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Es reicht einfach nicht.

Den Kopf einfach ein wenig mehr als gewohnt nach rechts oder nach links zu wenden. Um die Perspektive zu wechseln, da gilt es, auf einen Stuhl zu steigen, in die Hocke zu gehen. Sich vielleicht platt auf den Boden zu legen, einen Turm zu erklimmen. Vor allem aber: gewohntes Terrain zu verlassen. Eine Ausgabe also über die, die die Perspektive gewechselt haben. Oder anderen helfen, dies zu tun. Eine Ausgabe auch, die – zumindest teilweise – weit weg entstanden ist. An einem Ort, an dem sich die Sichtweisen fast im Minutentakt ändern. An dem Schnelligkeit das ist, was bei uns als Hektik bezeichnet wird. Auf nach Fernost also, in eine Metro­pole, die auch Menschen aus dem Kreis Herford beherbergt. Die hier sesshaft geworden sind, die das halten, was der Begriff Global Player verspricht. Aber natürlich muss man nicht erst in die Ferne schweifen, um einen intensiven Blick auf den Kreis Herford zu werfen. Da gibt es die, die hier wohnen und in Gedanken doch schon weit weg sind. Oder die, die hier leben und sich nicht vorstellen können, dieses Fleckchen je wieder zu verlassen. So oder so, jeder allemal wert, einen Blick auf ihn zu werfen. Ein Magazin also, wie gemacht für unsere ganz eigene Sichtweise. Das verfolgend, was wir uns selber zur Philosophie gemacht haben. Nicht mitschwimmen. Eben nicht nach rechts, nach links schauen. Damit der Blick ein unverfälschter, ein frischer, schlicht: ein ganz anderer ist. Tauchen Sie also ein. In ein Magazin, das vielleicht auch Ihre Sichtweise der Dinge verändert.

Herzlichst, Elena Perschin & Tobias Heyer


EigEnTlich mü s s t e n d ie koffer , mü s s t e de r 40-zollcontainer l ä ng s t ge p ack t sein. vier JaHre , das ist d e r t ur n u s der acHim , k ün s e b e c k und seine familie weiter zieH en l ässt.



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Erst New York , Der Sohn aber, gerade seine Ausbildung auf Hongkong Island im Business Coldann Lissa der German Swiss International bon, lege vier Jahre School absolvierend, bringt den von ofspäter Mo fizieller Seite festgelegten Zeitplan aus sk au. dem Rhythmus. Achim Künsebeck beZwischend antragt einen zweijährigen Aufschub urch – und erhält, eigentlich fast unerwartet, noch eine mehrwöch eine Zusage. Also zwei weitere Jahre in ige der Stadt, die ihm ans Herz gewachA b o r dn un g sen ist. Den Diplomatenpass in der in Kiew, Tasche, auf der Arbeit, im Deutschen eine Schw Konsulat, nicht nur Pässe für andere a nge r s c h a f ts­- ausstellend, sich um die kümmernd, v e r t r e t un g in Rio de die sich scheiden lassen, die heiraten Janeiro. wollen. Sondern und vor allem für all die jungen Familien da sein, die hier Eine kur z­z e i t ige ihre Kinder bekommen. Kurzum: eine Un t e r b r e c konsularische Rundumbetreuung für h­ung in Be rlin alle hier anwesenden Deutschen und die Personen, die in irgendeiner Form und jet z t eben etwas mit Deutschland zu tun haben. Oder eben gerne hätten. HongKong Angefangen hat die Odyssee des . Bünders in der Kreisverwaltung. Das hier kann nicht alles sein. War sich der Beamte nach einigen Berufsjahren sicher. Und beschloss: Ich bewerbe mich beim Auswärtigen Amt, bilde mich fort, ziehe in die weite Welt. Vom Sesshaftsein im Kreis also gewechselt hin zum Maximum an Nomadentum. Dabei war es nicht einfach, als Seiteneinsteiger, als einer, der zum ersten Vorstellungsgespräch gleich seine Verlobte mitbringen musste. Tropentauglichkeitstest stand auf dem Programm und Englischprüfung. Nach der zweiten persönlichen Vorsprache – dieses Mal alleine - dann die Zusage, 1998 war das und dem Umzug nach Bonn, dem Wechsel in den diplomatischen Dienst stand nun nichts mehr im Wege. 22 Jahre später sitzt Achim Künsebeck mit seiner Frau Dorothee in einem Restaurant auf Discovery Bay, einer Nachbarinsel von Hongkong. Der Taifun bläst mit milder Stärke eins


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warme Luft herüber, Kinder lachen, ein paar Meter weiter spielt eine Band Jazziges. Es ließe sich gut, sehr gut – mit Ausnahme der extrem hohen klimatischen Bedingungen und der teils hohen Luftverschmutzung - hier leben. Ist sich das Ehepaar sicher. Hongkong, das sicherlich ein hohes Maß an physischer Anstrengung erfordert, sei nach wie vor der Traum vieler Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes. Die Sicherheit in der Stadt ist nicht hoch genug einzuschätzen, das Leben ein spannendes und oft hektisches auf Hongkong Island, jedoch ein ruhiges daheim auf der autofreien Halbinsel. Ein gutes halbes Jahr noch, dann flattert die neue Liste ins Haus. Die, auf der all die Stellen aufgezählt sind, für die sich nun beworben werden kann. Und muss. Was drauf stehen mag? Noch ungewiss. Und damit nicht lohnenswert, sich damit, allein mit dem Gedanken, weiter zu beschäftigen. Südamerika vielleicht? Achim Künsebeck nickt, seine Frau schüttelt den Kopf. Es sei wohl noch Überzeugungsarbeit zu leisten, sagt der Mann, der tagsüber denen hinter schusssicherer Glasscheibe gegenüber sitzt, die sich Hals über Kopf in ausländische Partner verliebt haben. Die nun von Heirat und Zusammensein erzählen und ein deutsches Visum beantragen. Es scheint, so aufgezählt, auf den ersten, den flüchtigen Blick kein wirklich aufregender Beruf an sich zu sein, der sich hinter den Begriffen Hongkong und Diplomatenstatus verbirgt. Aber er ist es. Route spielt auch hier eine Rolle, sicher. Aber sich immer wieder auf andere Erdteile, neue Länder neue Sitten, neue Kollegen und Länder einzustellen, reizt und strengt an zugleich. Da gibt es natürlich auch spannende Geschichten zu erzählen. Wie die von dem Deutschen, der in Hongkong gestrandet ist, zurück in die Heimat will, aber all sein Hab und Gut verloren hat. Kein Flugticket, kein Geld, kein Pass. Nichts mehr also in Tasche oder Händen. Für einen Anruf beim Bereitschaftsdienst des Konsulates reicht es aber doch noch. Ob er helfen könne, sofort. So die Bitte zu nächtlicher Stunde. Achim Künsebeck kann, am nächsten Morgen. Erst einmal den Mann mit 25 Euro Startkapital ausstatten. Dann die Personalien per Fax und über das betreffende Einwohnermeldeamt klären. Später dann erläutern, wie das geht, mit dem Geldüberweisen per Express ins Ausland. Und dann noch einen


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vorläufigen Pass ausstellen, damit er

lie vor den Amtsarzt, wird wiederum

dann doch zurück nach Deutschland

festgestellt, ob die Tropentauglichkeit

gehen, sprich fliegen kann.

noch besteht. Zehn oder mehr Städ-

Jeden Morgen setzt sich Achim Künsebeck in Bewegung, fährt oder

te – eingeteilt in Kategorie A (gut) – C (schlechter, schwieriger oder gar Här-

läuft von der eigenen Wohnung runter

teposten) darf sich die Familie dann aus

zum Fähranleger. Eine knappe halbe

der Liste aussuchen, dann fällt irgend-

Stunde rollt das Schiff zwischen Con- wo eine Entscheidung und die Koffer tainerriesen, Militärbooten, Ausflugs- werden gepackt. Als das das erste Mal dampfern, Ozeanriesen und winzigen

der Fall war, boten sie erst Amsterdam

Fischer-Nussschalen gen Hongkong

an. Aber von Bünde über damals noch

Island. Immer pünktlich, nie haben

Bonn nach Amsterdam wechseln? War

es die Künsebecks erlebt, dass ein öf- nun wirklich nicht das, was sich Achim fentliches Verkehrsmittel mal verspätet

Künsebeck unter der weiten Welt vor-

gekommen ist. An Pier 3 in Hongkong

gestellt hat. Da kann ich ja in Bünde

Island angekommen geht es weiter zu

wohnen bleiben und jeden Morgen mit

Fuß, dann noch eine Station mit der

der Bahn fahren. Hat er scherzhaft dem

U-Bahn und der 49-Jährige erreicht

Verantwortlichen erzählt. Zweite Opti-

das Konsulat. 5 Millionen Menschen

on: Paris. Auch abgelehnt. Am Ende die

wechseln Tag für Tag mit U-Bahn oder

Entscheidung: Beirut. Doch der damals

Fähre rüber auf die pulsierende Insel. herrschende Bürgerkrieg machte einen 2.500, vielleicht auch 3.000 Deutsche

Strich durch die Rechnung von dem,

befinden sich dabei unter ihnen.

der als Einstellungsvoraussetzung

Einmal im Jahr geht es auf Heimat- eine

weltweite

Versetzungsbereit-

urlaub zurück nach Deutschland. Wo- schaft mitbringen musste. Die Beirubei sich Familie Künsebeck gar nicht

ter Botschaft wurde geschlossen. Also

mehr so sicher ist, wo die eigentlich

hieß es weiter warten auf den ersten

liegt. Ein Sohn ist zwischenzeitlich in

Auslandsposten für Achim Künsebeck.

Moskau hängen geblieben, nun wohnt

Am Ende hat er sich dann New York ge-

er in Köln. Der jüngste wird wohl

wünscht. Und New York bekommen.

in Hongkong bleiben, wenn aus der

Ist erst alleine über den großen Teich

Ausbildung eine Festanstellung wird. gezogen, hinein in eine Stadt, die kaum Freunde? Haben Sie viele gefunden und

aufregender sein kann. Hinein also in

viele wieder verloren. Es sei schwierig, ein pulsierendes Manhattan. Das kulüber die Distanz den nahen Kontakt zu

turelle Angebot sei ein berauschend-

halten. Auch im Zeitalter von E-Mail

es gewesen, erzählt das Ehepaar, als

und Internet. Die aber, die geblieben

im Restaurant der Discovery Bay der

sind, sind zu echten Freunden gewor- Hauptgang serviert wird. Galerien an den. So wie die Menschen, die sie in

jeder Ecke, Aufführungen, Konzerte.

Lissabon kennenlernten. Menschen, Spätestens hier haben sie ihre Liebe zu denen sie sich vorstellen könnten, für die Kunst entdeckt. Heute malt der zurückzugehen, wenn die Pensionie- Konsulats-Mitarbeiter selber, kauft er rung naht. Noch aber ist daran nicht

Leinwände im nahegelegenen chine-

zu denken. Einmal im Jahr also geht

sischen Festland. Seine Frau hat eine

es zurück nach Deutschland, alle zwei

Kunstagentur eröffnet, hat sich als Ziel

Jahre steht der Gesundheitscheck in

gesetzt, deutsche Kunst und Künstler

Berlin an. Dann rückt nicht nur Achim

nach Hongkong zu holen. Und der Ehe-

Künsebeck, sondern die gesamte Fami- mann? Steht dabei beratend zur Seite,


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die Kontakte zu bekannten und befreundeten Künstlern nutzend, die er seit Jahren aufgebaut hat. All das steckt noch in den Kinderschuhen. Aber das könne sich ändern, sind sich beide sicher. Kunst, die Kontakte zu Künstlern, die sie knüpfen und pflegen, lassen sich schließlich mitnehmen. Wohin? Ist nicht geklärt. Und eigentlich auch nicht wichtig. Brasilien, Rio wäre eine Option, beide sprechen fließend Portugiesisch. Bei der WM, bei Olympia würde hier sicherlich viel spannende Arbeit anfallen. Aber die Kriminalitätsrate schreckt dann doch ab. Vielleicht noch einmal Moskau? Auch hier: die russische Sprache ist längst erlernt. Und auch ein Zurückkommen in eine Stadt ist im Auswärtigen Amt möglich. Vielleicht wird es aber auch etwas ganz anderes. Gehen Koffer und Container ganz woanders hin. Diese Rastlosigkeit, diese Neugierde auf die Welt sei in den Jahren keine wachsende, eher eine langsam einschlafende gewesen, sind sich beide sicher. Aber was sie in den vergangenen zwanzig Jahren erlebt haben, sei doch kaum zu übertreffen. An kulturellen Erlebnissen, an Abwechslung. Die Zeit in Hongkong noch genießen, die Liste abwarten. Dann geht es weiter. Wohin auch immer. Wird schon etwas schönes dabei sein. Wenn es nur nicht Deutschland ist. Da war erschon vor ein paar Jahren. Für Achim Künsebeck hieß es damals zurück nach Berlin, auf ins Protokoll. Dahin, wo die wichtigen Staatsbesuche vorbereitet und begleitet werden. Beim G8-Gipfel in Heiligendamm nahm er direkt am protokollarischen Hauptgeschehen teil. Zuständig für die Verabschiedung der ausländischen Delegationen schüttelte er an diesem Tag die Hände der mächtigsten Leute der Welt. Zweifellos einer der Höhepunkte seiner bisherigen beruflichen Karriere. Froh war er, als es danach wieder weiter ging. Denn ein Leben in Deutschland, in Berlin? Nicht wirklich vorstellbar. Obwohl? Was ist die wirkliche, die richtig Perspektive? Wie sieht die Zukunft aus? Vielleicht bewerbe ich mich beim Marketing der Stadt Bünde? Mache nebenbei eine Galerie auf? Oder kandidiere als Bürgermeister für die Gemeinde Rödinghausen? Alles denkbar. Und alles irgendwie dann doch nicht so richtig ernst gemeint. Sagt Achim Künsebeck. Und lacht.


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D a nn a l s P e n s io n 채 r d o c h l ie b e r pendeln d. Z w i s c he n B체nde und L is s a bon v ielleicht, sich der K unst, den 체brig g e b l ie b e n en Freunden w id m e n d ? A uc h v or s tellbar . W ie s o v ie les. A be r e be n nic h t p l a n bar . Was doch den Reiz a u s m a c he .


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Dieter Meise

ist Inhaber der Meise-Möbel GmbH & Co. KG,

einer der größten Produzenten von Betten für den deutschen und europäischen Markt. Seine Betten lässt der kirchlengeraner Unternehmer in Deutschland konzipieren und designen. Produziert werden sie in Europa und Asien. Schon vor Jahren siedelte Dieter Meise seine Firma M-Trade in Hongkong an. Von hier aus werden die Geschäfte abgewickelt, hier sitzt die Verwaltung. Im chinesischen Donguan befinden sich ein Showroom und Büros, von denen aus die M-Trade Mitarbeiter die Produktion überwachen und kontrollieren.


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Wie findet man denn, als Neuling, den richtigen

Produktionspartner in China?

Herr Meise,

Sie sind schon vor vielen Jahren nach China

Dieter Meise: Am Anfang über Agenten, später über die eigenen Mitarbeiter, aber auch über Weiterempfehlungen.

gegangen, haben in Hongkong mit M-Trade ein eigenes Unternehmen gegründet. Was war damals die Motivation, diesen Schritt zu gehen?

Und hat es dabei auch Enttäuschungen geben?

Dieter Meise: Mir war schon damals bewusst,

Dieter Meise: Natürlich, das gehört dazu.

dass man neben Europa Mengenprodukte auch

Heute wissen wir, dass Lieferanten die gleiche

in China einkaufen muss. Gleichzeitig wusste

Bedeutung für den Erfolg unseres Geschäfts wie

und weiss ich heute, dass eine eigene Technik

unsere Kunden haben. Heute bin ich vier, fünf

und Qualitätssicherung vor Ort unbedingt

Mal pro Jahr in China. Ich besuche die Messen,

notwendig ist.

um mir Anregungen zu holen, um Ideen aufzuschnappen. Produktionspartner finde ich da aber

Sind Sie denn sofort

kaum noch, weil die, die sich auf den Messen

mit Ihrer Firma in China gestartet?

zu teuer geworden sind. Man muss wissen, dass

Dieter Meise: Nein, anfangs haben wir mit

diese Messen durchaus mit denen in Europa ver-

Agenturen gearbeitet und fertige Produkte und

gleichbar sind und heute in weiten Teilen über

Sortimente gekauft. Unsere Großkunden tun dies

ein hohes Niveau verfügen.

präsentieren, selbst schon zur Marke und damit

allerdings seit einigen Jahren auch teilweise schon selbst - in diesem Punkt haben sich das Geschäft und wir uns auch völlig gewandelt. Heute produzieren wir nach unseren eigenen Vorgaben, um am Markt präsenter zu sein und ein Produkt zu

Wirkt sich denn

dieses Aufschließen auch auf die Preise aus? Dieter Meise: Es ist relativ erschreckend, wie

erhalten, das exakt unseren Vorstellungen und

schnell die Preise in China anziehen. Vor allem

Anforderungen entspricht.

in Süd-China ist das der Fall. 20 Millionen Wanderarbeiter waren früher unterwegs und haben

Und wie hat sich

für kleines Geld da geholfen, wo es Arbeit gab. Solche Zahlen muss man sich einmal in Ruhe auf

in den vergangenen Jahren das preisliche

der Zunge zergehen lassen. Viele von denen kom-

Niveau im Einkauf, in der chinesischen

men jetzt gar nicht mehr, weil es sich nicht mehr

Produktion entwickelt?

lohnt, weil sie keinen solcher Jobs mehr bekom-

Dieter Meise: Die Preise sind in den letzten

men. Die bleiben jetzt zuhause, irgendwo

Jahren deutlich gestiegen. Vor allem in Südchina

in Zentralchina und widmen sich wieder der

zogen die Löhne stark an, die Arbeitszeiten sind

Landwirtschaft oder anderen Dingen. Und auch

kürzer und die sozialen Bedingungen der

die Regierung sieht das Land vor allem im

Arbeiter wurden verbessert. All das wirkt

Süden nicht mehr als Billigdienstleistungs­-

sich auf das preisliche Niveau stark aus.

gegend, sondern als Region für die IT-Branche. Und fördert solche Projekte dementsprechend.


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Sehen Sie denn

andere Länder, die diese Produktionen übernehmen könnten, Indien etwa? Dieter Meise:In Indien ist die Infrastruktur sehr schlecht. In China hingegen ist sie hervorragend. Da haben viele hier in Deutschland ein ganz anderes Bild vor Augen. Laos, Vietnam und Kambod­

Wenn Sie jemand fragt, der auch mit dem Gedanken spielt, wie Sie nach China zu gehen, was raten Sie dem?

scha, das sind alles Länder, in denen sich einiges

Dieter Meise: Dass man langsam über Agenturen

tut und die in Zukunft interessant werden können.

anfangen sollte, Geschäftsbeziehungen aufzubau-

Aber eins darf man bei China nicht vergessen:

en. Es kann nur Schritt für Schritt gehen. Aber

Da leben 1,4 Milliarden Menschen, die alle

nach relativ kurzer Zeit ist eine eigene Organi-

arbeiten müssen und wollen.

sation zur Planung, Abwicklung und Kontrolle notwendig.

Wie muss man sich denn das Verhandeln, das Geschäftemachen in China vorstellen?

Muss der Neuling

sich auch sofort um das Thema der

Dieter Meise: Ganz anders als bei uns. Solche

Produktpiraterie kümmern?

Verhandlungen verlaufen nie emotional ab. Da

Dieter Meise: Natürlich, auch das gehört dazu.

gibt es keine Regung, die das Innenleben des

Aber wir müssen uns heute häufiger in Deutsch-

Gegenübers verraten würden. Selbst die Zuver-

land gegen Nachahmer wehren als anderswo.

lässigkeit ist auch in intensiven Gesprächen kaum

Das meiste passiert hier. Und wenn sich jemand

einschätzbar. Das, was uns immer interessiert,

zu sehr unseren geschützten Dingen annähert,

also Zuverlässigkeit, Langfristigkeit der Geschäfts-

dann reagieren wir sofort mit rechtlichen Schrit-

beziehungen, können Sie erst nach Monaten und

ten. Aber es ist natürlich auch schon in China

vielen Besuchen vor Ort bewerten.

vorgekommen, dass plötzlich unsere Fotos im Internet aufgetaucht sind. Und jemand damit

Und die Qualität,

seine Produkte beworben hat. Da fehlt dann

Mit welcher ist die vergleichbar?

Ein letzter Tipp

sogar schlicht das Unrechtsbewusstsein.

die man in China bekommt?

Dieter Meise: Die Qualität in China ist nicht schlechter als die in Europa. Nur die Systema-

für den Mittelständler beim Thema China?

tik und Planung ist anders, das, was hiervon in

Dieter Meise: Man braucht professionelle Hilfe

Deutschland selbstverständlich ist, fehlt hier.

am Anfang, in der Startphase. Das wichtigste aber,

Es zählt der schnelle Erfolg, das schnelle Geld.

zu Beginn wie auch später, sind persönliche Bezie-

Das ist doch eigentlich auch nur verständlich.

hungen vor Ort.

Dieses Land, diese Menschen haben so viele Katas­ trophen er- und überlebt. Da denkt man irgendwann nur noch an sich, an das eigene Überleben und den kurzfristigen Erfolg. Die Qualität aber, die heute in den Firmen produziert wird, ist von der Deutschen gar nicht mehr zu unterscheiden. Es gibt heute keine Qualität China, keine Qualität Europa. So funktioniert das nicht. Heute gibt es eine Qualität abhängig von den einzelnen Werken, dem Management und vom „Kümmern“. Weltweit.


Es sei, doch, das könne man ruhig so sagen und schreiben, schon verrückt, nachts durchs Unterholz zu preschen und Holzkästen in ehemaligen Ameisenhaufen zu suchen und zu finden. Aber eben auch faszinierend. Und man will eigentlich gar nicht widersprechen.

Donnerstagabend, Treffpunkt Oerling-

hausen, direkt am Flugplatz. Da stehen

Tanja, Ansgar, Fritz, Ariane, Michael und noch mal Tanja und frieren ein

wenig. Der Magen schreit nach Essbarem, die Sonne hat längst eine gute

Nacht gewünscht und doch soll es jetzt rein in den Wald gehen. Nicht auf den normalen Wanderwegen, auch nicht da lang, wo Trampelpfade den leiten, der sich auf ein kleines Abenteuer einlässt. Die sechs hier, die nehmen es genau mit

Weg und Position. Jeder trägt ein GPSGerät in den Händen, den Ausdruck aus

dem Internet in der Tasche und jede Menge Utensilien im Rucksack, die nur Eingeweihte unter dem Sammelbegriff

Geocaching fassen würden. Taschen-

lampe, Stirnlampe, GPS-Empfänger, Laser-Pointer, Magneten, Seile, Klappspiegel und in diesem Fall auch ein Liter

Wasser, vermengt mit einem Tropfen Milch bieten die Grundausstattung für

diese Nacht. Nicht zu vergessen Kaffee, Kinderriegel und Schokokekse, aber

dazu später.

Geocaching, das sei eine neue Art

der Schatzsuche, der Schnitzeljagd. Steht im Internet. Und verinnerlichen

derzeit immer mehr Infizierte. Wer

verstehen will, worum es geht, warum sechs erwachsene Menschen wo-

chentags die Nacht zum Tage machen. Oder eben gerade nicht. Denn es geht um Dunkelheit, um das tiefe Schwarz,

ohne dass der Cache „Optische Effekte bei Nacht“ nicht funktioniert.

Cache nennt sich das, was sich hinter schlichten Koordinaten verbirgt. Anfangs galt es, einfach nur mit den GPS-

Gerät im Handyformat auf die Suche zu

gehen. Koordinaten aus dem weltweiten Netz ziehen, eingeben, losziehen,

dann im Umkreis von drei, vier Metern etwas suchend rumgeschaut und

schon war meist eine kleine Filmdose,

eine Kunststoffbox – eben Cache genannt – gefunden. Heute ist das alles

anders. Vor allem heute abend. Denn

es geht um die Königsklasse, um einen Multicache. Um das Werk von einer Gruppe von Verrückten, die einen ganzen Wald mit elf Stationen, unzähligen

Reflektorschildchen und physikalischen Gimmicks ausstatteten, die aus

der früheren Wissenschaftssendung Knoff-Hoff zu stammen scheinen.

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ch, das n ruhig und schrein verrückt, urchs Unu preschen ästen in en Ameisensuchen und Aber eben inierend. will eigenticht echen.

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Aber der Reihe nach. Alle sechs schalten also nacheinander die Stirnlampen ein, schauen sich ab sofort nicht mehr direkt ins Gesicht und ziehen, den Blick immer auf’s Display des GPS-Geräts gerichtet, los in Richtung Wald. Es geht plötzlich weg vom Wanderweg, direkt in die Wildnis. Hinter einem Baumstumpf liegt gut versteckt eine Holzbox, darin wartet ein Laser-Pointer mit rotem Licht auf seinen nächtlichen Einsatz. Wer sich wundert, was alles im Wald lagert, der bekommt an diesem Abend riesengroße Augen. Denn was jetzt folgt, ist Physik auf Leistungskurs-Niveau. An Bäume hängen kleine Holzkästchen, in die eine Einkerbung so gesägt wurde, dass der Laser-Pointer exakt reinpasst. Und, einmal angeschaltet, Licht und Augenmerk auf die erste Station lenkt. Was dann drei Stunden lang passiert, ist schwer in Worte zu fassen. An jeder Station werden die Ideen noch verrückter. Mal tut sich ein Reflektorhimmel über den Staunenden auf, die eben in einem Versteck eine Himmelszeichenscheibe gefunden haben und jetzt Zeichen und Himmelsbild miteinander vergleichen. 500 Meter weiter erst nur eine am Baum baumelnde Schnur. Daran gezogen schwebt eine weiße Röhre gen Boden, deren Innenleben per Taschenlampe zum leuchten gebracht werden will. So findet sich auch in ihr, so wie in allen anderen Hinweisen, Zahlen, aus denen auf den Zetteln der Geocacher Koordinaten werden. Die dann wiederum zur nächsten Station führen. Wo gibt’s denn sowas? Fragt sich der Mitlaufenden. Natürlich ohne Stirnlampe, dafür aber mit grollendem Hunger im Magen und der stetig präsenten Frage, wer Holzkästen im Schuhkartonformat bastelt und an Bäume hängt, unterwegs. Der meistgehörte Spruch in dieser Nacht? Das ist ja der Hammer. Staunen auch bei denen, die schon mehr als 400 Caches gemeistert haben. Die auf jeder Fahrt, auf jeder Reise kurz noch im Internet schauen, wo es zu suchen, wo zu finden lohne. Dabei gibt es Geocaches an jeder Ecke. Immer gut versteckt, mal unter einem Holzstapel, dann wieder im Gebüsch auf Suchende wartend. Immer so platziert, dass nicht privater Grund betreten werden muss,


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Wanderer zu Gesicht bekommt. Dies hier, das ist ein Spiel. Bitte hängen, liegen, schweben lassen. Steht auf den Puzzleteilen, die einmal gefunden und dann logisch zusammen gesetzt ein ganzes ergeben. Gerichtet an die, die dann doch etwas finden, auf deren Suche sie gar nicht waren. Aber das hier, das ist so liebevoll gemacht, so perfekt zusammenum gefunden zu werden. In dieser Nacht aber so gut

gestellt, dass nicht in den Sinn kommen kann, es zu

versteckt, dass die Suche schon zum Abenteuer wird.

zerstören. Mitzunehmen gar. Da müssen

Da hängen Schnüre von Bäumen, die, einmal an ih- Physikprofessoren und Kletterweltmeisnen gezogen, Kästen von anderen Bäumen herabsin- ter gemeinsam unterwegs gewesen sein, ken lassen. Da muss die UV-Lampe – auch ein Uten- um den Weg zum eigentlich Cache mit elf sil, das der erfahrenen Geo-Cacher immer am Mann

Stationen zu pflastern. Dort angekommen,

hat – herhalten, um auf weißer Fläche plötzlich li- lacht das Herz der Suchenden. Ein grolafarbene Zahlen und damit Koordinaten ausfindig

ßer Holzblock, eine Tür, hinter der Licht

zu machen. Irgendwann werden die Hände klamm, aufflammt, wenn sie geöffnet wird. Was ermüdet die Konzentration und teilt sich die Gruppe

dann ans Mondlicht kommt, ist enttäuschend. Und

für einen kleinen Moment

verzückend zugleich. Enttäu-

auf. Die einen tippten eine

schend für den, der drei Stun-

38, die anderen eine 36 ins

den lang sechs Geocachern

Gerät irgendwo hinter dem

gefolgt ist. Mal den Kopf un-

Komma und schon zeigen

gläubig schüttelte. Und dann

zwei Geräte auch zwei ver-

wieder fasziniert zugeschaut

schiedene Wege an. Ganz

hat. Verzückend für den, der

alleine losziehen? Besser

sofort den Ministempel mit

nicht. Oder: ganz sicher

integriertem Stempelkissen

nicht. Ein Geocacher geht

zückt und seinen Nick-

lieber zu zweit, viel lieber noch in der großen Grup-

name in das bereitge-

pe. Dann lässt sich auch die Rast, passend zwischen

legte Logbuch drückt. In

Station sechs und sieben platziert, viel besser ge-

der Box finden sich auch

nießen. Es gibt Kaffee aus Bechern, Kekse aus der

Spielkarten, Plüschtiere,

Tüte und Schokoriegel aus der Großfamilienpackung.

Kugelschreiber und Tril-

Vor allem aber gibt es Geschichten. Seemannsgarn,

lerpfeifen. Mitbringsel,

Anglerlatein, Geo-Caching-Erlebtes halt, das mal

die der eine reingelegt, der nächste wieder raus-

in engen Röhren stattfindet, die nur zur Ebbe ihr

genommen und woanders hingelegt hat. Es gibt

Inneres freigeben. Sich dann wieder abspielt in

da Gegenstände, die sind mit Metallplättchen und

abgelegenen Industriehallen, direkt in Großstadt- Nummer versehen und wandern um die Welt. Ihr zentren oder auf Friedhöfen. Kein Platz mehr, der

Weg wird im Internet dokumentiert und beobachtet,

nicht irgendein Geheimnis in sich birgt, das nur der

irgendwo wartet jemand darauf, dass diese Wackel-

findet, der GPS-Koordinaten und Phantasie mit- Elvis da vor uns wieder zurück an seinen Ausgangseinander in Einklang bringt. Sie haben schon mit Knien auf den entscheidenden Hinweisen gehockt

ort gelangt. Anfangs, raunt uns Ansgar auf einem der rund

und sie dennoch nicht gefunden. Mussten mal ab- 5.000 zu laufenden Meter zu, habe ich auch gedacht, brechen, hingen dann wieder oben im Baumgeäst

dass die hier alle nicht ganz richtig ticken. Sagt er

sicher vertäut mit fünf eben noch mühsam gefunde- und spricht uns aus dem Herzen. Aber dann. Sei nen Zahlen vor kleinen Tresoren, die plötzlich sechs

doch alles ganz anders gekommen. Und er zeigt sein

Ziffern wissen wollten. Gemeinsam sich erinnern, Rucksackinneres her. Auch hier: Ein Mischung aus gemeinsames lachen, dann geht es weiter. Weiter

Detektivzubehör und Dingen, die früher in der »Yps«

durch einen Wald, der Dinge beherbergt, die kein

gute Dienste als Gimmick geleistet hätten.


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Das Pferd von Lennard ist ein untypisches. Für HongKonger Verhältnisse. Zu muskulös der Hals, zu gut das Sprungvermögen. lässt. Greifbar wird sie erst im Gespräch mit Martina Ich bin immer wieder an ihm im Stall vorbeigegan- Trommershausen. Die stammt aus Süddeutschland, gen, hab ihn mir genau angeschaut. Ihn geritten und

arbeitete lange in Halle als Reitlehrerin und wurde

dann das Angebot bekommen, ihn ganz für mich zu

vor gut anderthalb Jahren gefragt, ob sie sich vor-

haben. Erzählt der 14-Jährige, als er neben seinem

stellen könne, nach Hongkong zu wechseln. Lange

Pferd, das er Smiley nennt, auf einem der Plätze der

überlegen? Musste sie nicht. Es habe halt gereizt. Für

Öffentlichen Reitschule in Hongkong steht. Ganz

die zu arbeiten, für die Geld kaum eine Rolle spiele.

gehören meint aber nicht: besitzen. Denn jedes der

Die rund 800 Pferde ihre eigenen nennen. Darauf

80 Pferde, die hier stehen, gehören dem Hongkong

hintrainiert, bei einem der wöchentlich stattfin-

Jockey Club. Kein Verein, eher eine Institution, lang, denden Rennen um Bares, viel Bares zu galoppieren. sehr lang die Tradition, groß, sehr groß das Finanz- Wir treffen Martina Trommerhausen am Membervolumen, das sich hinter Namen und Vereinigung

Eingang des Galoppkurses in Hongkongs Norden,

verbirgt. So viel Finanzkraft, das sie sich nur erahnen

es ist der Nationalfeiertag, schwere Limousinen


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fahren vor, Kameras klicken, es werden Hände geschüttelt, eine ganze Marschkapelle bahnt sich den Weg vorbei an den Wichtigen, den Verantwortlichen. Um all das hier, die siebenstelligen Beträge auf den Anzeigetafeln, die Massen, die hier wetten, auf Sieger und Platzierte setzen, zu verstehen, müsse man sich vor Augen halten, dass jegliches Glücksspiel in Hongkong verboten sei. Ausnahme: Galopprennsport. Was den Hongkong Jockey Club zu einer Institution werden ließ, die heute, in einer der Finanzmetropolen der Welt, mehr Steuern zahle als jedes andere Unternehmen. Es gehe hier nicht um Millionen, sondern um Milliarden. Es gehe auch darum, Schulen zu fördern, Gelder für Bedürftige

und Zureiter, ehe die

zu spenden, Krankenhäuser

Muskeln

neu auszustatten. All das mit

bildet sind, ehe das

zurückge-

Geld, das gewettet – und dann

Pferd irgendwie vo-

verloren wurde. Gewettet auf

luminöser, irgendwie

Pferde, die aus Australien,

runder geworden sei.

Neuseeland und Europa hierher kommen. Gekauft

Und von Kindern bewegt werden kann, die mit 12

vom Jockey Club, trainiert, um zu den Besten der

noch nicht die eigenen Schuhe zubinden können und

Besten zu gehören. Vier, fünf, manchmal acht Jahre

die mit 20 erstmals einen Besen in den Händen halten.

galoppieren sie ins Rund, vom Jockey dirigiert und

Rund und voluminös? Muss das ideale Pferd für

getrieben, vom Tierarzt versorgt, vom sehr gut be- Lennard gar nicht aussehen. Der weiß, wie das perzahlten Stalljungen gehegt und gepflegt. Von Marti- fekte Sportgerät auf vier Beinen aussieht. Smiley, na Trommershausen dann in Empfang genommen, gut, der sei okay. Aber 9500 Kilometer entfernt, da wenn das tierische Rentenalter erreicht ist und die

stehen ganz andere Pferde. Solche, bei denen sich

Platzierungen eben nicht mehr reichen, um vorne, die Latte des Ochsers auch ins letzte, ins höchste ganz vorne mitzusprinten. Zurück nach Australien, Loch stecken lasse. Die wissen, welche Distanz sie zurück an den Ort schicken, wo die Pferde einmal

intuitiv wählen müssen, um hoch und galant über

herkamen? Kaum möglich. Zu teuer der Flug, zu un- das Hindernis springen zu können. Gerade im Somgewiss die Zukunft. Und wer will schon einen ausge- mer ist er auf solch einem Pferd geritten. Erst drei dienten Galopper, einen, der psychisch und physisch

Wochen lang in Sindelfingen trainiert, das andere,

gleichermaßen ausgelaugt ist.

das europäische Springpferd kennengelernt. Und

Es dauert. Erzählt Martina Trommershausen, ist dann zu den German Friendships nach Herford, als oben auf einer der Tribünen, hinter daumendi- da, wo sich junge Reiter aus 35 Nationen im Zweickem Fensterglas mit flimmernden Fernsehern an

Jahres-Rhythmus treffen, gereist. Zusammen mit

der Wand, die das Renngeschehen, das nur einige

Kendall Kruger, Corliss Chi, Patricia Chan und

Meter entfernt live abläuft, fast live zeigen, gerade

Oi Man Leung, um zu erleben, wie das ist, wenn der

Hummer gereicht wird. Es dauere, ehe aus einem

eigene Sport keiner am Rande ist. Sondern das Zen-

Galopp- ein Reitpferd werde. Mehrere Monate lang. trum von allem bildet. Diese Besuchermassen. Diese Es erfordere Geduld und Einfühlungsvermögen, Zeit, Nichtreiter, die sich auch begeistern lassen. Dieses viel Zeit, und eine enge Verbindung zwischen Pferd

Miteinander unter den Reitern. Sie schwärmen noch


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heute, Monate später, von diesem Erlebnis. Jede Rei- alleine nicht. Denn er braucht gleich drei Fürspreterin, jeder Reiter aus Hongkong bildet mit einem

cher. Und die sind – hier schlägt der elitäre Grundge-

deutschen Reiter ein Team, es wurde gemeinsam ge- danke dann nochmals durch – nur schwer zu finden. wonnen, zusammen verloren. Vor allem aber, noch

So ist dann das Pferd von Lennard nur ein geliehenes.

enger zusammengerückt. Sie alle dürften, müss- Eines zwar, das nur er reiten, mit dem nur er Wettten das als absolutes Privileg verstehen.

kämpfe bestreiten darf. Aber

Gesponsert vom Hongkong Jockey Club

so richtig gehören? Tue es ihm

nach Deutschland zu fliegen, dort auf

dann doch nicht. Was manch-

ganz anderen Pferden sitzen zu dürfen. Und zu spüren, wie das ist, wenn Reiten nicht 2.500 Menschen wie in Hongkong, sondern Hunderttausende fasziniert. Und das immer aus der Beziehung MenschTier heraus. Hier in Hongkong sind die Beweggründe manches Mal ganz andere. Es kommen Interessierte her, die haben Angst vor den großen Vierbeinern. Die wollen nur aufsitzen, losreiten, absitzen, nach Hause fahren. Reiten also nutzen fürs Ansehen, für das Anheben der gesellschaftlichen Stellung. Oder, bei den Kindern, für den Lebenslauf. Denn hier

mal ein merkwürdiges Gefühl

beginnt die Schule schon für die andert-

sei. Erzählt der Sohn eines

halb-Jährigen. Hier startet der Druck

chinesischen Vaters und einer

des Lernens und Lebens

deutschen Mutter. Seine Zeit in

schon mit drei, stehen

Hongkong? Schon jetzt, mit 14

die ersten wichtigen

Jahren, gezählt. Zu begeisternd

Prüfungen mit fünf Jah-

die Erlebnisse in Deutschland,

ren an. Jeder will ganz

in Herford. Wenn du den Reit-

vorne, besser noch: der

sport nicht nur liebst, son-

Beste sein. Bei den Kin-

dern lebst, dann bist du nur

dern, vor allem: unter

da glücklich. Weiß Lennard

den Eltern. Und wenn

schon jetzt. Wobei Martina

sich schon in der Schule

Trommershausen keinen wirk-

leistungsmäßig kaum

lich unglücklichen Eindruck

noch etwas optimieren

macht. Ganz im Gegenteil. Es

lässt, dann gewinnt die

dauere manchmal Jahre, ehe

ohnehin sehr eng bemessene Freizeit an Bedeutung. alle bürokratischen Hürden genommen seien, ehe Es lese sich einfach gut, wenn Reiten im Lebenslauf

sie beispielsweise neue Sättel bestellen könne. Aber

auftauche. So die Erklärung, dass hier Kinder neben

sonst? Sei hier doch alles so ausgerichtet, dass dem

Ponys stehen und irgendwie beiden unwohl zu sein

Reitvergnügen nichts im Wege stehe. Es sei heraus-

scheint. Dabei ist der Aufwand ein immenser. Die

fordernd, für den wohl bekanntesten Jockey Club der

drei öffentlichen und die eine private Reitschule lie- Welt zu arbeiten. Schwer zu erreichen und befriedigen weit entfernt von Innenstadt und Wohnort. Eine

gend zugleich, zu sehen, wie ein Galopper, der vor

Stunde Anfahrt? Kein echtes Problem. Die Kosten?

Monaten noch um Millionen-Gagen in Richtung

Erst recht nicht problematisch – wer sich fürs Reiten

Zielstrich hechelte, jetzt von jungen Reitern ins

entscheidet, für den dürfen die Finanzen nicht ent- Rund dirigiert werde. Wie lange sie hierbleiben scheidend sein. Wer gar Mitglied im Hongkong Jo- will, wie lange sie unterrichten, selber immer dann ckey Club werden möchte, dem hilft allerdings Geld

auf den Pferderücken steigen will, wenn mal keine


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Reitstunde ansteht, wenn die fest vorgegebenen

Tasche, dann will er rübersiedeln nach Deutschland.

Wochenarbeitsstunden von 48 überschritten sind?

Vorher aber zwei Mal noch nach Herford kommen,

Schwer zu sagen. An Abschied? Denkt sie derzeit

noch mehr echte Reiteratmosphäre nicht nur ein-

keinesfalls. Lieber an: hierbleiben. In einer Stadt, atmen. Sondern aufsaugen. Will den richtig Gudie wohl eine der sichersten der Welt ist. In der das

ten zusehen, mit denen trainieren, die weiter sind

öffentliche Verkehrsnetz so funktioniert, wie bei uns

als er. Der Reitervirus? Längst hat er sich mit dem

nur in der Werbung. In der das Leben, gerade das

infi ziert. Es gehe darum, ihn noch weiter zu vertiefen.

einer Reiterin, kaum perfekter sein kann. Gut, Platz

Parallel das dann beginnende Studium nicht aus den

gäbe es eigentlich nie. Nicht zum Ausreiten, nicht

Augen zu verlieren. Die freie Zeit, jede freie Minu-

zum Beherbergen der Tiere. So stellen sie die Tiere auf

te aber zum Reiten zu nutzen. Um sich den großen

Hongkong Island gleich auf zwei Etagen, Not macht

Traum zu erfüllen. Irgendwann dann nicht nur mit

auch hier erfi nderisch. Ihr Leben? Dreht sich nur um

anderen Nationen in Herford anzutreten, sondern ge-

die Vierbeiner mit den großen, den nach vorne auf- gen andere bei internationalen Meetings, bei Olympia gerichteten Ohren.

gar. Zielstrebigkeit charakterisiert die Jugendlichen

Davon ist Lennard noch drei Jahre entfernt. am meisten, die hier an der Reitschule mit sechs, sieDann hat er den Abschluss am Gymnasium in der

ben Jahren erstmals auf einem Pferd saßen.

Die zähne bringen spangen in form, die Eltern lehnen stolz am begrenzungszaun der reitplätze und schauen zu, wie ihre Kinder zu Erwachsenen werden. und dabei lernen, dass Erfolg von Training und Einsatz kommt. in der schule. im leben. und eben auch auf dem Pferderücken. was eine Erkenntnis sei, die überall auf der welt gelte. nur hier irgendwie ein wenig mehr. sagt martina Trommershausen. und kann sich ein schmunzeln nicht verkneifen.


26


27

Es ist ja nicht unsere Art, einen Bericht, gerade wenn er von Autos handelt, die pure Fahrfreude versprechen, mit Zahlen zu beginnen. Aber diese hier, die sagen eigentlich alles: 3,9 / 5,5 /4,5. Soll heißen: Diesel in Liter pro 100 Kilometer innerorts, außerorts und einer bei Kombination aus beidem. Soll heißen: Der Wagen hier, der BMW 118d fährt quasi mit nichts. Also nur einem winzigen Hauch Kraftstoff. Laufen Sie mal 100 Kilometer. Und trinken dabei nur 3,9 Liter. Unvorstellbar. Der neue 1er also ist das, was seine Bezeichnung schon verrät. Spitze, wenn es um seine Effizienz geht. Dabei ist er kein Schleicher, keiner, der mangelnden Durst mit schleppender Fahrweise gleichsetzt. Er kann auch rasen, und wie. 212 Stundenkilometer in der Spitze, wenn er denn getreten wird. Die 100 km/h erreicht er in 8,9 Sekunden, auch der Durchzug ist einer, der sich sehen, viel besser aber noch spüren lassen kann.


28

Jetzt aber genug der Zahlen, das hier ist kein Auszug aus einer Fachzeitschrift für angehende Kfz-Mechaniker. Sondern ein durch und durch subjektives, alles andere als neutrales Werk, das die Augen vor schlichten Zahlen verschließt und sich dem Gefühl aus der Bauchgegend hingibt. Der freundliche Mitarbeiter vom BMW-Haus

1er nennt, der wird den ersten Tabellenplatz schon bei der Namensgebung

B&K in Herford bringt den 1er direkt am Büro vor- im Blick gehabt haben. Selbst wenn das bei. Und der, also der Wagen, nicht der Mitarbeiter, Auto in der firmeneigenen Hierarchie erntet gleich Applaus. Auch wenn eigentlich bei- eben nur die Basis bildet. Das Schlussde einen solchen verdient gehabt hätten. Schreib, licht ist er damit noch lange nicht. Indass das eine wunderschöne Farbe ist. Rät die eine

nendrin also: eine Verarbeitungsquali-

Kollegin. Erwähne, dass er vorne jetzt noch schö- tät, die schlicht begeistert. Die Nähte ner geworden ist. Wünscht sich die andere. Dabei

sauber gezogen, das Alu gebürstet, das

ist der visuelle Sprung, den sie da bei BMW vom 1er

Cockpit eines, das über alles informiert

der ersten hin zur zweiten Generation getätigt ha- und doch nicht überfordert. Wer im 1er ben, kein allzu weiter. Oder gar gewagter. Zumin- Platz nimmt, der fragt sich, was im 7er, dest, wenn es um den ersten, den flüchtigen Blick

also auf der anderen Seite der BMW-

geht. Wer aber erst einmal eingestiegen ist, der

Skala, noch luxuriöser, noch edler sein

bemerkt den feinen Unterschied. Wer sein Auto

könnte. Und erhält keine befriedi­gende


29

Antwort. Doch wer will schon im 1er nur sitzen? Also den Motor mittels Start-Stopp-Knopf angeworfen und losgebraust. Nach den ersten Metern schon der erste Eindruck: Der 118d ist das, was man in der Stadt braucht. Nicht mehr, nicht weniger. Wendig, klein, in jede Parklücke leicht zu dirigieren. Dabei geht es den meisten Menschen ja ge-

auch alles bayrisches Understatement.

nauso wie dem 1er. Je äl-

Das dann doch Druck ausübt. Und nach

ter sie werden, desto mehr

oben tritt. Denn wenn der 1er hier, im-

nehmen sie an Leibesfülle zu.

merhin der kleinste BMW, den es zu

Beim 1er ist das nicht anders.

ordern gibt, einen solch gelungenen

Er ist jetzt auch angewach-

Eindruck hinlegt, wie müssen sich

sen, in der Länge 8,5, in der

dann 3er und 5er fahren? Bei B&K in

Breite 1,7 Zentimeter. Hört

Herford haben sie die Antwort parat.

sich nicht nach sonderlich

Es geht noch luxuriöser, noch sanfter

viel an, fühlt sich aber gut,

dahingleitend, noch bissiger antretend.

sprich ausladend an. Das

Wer das aber braucht? Wenn der Weg

merken vor allem die, die auf

meist ein solistisch angegangener ist?

den vorderen beiden Sitzen

Schwer zu sagen. Das ist schon ver-

platznehmen. Aber wissen

dammt viel Geld. Für einen Basispreis,

Sie was? Wer kauft denn so

weit unter 30.000 Euro. Aber auch hier

einen 1er? Der Familienvater,

geht noch was. Hat sich der Mitarbeiter

der gewappnet sein will für

gedacht, der bei B&K für die Bestellung

das Nachhausebringen als

der Vorführwagen verantwortlich zu

letzten Akt des Kinderge-

sein scheint. Und hat für sage und in

burtstags der eigenen Toch-

diesem Fall vor allem auch schreibe

ter? Oder der Abteilungslei-

rund 13.000 Euro Sonderausstattun-

ter, der die halbe Belegschaft mit zum

schobenwerdens aufkommen lassen. gen hinzugeordert. Spätestens dann

gemeinsamen Bowlingabend nehmen

Der 118d ist das, was man die perfekte

wird der 1er zum ganz Großen. Aus-

möchte? Sicher nicht. Seien wir also

Fahrmaschine nennt. Er kann wild, er

stattungstechnisch wie auch preislich.

ehrlich. Der 1er ist ein Zweisitzer mit

kann bummeln. Er kann wieselflink

Sein? Muss das nicht. Denn ab Werk und

vier Sitzen. Aber einer, der im Koffer- durch die Kurven hetzen oder genüss- ohne Aufpreis gibt es alles zum Thema raum 360 Liter transportieren kann. lich und gemütlich dahin gleiten. Er ist, Sicherheit, Start-Stopp-Automatik, Und sein Volumen über die umgeklapp- dessen ist sich unsere heutige Fahrerin te Rückbank noch vervielfachen kann.

Klima, CD-Radio und Bordcomputer.

sicher, einfach ein sehr, sehr gutes Auto. Braucht es mehr? Fragt man sich nicht

Jetzt aber raus aus der Kleinstadt, Und eben auch ein, nun, unaufgereg- nur da. Sondern eigentlich die ganze rein ins ländliche Vergnügen. Vor uns

tes. Der 1er braucht keine dicken Backen, Zeit, wenn man den neuen 1er fährt.

werkeln 143 PS, die hinten anschieben, keinen Spoiler, keinen Rallyestreifen. Und entweder den Zahlen oder dem rumschieben, nie ausbrechen, eigent- Gekleidet im metallisch glänzenden

Bauch folgt. Die Antwort? Ist immer

lich nicht einmal ein Gefühl des Ge- Lack kommt er elegant daher, innen

die gleiche.


30


31

Die entscheidende Frage ganz am Schluss, nach einem anderthalbstündigen Gespräch über Mode und Mitarbeiter, Export und den Unterschied zwischen Damenund Herrenmode. Was tragen Sie da eigentlich für eine Jeans-Hose?

Unweigerlich fühlt man sich ein wenig

tung am Morgen, Fernsehen am Abend, sich Dr. Stella Ahlers und gibt sich die

unwohl, nicht aufgepasst, morgens vor

die dann doch – man dürfe das ruhig so

Antwort gleich selber. Mitarbeiter zu

dem Kleiderschrank. Nicht die eigene

nennen – nachdenklich stimmten. Sagt

finden, kleine Gruppen zusammenzu-

Garderobe auf das abgestimmt, was da

Dr. Stella Ahlers und tut dies mit die- setzen, die Kreativität und Initiative

am Spätnachmittag auf einen zukommt. ser dem Ostwestfalen innewohnenden

zeigen, die sich in neue Richtungen

War aber im Scherz gemeint. Oder: rein

Zurückhaltung, die wohl typisch ist für

aufmachen, die die ausgetretenen Pfa-

interessehalber. Ein prüfender Blick

Unternehmen und Unternehmerfami- de verlassen. Also natürlich im zuvor

also, ein sympathisches Lächeln, sieht

lie gleichermaßen.

doch auch gut aus. Das Modell der Konkurrenz.

festgezurrten Rahmen, aber nur Vor-

Es sei nicht die Sache des Mittel- schrift, nur Regeln? Führen dann doch standes – eigentlich auch ganz unab- zu keinem Ergebnis, das gewünscht

Zu Besuch also beim Bekleidungs- hängig, ob in Ostwestfalen oder anders- ist. Dabei – auch hier befindet sich die hersteller Ahlers, besser bei der Vor- wo in Deutschland –, laute, protzende

Ahlers AG in guter, in hervorragender

standsvorsitzenden Dr. Stella Ahlers, Worte zu wählen. Lieber mit Bedacht

Umgebung – erleben sie das gleiche wie

die sich Zeit nimmt, über das zu reden, geäußert, lieber sachlich bleiben, nie

viele andere im Kreis. Einen Mitarbei-

was Bilanz und Stimmung hebt. Und

euphorisch, nie zu gefühlsbetont, vor

ter für Vertrieb oder Design? Lässt sich

über das zu sprechen, was sich am

allem: nie etwas behaupten, was nach- noch ganz gut finden. Aber einen Tech-

Horizont zusammenbraut. Jetzt, Ende

her der Überprüfung nicht standzuhal- niker, einen, der sich im speziellen in

September, ist die objektive Lage doch

ten droht. Es ist also dann doch das ost- der Bekleidungstechnik auskennt und

eine sehr gute. Zahlen gut, Stimmung

westfälische Understatement, das auch

zuhause fühlt? Schon jetzt Mangelware.

gut, der Einzelhandel hoch zufrieden, hier gepflegt wird. In einem Haus, das

Und in Zukunft? Viel gesucht und noch

Umsatz und Ertrag der optimistischen

ruhig als traditionell bezeichnet wer- schwerer zu finden. Überhaupt biete

Planung in die Realität folgend, von

den dürfe. In dem es feste Regeln gibt. die Modebranche doch Perspektive

Krise weder hier noch im benachbarten

Die einzuhalten sind. Falsch verstehen

en masse, neue Berufsfelder tun sich

Ausland etwas zu spüren. Gut, Spani- dürfe man all das aber nicht. Es gehe

auf und wollen genutzt werden. Wer

en, Italien, vor allem Griechenland, da

durchaus darum, Mitarbeiter zu finden, Internetshops ins virtuelle Leben ruft,

sehe es anders aus. Aber hier, wo Ahlers

die nicht den Daumen von oben spü- der muss die auch mit Inhalt füllen.

mit all seinen Marken in der Hauptsa- ren mögen. Sondern Verantwortung

Nicht einmalig, sondern immer wie-

che vertreten ist? Also in Österreich, übernehmen. Und das richtig gerne, der, der Jahreszeit folgend, den Trend leidenschaftlich gar, tun. Vielleicht ist

vorausahnend. Auch hier: Mitarbeiter

verdunkelt kein Wölkchen die Sonne. das die eigentliche Herausforderung

gesucht, die sich vorstellen können,

Wären da nicht die Nachrichten, Zei- der kommenden Tage und Jahre, fragt

neues, sprich ungewohntes Terrain zu

der Schweiz, Benelux oder Polen. Da


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33

Mit einer Frauenquotenerfüllung ganz oben, am Kopf des Unternehmens. Was oben klappt, wartet ganz unten noch auf Realisierung, sagt die Vorsitzende des Vorstands lächelnd. Denn wenn es um die Geschlechteraufteilung bei den Auszubildenden geht, dann gibt es hier dann doch ein Ungleichgewicht. Allerbetreten. Apropos Internetshop. Auch

auffallen, nicht eine Persönlichkeit in

den gibt es bei der Ahlers AG. Bei Gin

den Vordergrund stellen und damit sel- hier vor allem Bewerberinnen eine Mit-

Tonic schon etwas länger, bei Otto Kern

ber eine Position beziehen. Dann doch

arbeit vorstellen können, ist Realität.

frisch eingeführt, für weitere Ahlers- lieber den verlässlichen (Fachhandels-)

Dabei sind männliche Auszubildende

Marken in Planung. Gefragt, ob solche

dings ein ungewolltes. Denn dass sich

Partnern den Rücken stärken. Und wis- gleichermaßen willkommen. Aber der-

Aktionen nicht den Unmut der Händler

sen, dass das beiden nützt, die Zahlen

zeit kaum unter den Bewerbern. Auch

auf sie ziehen würden, winkt Dr. Stella

ansteigen lässt. Und die steigen, sind

kaum zu ändern ist das Verhalten de-

Ahlers eher ab. Als die ersten Outlet- derzeit gar sehr erfreulich. Was ja als

rer, die sich längst ausgebildet um eine Mitarbeit bewerben. Wie schafft man

Stores aufkamen, da waren die Ängste

Zustandsbeschreibung, ausgesprochen

groß. Und dann: haben die Fachhändler

von einer Ostwestfälin, kaum hoch ge- es, solche Fachkräfte von Düsseldorf,

schnell gemerkt, dass das Klientel doch

nug bewertet werden darf.

ein unterschiedliches ist. Bei den eigenen Stores? Der gleiche Beginn. Und

Berlin oder Hamburg in den Kreis

Um das zu erreichen, verbinden

Herford zu lotsen? Schwer zu sagen.

die Verantwortlichen bei Ahlers auch

Und wie die, die hier ihre Ausbildung

dann die Erkenntnis, dass solche Shops

Geschäftssinn und Leidenschaft für an- absolviert haben, davon zu überzeu-

und Stores der Marke – und damit auch

dere Dinge miteinander. Die Förderung

gen, dass ein Studium nicht für jeden

dem Erfolg für alle Beteiligten – nur

von Kunst und Musik sind die beiden

der richtige Weg ist? Es gelte aufzuklä-

gut tun können. Jetzt also das Internet, Dinge, die sie sich hier auf die Fahnen

ren, ins duale Studium zu investieren,

mal über den eigenen Shop, dann über

das Praxis im beruflichen Alltag und

geschrieben haben und immer wieder

Otto.de, Neckermann.de oder wie sie

beherzigen. So geschehen in Mann- Über-den-Tellerrand-schauen in der

alle heißen. Und auch hier werde sich

heim, wo bei einem sehr guten Fach- Theorie vermittelt. Vor allem aber: zu

das Klientel aufteilen. Das eine, das

einzelhändler Bilder und Skulpturen

zeigen, dass Herford doch nicht nur

gern im Internet bestellt. Und das an- von Yves Klein aus der Kunstsammlung

einiges, sondern vieles zu bieten habe.

dere, das großen Wert auf Service, auf

der Ahlers AG gezeigt wurden. Auf nur

Längere Zeit hat Dr. Stella Ahlers in

persönliche Beratung lege. Also beim

wenigen Quadratmetern. Und doch

Zürich gelebt. Und heute? Bei dem

Fachhändler richtig ist. Erzählt Dr. viele tausend Besucher, und damit auch

Beruf, bei der Beanspruchung durch

Stella Ahlers. Und der Zuhörer merkt, potentielle Kunden, anziehend.

Verantwortung und Position gefällt es

dass ihr beides und beide wichtig sind.

ihr auch wieder in Herford. Die Luft

Auch hier also: ein Wirken, das

Der Fachhandel bildet dabei derzeit das

nicht an die große Glocke gehängt wird. eine klare, die Wege kurz, die Land-

Herzstück, ist der Partner, den es direkt

Sondern eher an viele kleine. Es habe

schaft wunderschön und eigentlich all

am point of sale zu fördern gelte. Lieber

sich bewährt, dieses Handeln ohne

das am Ort, was man wirklich braucht

hier Marketingaktionen starten, hier

die ganz große Bühne. Dabei ist die

zum Leben. Aber so ganz ist Zürich nie

das Marketingbudget einsetzen, als wie

Ahlers AG eigentlich eine der Großen. aus ihrem Leben verschwunden. Eine

Wettbewerber auf die Ausstattung ei- Mit Produktionsstandorten in Polen

kleine Zuflucht an den Wochenenden

nes Prominenten setzen. Auch hier also:

und Sri Lanka. Mit einer Export­quote

ist die Schweizer Metropole immer

nicht durch im Erfolg kaum messbares

von 48 Prozent, Tendenz steigend. noch für sie.


34

Die gelben Filzkugeln jagen ganz knapp über das Netz, schlagen auf dem roten Belag auf und springen dann weiter in Richtung Spielfeldaus. Immer wieder die gleiche Bewegung, immer wieder den Ball in die Luft werfen, Maß nehmen, den Schläger schwingen, gefolgt von einem Aufschlag, auf den manch ein „Fußgänger“ stolz wäre.


35

„Fußgänger“, das sind für Sabine Eller- Biologie, nicht aber das Fach Sport brock all diejenigen, die nicht wie sie

Beschwerden traten immer wieder auf,

unterrichten kann. Dennoch zählt

wurden stetig intensiver“, erzählt Sabi-

im Rollstuhl sitzen, die an der Tennis- die sportliche Bewegung immer noch

ne Ellerbrock an diesem Freitagmittag.

Grundlinie entlanglaufen, nach vorne

bzw. wieder zum Mittelpunkt ihres Le- Die Haare, eben noch vom Stirnband

zum Netz hetzen, dann wieder langen

bens. Nun allerdings nicht mehr an der

Bällen nach hinten folgen können. Wie

Grundlinie tänzelnd auf den gegneri- sitzt sie am Tisch und erinnert sich. „Es

zusammen gehalten, jetzt verschwitzt,

das geht, wie sich das anfühlt, weiß die

schen Aufschlag wartend, sondern fest- kam vor, dass ich über meine eigenen

35-Jährige nur zu gut. Selber hat sie als

geschnallt und in einem Tennisrollstuhl

Füße stolperte und letztlich stellte sich

Fußgängerin an den gelben Ball in der

sitzend. Den lädierten Fuß hat sie dabei

heraus, dass sich ein chronisches Kom-

Regionalliga und im Doppel in der Bun- mit einem Verbandsschuh geschützt - partmentsyndrom entwickelt hatte. desliga beim Bielefelder TTC geschlagen, gegen Berührung, gegen Druck, gegen

Der Muskel war zu groß für die Mus-

hat u. a. auch beim TC Rödinghausen

Zugwind. Wie es kam, dass die junge

kelhülle geworden und bei Belastung

gespielt, ist heute Mitglied im TC Her- Frau nun aus der Rollstuhlperspektive

führte die Volumenzunahme zu Druck auf Nerven und Blutgefäße.“ Bis diese

ford, auch wenn sie – da ihr Trainer

zum Aufschlag ansetzt? „Das ist eine

Kai Birck in Bielefeld tätig ist – meist

lange Geschichte“, erzählt sie. Sie be- Diagnose stand, dauerte es aber fast 1 ½

in ihrem Wohnort trainiert. „Sport

ginnt mit der Leidenschaft Marathon- Jahre. In dieser Zeit suchte Sabine Eller-

hatte für mich immer eine große Be- lauf. In etwa 3 Stunden und 30 Minuten deutung“, erzählt diejenige, die immer

brock Spezialisten auf, ließ sich immer

bewältigte sie die 42 Kilometer-Distanz. wieder untersuchen, bevor letztlich

aktiv war und mit dem Sportstudium „Eines Tages war dann aber von jetzt auf

eine Sondenuntersuchung in Bielefeld

die Leidenschaft, die Berufung zum Be- gleich die Laufkoordination weg – Be- Gewissheit brachte. „Die Zeit bis zur ruf machen wollte, heute aber aufgrund

lastungsschmerzen wurden begleitet

Gewissheit war schon sehr belastend.

ihrer Behinderung nur noch Mathe und

von einer Fußheberschwäche und die

Ich versuchte viel, pausierte, machte


36

eine Dehntherapie, aber nichts half davon. Wer selber sportbegeistert ist, weiß, wie man sich fühlt, wenn man sich nicht mehr wie gewohnt bewegen kann.“ Aufgrund des zu hohen Muskeldrucks riet man Sabine Ellerbrock zu einer Operation, in der die Muskelhülle gespalten werden sollte – eigentlich ein Routineeingriff. Die junge Lehrerin wollte sich freitags der OP unterziehen und montags mit Gehhilfen vor ihren

Morbus Sudeck oder auch CRPS I (Chro-

Schülern im Bielefelder Gymnasium

nisch regionales Schmerzsyndrom, chro-

stehen, aber irgendetwas ging schief. nical regional pain syndrome). „Wenn sie „Nach der Operation entwickelte sich

eine gute Anlaufstelle finden, lassen sie

ein großes Hämatom, das man leider

es mich wissen, denn das würde mich

erst spät erkannte. Nachdem dieses

auch interessieren“, gab ihr der behan-

ausgeräumt war, schwoll der Fuß an

delnde Arzt wenig aufmunternd mit auf

und wurde sehr schmerzempfindlich“, den Weg. Von da an begann, was die erinnert sich Sabine Ellerbrock ungern

35-Jährige heute als „Klinik-Hopping“

zurück. Bei der Kontrolluntersuchung

bezeichnet und was zu keiner Besserung

im Krankenhaus bekam sie dann die

führte. Körperlich und psychisch ging es

Diagnose, die ihr Leben veränderte:

immer schlechter. Weil sie Medikamente


37

nicht vertrug magerte sie bis auf 45 Kilogramm Körpergewicht ab, die Beziehung ging in die Brüche, der Fuß durfte nicht berührt werden – so schmerzempfindlich war er inzwischen. Starke Schmerzmittel waren damals, vor drei Jahren, ihre ständigen Begleiter. „Es gab durchaus Situationen, in denen ich das Leben als nicht mehr lebenswert eingestuft habe. Den letzten Schritt bin ich aber Gott sein Dank nicht

Rollstuhl als Sportgerät zu akzeptieren, auf die Anfänge zurück. Seit zwei Jah-

gegangen.“ Im August 2008 entschied

denn damit demonstrierte man auch

ren spielt sie nun Rollstuhltennis und

sie sich zur Implantation eines Neuro- nach außen, dass man keine Verlet- hat inzwischen unzählige Stunden stimulators, der – in Kombination mit

zung, sondern eine Behinderung hat.“ auf dem Trainingsplatz verbracht und

einer Rehamaßnahme – zu einer ste- Auch im Alltag griff Sabine Ellerbrock

Turniere überall auf der Welt gespielt.

tigen Verbesserung führte, auch wenn

mehr und mehr auf den Rollstuhl zu- Mittlerweile ist sie in den Top Ten der

Ellerbrock weiter auf Schmerzmittel

rück, denn an Knie, Hüfte und Rücken

Welt in ihrer Sportart angekommen,

angewiesen war. Silvester 2008 mach- war das jahrelange an „Krücken“ gehen

belegt derzeit Rang sechs der aktu-

te sie dann einen Schnitt. „Vorher war

nicht spurlos vorbei gegangen und auch

ellen ITF-Weltrangliste. Sie trainiert

ich dem „Alten“ hinterhergelaufen. Mit

nicht an einem Fuß, der eigentlich gar

diesem Tag richtete ich den Blick wie- nicht aufgesetzt werden wollte und der

nur mit Fußgängern, weil es niemanden im Umkreis gibt, der – ebenso

der nach vorne und arrangierte mich

Berührung mit Schmerz quittierte und

wie sie – Rollstuhltennis spielt. Auch

mit meiner Erkrankung bzw. meiner

dies bis heute noch tut.

Verbands- und Oberligaspieler/innen

erworbenen Behinderung, machte das

Ellerbrock selber hatte mit dem

fungieren als Sparringspartner/innen.

Beste daraus.“ Sie schrieb verschiede- 31.12.2008 den Rollstuhl als Sport- „Das Spieltempo ist weniger das Probne Behindertensportverbände an und

gerät angenommen, aber nun galt es, lem, aber es gibt Winkel, die im Stuhl

musste nicht lange warten, bis sich der

den Umgang zu erlernen: „Die Schläge

spielend nur schwer erreichbar sind. Es

damalige deutsche Rollstuhltennisver- bereiteten mir anfangs weniger Prob- ist im Rollstuhl sehr viel schwerer das band meldete und sie zu einem Probe- leme, aber das Rollstuhlfahren musste

Feld abzudecken, weshalb es auch eine

training einlud. Es war sofort die alte

ich erst einmal lernen, was am Anfang

Sonderregel im Vergleich zum Fußgän-

Leidenschaft geweckt. „Anfangs war

ganz schön mühsam war – Muskelkater

gertennis gibt: Der Ball darf zweimal

es für mein Umfeld etwas schwer, den

ohne Ende …“ , blickt Ellerbrock heute

auftrumpfen, bevor er geschlagen wird.


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Dann überlassen Sie das ruhig uns. Damit am Ende mehr übrig bleibt als grüne Früchte.


39

Was hat der Sport bislang gebracht? Er hat Sabine Ellerbrock zu einem neuen Selbstwertgefühl verholfen, ihr geholfen, neue Ziele zu verfolgen und neue soziale Kontakte zu knüpfen, wieder am Leben teilzunehmen. Wer sein Leben lang aktiv war, kann nicht einfach damit aufhören. „ Dennoch ist Sport nicht mehr das gleiche wie vorher, früher habe ich mich sehr unter Druck gesetzt, heute genieße ich das, was ich im Sport erfahre – die Perspektive hat sich geändert. Dass ich im Leistungssport lande, war nicht intendiert, sondern hat sich letztlich ergeben, ohne dass ich das von vornherein angestrebt hätte“, sagt Sabine Ellerbrock. „Daher bin ich wahrscheinlich auch so erfolgreich – ich bin einfach zufrieden.“ Hilfe braucht sie dennoch. Hilfe, sich den Traum von den Paralympics zu erfüllen. Sie möchte dabei auch anderen ein Vorbild sein, andere motivieren, denn sie hat selber erfahren, wie schwer es zunächst ist, sich nach einem Rückschlag wieder aufzuraffen.

Wer oder was wird gesucht? Menschen, die Sabine Ellerbrock auf ihrem Weg unterstützen wollen, sei es finanziell oder materiell. Ein großes Problem stellt derzeit das zu kleine Auto dar, denn darin lässt sich nicht alles transportieren. Darum wäre z.B. Das versucht man aber zu vermeiden, Krankheit einstellten. Vom Lehrerbe-

ein größeres Auto, in dem sich auch das

denn es ist nach dem zweiten Trump- ruf ließ sie sich beurlauben, hat alles

Flightcase für den Sportrolli transpor-

fen viel schwerer, den Absprung ein- auf eine, auf die sportliche Karte ge-

tieren lässt, enorm wichtig, um Flug-

zuschätzen und man macht das Spiel

setzt und scheinbar gewonnen. Wie es

reisen problemlos bewältigen zu kön-

langsam und gibt dem Gegner mehr

danach, nach den Paralympics –viel-

nen. Daneben fallen reichlich Kosten

Zeit.“ Wenn es noch etwas zu verbes- leicht mit der erhofften Medaille – wei-

an: Reisekosten, Trainingskosten usw.

sern gäbe, dann sei es vor allem ihr fah- tergeht? „Dann geht es zurück in das

erfordern viel Geld, das sich allein aus

rerisches Können, aber auch mit dem „ normale“ Leben“, ist sich Sabine El-

den geringen Preisgeldern nicht refi-

gehe es vorwärts.

nanzieren lässt.

lerbrock sicher, denn zu lange will sie

Für die Paralympics ist sie so gut

nicht beruflich pausieren. „Es wäre

wie qualifiziert. „Wenn jetzt keine

schön, wenn sich eine Möglichkeit

Verletzung mehr dazwischen kommt, ergäbe, beides miteinander zu verein-

Kurz: Es wäre schön, wenn sich Unterstützer

dann sollte ich 2012 in London dabei

baren und ich würde gerne helfen, den

finden ließen, die an diejenige glauben,

sein,“ hofft und weiß Sabine Ellerbrock

Tennisrollstuhlsport in OWL bekannter

die bislang schon einen großen Schritt

zugleich. In solchen Momenten sind

zu machen, indem ich im Breitensport

geschafft hat: den Schritt zurück ins

die Schmerzen vergessen, vergessen

etwas anbiete.“ Wir werden sehen, was

Leben.

die finanziellen Nöte, die sich mit der

die Zukunft bringt.


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1101


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Tremine 23.11.2011

Business-TREFF: „Luschtige Geschichten und Witze“,

Ort: Darmzentrum Exter, Beginn: 19.15 Uhr

06.12.2011

Forum Personal und Organisation in Kooperation mit OWL Maschinenbau e.V.

Ort: Kreishaus Herford, Beginn: 13.00 Uhr

08.12.2011 Unternehmer-Frühstück

Ort: Erich-Gutenberg-Berufskolleg in Bünde, Beginn: 9.00 Uhr

14.12.2011

Weihnachtsfeier der Unternehmerinnen-Initiative

Ort: Restaurant Beckerkrug in Löhne, Beginn: 19.00 Uhr

18.01.2012

Business-AKTIV: Thema n.n.

Ort: SMV Sitz- u. Objektmöbel GmbH in Löhne, Beginn: 19.15 Uhr

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Es gibt diese Momente. Da sitzt man jemandem gegenüber, noch nie zuvor gesehen, noch nie über ihn etwas gehört, und man denkt: doch, so ein Leben hätte man sich auch vorstellen können. Eines im Zickzack-Kurs,

nicht vorhersehbar, nicht planbar.


44

Aber Planung? Das ist sowieso nicht

stellung zu geben. Warum also nicht

die er heute eher als Spielerlei, als Cow-

die Sache von Hubert Heinrichs. Ich

Sozialarbeiter werden? Weil es Jahre

boy & Indianer Spiel bezeichnet. Denn

lasse mich gerne überraschen, einfach

dauern sollte, ehe aus Wartenden Stu- damals, da war die Möglichkeit, in

treiben. Erzählt der Mann, dem man

dierende werden sollten. Einige seiner

vieles abnimmt. Nicht aber, dass er

Freunde hatten sich auf diese Warte- nicht nur zur Waffe zu greifen, sondern

ein Krisengebiet geschickt zu werden,

mal als Zeitsoldat gearbeitet hat. Ei- zeit eingelassen. Um am Ende eigent- damit auch auf andere zu schießen, vergentlich Sozialarbeiter werden wollte. lich durch die Bank zu erkennen, dass

schwindend gering. In der heutigen Si-

Dann zum Zimmermann wurde, dann

sie die falsche Entscheidung getroffen

tuation? Soldatsein, sich selber auf Jah-

den Meister dranhängte, Unternehmer

haben. Also wählte der junge Hubert

re verpflichtend? Unvorstellbar. Nach

wurde, heute als eine Mischung aus

Heinrichs einen ganz anderen Weg. Zur

der Bundeswehr dann die Neuorientie-

alledem arbeitet. Aber alles der Reihe

Bundeswehr musste er sowieso, war- rung. Was machen, wo das finden, was

nach. Nach der Schule konnte sich der

um dann nicht die komplette Wartezeit

Selbstständigkeit bietet, was Perspekti-

Hiddenhausener, damals noch in der

überbrücken. Vier Jahre verpflichtete

ve ermöglicht? Tischler vielleicht – die

Eifel lebend, sehr gut vorstelle, ande- er sich also, verlängerte noch einmal

Hände sind ja nicht ungeschickt –, aber

re Menschen anzuleiten, ihnen Hilfe- um vier Jahre und lebte in einer Welt, gibt es da nicht bald schon Maschinen,


45

die viele Handgriffe entbehrlich ma- mit solchen Kollegen auch den Eiffel- den machen, zu einem, der nur noch chen? Auf dem Dach aber, hoch oben, turm bauen, auch kein Problem. wird die Maschine nicht so schnell

von Projekt zu Projekt lebt. Der nicht

Nach der Lehre schnell die Meis- plant, der sich treiben lässt. In Tai-

Fuß fassen, so die simple Rechnung. terprüfung abgelegt. Wer jahrelang in

wan ist er gewesen, hat dort mit mehr

olivgrün geleitet hat, der will das nicht

als 100 Freiwilligen Häuser aus Lehm

für das Handwerk des Zimmermanns. missen. Und weiß, wie es geht. Also

und Holz gebaut. Auch in der Heimat

Also entschied sich Hubert Heinrichs

Lernte, den Werkstoff Holz zu lieben, wurde er zum Unternehmer, baute

setzte er erste Projekte um. Ein Haus

die Höhenangst zu überwinden. Lernte

in Spenge, ein Nichtsesshaftenhaus in

Dachstühle, stellte Mitarbeiter ein. Und

aber vor allem: Beim Hausbau gibt es ei- fand durch Zufall zum Verein Heim- Schweicheln, Bauten in Tschechien und gentlich keine Grenzen. Wenn du weißt, statt Tschernobyl. Die hier gestellte

Rumänien folgten. Und gleichzeitig

wie es geht, dann kannst du alles bauen. Aufgabe scheint einfach. Mit Menschen

entwickelte sich die eigene Firma wei-

Heute geht er noch einen Schritt weiter. vor Ort und Mitreisenden Häuser aus

ter, ein Geschäftsführer wurde einge-

Ganz gleich ob Arbeitsloser, Jugendli- Lehm in Weißrussland zu bauen. Was

stellt, fortan war Hubert Heinrichs In-

cher, Mensch mit Behinderung. Wenn

er da erlebt, sollte sein Leben verän- haber, Lenker aber nur noch zwischen

du weißt, wie es geht, dann kannst du

dern. Sollte ihn selber zu einem Reisen- den Auslandsaufenthalten. Wieso einer


46

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47

das eigene Unternehmen, die eigenen

Optimismus, vielleicht auch mal am

zehn Mitarbeiter häufig alleine lässt?

militärischen Ton, der die Richtung

Weil es geht. Und weil er seinen Traum

vorgibt, Kompetenz vermittelt. 57 Jah-

lebt. Den Traum vom Weitergeben des

re ist der Mann alt, der sich auch hätte

Gelernten, vom Motivieren, von der

vorstellen können, als Zimmermann,

Zusammenarbeit. Und es geht ja nicht

Spezialgebiet Fachwerkhausbau, in

nur um die Arbeit. Es geht darum, sich

die USA, nach Kanada zu gehen. Aber

abends mit Menschen an ein Lagerfeuer

alt, das ist eigentlich das falsche Wort,

zu setzen, die noch nie am offenen Feu- denn so sieht er gar nicht aus. Und so er saßen. Mit ihnen Rad zu fahren, zu

fühle sich das eigentlich auch gar nicht

singen, schwimmen zu gehen. Zu leben

an. Wie lange er, dennoch mit der Fra-

halt. Doch der Traum drohte auch zu

ge des Alters konfrontiert, sich denn

platzen. Als das eigene Unternehmen

dieses Leben noch vorstellen könne?

dann doch in Schieflage geriet. Also

Keine Ahnung, bis zum 70sten, zum

wieder selber das Ruder in die Hand ge- 80sten Lebensjahr vielleicht? Es gehe nommen. Und gleich rumgerissen. So

jetzt bei den Projekten – Ruanda könn-

lange wieder aufgerichtet, bis er es wie- te das nächste Ziel sein, oder Palästina, der aus der Hand – und neue Projekte

vielleicht auch ein soziales Bauvorha-

wieder in seine Hand nehmen konnte. ben ganz um die Ecke – ja mehr um die Nun baut er eine Kirche in Karlsruhe. Bauleitung, um die Organisation. Nicht Mit Freiwilligen, mit Gemeindemitglie- um Kraft und Ausdauer. Wobei, auch in dern. Erfüllend sei das. Und produktiv

diesen Disziplinen macht er nicht den

zugleich. Mitreißen tut er dabei, wie

Eindruck, als müsse er da Jüngeren

bei den schwer vermittelbaren Jugend- den Vortritt lassen. Wann es auf wellichen, die erst gar nichts mit Hubert

cher Baustelle weitergeht? Schwer zu

Heinrichs anfangen konnten. Und am

sagen. Und eigentlich auch nicht wert,

Ende auf die geplanten zwei Stockwer- weiter darüber nachzudenken. Denn ke noch ein drittes setzen wollten. Viel- eigentlich hat sich immer alles gefügt. leicht liegt es an seinem grenzenlosen

War weder Plan, geschweigedenn Plan B notwendig. Irgendwann – meist zeitlich genau passend – tut sich schon ne Chance auf. Um anderen eine Perspektive zu geben. Eben beneidenswert, so eine Einstellung. So ein Leben.

Eben beneidenswert, so eine Einstellung. So ein Leben.


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49


50

Ganz am Ende des Gesprächs fällt Michael Boenisch dann doch noch etwas ein. Etwas, das er vermisst. Hier in Hongkong, vor allem in seinem Wohnort, in Nantong, in der Provinz Jiangsu. Das Spaziergehen im Wald, klare Luft, die Weite genießen. Irgendwo im weiten China gäbe es das sicherlich. Hier aber, an der Ostküste, dem Speckgürtel, ist beides Mangelware. Klare Luft und Wald gleichermaßen. Sonst aber ließe es sich hier gut leben. Und arbeiten. Erzählt der ehemalige Bünder, der sich 2003 aufmachte, um sein Glück in Asien zu suchen. Erst für einen Bielefelder Textilherstel- Wenn es z.B. um das Thema Beklei­ ler nach Singapur, aber das, das war

dung geht, wenn hohe Stückzahlen

eigentlich nur Asien light, zum Auf- und viel Handarbeit gefragt und die wärmen quasi. Als er das erste Mal in

Anforderungen anspruchsvollere sind,

die Provinz gereist ist, stand fest: Hier

dann kommst du auch heute nicht an

willst du, hier kannst du nie leben. Und

China vorbei. Weiß der 41-Jährige.

ein Jahr später ist er doch hergezogen. Sicher, in Bangladesch nähen sie ein Hat zunächst die Niederlassung für

einfaches T-Shirt, drei Nähte, keine

seinen ehemaligen Arbeitgeber einge- Tasche, keine Knöpfe schneller und richtet und schließlich im Januar 2005

kostengünstiger. Aber wenn es doch

die Asia Recon gegründet, ein Unter- einmal komplizierter wird? Oder der nehmen, das fünf weitere Unterneh- Taifun einsetzt? In Bangladesch gibt mer in China vertritt, in dem sein Va- es genau einen Hafen. Ist der dicht, ter daheim in Deutschland nach Firmen

geht nichts mehr rein, nichts mehr

sucht, die ihre Lieferanten in China

raus. Bleibt nur die Alternative Luft-

suchen. Es ist das Portfolio an solchen

fracht. Schnell und teuer. Und sicher-

Lieferfirmen, die das Kapital von Mi- lich nicht vorab einkalkuliert. Klingt chael Boenisch heute bilden. Denn die

abwegig? Ist auch ihm schon passiert.

Kleinen, die Unscheinbaren einer jeden

Die blutige Nase, die holen sich hier an-

Branche, die versteckt arbeiten und

fangs ganz viele. Weil sie hierherkom-

doch zeitnah und qualitativ hochwer- men, um mit und in China Geschäfte tig liefern, die findest du nicht auf der

zu machen, um sich gesundzustoßen,

Messe. Und nicht im Internet. Sondern

um die finanzielle Misere abzuwen-

nur dann, wenn du im Land unterwegs

den. Aber das klappt nicht. Wenn du

bist. Wenn du vor dem ersten Auftrag

herkommst, dann brauchst du gleich

da vorbeischaust, wenn du die Quali- mehrere Dinge. Zuerst eine ganz klare tätskontrolle selber übernimmst. Wenn

und vor allem realistische Vorstellung.

du auch dabei bist, wenn der erste, der

Von dem, was du willst. Und von dem,

zweite Container gepackt wird.

wie du willst. Deine Kriegskasse sollte


51

gut gefüllt sein. Und vergiss, dass du

Sondern auch, weil er hier gute Ver-

hier einfach billig einkaufst und teuer

kehrsanbindung an Shanghai hat, um

verkaufst. Die Zeiten sind längst vorbei. all die Lieferanten schnell zu erreichen, An Michael Boenisch ist mal ein Kun- die ihm zuarbeiten, die aus Geschäften de herangetreten, der wollte 100.000

gute werden lassen. Es geht um Ankauf

Golfbälle kaufen, schnell zu liefern, und Verkauf, um Consulting, um das 20% billiger im Preis als der des Markt- Bewältigen großer Stückzahlen, die führers. Da kannst du nur abwinken. per Container auf die Reise gen OstDas schaffst du bei gleichbleibender, westfalen geschickt werden. 800.000 bei vergleichbarer Qualität nie. Weiß

Einwohner zählt Nantong, 8 Millionen

der Kenner. Wichtig auch zu wissen, die gesamte Region. Und auch hier lässt dass der Verhandlungspartner immer

sich beobachten, was überall im Osten

erst einmal nickt. Unmöglicher Preis?

zur Realität wird: Die Autos werden

Kein Problem. Nicht zu haltender Lie- dicker, die Kleidung teurer, die Armfertermin? Gerne zugesagt. Aber eben

banduhren protziger. Und: Die Löhne

nur auf den schnellen, den flüchtigen

steigen. Und damit auch die Kosten

Blick. Der Chinese will sein Gesicht

für den, der hier im Auftrag produ-

nicht verlieren – und sagt erst einmal

zieren lässt. Längst ziehen die ersten

prompt zu. Die Misere, das böse Erwa- Firmen weiter gen Westen, tiefer rein chen kommt dann später. Dann muss

in ein Land, in dem der schnelle Euro,

man Fingerspitzengefühl beweisen und

der schnelle Dollar dann doch nicht so

versuchen, das vom Kunden Geforder- einfach zu machen ist. Willst du hier te und vom chinesischen Lieferanten

eine Produktionsfirma hochziehen,

Gebotene unter einen Hut zu kriegen. dann steht dem anfangs wenig entWas nicht immer einfach ist, da hier

gegen. Die Behörden sagen Steuerver-

zwei völlig verschiedene Mentalitäten

günstigungen zu, verzichten auf die

aufeinandertreffen. Und diese kann

Erfüllung von Auflagen. Steht die Halle,

man nicht aus Büchern erlesen oder

fährt die Produktion an, dann kann es

auf Messen kennenlernen, man muss

vorkommen, dass all die Zusagen ver-

sie fühlen, schmecken, riechen, man

gessen sind. Ärgerlich. Und mehrfach

muss sie erleben. Wenn nichts ande- schon vorgekommen. Ob denn da das res mehr hilft, nimmt Michael Boe- hilft, von dem hier in Deutschland nisch keine große Rücksicht auf sein

überall erzählt wird? Von Handgeld,

Gegenüber, denn schließlich vertritt

Bestechungen, die zum Alltag gehören.

er die Interessen seiner Kunden. Und

Doch, das gibt es. Ist nicht zu leugnen.

die wollen 100% Qualität, genauso wie

Erzählt Michael Boenisch, als wir ihn

die chinesischen Lieferanten 100% Ver- in Hongkong treffen. Und vor allem: sei gütung wollen. Sagt der, der mit dieser

nicht zu ändern. Man müsse schauen,

Taktik gut gefahren ist. Der, der manch

dass es sich am Ende rechnet. Dass das

einem heimischen Unternehmen Start- übrig bleibt, was man sich selber vorhilfe gibt, wenn gen Osten expandiert

ab errechnet hat. Und ganz ehrlich?

wird. Seine Firma liegt in Hongkong, Eigentlich sei das doch menschlich. der Steuer wegen. Der Aktionsradius

Da nimmt die Anzahl der neuen Autos

ist ein großer, Lebensmittelpunkt aber

immer mehr zu, Barcodes an der Sei-

ist Nantong. Nicht nur, weil er da sei- te vom Lieferanten, die nicht abgezone Frau kennenlernte, heute hier mit

gen werden, Folien auf den Sitzen, die

ihr und seinem zweijährigen Sohn lebt. nicht entfernt werden, beweisen das.


52

Und man selber soll als normaler Ar- Mutter chinesisch, seine Großeltern beiter mit 200 Euro netto im Monat

chinesisches Platt. Mit seiner Frau

klarkommen. Der Druck wächst. Auf

unterhält sich Michael Boenisch eng-

die, die zu wenig haben. Und gerne viel

lisch, beide fluchen deutsch, mit seiner

mehr hätten. Wer will es da verdenken, Schwiegermutter muss die Körperdass die Hand geöffnet und gerne län- sprache herhalten. Was manches Mal ger aufgehalten wird?

gut klappt. Und es durchaus Situati-

Wer sich mit Michael Boenisch un- onen gäbe, in denen es wunderbar ist, terhält, der taucht tief ein ins chinesi- dass es nicht funktioniere. Es ist eine sche Leben. Selber hat es bei ihm eini- multikulturelle Welt, in die Michael ge Zeit gedauert. Zuerst kannte er jede

Boenisch da eingetaucht ist. Die Woh-

Filiale amerikanischer Imbissketten

nung eingerichtet mit IKEA, hier in

auswendig, spielte abends mit Freun- Asien stark boomend und immer noch den Billard in der Stammkneipe. Immer

verlässlich, wenn es um Qualität und

dabei: ein Chinese, ein verdammt guter

Sicherheit fernab der Heimat gehe. Die

Billardspieler. Der fragte irgendwann, roten Ampeln an Kreuzungen dienen wie das eigentlich aussehe, mit einer

als Hinweise, mehr nicht. Wenn der

Freundin, jetzt, wo er schon drei Jah- Chinese eins nicht kann, dann Auto re hier sei. Schulterzucken, Blättern

fahren. Was den in Bünde aufgewach-

im Adressbuch der Frau des Chinesen

senen Michael Boenisch schon in Erwä-

und das erste Date war perfekt. Und en- gung ziehen ließ, hier eine Fahrschule dete im Glück. Und endete auch in 18

zu gründen. Und beizubringen, dass

Abendessen, die das verliebte Paar dem, die Hupe nicht der Teil des Autos ist, der sie zusammenbrachte, spendieren

der am häufigsten beansprucht werden

musste. Hurra geschrien haben die

sollte. Vor allem aber ist es ein Land, in

Eltern seiner zukünftigen Frau nicht, dem du Klartext reden solltest. Auch als sie von Hochzeit sprachen. Erzählt

wenn das der Etikette nicht entspricht.

Michael Boenisch und zwischen den

Am Ende aber doch weiterhilft. Er hat

Worten, in den Pausen lässt sich er- sich dran gehalten, hat für den Fall der ahnen, dass eine Langnase eben nur

Fälle ein Netzwerk an Anwälten und

eine Langnase – und nicht gerade der

Steuerberatern hinter sich, die auch

Lieblingsschwiegersohn ist. Als dann

denen helfen können, die hier unter-

ein Sohn zur Welt kam, glätteten sich

nehmerisch sesshaft werden wollen.

die Wogen. Nur die Namensfindung bot

Was er noch empfehle? Chinesisch zu

Stolpersteine. Moritz sollte er heißen. erlernen. Lange hat er sich damit heNur der zukünftige Opa konnte vor al- rumgequält, hat jeden Morgen für anlem eins nicht: den Namen irgendwie

derthalb Stunden dem Sprachlehrer im

aussprechen. Also wurde es ein Emil, eigenen Büro zugehört. Und nach sechs das geht, auf Deutsch, auf Englisch, auf

Monaten doch die Flinte ins Korn ge-

Chinesisch. Emil ist jetzt zwei Jahre alt. worfen. Zu schwierig die Sprache, zu Und hat noch kein Wort gesprochen. rar die Zeit, um abends noch Vokabeln Kein Wunder und hier alles andere als

zu büffeln. Ärgerlich, ja. Aber nicht zu

ungewöhnlich, wächst er doch in ei- ändern. Wobei die Freizeit eher eine ner Welt auf, die zumindest sprachlich

gering bemessene ist. Abends? Geht es

kaum komplizierter sein könnte. Sein

vor den Fernseher, zu selten zum Sport,

Vater spricht mit ihm deutsch, seine

manchmal noch raus in die Kneipe.


53

Gerade wird das erste Großkino gebaut, verlängern. In diesem Jahr? Musste er sogar Starbucks kam her. Und er hält

schon ausreisen, um mit neuem Vi-

den großen Pott Kaffee hier bei Star- sum bedacht wieder einzureisen. Eibucks in Hongkong noch ein wenig

nem Kollegen ist es schon passiert: Der

fester, als sei das etwas, an dem man

musste sich von alkoholisierten Jung-

sich festhalten könnte, in einer Welt, reichen anpöbeln lassen. Dass es Zeit die fremd ist, auch wenn sie eine ge- sei, dass die Zugereisten, die sogenannwohnte ist. Wie lange bleibt man hier, ten Expats (von expatriate = ständig im mutet man dem eigenen Sohn zu, später

Ausland lebende Person) nicht mehr

zwölf Stunden pro Tag in die Schule zu

erwünscht seien. Freundlich wieder-

gehen und abends und am Wochenen- gegeben. Alles offen also. In einer eide noch durch Klavier-, Trompetenund

genen Welt, in der die schnelle Mark,

Reitunterricht sich abzusetzen von der

der flotte Euro eben nicht mehr einfach

ebenfalls lernenden Masse? Schwer zu

so, an jeder Ecke zu machen sei. Und es

sagen. Erst einmal: hierbleiben. Und

ihn doch noch gebe. Wenn man genau

später vielleicht: doch zurückgehen. hinschaut, vorher abschätzt, auf was Auch Ostwestfalen wäre eine Alterna- man sich bei der Suche einlässt. Und tive, zurück nach Bünde. Ist doch ein

vor allem eins weiß: Die Preise werden

herrliches Plätzchen, um zu leben. Und

steigen, auch hier. Wenn du aufwän-

wer weiß, vielleicht wollen sie ihn ja

dige Massenware suchst, dann bist du

irgendwann gar nicht mehr hier ha- hier immer noch richtig. Noch. Und ben. Vergangenes Jahr noch, da ging

wenn nicht mehr? Dann gibt es bald

er einfach zur Polizei, brachte einen

keine Plätze mehr auf der Erde, wo es

Stapel Dokumente mit und ließ sich

noch günstiger, noch schneller, noch

seine Aufenthaltsgenehmigung ein Jahr

besser geht.

Vielleicht ist das dann ja der Zeitpunkt, wo Michael Boenisch mit seiner Familie den Flieger besteigt. Zurückkehrt in eine Welt, die ihm auch nach so langer Zeit nicht fremd erscheinen wird, zu seinem ältesten Sohn Paul, der bei seiner Mutter in Deutschland lebt. Und ein Spaziergang im Wald wirklich nur einen Spaziergang weit entfernt ist.


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Wenn Wilfried Niersmann Stahl einkauft, dann richtig. Die letzte Lieferung? 2.000 Tonnen schwer. Und günstig eingekauft.

Denn auch für den Geschäftsführer der

sind die Schwankungen heute nicht. Aber es gibt sie

Heemeyer Stahlcenter GmbH aus Kirchlen- immer noch. Und die Marge? Ist eine immer weiter gern gilt es beim Thema Stahlpreis: jeden

schrumpfende. Grund zum Klagen aber? Gibt es ei-

Tag die Zahlen zu kontrollieren, jeden Tag

gentlich nur, wenn Wilfried Niersmann in die Zeitun-

Gespräche zu führen. Wissen aber, wie sich

gen schaut und von der Krise liest. Bei ihm selber? Ist

der Stahlpreis entwickeln wird? Tut auch

die noch nicht angekommen. Und wenn schon. Du

er nicht. So bindet er sich preislich gegen- musst investieren, wenn die Zeiten schlechte sind. über seinen Kunden meist acht, maximal

Hat er gelernt. Und so wird im kommenden Jahr das

14 Tage. Denn die Jahre 2008 und 2009

Firmengelände gleich auf dann 24.000 Quadratme-

haben gezeigt, dass der, der mit Stahl

ter verdoppelt. Sollte bis dahin der Stahlpreis stärker

handelt, der mit Stahl für andere baut, anziehen? Dann würde ich einfach warten. Das hilft immer zwischen Pleite und Millionär

immer noch am meisten. Sagt Wilfried Niersmann.

hinund herpendelt. So extrem wie damals

Der stand 2003 vor der Wahl: Entweder bei dem Un-


55

ternehmen, das zuzumachen droht, den Arbeitsplatz

fern Stahl, der der DIN-Norm entspricht.

verlieren. Oder sich selbstständig machen und gleich

Wenn da nicht der Preis wäre. So langsam

den gesamten Betrieb kaufen. Niersmann entschied

sind sich zwar die meisten Lieferanten ei-

sich für Letzteres. Und hat das eigentlich nie bereut. nig. Schwankungen gibt es aber immer Seine Kunden arbeiten heute in ganz Deutschland, noch. Und auch die Statistik hilft nicht sind auch in Polen beheimatet. 70 Prozent des von

weiter. In der vergangenen Zeit verliefen

Heemeyer gelieferten Stahls wird in der Baubranche

Öl- und Stahlpreis häufig parallel. Jetzt

verbaut, wandert dort in Betonteile und ist nie wieder

aber? Müsste der Stahlpreis eigentlich

zu sehen. Den Rest machen Walzstahl, Trägerbleche

absacken, so wie der für Öl auch. Aber:

und Rohre aus. Beliefert wird Wilfried Niersmann

nichts passiert. Und das zeige, dass er eben

von all den Großen der Branche, aus Deutschland, nicht zu kalkulieren, nicht vorhersehbar der EU, auch aus Russland und China. Qualitative

sei. Prognose? Beim Stahl nur Kaffeesatz-

Unterschiede? Gibt es keine, alle sind zugelassen, lie- leserei. Mehr nicht.


Sind Sie


d

mal

– sicher, ist schon ein paar Jahre her – beim Autorennen am Computer einfach rechts abgebogen?

Haben den Asphalt verlassen, rein in den Wald, an all den virtuellen Bäumen vorbei? Eben noch, da sah es so unglaublich echt aus. Und jetzt? Ein Baum noch, dann die Wand.

Kein Weiterfahren mehr möglich. Und die direkte Erkenntnis, dass hier Ende ist. Ende einer Welt,

die eben noch so real erschien. Plötzlich aber an, im wahrsten Sinne des Wortes, Grenzen stöSSt. Es habe sie fasziniert, dieses Beschäf- es sich vorstellt, wenn man aus der Pro- der die Werke in Bewegung setzt. Und tigen mit dem Computerspiel. Erst die

vinz in die Hauptstadt reist. Die Bäume

gleichzeitig ihre Grundlage ist. Das,

Illusion, dass alles so real, so wirk- lichtdurchflutet, Jets im Landeanflug, was Maja Rohwetter ist, das, was sie lichkeitsnah ist. Und dann die brutale

Martinshorn und Vogelgezwitscher

ausdrückt, findet sich in der Mitte aus beidem. Und um das zu verstehen,

Rückkehr in die wirkliche Welt. Und

im Wettstreit. Hier sieht nichts nach

auch diese – ist die wirklich real? Kann

Hauptstadt aus, zu eng die Bürgerstei- braucht es einen kleinen Schlenker,

man die Perspektive, den Blickwinkel

ge, die Hauseingänge abgewohnt, die

ändern und überall ist noch etwas?

Scheibe von Maja Rohwetters Atelier

Und die geht so: Geborgen und auf-

Fragen, die sich Maja Rohwetter stellt, eben noch vom Steinschlag geborsten

gewachsen in Bünde, war die Kindheit

eine Vorgeschichte.

wenn sie vor dem Computer, vor der

und jetzt fast liebevoll mit Acrylkle- eine behütete. Auch in der Rückschau

leeren Leinwand sitzt. Wenn erst eine

ber wieder in eine ausgefallene Form

keine, die es zu beanstanden gab. Nach

Idee entsteht, die reift, ehe sie greif- gebracht. An der einen Wand des Ate- dem Abitur dann der Wunsch, das in und umsetzbar ist.

liers die großformatigen Bilder, gemalt

die Tat umsetzen, was der Leidenschaft

Ein sonniger Spätherbst-Freitag, mit Ölfarben, in der anderen Ecke der

entsprach. Also Kunst und Französisch

Berlin Pankow, das Viertel so, wie man

Bildschirm, auf ihm ein Film laufend, in Osnabrück studiert, das Lehramt als


58

Ziel und sicheren Hafen vor sich. In die weite Welt, sprich nach Berlin? Damals unvorstellbar. Gar als Künstlerin sich durchschlagend? Auch keine Vorstellung, die so richtig vorstellbar war. Zweieinhalb Jahre also in Osnabrück studiert, aber irgendwie war dann da doch der Drang nach mehr. Nach intensiverer, tiefergehenderer Auseinandersetzung. Als dann in Berlin plötzlich die Möglichkeit eröffnet wurde, Kunst als Hauptfach zu studieren und weiterhin Lehrer werden zu können, wurde die Bünderin doch schwach. Mappe geschickt, drei Tage mit 20 anderen um sechs Studienplätze gekämpft. Und gewonnen. Und verzweifelt. Denn die Liebe war eine ganz frische – und eine, die sich nicht zwischen Osnabrück und Berlin teilen lassen wollte. Am Ende aber doch der Umzug, das Beschäftigen mit Dingen, die nicht auf den ersten Blick greifbar, sofort umsetzbar sind. Meisterschülerin und Lehramtsstudentin gleichermaßen, nach dem Examen auch noch die Referendarzeit hintendran gehängt. Aber irgendwann und irgendwie war klar: die Kunst fasziniert dann doch mehr. Nicht die, die schon vorab errechnet, dass ein grüner auf einen roten Fleck fol- öffnet sich und man steht in einem großen Raum, gen muss. Auf A folgt in der Kunst eben nicht zwangsläufig

in dem ein Bild an der Wand hängt. Eines, das es

B. Und wenn das so ist, kann es das eigentlich geben, Schule

dem Betrachter nicht leicht macht. Das sich nicht

und Kunst? Bietet das eine dem anderen genug Raum? Fragte

anschmiegt, nicht sein Inneres sofort nach außen

sich die heute 41-Jährige und verneint.

kehrt. Vielleicht ist das der Grund, dass vor allem

Raum? Bietet ihr heute ein Atelier, in der Straße gele- Menschen mit einer großen Nähe zu virtuellen gen, in dem sie auch mit ihrem Lebensgefährten, ihren

Dingen – Fotografen, Architekten – ihre Bilder

zwei Kindern lebt. In den Hauseingang fällt durch milchi- so mögen. Fragt sich Maja Rohwetter. Ihre Werke ges Glas gleißendes Licht, die schwere Holz- und Haustür

hängen heute in den Zentralen großer Konzerne, bei Nokia, der schwedischen Staatsbahn etwa. In Skandinavien deshalb, weil Maja Rohwetter nach dem Studium zur Wanderin wurde. Von Stipendien geleitet nach Finnland, später nach Stockholm ging. Und da eine Weite, dann wieder Architektur vorfand, die sie faszinierte. Die sie erst in Fotos, dann in Gemälden festhielt. Aus denen entwickelte er sich dann immer wieder. Der Zweifel, der nicht nur tief in ihren Bildern, sondern wohl auch in ihr steckt, machte sich breit auf und in den Werken. Strukturen aus dem Computer mische sie unter.


59

All das nach einer längeren Anlaufphase. Ich? Ich bin eine Planerin. Eine, die es genau wissen will, ehe sie loslegt. Also sitzt Maja Rohwetter tage-, wochenlang am Rechner und erschafft das, was man eine virtuelle realistische Vorlage nennen könnte. Beim Malen entsteht dann allerdings doch oft etwas anderes. Einige Entscheidungen kann die Künstlerin nur im Malen treffen, das auch nach 20 Jahren eine unberechenbare Eigendynamik hat. Wer sich vor den Bildschirm, vor ihren so entstandenen Film setzt, der reist ins Nirgendwo. Rutscht auf bunten Farbbahnen dahin, schaut hinter gezackte Ecken. 3D-Modelling und Rendering nennt sich das, was da am Computer entstanden ist. Basierend auf Fotos, auf Gemälden. Und später dann wieder zu Werken werdend. Zu solchen, die die Frage nach der Glaubhaftigkeit greifbar werden lassen.

verkaufen. Und es gibt auch

Es geht nicht um die Kehr-, sondern die

andere Beispiele, wo Bilder

Rückseite der Sache, der Dinge. Gibt es

auf Leute treffen, die gerade

die? Oder muss die noch erfunden wer-

darauf gewartet haben, die

den? Und steht der Betrachter gerade

darin ihre eigene Idee wie-

vor so einer erfundenen, zweiten Seite?

dererkennen oder eine, die

Großformatige, im wahrsten Sinn des

sie auch gern gehabt hätten.

Wortes eigenwillige Bilder entstehen

Wie das finnische Designer-

so. Und hängen in Ausstellungen, jetzt

Paar, das in der Ausstellung

gerade in Stockholm, ein Bild, ein paar

tuschelte, dann gleich zwei

kleine, flankierende Collagen und ein

Bilder kaufte und über seinen Ess-

ken, ganz freie, zu machen. Um die

Bildschirm mit dazugehörigem Film.

tisch hängte. Und die Idee zieht weiter.

dann umzusetzen. Vielleicht liegt es

Das wars. Und das reicht. Sagt Maja

Durch ihre Bilder, durch ihre Ausstel-

an der Kindheit, der wohl behüteten.

Rohwetter.

lung. Im Februar im Amalienpark in

Vielleicht auch daran, dass hier an-

Danach geht es weiter in Galerien, weiter auf der Suche nach Menschen, die sich auseinandersetzen, nicht be-

Berlin, später dann in der Galerie Axel

fangs im Leben eben nicht alles greifbar

Obiger.

war. Erst die Beschränkung, dann das

Berlin? Ist ein wunderbarer Ort,

Sich-Berauschen an dem, was hinter

rieseln lassen wollen. Der Gedanke

wenn es um solch eine künstlerische

den Schranken liegt. Erklärt sich Maja

aber beim Erschaffen schon an den

Ausdrucksweise geht, wenn Mitstreiter,

Rohwetter das Phänomen, dass die

kommerziellen Gewinn? Lässt sich

Kritiker, Freigeister gesucht werden.

Provinz keine ist, die keine Freigeister hervorbringt. Ganz im Gegenteil.

nicht ganz verdrängen. Und schränkt

Im Kreis Herford, in Bünde? Scheint

dann doch ein. Wenn du Kunst und

das nicht möglich. Auf den ersten, den

Und der Weg zurück? Einer, den

Markterfolg gleichsetzt, dann bleibst

flüchtigen Blick. Aber viele kommen

sie häufiger antritt. Den Wagen voll-

du immer an der Oberfläche. Künstle-

aus der ostwestfälischen Provinz hier-

gepackt. Hin in eine Region, die mal

risch gesehen. Ist sich Maja Rohwetter

her in die Hauptstadt, um sich Gedan-

fremd, mal so nah erscheint. Wenn

sicher. So ging ihr das, was sie ver-

du in Bünde bist, sehnst du dich nach

kaufte, anfangs leid ab. Was soll man auch einem Sammler

Berlin. Und in Berlin? Denkst du sehn-

sagen, den man zwei Jahre nach dem Kauf wiedertrifft. Und

süchtig an Bünde. Allzu starre Reali-

der von dem Bild berichtet, dass er gekauft, bis heute aber

tätskonstruktionen bezweifelt Maja

nicht ausgepackt hat? Zweifel nagen auch hier, was bleibt

Rohwetter. In ihrem Leben genauso wie

aber ist die Idee. Die lässt sich nicht kaufen, die muss sie nicht

in ihrer Kunst.


60


61

Wa h l

ohne

Qual


62

Also von Herford nach Bünde, auf den

Sie kennen das. Mit der Wahl und der

Qual. Vergessen Sie das wieder. Zumin- Agenturparkplatz gerollt und da stehen

schon die neugierigen Kollegen. Vor allem

dest so lange, wie Sie diesen Artikel hier lesen. Denn hier liegen beide nicht wie

die weiblichen. Das sei ja... bemerkens-

gewohnt eng beieinander. Sondern

wert, doch, so könne, so müsse man den

meilenweit auseinander. Aber der Reihe nach. Wir fahren also an einem sonnigen Mittwoch zu

Evoque nennen. Der Name verrät ja schon ein wenig, dass es hier um etwas modi-

Funktionen – per Finger dirigiert wird. Kameras, die das gesamte Geschehen rund um den Wagen, jede Bordsteinkante, jeden Betonblumenkübel überwachen.

Dazu noch ein Automatik-Wahlhebel, der, wieder ein Superlativ,

sches auf vier Rädern geht. Aber das darf

noch nie so schön umgesetzt

Markötter nach Herford. Treffen dort

wurde. Und automatisch und

die passend zum Wetter gelaunte

ganz leise surrend in der Ver-

Fachfrau, die eigentlich nur die be-

senkung verschwindet, wenn der

dient, die eine Sandspur hinter sich

Wagen geparkt ist. Weiße Fäden

her ziehen, deren Kleidung sich im

fädeln sich durch schokobraunes

Handumdrehen in einen Polar-Schlaf-

Leder, über uns ein riesiges Glas-

sack verwandeln lässt und die zum Au-

dach, an den Seiten, neben, vor,

tofahren nur weniges brauchen. Allrad,

über uns Boxen, die die Begrif-

Stollenreifen, Differenzialgetriebe und

fe HiFi und Fahrgeräusche dann

einen Ansaugstutzen, der höher als der

doch in Einklang bringen. Wir fah-

eigene Scheitel liegt – das sollte es dann

ren mit dem Auto passenderweise keinesfalls falsch verstanden wer- an einen Ort, der für das steht, was

auch schon sein. Dachten wir zumindest, aber es kam alles ganz anders. Wir schrit-

den. Der Evoque ist keiner, den

der Evoque verkörpert. Auf nach

ten also mit der freundlichen Begleiterin

man heute mag und sich morgen

Bad Oeynhausen, am rot-weißen

zum neuen Land Rover. Oder Range Rover.

schon wieder sattgesehen hat. Er

Durchfahrt-Verboten-Schild vor-

Oder einer Mischung aus beidem. Es ging

setzt den Trend. Wir haben nie

bei auf die neue A30. Oder zumin-

also zum Evoque –und der ist, nun, etwas, das

gedacht, dass wir solche Sätze

dest auf das, was davon schon fer-

Sie so noch nie gesehen haben. Und wir auch

mal über ein Auto schreiben.

nicht. Was für Innen wie für außen gilt. Erst

Liest sich das doch viel zu an-

mal in Ruhe daneben stehend drauf geschaut.

biedernd, viel zu übertrieben,

Der Evoque ist ein Geländewagen, eine Li-

nicht glaubhaft. Aber genau so

mousine, wenn gewünscht gar ein Coupé,

ist es. Wer erst einmal im Evoque

ein Sportwagen, ein Designklassiker – al-

sitzt, der weiß, wovon die Rede ist.

les in einem. Gut, jeder Automobilhersteller

Denn hier verarbeitete ein Spezia-

verspricht immer, dass sein Modell alles

lität das, was sich sonst über edle

kann. Alles ist. Und kann es am Ende nie

Sofagestellte spannt. Der riesige Bild-

halten. Der Evoque aber ist genau das.

schirm einer, der – und mit ihm alle


63

tig gestellt wurde. Der Asphalt ist

ten, dann sechs Motoralternativen und

noch ein wenig rubbelig, die letzte

drunter dann noch ein ganzes Feuer-

Schicht wohl noch nicht aufgetragen,

werk an Karosserie- und Dachfarben,

aber hey, das hier, das ist immer noch

deren mögliche Kombinationen nur

ein Land Rover, einer, dessen Gene ir-

ein Statistiker in irgendwelchen Po-

gendwo in der keniatischen Savanne lie-

tenzzahlen ausdrücken könnte. Daher

gen. Er hüpft nicht, er rumpelt nicht über

nur so viel: Sie können sich hier wirk-

die Huckel. Nein, er fliegt darüber hinweg.

lich Ihren ganz, ganz eigenen Range

Allrad, hervorragendes Fahrwerk und eben

Fahrer- und Beifahrersitz einsam-

eine DNA, die aus einer Zeit stammt, als der

meln, die gerade ein Modell einer

Rover Evoque zusammen stellen. Sich im Geschmack auch verhauen, sicher.

Begriff Daktari noch jedem Kind geläufig war,

andreren Firma ihr eigen nennen.

Aber auch ein Auto zusammenstellen,

sorgen hier für Flug- statt Fahrerlebnis. Da-

Und dabei selber nach rechts und

bei dem die Chance, dass es Ihnen im

bei lässt sich der Range Rover Evoque dann

links schauen.

Stadtverkehr noch einmal haarge-

doch dirigieren, wenden, kreisen lassen wie

Ein Erfolgsmodell also, das

nau so entgegen kommt, gleich null

ein ganz kleiner. Wer allerdings einen Blick

zum Erfolg verdammt ist. Dieses

ist. Individualität also auf die Spitze

auf die hinteren beiden Sitze wirft – auch

aber bereits erfolgreich tut, nicht

getrieben. Auch hier keine Honig-

hier alles im feinstem Leder –, wer sich

umsonst wächst die Lieferzeit fast

herumschmiererei, sondern ein

den Kofferraum anschaut, der weiß, dass

im Wochenrhythmus stetig an. Was

schlichtes Feststellen. Auch so was

hier ein ausgewachsenes Fahrzeug, eine

nicht bedeutet, dass Sie morgen bei

hat die automobile Welt wohl noch

Familienkutsche bewegt wird. Und das

Markötter in Herford reinspazieren

nicht gesehen. Ganz zum Schluss

muss er auch sein, soll der Evoque doch

und den Evoque ordern können. Na-

noch die Fakten. Auch wenn wir

der auflagenstärkste Range Rover wer-

türlich können Sie das. Aber es wird

nie ein Modell fuhren, bei dem uns

den. Nicht nur im eigenen (Kunden)

Ihnen keine Freude bereiten. Denn

die nackten Zahlen so wenig inte-

Stall wildern, sondern vor allem nach

sitzen Sie erst einmal vor der Auswahl-

ressierten. Hier sind sie dann aber

links und rechts schielen. Die auf

und Bestellliste, dann müssen Sie

doch: Wir fuhren den 190 PS Diesel,

plötzlich so viele Entscheidungen tref-

420Nm, 8,5 von 0 auf 100, 195 km/h,

fen, so viele Häkchen setzen, als woll-

6,4 Liter im Drittelmix, 420 Liter Kof-

ten Sie einen Airbus 380 zum Abflug

ferraumvolumen. Startpreis für den

überreden. Auch hier: der Reihe nach.

kleinsten Evoque: 33.100 Euro. Wobei

Es gibt vom Evoque zwei Karosse-

wir wieder bei der Qual und der Wahl

rievarianten. Den Fünftürer, den

sind. Und plötzlich doch wieder beide

wie fuhren. Und das Coupé, das

nah beieinander liegen. Sie werden sich

noch keilförmiger daher kommt. Jedem der beiden untergeordnet sind drei Ausstattungsvarian-

nicht quälen müssen, um diese Zahl ordentlich ansteigen zu lassen. Der Auswahl sei dank.


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Ein Gebäude? Ist immer ein Unikat. Einmal erdacht, nur einmal erbaut. In einer Landschaft, einer Umgebung, die nie wieder die gleiche sein wird.

Eine Herausforderung allemal. Eine, die erst ein-

Wer sich mit Frank Kögel, 50 Jahre sagt der

mal in einer ausgedehnten Planungsphase mün- Kalender zum Alter, das Gefühl des Befragten det. Denn was es nur einmal gibt, sollte sorgfältig

gerade einmal 43, unterhält, der beginnt zu ver-

vorbereitet sind. Sagt Frank Kögel, Inhaber von

stehen, dass Bauen und Bauen dann doch zwei

Kögelbau in Bad Oeynhausen. Es gehe in dieser

ganz unterschiedliche Dinge sein können. Der

Branche – so sein Selbstverständnis – nicht vor- eine baut von der Stange und für die Masse, der rangig darum, Stein auf Stein zu setzen. Sondern

andere liebt das, was ihn technisch, planerisch

um den Gedanken der Dienstleistung. Was will

herausfordert. Als der Zoo Hannover, bundesweit

der Auftraggeber eigentlich? Und das, was er da

bekannt für seine einzigartige Art und Weise,

will, lässt sich das eigentlich auch umsetzen? Und

Tiere und deren Lebensräume vorzustellen, ein

macht diese Umsetzung auch wirklich Sinn?

neues Gelände für Eisbären, Seelöwen und Rob-


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ben mitsamt Zuschauertribüne errichten wollte, war nie so groß wie heute, die baurechtlichen Anbekam das Widufix-Mitglied aus Bad Oeynhausen

forderungen ändern sich ständig und die Kombi-

den Zuschlag. Das gleiche Bild bei der Erhöhung

nation aus beidem lässt Spezialisten wie Kögelbau

des Towers am Vennebecker Flugplatz, bei der

entstehen, die verneinen, wenn sie nach dem Bau

Messe Hannover, beim Spielkasino in Bremen. eines Einfamilienhauses gefragt werden. Und Gefragt waren nicht nur Erfahrung und techni- dann doch ins Grübeln kommen, wenn dieser scher Sachverstand, sondern auch die Vorstel- vermeintlich kleine Bau, etwa durch die Integralungskraft und die Begeisterung, planerisches

tion eines Schwimmbades, zu einer komplizierten,

Neuland zu betreten.

und damit reizvollen Herausforderung wird.

Dabei ist die Bewältigung des Themas Bau im-

Ein Problemlöser also, Unternehmen wie Un-

mer komplexer geworden. Die Materialienvielfalt

ternehmer. Hineingeboren in die Baubranche, mit


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16 Jahren für den väterlichen Betrieb die ersten

im Kampf gegen die Maschinen durch- und von

Pflasterarbeiten übernommen, der Weg also ein

ihnen absetzen zu können. Solche Mitarbeiter

vorgezeichneter, ein klassischer. Schule schnell zu

findest Du nicht an jeder Ecke. Gerade Bauinge-

Ende gebracht, die Maurerlehre absolviert, wieder

nieure; immer häufiger Mangelware. Wenn dann

die Schulbank gedrückt, das Bauingenieurstudi- noch intensiv beäugt, gründlich gesiebt wird, um in Angriff genommen und zum erfolgreichen

bleiben am Ende, kurz vor der Einstellung also,

Abschluss gebracht. Dann aber erst einmal weg, nur sehr wenige übrig. Die aber können sich auf den Kopf frei, die Nase in den Wind gehalten. Auf

Forderung und Förderung gleichermaßen freu-

nach München, zu einem richtig Großen, einem

en. Und auf ein Unternehmen, das gewappnet ist

Riesen der Branche. Drei Jahre, dann der Anruf

für das, was sich da am Horizont an Dunklem

der Mutter. Vater hat einen weiteren Herzinfarkt

zusammen braut. Denn schon jetzt werden Stra-

erlitten. Entweder du übernimmst jetzt. Oder es

ßenbaumaßnahmen zurückgenommen, läuft nun

gibt nichts mehr zum übernehmen. Muss man da

auch das Konjunkturpaket aus. Da musst Du gut

lange nachdenken? Als einer, für den die tech- aufgestellt, musst kreativ sein. Weiß Frank Kögel nischen Finessen des Baugewerbes spannender

schon jetzt. Auch ist ihm bewusst, dass jeder in

nicht sein können? Also von München zurück

der Baubranche dann zu kämpfen habe. Die Frage

in die Heimat, vorgefunden ein Unternehmen

ist nur, wer darauf besonders gut vorbereitet ist.

mit 13 Mitarbeitern, irgendwo zwischen Baum

Wichtig auch: das richtige Netzwerk. Und eine

und Rinde. All das passiert vor knapp 20 Jahren. Kundenstamm, der eben nicht nur einmal baut Damals war nicht abseh-, nicht mal vorstellbar, und dann nur noch in der Erinnerung, auf der was einmal aus dem Betrieb werden sollte. 100

Referenzliste des Bauunternehmens vorkommt.

Mitarbeiter, doch, das war damals eine Zahl, die

Sondern zu den Großen in seiner Branche gehört.

noch in den Rahmen, in die Vorstellung passte. Wächst, expandiert, investiert – und sich damit Und heute? Sind es 150. Ungefähr. Also auf- oder

auch räumlich verändert. Wenn man für solche

abgerundet, so genau weiß das der Gefragte gera- Marktführer arbeitet, wenn die Zusammenarbeit de nicht. Denn besonders bei seinen Mitarbeitern

zur langjährigen Partnerschaft wird, dann tritt

interessieren ihn nicht die Zahlen, seltener die

eine gewisse Gelassenheit auf und ein, sagt Frank

Fakten. Sondern viel mehr das, was andere das

Kögel. Die Anspannung? Nein, die gehe nicht ver-

Menschliche nennen. Und was hier tagtäglich zu

loren. Aber kopflos agieren, nicht mehr besonnen

erleben ist. Es gehe darum, Teams zu bilden, die

planen und dann aktiv werden? Kommt für den

sich auch als solche sehen. Persönlichkeiten zu

dreifachen Familienvater nicht in Frage. Der sich

fördern, Perspektiven zu bieten. Dass im Firmens- von seiner Frau, seinem Bruder, von Torsten Richlogan das Wort gemeinsam ganz vorne an gestellt

ter, der schon zur Firma gehörte, als Frank Kögel

wurde? Sicher kein Zufall.

noch als Kind neugierig durch die Unternehmens-

Die Mitarbeiterschaft, das ganze Unterneh- räume schlich, bestens in der Geschäftsleitung unmen also wuchs immer weiter. Und das in einer

terstützt sieht. Irgendwann, da kannst Du nicht

Zeit, in der das Wort Krise kein spontaner Aus- mehr alles machen. Da musst Du abgeben und bruch, sondern ein ständiger Begleiter ist. Meinen

aufteilen können. Ein Lernprozess sei das gewesen.

Sie, es gibt eine Branche, die krisenerprobter ist

Einer, der sich gelohnt habe. Sagt der passionierte

als die unsere? Fragt Frank Kögel erst gar nicht

Segler. Auch da: Teamarbeit auf engstem Raum.

ernsthaft. Hier sind in wenigen Jahren die bun- Gefragt ist der Spezialist, der sich als Teil des gandesweiten Mitarbeiterzahlen von 1,5 Millionen auf

zen sieht. Eine weitere Parallele: Die Wellen, der

680.000 gefallen. Der Beruf des Bauhelfers? Nicht

Wind? Nie gleich, immer eine neue Situation, auf

mehr existent. Wer heute mitarbeiten möchte

die es zu reagieren gelte. Wie beim Bau. Stillstand?

auf dem Bau, der muss Spezialist sein, der muss

Gibt es hier wie da nicht. Und wäre ja auch lang-

fachliche Qualitäten mitbringen können, um sich

weilend. Ist sich Frank Kögel sicher.


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Herr Schäffler, Sie sind derzeit viel unterwegs. Gibt es noch Ruhephasen in Ihrem Leben? F. Schäffler: Naja, derzeit

ist es schon sehr turbulent. Die mediale Hölle war und ist es. Meinen Mitarbeitern habe ich gesagt, dass es jetzt langsam ruhiger werden müsse. Derzeit ist es aber einfach eine sehr intensive Zeit, da ist an Ruhe nicht so wirklich zu denken.


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Hatten Sie denn, als Sie die Diskussion in der FDP um den Euro-Rettungsschirm angestoßen und den Mitgliederentscheid initiiert hatten, eine Vorstellung von dem, was da auf Sie zukommen würde?

Was war denn der Grund, so in die Offensive zu gehen, sich gegen den eigenen Parteivorstand, gegen die Koalitionsvereinbarung zu stellen?

F. Schäffler: Doch, die hatte ich. Mir war klar, dass wir die erforderliche Unterschriftenanzahl für den Entscheid zusammen bringen würden. Und dass das ein großes Echo hervorrufen würde. Als normaler Abgeordneter im Bundestag hat man ja immer eine Woche Sitzungen, dann wieder eine sitzungsfreie Woche, in der man in seiner Region unterwegs ist. Letztere wollte ich eigentlich immer auch nutzen, um nah bei meiner Familie zu sein. Dieses Versprechen kann ich derzeit leider nicht einhalten. Aber das war mir schon bewusst, als ich mich im Mai 2010 zu dieser Vorgehensweise – im Übrigen eng abgestimmt mit meiner Frau – entschieden habe.

F. Schäffler: Die Bewäl- ner, der deutsche Sparer betigung der Schuldenkrise glückwünscht uns nicht für geht einfach in die falsche den Rettungsschirm, den wir Richtung. Das war abseh­ - aufspannen. Der entwertet bar, und das wird sich in nämlich sein Geld! Der grieden kommenden Wochen chische Berufstätige ist auch

noch verschärfen, wenn nicht zufrieden, sondern nicht gegen gesteuert w ird. verärgert. Es geht doch um Die Schulden der Länder die Lebensversicherung jebringen Europa auseinander. des einzelnen. Daran muss Mir wird ja vorgeworfen, dass man denken, bei den Milliar­ ich ein Eurogegner bin. Aber denbeträgen, die hin und her genau das Gegenteil ist der geschoben werden. Es ist Fall. Wenn wir eine Zwei- eine liberale Grundhaltung, Klassen-Gesellschaft beim dass wir uns um genau diese Euro schaffen, dann zer- Menschen kümmern; dafür bricht die Idee vom geeinten sorgen, dass ihr Geld auch Europa. Der deutsche Rent- möglichst viel wert bleibt.

Heißt das in der Konsequenz, dass es falsch war, mit so vielen Ländern mit dem Euro zu starten?

F. Schäffler: In der Rück- weiten müssen. Wenn dann schau ist es schon so, dass

noch Regeln aufgestellt wor-

man die Einbindung der

den wären, die auch befolgt

geographischen Südschie- worden wären, bei denen es ne skeptisch sehen muss. eben auch eine rote Karte Wir hätten wohl besser mit

gegeben hätte, dann stün-

wenigen, dafür stabileren

den wir wohl nicht da, wo

Ländern starten sollen. Und

wir heute stehen.

den Euro dann langsam aus-

Das bedeutet auch, dass Sie nicht glauben, dass der Euro weiter existieren wird?

F. Schäffler: Zwei Varianten sind eigentlich denkbar. Entweder scheiden die Länder aus dem Euro aus, die es nicht schaffen. Oder Staaten wie wir, die Niederlande und Österreich bekommen eine neue Währung. Und die anderen behalten den Euro.


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Denken Sie bei dieser ganzen Diskussion, bei dieser Initiative gar nicht an sich? Was ja für einen Politiker eher untypisch ist. Sie selber scheinen sich derzeit ja vor allem Feinde zu machen, ihre Karrierechancen in der FDP sehen ja nicht gerade rosig aus.

F. Schäffler: Mittelbar denke ich natürlich auch an mich. Wenn es um die Existenz der FDP geht, dann geht es ja auch um mich. Geht es der FDP schlecht, dann geht es auch mir schlecht. Dabei geht es nicht um meine Existenz, da muss sich niemand Sorgen machen. Aber natürlich um meine politische Zukunft. Aber wissen Sie was? Es geht doch schon jetzt um die Existenz unserer Partei, schauen Sie sich doch die Ergebnisse, die Umfragewerte an. Als ich in den Bundestag eingezogen bin, wusste ich, dass meine Zeit hier begrenzt ist, dass ich sie so intensiv wie möglich nutzen will und muss. Es geht doch hier nicht um Listenplätze, um das persönliche Abschneiden. Wenn wir so weiter machen wie bisher, dann gibt es gar keine Liste mehr. Solche Gedanken sind derzeit vollkommen fehl am Platz.

Freunde haben Sie sich dennoch keine gemacht.

F. Schäffler: Im Vorstand

spüre ich eine starke und

wohl eher nicht, da haben Sie

breite Unterstützung. Und

recht. So eine Partei ist halt

auf die Basis kommt es ja an

sehr streng strukturiert, es

bei dem Mitgliederentscheid.

geht da alles vertikal, von

Die Basis fühlt sich durch

oben nach unten. Beliebt- mich vertreten. Freunde heitspunkte habe ich an der

habe ich mir also schon ge-

Spitze sicherlich nicht er- macht – nur vielleicht nicht rungen. Aber an der Basis

an den Stellen, die direkt in

sieht es ganz anders aus, da

der Öffentlichkeit stehen.

Wie sehen denn die denkbaren Konstellationen nach dem Entscheid aus, dessen Ergebnis ja noch vor Weihnachten erwartet wird? Was heißt das für die Ämter, die Koalition, für Sie selber?

F. Schäffler: Wenn ich gewinne, dann ist der Parteivorsitzende an diese Entscheidung gebunden. Dann wird es weitere Rettungsschirme mit der FDP nicht mehr geben.

F. Schäffler: Für Philipp Rösler wird

schwierig. Wer sägt sich schon selber

viel davon abhängen, wie er jetzt, in der

den Ast ab, auf dem er sitzt? Es geht

Phase der Abstimmung, mit mir, mit

mir aber nicht um die Konsequenzen

uns, der gesamten Thematik umgeht. als solche. Sondern darum, dass wir da Geht er fair mit uns um und mit offe- gerade zu etwas zustimmen, das nicht nen Armen auf uns zu, dann kann er

durchzuhalten ist, das keinen Sinn

bestimmt weitermachen. Wenn er sich

macht, das nicht zu Ende gedacht ist.

aber massiv gegen uns stellt, dann wird

Die Krise wird sich noch verschärfen.

es für ihn wohl sehr schwer. Anfangs

Und dann werden wir wieder zusam-

war das ja so, aber jetzt merke ich schon, men sitzen. Und wieder darüber abdass mit dem Thema souveräner – und

stimmen, ob wir einen noch größeren

damit auch angemessener – umgegan- Schirm aufspannen. Der dann noch gen wird. Was die Koalition angeht, so

mehr Geld kostet. Und das ist nicht ir-

würde es da wohl zu einer neuen Ab- gendein Geld, das sind keine Summen stimmung kommen müssen. Oder eben

auf dem Papier. Sondern das ist unser

Personal ausgetauscht werden.

Geld, das ist das Geld jeden einzelnen.

Neuwahlen sind auch denkbar – und

Darüber sollte sich auch jeder im Kla-

machen die Abstimmung natürlich

ren sein.


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Und das entgegengesetzte Szenario. Was ist, wenn Sie verlieren? Befassen Sie sich auch mit dieser Variante?

F. Schäffler: Ach wissen Sie, in der

Niederlage nicht. Beim Bundespartei-

Politik muss man mit Niederlagen

tag 2010 sind mir 25% gefolgt, ein Jahr

rechnen. Und damit leben. Wenn ich

später waren es schon 33%. Für so eine

unterliegen sollte, dann gebe ich wei- Sache braucht es einen langen Atem, so ter mein Bestes, dann kämpfe ich für

etwas boxt man nicht über Nacht durch.

meine Überzeugungen. Ich bin für vier

Und genau diesen Atem habe ich, ha-

Jahre gewählt, und diese vier Jahre

ben meine Mitstreiter. Aber eins ist auch

sind es, die intensiv genutzt werden

klar: Mit so einem Mitgliederentscheid

sollen. Und wollen. Aber ich sehe die

stinkt man gegen das Establishment an.

Apropos Establishment, wie ist denn derzeit Ihr Verhältnis zu Herrn Rösler, zu der gesamten Parteispitze im allgemeinen?

F. Schäffler: Momentan

schwer für ihn, wenn wir

habe ich das Gefühl, dass

gewinnen. In der Rhetorik

Philipp Rösler sich ein ganz

ist aber heraushörbar, dass

klein wenig auf mich zube- die Schärfe aus der Diskuswegt. Wenn der Mitglieder- sion etwas genommen wurentscheid aber zur Schuld- de. Richtig gern gesehen bin oder Machtfrage gemacht

ich ganz oben derzeit aber

wird, dann wird es sehr

sicherlich nicht (lacht).

Und könnten Sie denn, egal wie der Entscheid ausgeht, wieder zurückfinden in die Normalität der Arbeit eines Bundestagsabgeordneten der FDP, könnten sich mit denen, die Sie aufgeschreckt haben, wieder an einen Tisch setzen?

F. Schäffler: Natürlich, ganz gleich wie es ausgeht. Das ist doch eine Sach- keine Personenfrage. Und genau das verkennen ja viele. Es geht doch nicht um Frank Schäffler. Es geht um eine Skepsis gegenüber dem, was da derzeit auf dem Finanzmarkt, was mit dem Euro passiert. Ich bin kein Euro-Gegner, ich bin ein Euro-Realist. Sachfragen dürfen doch wohl gestellt werden. Und sollten auch beantwortet werden.


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Beschäftigen Sie sich denn auch mit dem Fall, dass es Neuwahlen gibt? Und die FDP verliert, Sie selber dann nicht mehr Mitglied im Bundestag sind? Und Ihre Familie, wie denkt die über diese ganze Sache, darüber, dass sie angefeindet werden, dass sie nur sehr wenig Zeit haben, dass Sie wahrscheinlich häufiger in den Medien als real erlebbar sind? Hand auf’s Herz, was meinen Sie, wie geht der Mitgliederentscheid aus?

F. Schäffler: Natürlich macht man sich Pläne. Über die ich allerdings noch nicht sprechen möchte. Aber ich bin abgesichert, um mich muss sich niemand Sorgen machen.

F. Schäffler: Meine Frau und ich haben das am Frühstückstisch gemeinsam entschieden. Dass ich für das, von dem ich überzeugt bin, auch politisch einstehe. Meine kleine Tochter hat neulich gesagt, dass sie es gemein findet, wie mit mir umgegangen wird (lacht), keine Ahnung, woher sie das hat. Aber es werden wieder ruhigere Zeiten einkehren – und dann habe ich auch wieder mehr Zeit für meine Familie.

F. Schäffler: Das wird

vorhersehbar ist. Jetzt geht

schon ein knappes Rennen. vieles plötzlich einen ganz Wir haben rund 65.000

anderen Weg. Von unten

Mitglieder. Und die lassen

nach oben, nicht anders

sich nicht von oben herab

herum. Wir sind sehr gut

dirigieren. Heute gibt es In- vernetzt – und es geht jetzt ternet, die bekannten Foren. um die Stimme der EhrenDa können wir mit immer

amtlichen. Also um die, die

neuen Initiativen punkten, nicht um Listenplätze und

Und Frau Merkel, wie geht die mit Ihrer Initiative um, wie wird sie reagieren?

sind den anderen immer

Diäten im Falle von Neuwah-

einen Schritt voraus. Das

len bangen müssen. Sondern

ist ein bisschen so wie eine

schlicht um die Sache. Und

Guerilla-Taktik, die nicht

das ist doch auch vernünftig.

F. Schäffler: Sich darüber

sich ja das gesamte Personal-

freuen wird sie sich wohl

karussell. Eigentlich ist alles

nicht. Sie kennt ja auch

möglich. Neuwahlen, per-

das Schicksal von Gerhard

sonelle Veränderungen oder

Schröder. Auf Neuwahlen

das Umschreiben der Koaliti-

wird sie sicherlich nicht set- onsvereinbarung. Spannend zen. Aber vielleicht dreht

wir es allemal.


74

Heute? Aber vor fünf, sechs Jahren? Schon damals stiegen zwei Brüder ein, die just der IWKH beigetreten sind. Tobias und Dominic Kahre setzten sich also in einen Zug, der gerade an Fahrt aufnahm. Und heute nicht mehr zu stoppen ist. Dabei gehören sie mit ihrer K&W Natural Energy Consulting nicht zu denen, deren Hauptgeschäft darin besteht, Heizungen zu warten und Badewannen aufzustellen. Und nebenher auch Photovoltaik-Anlagen auf Dächer zu schrauben. Ganz oder gar nicht lautete und lautet die Firmenphilosophie. Also wurde sich konzentriert auf die Energiegewinnung allein durch Sonnenkraft. Was heute einfach, die logische Konsequenz aus dem japanischen Atomunglück zu sein scheint, war damals noch kühnes und nicht kühlendes Unternehmerdenken. Aber schon damals war den beiden, gemeinsam mit Teilhaber Christian Werner, klar, dass die Zukunft nicht unter der Erde, sondern weit über ihr liegt. Was dann kam, lässt sich wohl nur durch die Unbedarftheit junger Menschen erklären.

Da nicken alle nur. Sicher, erneuerbare Energien, darin lohnt es, zu investieren, das ist eine Geschäftsidee, die eigentlich nur eins kann: zünden. Da sah das noch ganz anders aus. Da gab es die Ideologen und Idealisten, die sich bläulich schimmernde Zellen auf das gen Süden ausgerichtete Dach schrauben ließen. Nicht des Geldes, sondern der Umwelt wegen.


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76

Sie bauten ihre Solarkollektoren nicht

Wenn der Sommer schlecht ist, dann

auf Einfamilienhäusern auf, sondern

waren meist Frühling und Herbst gut.

gingen in den Süden. Wo die Sonne

Oder andersherum. Rechnet Dominic

Touristen einen mokkabraunen Teint

Kahre dem vor, der skeptisch das gro-

zaubert, da sind auch die Möglichkei- ße Gelände beäugt. Dabei braucht es ten, mit Sonne Energie zu gewinnen, gar keinen langen Atem, um sich heute viel besser. Also pachteten sie in Grie- für die Nutzung regenerativer Energiechenland und Italien Land. Bauten auf, formen zu begeistern. Elf, zwölf Jahre, schlossen an, kämpften mit Behörden, und die Anlage ist amortisiert. Und diskutierten mit Energieriesen und

macht ab dem Zeitpunkt nur noch eins:

hatten am Ende zweierlei erreicht. Sie

Geld verdienen. Heute sind aus den

hatten mehrere Solarparks in für da- Gründern, ist aus der grünen Idee malige Verhältnisse riesigen Dimen- vergangener Tage ein großes Untersionen geschaffen. Und an Erfahrung

nehmen erwachsen. Industrieanlagen,

dazu gewonnen. Was in Südeuropa

Einfamilienhäuser, öffentliche Gebäu-

klappt, sollte auch in Norddeutsch- de – überall surren von K&W aufgebauland funktionieren. Dachten sich die

te Anlagen leise vor sich hin und lassen

Macher von K&W und gingen Jahre

ihre Betreiber ebenfalls zufrieden vor

später noch einen Schritt weiter. Nur

sich hin summen, nicht surren. Längst

einen Steinwurf von ihrem Firmensitz

ist der Kontakt zu den Lieferanten ein

in Preußisch Oldendorf entfernt pach- sehr enger geworden, greifen sie auf ein teten sie eine Fläche, so groß wie acht

breites Portfolio zurück, das je nach

Fußballfelder. Und setzten darauf erst

Kundenwunsch die Module aus der ost-

ein stabiles Trägerwerk und dann Son- westfälischen Nachbarschaft oder dem nenkollektoren, die nun zeigen, dass

fernen China anliefern lässt. Die Monta-

auch mit der norddeutschen Sonne Geld

ge-Teams sind eingespielt, die Forma-

zu verdienen ist. Denn die Effizienz der

litäten, die auf die Betreiber eigentlich

eingesetzten Module steigt fast im Mo- zukommen, werden längst vom K&W natsrhythmus. Und so schlecht sind die

Team unterschriftengerecht vorbereitet

Sommer, ist die Sonneneinstrahlung

und an die richtige Stelle bei Finanzamt

in unseren Breitengraden auch nicht. oder Energieversorger getragen.


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Heute? Da ist der eingeschlagene Weg der richtige. Sind sich beide sicher. Zu Ende gegangen ist der aber noch lange nicht, am Ziel angekommen sind nur die wenigsten. Dabei sinkt die gesetzliche festgeschriebene Einspeisevergütung, sicher. Aber gleichzeitig fallen auch die Modulpreise. Es ist ein doppeltes Abwärts, eines, das für den Nutzer ein meist gleichbleibendes ErDie Kinderschuhe sind längst zu klein, Brüder und ihre Partner längst nicht am

gebnis bedeutet, bei dem sich nur die

heute ist die K&W ein boomendes

Ziel angekommen. Viel zu viele Flächen, Parameter ändern.

Unternehmen in einer boomenden

gerade im Bereich der Industrie gebe es

Branche geworden. Und längst sind

noch, die ungenutzt in der Sonne bra- immer. Gerade jetzt. Wo das Thema ei-

Einsteigen? Lohnt sich eigentlich

es nicht mehr Bart und Strickpullover

ten. Längst gibt es neuartige Module, nes ist, das aktueller kaum sein kann.

tragende Ökos, die sich für Strom aus

die auch flach auf Flachdächern liegen

Und bleiben wird. In den vergangenen

Sonnenenergie interessieren. Sondern

und doch jede Menge Energie erzeugen

zehn Jahren hat sich der Strompreis

Häuslebauer ebenso wie Investoren, die

können. Und sind es nicht gerade die

verdoppelt. Tendenz? Weiter steigend.

auf einen Galopper setzen, der längst

Energiekosten, die viele Unternehmen

Da denken die Jungs bei K&W schon

schon an Energie aus Atomspaltung

drücken? Wenn nicht gar in die Knie

lange nicht mehr nur ans Jetzt. Sondern

und Kohleverbrennung vorbei gesprin- zwingen? Fragen sich Dominic und

weiter an und in die Zukunft. Wie lange

tet ist. Kein Wunder also, dass immer

fahren wir noch mit fossilen Brennstof-

Tobias Kahre. Ein neugieriger Blick aus

mehr Investoren sich an die wenden, dem Fenster des Motorseglers zeigt: An- fen? Eine Frage der Zeit? Wann lässt sich die im Ausland Erfahrungen in großen

gekommen ist noch nicht überall, dass

Strom günstig speichern? Auch da wird

Solarparkanlagen sammelten. Die wis- Produktionsfläche meist auch Photo- eine Antwort kommen. Eine, die sie vor sen, was es bedeutet, auf freier Fläche

voltaikfläche ist. Und es nicht immer

allem bei K&W schnell in die Praxis, in

Großvolumiges in Sachen Sonnenener- nur die Südausrichtung ist, die Geld

ihrem Unternehmen umsetzen werden.

gie aufzubauen. Dabei sind die beiden

und Rendite bringt.


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Nach vorne zu schauen, sich mit Kommendem zu beschäftigen, ist ja an sich keine schlechte Sache. Mit dem, was ganz am Ende kommt, will sich dagegen kaum jemand auseinandersetzen. Und Angebote dazu sind auch sehr spärlich gesät. Es ist einfach etwas, was man sich nicht vorstellen kann. Und eigentlich auch nicht will.

Erfährt Hanno Paul, Seelsorger im Bünder Lukas- Krankenhaus immer wieder. Dabei sei es doch wichtig, sich mit dem eigenen Tod, dem Sterben zu beschäftigen. Vor allem, um sein Leben bewusster zu leben. Ehe das aber funktioniert, geht es in ein Wochenende, das man durchaus als ein ernstes, dunkles, manchmal auch bedrückendes bezeichnen dürfe, so der Geistliche. Ein Wochenende also unter dem Titel „Dem eigenen Sterben begegnen, das Leben begrüßen“. Es geht also, vereinfacht formuliert, darum, sich das eigene Sterben vorzustellen. Unverblümt, sachlich, fast schon real. Am Freitagabend die Vorbereitung darauf, das nichts mehr kommt. Am Samstag dann die Umsetzung des gefassten Gedankens in die Realität. Testament schreiben, in einer Phantasiereise Abschied nehmen von den Liebsten, von


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Liebgewonnenem, von den Dingen, die man eigentlich nicht loslassen möchte. Und doch muss. Tränen rinnen dabei schon mal über Wangen. Es wird ernst. Und leise. Abends dann ein Feuer, in das geworfen wird, was symbolisch für das steht, was man nun wirklich nicht verbrennen sondern auf ewig behalten möchte. Meist seien das Dinge aus der Natur: Blumen, Rosen im Speziellen, die für viele Seminarteilnehmer für das stehen, was sie am meisten vermissten. Aber auch Fotos, gemalte Dinge, zu Papier gebrachte Erinnerungen gehen in Flammen auf. Es sei schon bedrückend, erst, auch sehr düster, doch, so dürfe man das ruhig nennen. Ein letzter gemeinsamer Gesang, dann die Stille. Das Schweigen. Und die Empfehlung, auch nachts nicht zu sprechen, nur ganz ruhig, eben still zu sein.


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Wenn man den Worten von Hanno Paul folgt, dann will der Zuhörer ihnen eigentlich gar nicht auf den Fersen bleiben. Wer will über so etwas nachdenken? Wer sich vorstellen, den Freunden, den Verwandten ein letztes Mal in die Augen zu sehen, die Hand zu reichen, zu umarmen, Lebewohl zu sagen?

Nun, die Antwort ist ganz einfach.

wird dann noch einmal begrüßt, ge-

Das Ende, der Moment des Abschieds

segnet. Stunden zuvor war da noch die

kommt irgendwann. Ganz sicher. Und

Angst, sich auf so etwas einzulassen,

ist es nicht im Leben meist immer bes-

diesen Weg zu gehen. Jetzt aber wis-

ser, Dingen gut vorbereitet zu begeg-

sen die Seminar-Teilnehmer, was das

nen? Und wenn das so ist, sollte das im

Leben wert, was ihnen lieb und teu-

Sterben nicht genauso sein?

er ist. Wissen Sie, natürlich gilt, dass

Dabei ist das Sterben etwas, das sel-

man jeden Tag wie seinen letzten leben

ten gleichförmig abläuft. Seit 20 Jahren

sollte, sagt Hanno Paul. Und eigentlich

arbeitet Hanno Paul als Seelsorger, ist

wisse das auch jeder. Aber beherzigen?

also manches Mal auch zur Stelle ge-

Tun das nur wenige. Das ist bei den Se-

wesen, wenn ein Leben zu Ende ging.

minarteilnehmern anders. Wer erst

Er hat die kennengelernt, die wussten,

einmal Liebgewonnenes in Flammen

dass sie am nächsten Tag sterben. Und

aufgehen sah, der verinnerlicht, was

nachts sanft eingeschlafen und damit

Leben eigentlich bedeutet. Nimmt so

auch entschlafen sind. Und er hat auch

ein Seminar auch die Angst vor dem

die begleitet, die von Gleichem fest

Sterben, dem Tod? Eigentlich nicht.

überzeugt waren. Am Morgen drauf

Sagt der Krankenhaus-Seelsorger.

aber erstaunt feststellten, dass die Zeit

Lange schon, immer im Zweijahres-

dann doch noch nicht gekommen war.

Rhythmus, bietet er gemeinsam mit

Dann braucht es ein wenig, um sich

seiner Frau diese Workshops an. Ge-

zu sammeln, um sich wiederzufinden

blieben ist dennoch eine Angst vor

im Leben. Bei dem Seminar ist das an- dem eigenen Sterben, dem Sprung ins ders. Da geht es morgens gemeinsam

Unbekannte. Auch er kann sich nicht

raus in die Natur, auf zum Spaziergang,

vorstellen, wie das ist, wenn nichts

der aufgehenden Sonne entgegen. Die

mehr ist. Konkret ängstigt ihn aber der

Stimmung gelöst, euphorisch gar. Den

Übergang. Zu häufig hat er wohl schon

Morgen, den Tag, das ganze Leben

an Bettkanten gesessen und miterlebt,

willkommen heißend. Jeder Einzelne

wie manche ganz friedlich gehen, wie


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aber bei anderen sich Körper oder See- Herbst 2012 ist es wieder soweit. Dann le gegen das Unvermeidliche wehren.

setzen sich Interessierte mit dem aus-

Es sei einfach nicht vorstellbar, selbst

einander, dem andere gerade real ge-

wenn er viel miterlebt und gesehen

genüberstehen. Manchmal kommt bei

hat. Aber es lohne sich dennoch, sich

Letzteren der Wunsch auf, Dinge abzu-

mit dem Sterben auseinanderzusetzen.

schließen. Menschen noch einmal zu

Vorrangig richtet sich dieses Seminar

sehen, noch einmal ans Meer zu fahren,

an die, die andere beim Sterben be- Abschied zu nehmen. All das gebe es. gleiten. An ehrenamtliche Mitglieder

Aber ist es nicht viel einfacher, sich

der Hospizgruppe, an Krankenhaus- von dem zu verabschieden, was man mitarbeiter, an Freiwillige also, die

vorher schon ausgewählt hat? Gerade

das so gut wie es eben geht erleben

wenn die Kräfte schwinden? Es geht

wollen, was die, die sie betreuen, real

dann also doch um zweierlei: Impulse

erleben. Aber: so ein Seminar ist auch

für das Leben zu setzen. Und sich auf

offen für Neugierige außerhalb dieser

den eigenen Tod vorzubereiten. Gut

Gruppe. Für solche, die sich mit dem

vorbereitet ist Hanno Paul schon heu-

Tod – wenn auch nur in der Theorie –

te. Ein Testament? Hat er noch nicht

beschäftigen, sich ihm stellen wollen.

gemacht, die gesetzliche Erbfolge ist

Das gelingt nicht jedem. Auch nicht

dann doch keine schlechte Wahl. Die

dem, der sich angemeldet hat. Einer,

Patientenverfügung? Lange schon

der ist mal mitgekommen, weil er sei-

ausgefüllt, immer wieder hervorgeholt

ner Frau einen Gefallen tun wollte. Al-

und nachgebessert.

les andere als eine gute Basis für solch ein Vorhaben, so Hanno Paul. Und so ging der Teilnehmer wieder, noch ehe das Seminar richtig angefangen hatte. Jedermanns Sache sei so ein Angebot sicherlich nicht. Die Teilnehmerzahl, bei 16 begrenzt, steigt aber stetig. Im

Das Leben? Dann doch eines, das vergänglich ist. Und von ihm in genau diesem Bewusstsein gelebt wird. Was die Auseinandersetzung mit dessen Ende dann schlicht beinhaltet.


Gemacht von der hoch5 GmbH & Co. KG. verlegt von der hoch5 verlags GmbH & Co. KG.

Was sich kompliziert liest, ist in der Praxis ganz einfach. Das 52 8 Magazin ist immer noch eins, als er auf dem Boden lag, dann luftige das in den Köpfen zweier Kreativer

Höhen erklomm. Vor allem aber: die

entsteht. Und mittlerweile durch die

Perspektive immer beachtend, noch

Recherche-Arbeiten, das Kontakte- mal wechselnd, ehe der Auslöser der knüpfen und Kontakthalten von Anne

Kamera gedrückt wurde.

Lüneburg noch weiter nach vorn ge- Wer bekommt so ein Heft? Jeder, der bracht wird. Wer so etwas in Auftrag

Mitglied in der IWKH ist. Umsonst, per

gibt? Keiner. Wer so etwas zahlt? Wir. Post zugeschickt. Viele große Betriebe Und die Anzeigenkunden, die hier ein

im Kreis Herford stehen auch auf der

Umfeld gefunden haben, das eben nicht

Adressliste. Und dann gibt es die, die

von der Werbung dominiert wird. Son- weder das eine noch das andere sind. dern Raum bietet. Ein Heft also, fernab

Sich aber dennoch daran erfreuen,

dessen, was sonst so in den Briefkasten

Dinge zu lesen, die eben nicht in der

flattert. Und die ein oder andere Per- Tageszeitung, nicht im Internet stehen. spektive bietet, die längst vergessen

Wer so denkt, der entscheidet sich für

scheint.

das Abo. Und wird fortan auch mit dem

Für den Perspektivwechsel sind auch

52 8-Magazin beliefert, das manchmal

in dieser Ausgabe zwei Kreative ver- vier, manchmal fünf Mal pro Jahr erantwortlich. Elena Perschin als Art

scheint.

Directorin, die dieses Mal auf eine auf- Wer selber einmal drin stehen möchwändige Veredelung verzichtete. Und

te, der schreibt uns. Unter info@528-

doch durch ihre liebevolle Gestaltung

magazin.de sind wir erreichbar. Ver-

das akzentuiert und aufzeigt, was die

sprechen tun wir vorab nichts, halten

Texte in sich tragen. Die wurden wie

aber jede Menge. Und freuen uns auch

immer von Tobias Heyer geschrieben. sonst über jegliche Art der Kritik. Jedes Wort, jedes Bild – mit Ausnah- Und wer noch mehr von uns lesen und me des Fotos von Dr. Stella Ahlers – sehen möchte, neugierig geworden ist? stammen von ihm. Mal entstanden, Der schaut unter www.lesen-hoch5.de.

Impressum Herausgeber:

Konzept, Redaktion, Art Direction,

hoch5 Verlags GmbH & Co. KG in Kooperation

alle Fotos und Texte:

mit Initiative Wirtschaftsstandort Kreis Herford e.V

hoch5 GmbH & Co. KG, Bünde

und widufix – aktiv für Unternehmen

www.hoch5.com

im Kreis Herford

Druck: Heidenreich Print GmbH, Bünde

V.i.S.d.P.: Tobias Heyer

Auflage: 2.800 Stück




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