitt scheint

gung, die Überwindung an, die er ver- zwei der Hausaufgaben ersatzlos ge-

abgehakt. Vielleicht, weil mit dem Auf- spürt, wenn er im Studio steht. Wenn

strichen werden konnte. So wird die

nehmen einer Platte nicht nur das un- er angestarrt wird, wenn ein fester

CD noch mehr zur One-Man-Show.


36

Jedes Instrument: selbst gespielt. Jede Note, jede Zeile: selbst geschrieben. Die Plattenfirma? Frisch gegründet und die eigene. Bleiben noch Produktion, PRStrategie und Fotos, dann ist die CD schon fertig. Was sich einfach anhört, wird schnell zum Balanceakt. Denn was, wenn die Mädchen, irgendwo zwischen 15 und 24 Jahren alt, irgendwo im Dreieck China, Japan, Taiwan lebend, nicht mehr einen anhimmeln wollen, der auf die 35 zugeht? Eine Frage, die sich Maximilian Hecker häufiger stellt. Und ist es nicht vielleicht auch so, dass er einerseits immer in diese Glamourwelt wollte. Und als er in ihr ankam, sich gar nicht wie zuhause fühlte? Unvorstellbar, im Kreis Herford zu bleiben, damals. Gut vorstellbar, doch irgendwann zurückzukehren, heute. Er ist manches Mal weit gegangen, in seinen Äußerungen, bei Interviews. So weit, dass seine Mutter am Ende gar kein Interview mehr gelesen hat, sicher ist sicher. Nicht lesen darf sie das Buch, das Maximilian Hecker gerade geschrieben hat. Gleiches Argument: sicher ist sicher. Denn da steht die Wahrheit drin. Und die könne vielleicht doch unbequem, wenn nicht verletzend sein. Versprechen musste das die Mutter. Und


37

hat das vielleicht gar nicht als müssen

auf den Markt, den virtuellen, bringen,

verstanden. So wie die Musik schwebt, wenn das Buch erscheint. Wenn es denn befindet sich die Schreiberei gerade im

erscheint. Irgendwann im Frühjahr

gleichen Aggregatzustand. Eine große

2012, sowas brauche Zeit, die Herbst-

Agentur befand das Manuskript als sehr

listen sind längst geschrieben, da ist

gut, die Verlagssuche gestaltete sich

kein Raum mehr für Neuheiten, die den

dann doch schwierig. Jetzt, hier am

Titel „The rise and fall of Maximilian

Esstisch, ist noch nichts entschieden.

Hecker“ tragen. Vom Fall ist in Asien

Bis Freitag will sich der letzte übrig ge- noch nichts zu spüren. Die letzte, die bliebene Verlag melden. Der, der schon

sechste CD wurde hier gut gekauft, er

eigentlich zugesagt habe. Der auch, der

könne davon leben, ja, doch, das gehe.

irgendwie dann doch noch zögert.

Kommt kein Buch, kommt CD Nummer

Man merkt ihm an, dass dieses

sieben, eine Tour durch Asien schließe

Sich-nicht-entscheiden-Wollen nervt.

sich an, Frotteetierchen fliegen dann

Aber resignieren? Dazu ist in seinem

wieder auf die Bühne, die Asiatinnen

Leben schon viel zu viel gut gegan- verzückt von dem Mann, der all seinen gen. Hat sich das Böse dann doch ins

Herzschmerz in Melodien fasst und ih-

Gute umgekehrt. Auch wenn er das

nen aus der Seele zu singen scheint. Es

nicht immer so empfindet. Ich bin ein

sei Frauenmusik, man könne das ruhig

Großer darin, mich klein zu machen.

so nennen. Obwohl er sie ja eigentlich

Sagt er noch. Oder auch: Musikalisch

für sich schreibe. Daran denken, wer

bin ich ein Autist. Ich kann nur schö- seine Musik hört, wer seine Zeilen liest. ne, prächtige Baladen schreiben, zu

Kann er nicht. Und tut er nicht. Gibt

mehr reicht es nicht. Was auch nicht

es da draußen wirklich Menschen, die

so recht stimmt, denn in seinem Lap- das hören und lesen wollen? Fragt er top befindet sich auch Techno-Musik,

sich. Und kann es sich nicht so recht

frisch abgemischt, irgendein Satz aus

vorstellen. Er bleibt ein Zweifler. Ei-

Sex and the City immer wiederholt, gentlich sogar einer, der das gar nicht unterfüttert mit stampfenden Beats. Es

nötig hat. Denn zwei Tage später ruft

sei ein Spaßprojekt, mehr nicht. Trash

dann der Verlag an. Geht klar, mit dem

sozusagen. Er will sie hinterherwerfen,

Buch.



39

Gefällt mir Auf den ersten Blick wirken sie wie die

Präsenzen wurden von der iWKh kos- büros OWl. Unter der Internetadresse

virtuelle Möglichkeit, sich zu verabre- tenfreie Nutzerkonten angelegt. Leider

http://www.ostwestfalen-lippe-soci-

den, Freunde wieder zu treffen, über

ermöglicht es derzeit nur Facebook, almedia.de wurde eine elektronische

Beliebiges den Daumen zu heben oder

umfangreiche

zu senken. Doch soziale Netzwerke im

wie Veranstaltungen, Fotos und aktu- Inhalte aus den einzelnen Social-Me-

Internet sind weit mehr. Wenn es um

elle Mitteilungen zu hinterlegen. Stück

Zusatzinformationen

OWl-weite Platform etabliert, auf der dia-Plattformen wie Facebook, Twitter,

Austausch, Kooperation und Zusam- für Stück soll die Nutzung solch kosten- Xing u.v.a.m. gebündelt werden. menarbeit in solchen Netzwerken geht, freier Angebote aber ausgebaut werden. Wenn auch Sie in sozialen Netzwerken dann werden sie zu wichtigen moder- Sollten auch Sie im Bereich „Social Me- aktiv sind und diese beispielsweise zu nen Kommunikationsmitteln. Auch die

dia“ unterwegs und aktiv sein, dann

Marketingzwecken oder zur Fachkräf-

Initiative Wirtschaftsstandort Kreis

vernetzen Sie sich doch auch mit der

tegewinnung nutzen, melden Sie sich

Herford e.V. fundiert seit ihrer Grün- iWKh. Möglich ist dies ab sofort unter

im Social-Media-Verzeichnis auf der

dung auf diesen Schwerpunkten, lebt

www.facebook.com und www.xing. oben genannten Internetseite an. Das

die Begriffe Austausch, Kooperation

com. Sobald Sie beispielsweise auf un- ist für Sie kostenfrei und dauert nur

und Zusammenarbeit. Durch die ver- serer Facebookseite den Button „Gefällt stärkte gesellschaftliche Nutzung der

mir“ gedrückt haben, werden Sie auch

sogenannten Social-Media-Plattformen

auf diesem Weg immer über aktuelle

wenige Minuten.

im Internet ist die iWKh nun gewillt, Aktionen, Projekte und Veranstaltun- Bei allen Rückfragen steht Ihnen ihre Aktivitäten in diesem Bereich

gen der Initiative Wirtschaftsstandort

Sonika Mohme unter der Rufnummer

deutlich auszubauen.

Kreis Herford e.V. informiert.

05221. 13-13 23 bzw. der E-Mail-

So ist die iWKh nun aktuell bei Face- Ebenfalls zum Bereich „Social Media“ Adresse s.mohme@iwkh.de gerne book und Xing zu fi nden. In beiden

gehört das Themenjahr des Cluster- zur Verfügung.

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40

Jörgen-Arne Fischer ist einer, der so aussieht Wie einer, den man sich in der Brummi-Branche vorstellt. Stattliche Statur, fester Händedruck, gerader Blick. Verbale Umschweife gibt es von ihm, gibt es hier bei ihm nicht. Hier, das ist Neu Wulmstorf, einen

beide als Jumbo-Fischer GmbH & Co. KG

Steinwurf vom Airbuswerk vor den

an einem unternehmerischen Strang.

Toren Hamburgs entfernt. Ein kleiner

Angeboten wird hier alles, was einen

Zickzackkurs durch ein Industriegebiet

LKW schöner macht. Spricht also die an,

und dann schält sich aus grüner Umge- die den 40-Tonner nicht als bloßes Fortbung ein doppelstöckiges Flachdachge- bewegungsmittel betrachten. Sondern bäude. Hier arbeitet, hier leitet Jörgen- als ihr Zuhause. „Sie verbringen eh die Arne Fischer ein Unternehmen, das in

meiste Zeit darin“, verrät der Fachmann.

enger Verbindung zum Kreis Herford

Chrom lässt sich fast überall anbringen,

steht. Denn beteiligt ist hier die Bünder

Blinkendes an nahezu jeder freien Flä-

Firma Klapper Autoteile. Erst bestand

che installieren. Beides ist heute sehr

eine Lieferantenbeziehung, heute ziehen

gefragt. Aber das war nicht immer so.


41

Vor 30 Jahren besorgte sich der Vater

und veredeln, airbrushen und lackie- lereien, die aus einem Führerhaus ein

von Jörgen-Arne Fischer ein Chrom- ren, ehe am Ende ein Kunstwerk auf

multimediales Wohnzimmer machen,

horn aus den USA, einen guten Meter

sechs Rädern entstand. Allerdings eines

sind längst wieder gefragt. Entwickelt

lang und metallisch blitzend. Ging

ohne Happy-End. Denn schon damals

wird hier in Hamburg, geliefert aus Bün-

damit zur Nutzfahrzeugmesse, besser:

schrumpfte der Markt, verkleinerte

de, was als Premiummarke unter den

zum Stand von Mercedes und erlebt ein

sich auch das Marketingbudget von

Kennern gilt. Von einem, der auch sein

Fiasko. So etwas sei ja wohl nicht sein

Mercedes. Der Wagen wurde überhastet

eigenes Mercedes Coupé ein ganz klein

Ernst. Und wurde so – auch das heute

verkauft, und - man muss das so sch- wenig veredelt hat. Man müsse so einen

unvorstellbar – des Standes verwiesen. reiben – runtergewirtschaftet. Heute

kleinen Tick für Chrom schon haben,

Wundert es, dass Mercedes später das

karriolt er irgendwo fernab im Osten, um so etwas auch verkaufen zu kön-

erste Unternehmen war, das einen

die Lackierung spröde, die Erscheinung

nen, erzählt Jörgen-Arne Fischer. Der

Spezialkatalog zum Thema Edelstahl- eine traurige. „Er stand mal hier um die

Mann also, der sich tagein tagaus mit

zubehör herausbrachte? Heute ist Jum- Ecke“, erzählt Jörgen-Arne Fischer. Tru- LKWs und deren Fahrern beschäftigt. cker entdeckten ihn – und verdrückten

Selbst aber keinen Führerschein Klas-

Veredelung, schlicht um das Verschö- eine Träne, so traurig sei der Anblick

bo-Fischer der Spezialist, wenn es um

se 2 besitzt. „Schande über mich“, sagt

nern von Brummis im XXL-Format geht. gewesen. Zum Weinen war auch die

Fischer mit einem Lachen im Gesicht.

In Bünde hat sich dafür die Vertriebslo- Zeit der Wirtschaftskrise. Neue Brum- Es sei einfach nie die Zeit dazu gewesen. gistik angesiedelt, in Hamburg werden

mis? Brauchte da kein Mensch. Und in

Obwohl: Fahren könne er die Dinger

neue Teile entwickelt, Sonderprojekte

den Worten von Jörgen-Arne Fischer, natürlich. Und tut das auch manchmal.

angegangen. So wie die Gestaltung ei- besser noch zwischen den Zeilen, lässt

Nur auf dem Firmengelände, versteht

ner ganz außergewöhnlichen Zugma- sich erahnen, wie sehr hier gekämpft

sich. Denn auch wenn der Mann wirkt

schine. An der durften sich die Jumbo- wurde, um zu überleben. Heute sind

wie ein Trucker – er ist Kaufmann. Und

Leute einmal richtig austoben, durften

die Auftragsbücher wieder voll. Chrom, Realist. Da bleibt für automobile Aben-

im Auftrag von Mercedes anschrauben

Riesenscheinwerfer, technische Spie- teuer nun wirklich kein Freiraum.


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43

Die Software von Roman Grasse ging erst einmal auf Reisen, ehe sie eingesetzt werden konnte. Rüber über den großen Teich, hin nach California, wo Apple über all das wacht, was pilzgleich als App aus dem Boden schießt und darauf wartet, im App-Store des Computer-Giganten aufgenommen zu werden. Neu in diesem virtuellen Laden ist nun das iPlakat. Eine Idee, die in Kirchlengern geboren wurde. Und nicht nur zum Mutter- und Valentinstag vor allem viele männliche Anhänger finden dürfte.


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„Die Idee ist, dass das Medium Plakat- essant ist, gilt für Privatpersonen eben- um zu erzielen ist. Der Liebhaber, der werbung auch Privatkunden zugäng- so, hofft und weiß Roman Grasse. Vor

Schwiegersohn, der Anbetende will

lich gemacht werden soll,“ so Grasse, allem, weil wir alle Gewohnheitstiere

aber nicht eine Agentur einschalten,

der mit seiner Firma Complac Medien- sind. Soll heißen: die immer gleichen

sich Gedanken über Kostenstruktur

service normalerweise Gewerbetrei- Wege durch die Stadt, hin zur Arbeit, und bundesweites Auswahlverfahren benden dabei hilft, erst die passende

hin zum Einkaufen nutzen. „Bis zu

machen. Er will schnell sehen und wis-

Plakatwand deutschlandweit zu finden, zwölf Mal kommen wir so in zehn Ta- sen: Ist die Fläche, vor der ich gerade sie dann beim Eigentümer zu buchen

gen an einem Plakat vorbei,“ rechnet

stehe, frei? Und wenn ja, was kann ich

und bekleben zu lassen. Dass für die

der Fachmann vor. Schauen hin, lesen, da drauf drucken, wann hängt das Pla-

Großen der Branche Plakatwerbung

prägen uns ein. Und haben am Ende

trotz der Konkurrenz in Internet und

eine Wiederholungsfrequenz erreicht, App beantwortet hier all diese Fragen.

kat und was kostet der Spaß? Die neue

TV mehr denn je als Werbeträger inter- die mit kaum einem anderen Medi- Und weiterhelfen tut auch die Websei-


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termin vorbei. Das Ganze ist natürlich nicht nur eine ganz neue Geschäftsidee. Sondern auch Eigenmarketing, gibt Roman Grasse gerne zu. Aber auch der Gewerbetreibende soll von diesem mobilen System profitieren. Steht er vor einer Plakatwand, deren Nutzung er sich durchaus vorstellen kann, dann reicht der Druck auf sein Handy, und schon weiß er, wann das Bekleben mit seiner Werbung möglich ist und was dies kostet. Von Nutzen kann dieser Service also nicht nur für Heiratswillige sein. Sondern und vor allem für die, die ihre Dienste, ihre Produkte anbieten. Da ist der Handwerker, der sich bekannt machen will, dann das Restaurant, das seine neue Speisekarte im XL-Format einer breiten Öffentlichkeit präsentieren möchte. Beide setzen auf die rote Ampel, die Zeit, die davor verbracht wird. Und die Blicke, die dann auf dem Plakat sprichwörtlich kleben bleiben. Ehe diese App an den Markt gehen konnte, mussten allerdings erhebliche Anstrengungen geleistet werden. Erst die Formulierung der Idee, dann die Übersetzung in die Computersprache, die Feinjustierung, dann das komplizierte Anbinden an ein Buchungssystem, das ähnlich wie im Reisebüro alle Plakatunternehmen in Deutschland miteinander verknüpft und so Doppelbuchungen in ganz Deutschland verhindert. 14 Tage verblieb das Konstrukt te www.iplakat.com. Für viel Geld und

rund 180.000 Plakatwänden für den

mit hohem Aufwand programmiert ist

gebuchten Zeitraum blockt. Ande- te iPlakat ohne Korrekturvorgaben

in Kalifornien bei Apple, dann konn-

so das iPlakat entstanden. Anhand des

rerseits gehen die Daten nach Emden. starten. Obendrauf hat Roman Grasse

GPS-Empfängers in iPhone oder iPad

Hier befindet sich die große Druckerei, dann noch einen kleinen Sahnetupfer

lokalisiert die Software den Anwen- die aus dem Eingetippten und Aus- gepackt. Seine Frau betreibt – nur ein der, zeigt ihm die nächste Plakatwand

gewähltem ein druckfrisches Plakat

paar Meter vom Büro entfernt – ein

und schlägt auch themenbezogen das

produziert. Das Plakat geht direkt an

Floristikfachgeschäft. Wer jetzt will,

Plakatlayout vor. Nur noch die pas- den Betrieb, der die Plakatierung, das

kann nicht nur eine Plakatwand aussu-

senden Textzeilen in das handliche Te- eigentliche Ankleben übernimmt, und

chen, um die Herzdame zu überzeugen.

lefon getippt, und schon wandert der

schon fährt die Herzdame überrascht

Sondern obendrein auch noch Blumen

Auftrag einerseits zu Roman Grasses

am überdimensionalen Geburtstags- verschicken. Dann sollte es eigentlich

System, das die eine von bundesweit

gruß, an Heiratsantrag oder Ausgeh- klappen – mit der Herzdame.


46

Auf die meisten Fragen antwortet Jens Westerbeck mit einem Wortschwall. Boom und Beng sind die Worte, die er dabei häufig benutzt. Die Worte kommen schnell und doch nicht hart, man muss aufpassen, dass man seine Fragen zwischen all die Antworten bekommt. Wir sitzen in der Weinhandlung Lutter&Wegener, auf dem Teller liegt das beste (O-Ton Kellner) und größte (O-Ton Schreiber) Schnitzel Berlins. Der Laden hat eine hundertjährige Tradition, die Weinflaschen stapeln sich staubbedeckt bis an die Decke. Mit dem Kellner ist Jens Westerbeck per Du, nett ist es hier. So nett, dass ein Polizist hereinkommt und fragt, wem denn da der Mercedes gehöre, der im absoluten Halteverbot steht. Berlin-Mitte also, Gendarmenmarkt, einen Steinwurf vom Sonycenter, einen Steinwurf von der Wohnung des Interviewten entfernt. Auf jede Frage also mindestens eine Antwort. Bis auf eine. Diese hier: Hat er früher als Yachtbrooker mal ein Schiff an eine Frau verkauft? Stille, keine Ahnung, keine Antwort, Stirn-in-Falten-legen, nachdenken. Und das deutlich zu lange für einen,


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48


49

der sonst mit der Antwort startet, ehe die Frage

Alles Quatsch. Sagt Westerbeck. Denn wer könne

beendet ist. Nein, hat er nicht. Keine einzige Frau

sich schon so etwas leisten, ein Boot, das meh-

in sechs Jahren, die sich für eine Yacht interessiert

rere Millionen kostet? Und er spricht nicht von

hat. Geschweige denn eine gekauft hat. Obwohl, kaufen, sondern von leisten. Heiner Lauterbach, sagt er dann, eigentlich habe er nur an Frauen

sicher, der könne sich so ein Boot kaufen. Aber

verkauft. Und schon ist er wieder in seinem er- auch leisten? Also den Liegeplatz bezahlen. Die zählerischen, ausschmückenden Element. Eigent- Inspektion, gerne einmal 45.000 Euro teuer. Oder lich verkaufte er ja alle Yachten an Frauen. Also

einmal volltanken. Reicht für gute vier Stunden

indirekt. Also weil Männer so um die fünfzig, nun, Fahrspaß. Und kostet 15.000 Euro. Es sind Reetwas merkwürdig würden. Sich aus der Entfer- chenbeispiele, die schwindelig machen. Nicht nur nung anschauen, was sie alles geschafft haben. den, der mit den Zahlen jongliert. Sondern auch Und daraus zweierlei folgen: Es wird Zeit, sich

den, der sich mit dem Gedanken herumträgt, in so

zu belohnen. Und es fehle noch etwas komplett

ein Schiff zu investieren. Wobei auch das das fal-

Unsinniges. Die Wahl fällt dann manches Mal auf

sche Wort ist. Eine Investition sieht man irgend-

eine Motoryacht. Und Jens Westerbeck hat nicht

wann, gerne auch noch etwas dicker geworden,

die kleinen, auch nicht die mittelgroßen verkauft. wieder. Beim Yachtkauf kann man sich dagegen Sondern die, die bei mehreren Millionen starten.

hundertprozentig sicher sein, dass das Geld weg

Und weit darüber hinaus enden.

ist. Nie wiederkommt. Sagt Jens Westerbeck.

Gekauft wird also meist, um zu beeindrucken. Noch so ein Spruch: Es gibt zwei gute Momente Und wer lässt sich gerne beeindrucken? Eben. Der

beim Yachtkauf. Der erste ist beim An- der zweite

Mann uns gegenüber, der in der Weinhandlung

beim Verkauf. Es sind also die ganz Großen, bei

trüben Apfelsaft mit Mineralwasser trinkt, ist ein

denen er die Kieseinfahrt hochgefahren ist. Denen

Matcho, sicher. Zumindest auf den ersten Blick. er Einladungen auf edlem Papier schickte, denen Hat ein Buch geschrieben über sein Leben als

er sich chamäleongleich annäherte. Er trug die

Yachtbrooker. Ein Buch, das wir auf der Zugfahrt

Kleidung, die Uhren wie sie, fuhr ein Auto wie sie,

hierher gelesen haben. Und dessen Inhalt uns

las sich in das ein, was sie interessierte. Ich kannte

rot anlaufen ließe, könnten die anderen um uns

mich am Ende besser mit Armbanduhren als mit

herum mitlesen. Ein Buch aber auch, das schon

Yachten aus - des Smalltalks wegen –, sagt einer,

auf Rang sechs der Spiegelbestsellerliste rangier- der nie einen Hehl daraus machte, dass Kenntte. 11.700 Stück sind davon im Hardcover schon

nis über Schifffahrt und Yachttechnik nichts mit

verkauft, Stand Mitte April, Tendenz steigend. Die

Verkaufserfolgen zu tun hat. Als selbstständiger

Taschenbuchrechte sind schon weg, Sony hat sich

Brooker war er vielmehr darauf bedacht, in die

gerade die Hörbuchrechte gesichert. Wunsch- Welt der wirklich Reichen einzutauchen. Wer sprechstimme des Autors: entweder die Synchron- das denn alles so gewesen sei, bei wem er denn stimme von Nicolas Cage oder Thomas D von den

war, wem er also eine solche Yacht verkauft habe.

Fantastischen Vier. Dass es in dem Buch nicht nur

Wollen viele wissen. Wieder so eine kleine Gedan-

unter die Wasser-, sondern auch unter die Gür- kenpause. Schreib Carsten Maschmeier. Oder Thotellinie geht, verwundert nicht so wirklich. Stellt

mas Middelhoff. Ralf Schumacher geht auch. Mehr

man sich nicht genau so die Yachtbranche vor?

aber nicht. Denn wer hier einkauft, der will das

Goldene Rolex am Arm, getunter Sportwagen vor

im Verborgenen tun. Der will nicht geoutet wer-

der Tür und eine Yacht am hauseigenen Anleger?

den als einer, dessen Portemonnaie locker sitzt,


50

der sich Dinge leistet, die vor allem eins

sie einen Preisanstieg. Bei Sportwagen,

Entscheidend ist, wie du verkaufst.

sind: Spielzeuge des reichen Mannes. Ferienanlagen und Yachten aber genau

Und das klappt über Sympathie, über

Die Liste der 300 reichsten Deutschen

das Gegenteil. In seinem letzten Jahr als

Stories, die du erzählen kannst. Das

hatte er immer im Blick. Und wusste

Yachtbrooker hat er kein einziges Schiff

funktioniert in Herford ebenso wie

auch, unter den Top 10 sind nur zwei

verkauft. Nicht auf der Boot in Düssel-

am Mittelmeer. Nach einem Jahr dann

Yachtbesitzer. Was ihn ein wenig är- dorf, nicht auf der Messe in Cannes. Gut,

also die Notbremse. Keine Boote mehr,

gerte, weil es in Italien, in Frankreich, es hätte die Möglichkeit dazu gegeben.

dafür die eigene Geschichte als Ver-

selbst in Großbritannien ganz anders

Aber nur Geld wechseln, nur ein Hand-

kaufsgut. Aufgeschrieben auch in ei-

aussieht. Aber hier? Hier fährst du ein

geld verdienen? Nicht die Welt des Jens

nem Jahr. Und ja doch, da gibt es Par-

dickes, ein teures, auch ein altes Auto. Westerbeck. Der stand schon mit neun

allelen zwischen Buch und Biographie.

Aber die Gleichung Geld = Yacht geht

Jahren an dem Wochenmarktstand

Und nein, wo die liegen, wird nicht

dann doch nicht auf. Vor allem nicht, seiner Eltern, die Ware keine Yachten

verraten. Ein Buch also wie der Schuss

als die Krise hereinbrach. Bei Oldti- sondern Kartoffeln, aber schon damals

aus einer Pistole. Es müsse halt krachen.

mern, bei Kunstgegenständen bewirkte

Nicht so dahinplätschern. Also kracht

merkte er: Was du verkaufst, ist egal.


51

es. Auf schwankenden Bootsplanken. Und in der

er dann zuhause, hat geschrieben. Ehe das Buch

Horizontale. Ein Männerbuch also? Ach was, da

fertig war. Und sich beide Ehepartner einig waren,

winkt er ab. Es sei ein Buch vor allem für Nicht­ dass es Zeit sei, wieder auf Wochenendbeziehung leser. Er nennt das Wochenendbuch. Freitagabend

umzuswitchen. Also rein ins pure Autorenleben,

einsteigen, Samstag weiterlesen, Sonntag das gro- hin nach Berlin, Jobs bei der bild-Zeitung, erst ße Finale, dann zuklappen und am Montag auf

intensiv, dann seltener, es sollte nur ein Rein-

der Arbeit weiterempfehlen. Flankiert wird das

schnuppern sein, die vier Buchstaben nicht zu

Ganze von einer Marketingstrategie, die wohl

sehr auf die Autorenkarriere abfärben. Jetzt die

der des Schiffeverkaufens gleicht. Ich gehe den

Eigenvermarktung des Buches, der Versuch, auch

Leuten auf den Nerv. Ich rufe immer und immer

einen Partner zu finden, der aus Worten Bilder

wieder an. Und irgendwann sagen die dann: Okay, macht und diese auf der Kinoleinwand zum Tanwir machen das so. Wenn Sie nicht mehr anrufen. zen bringt. So hat Jens Westerbeck die Werbetrommel nicht nur gerührt, sondern sich gleich um den Hals

Hier, also in der Weinhandlung, sollte eigentlich auch das neue Buch entstehen. Der Ecktisch

gebunden. War bei Lanz im zdf, ist im Fernseh- war schon ausgesucht, unverstellter Blick nach garten aufgetreten, hat in der bild über Leben

draußen, Steckdose in Kniehöhe für die Laptop-

und Buch berichtet und sich ein Video gegönnt, Stromversorgung und Aschenbecher auf dem das nun bei Amazon von all denen aufgerufen

Tisch. Nicht, also nicht unbedingt des Rauchens

wird, die sein Buch „Boatpeople“ suchen. Da- wegen. Sondern weil es ein schönes, ein inspimit, also mit dem Video, hat er es geschafft, dass

rierendes Bild sei, wenn neben ihm der Rauch

97 Prozent der Leute, die bei Amazon gucken, aufsteige. Und das so wunderbar dufte. Vor zwei auch kaufen. Es wird weitergehen mit dem Erfolg

Wochen dann: aus der Traum. Wer Lebensmittel

des Buches, da ist sich der, der seinen Helden Nick

verkauft, bei dem darf nicht geraucht werden.

de la Mooring nennt, ganz sicher. Auch wenn es

Jahrzehntelange Tradition hin oder her. Also

der echte eigene Topseller dann doch nicht wird. fehlt die Schreib-Location für das schwerste Noch nicht. Denn ein Bestseller, der beginnt heu- Buch überhaupt, so Westerbeck zu Roman Numte zwar bei 30.000 verkauften Büchern. So sieht

mer zwei. Ganz abgesehen davon, dass auch die

das die Branche. Sie beginnt aber erst bei 500.000

Idee fehlt. Sicher, er könne auch Boatpeople

Stück. Ist sich Jens Westerbeck sicher. Es gibt

Teil II schreiben. Ein Selbstläufer vielleicht, 11.700

200 Autoren in Deutschland, die von der Schrei- Leser von Teil I warteten schließlich auf eine Fortberei leben können. Hat er mal gelesen. Entweder

setzung. Aber ist das nicht ein bisschen einfach?

werden das bald 201. Oder einer der bisherigen

Und vielmehr noch; wird es damit etwas mit dem

200 muss abdanken. So einfach ist die Welt des

Bestseller?

Jens Westerbeck. Man müsse eben nur wollen. Und komplett eintauchen in die Materie. Also weg

Wohl eher nicht. Aber kein Grund, nachdenklich zu werden. Vielleicht sitze ich heute Abend

aus Bünde, wo Ehefrau und Kind noch heute leben. schon mit irgendjemandem zusammen und im Und alle mit der jetzigen Situation glücklich sind. Gespräch komme ich dann auf die eine, die zünVerheiratet sind sie seit elf Jahren. Brutto, sagt

dende Idee. Sagt Jens Westerbeck. Glaubt daran.

Jens Westerbeck, netto vielleicht nur drei. Denn

Und weiß: Die guten Geschäfte machst du nicht

der Unternehmer war ständig unterwegs, Schiffe

geplant, die kommen zufällig vorbei. Wenn du den

verkaufen, Geschäfte machen. Ein Jahr lang war

Kopf frei hast.


52

Zwei Hefte in einem. Gemacht für Mann und Frau. Gemacht von Mann und Frau. Auch wenn die hoch5 GmbH & Co. KG

freundlicherweise überlassen – Mai-

kräftig und personell weiter wächst;

land wäre dann doch etwas arg weit

das 52 8-Magazin ist weiterhin eine

als Fotoziel gewesen.

One-Men/One-Woman-Show. Dabei

Zwei Fragen werden uns immer wieder

spielt hier die Geschlechteraufteilung

gestellt: Die eine: Warum 52 8? Weil es

nun wirklich gar keine Rolle. Soll hei- etwas mit den Längen- und Breitenßen: In der Männer- wie in der Frauen- graden zu tun hat, auf denen wir und welt trieb sich Tobias Heyer mit Kamera

der Kreis Herford ganz sicher, Sie sich

und Block herum. Elena Perschin form- vielleicht bewegen. te, gestaltete daraus, was das 52 8 mit

Frage Nummer zwei beantworten wir

ausmacht. Ein Magazin also jenseits des

irgendwo im Heft. Es geht dabei um

Mainstreams. Bildlich, textlich, gestal- die Finanzierung. Nie hätten wir uns terisch gesehen.

vorstellen können, dass sich so viele

Und auch für diese Ausgabe gilt: Jedes

Gedanken um unsere Finanzsituation

Bild, das Sie hier sehen, jede Zeile, die

machen. Und können nur antworten:

Sie hier lesen, stammt von uns. Mit

Machen Sie sich keine Sorgen. Nicht um

einer winzigen Ausnahme: Die bei- uns, nicht um unsere Konto. Genießen den bugatti-Modebilder wurden uns

Sie einfach unser Heft.

Wenn Sie auch einmal drin sein möchten, in unserem Magazin, dann schreiben Sie uns. Unter info@528-magazin.de sind wir erreichbar. Mal schreibt ein Mann, mal eine Frau zurück.

Impressum Herausgeber: hoch5 GmbH & Co. KG in Kooperation mit Initiative Wirtschaftsstandort Kreis Herford e.V und widufix – aktiv für Unternehmen im Kreis Herford V.i.S.d.P.: Tobias Heyer Konzept, Redaktion, Art Direction, alle Fotos und Texte: Druck: Heidenreich Print GmbH, Bünde Auflage: 2.000 Stück

Anzeigengestaltung www.hoch5.com

hoch5 GmbH & Co. KG, Bünde www.hoch5.com




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