HOCH5 Bielefeld no. 1

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EDI O MÜSSTE DAS HIER NICHT DIGITAL SEIN? Als App, ab damit aufs Smartphone?

Oder wenigstens kleiner? Und glänzender?


IT OR

MUSS ES NICHT. UND MUSS EIGENTLICH GAR NICHTS. Das hier, das ist unser Magazin. Kein wirtschaftlicher Hintergedanke. Kein Mäzen im Hintergrund.

Keine bezahlten Geschichten. Kein Tausch: Geschichte gegen Anzeige. Nur wir. Und das Heft. Die, die darin vorkommen. Und du.


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116 Grad sind in Ordnung. 117, 118 auch. Alles darunter und darüber? Echte Katastrophen. Aber wie findest du heraus, dass das heiße Gemisch da aus Wasser und Zucker passend heiß ist? Mit dem Thermometer? Oder doch besser mit Erfahrung? Lea Nüsgen hat beides. Und setzt doch auf eine ganz andere Methode. Nimmt eine Metalltülle, nimmt etwas Flüssigkeit vorne auf und bläst von hinten in die Tülle. Bildet sich vorne ein ganzer Blasenschwarm, dann passt die Temperatur. Und ist eine der vielen Herausforderungen beim Backen von Macarons umschifft. Wobei das Wort Backen eines ist, das Lea nicht so gerne mag. Sie backt ja nicht. Oder nur selten. Dafür rührt sie viel, schlägt viel, zieht an, spritzt auf. Backen, das klingt nach: oh ja, ich backe auch. Und meint doch etwas ganz ­anderes. Lea Nüsgen ist Konditorin, Meisterin, viel unterwegs gewesen, hat gearbeitet, hart, lange, hier und dort. Wer neben ihr in der Backstube steht, die ja keine ist, sondern ein Mix aus Werkstatt und Büro, Zauberbude und Probierstation, der ist froh, dass ihm der Zitronenkuchen als Backmischung gelingt. Und weiß zu schätzen, was er hier probieren darf.

iw e ker lec Als nach der Schule die Frage nach dem Und-was-Jetzt bohrender wurde, entschied sich Lea für den steinigen Weg. Abitur und Konditorlehre? Klingt abwegig. Aber eben auch spannend. Also durchgebissen, hochgearbeitet. In Wien in der Dessertküche eines Top-Restaurants weitergemacht, in Schweden bei einem Italiener Eis hergestellt, vor allem aber das Handwerk, den Gaumen verfeinert. Und in sich die Idee tragend, sich irgendwann selbstständig zu machen.


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Das Grundrezept: 26 B ilder von Tobias geschossen und von Katharina verfeinert 490 Wรถrter von Tobias geschrieben 6 Seiten

von Florian gestaltet

5 1/2 Tartes von Julie vernichtet



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All das hat viele Jahre gedauert, Jahre, in denen sie die Gästezimmer der Freunde bevölkert hat, immer noch bohrende Fragen nach dem Was-denn-Nun beantworten musste und nicht wollte. Und irgendwann bereit war. Erst einmal noch mit dem winzigen, zum Wohnmobil umgebauten Toyota Aygo auf Europareise ging und denen zusah, die genauso verrückt waren wie sie. Dann auf zur Wirtschaftsförderung, zur Bank, zur Handwerkskammer, zu denen, die staunten, nicht nur die Daumen drücken, sondern Wind unter die ausgebreiteten Flügel pusten wollten. Und sollten.


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m u Z rnaschen Ve Na, auf den Geschmack gekommen? Handgefertigte Tartes und Törtchen bekommst du hier:

Di. 9.00 – 14.00 Altstadtmarkt Do. 16.00 – 21.00 Abendmarkt Klosterplatz Sa. 8.30 – 13.00 Markt Schildesche Oder auf Bestellung für deinen Geburtstag, eure Hochzeit, das Firmenjubiläum ... www.tartesundtoertchen.de


9 Dabei war es schwer genug, eine passende Bleibe zu finden. »Törtchen brauchen RAUM«, so lautete die Such­ anzeige, aufgeklebt an Laternenpfähle, viel beachtet, kaum beantwortet. Doch irgendwann fand sich zwar kein Ladenlokal, aber ein Raum, nebenan entsteht Schmackhaftes für Kindergärten und Ganztagsschule, hier hat Lea ihr Reich gefunden. Die Rührmaschine vermengt Wasser, Zucker und Eiweiß weiter, minuten-, viertelstundenlang. Geduld, Geduld und noch mal Geduld. Das sei immer noch das beste Rezept. Und Erfahrung, Neugierde, Begeisterung. Nicht ohne Grund ist das Lieblingswort der Bielefelderin: ­fantastisch. So fühlt es sich an, wenn die Macarons gelingen, wenn sie perfekt schmecken, aussehen, sind. Wenn sie mit der dreirädrigen APE zum Markt am Klosterplatz fährt, ihren Verkauf aufbaut, ihre kleine Firma »Tartes und Törtchen« noch ein bisschen bekannter macht. Wer hier kauft, der weiß zu schätzen, was nicht von der Stange kommt. Der ahnt nicht, wie viele Mühen, wie viele Fehlerquellen in der Herstellung stecken. Der genießt einfach. Nickt. Murmelt vielleicht noch: fantastisch.



Ve rĂźckt im Kopf, alle beide. Aus d e n A u g e n v e r l o r e n , fast, nur ne Weile. Zusammen, passend, im Bunker. Ausgesperrt die Welt. Voller Klunker* r

wegschauen, anders denken. Tritt verlassen, Weg bahnen, f p oK verrenken. Zusammengehalten, die Welt, mit Ponal. Festgehalten, die Welt, alles, nur nicht banal.


. 18 Uhr. Zu früh. Schreit der Wicht. Sieben Stunden. Die Stadt, voll, alles dicht. 1  Uhr. Finale, Ende. Aus. Das Licht. Im Programm, von uns, keine Spur. Teilnahme? Mit Armband, nur. Sind nicht dabei, offiziell, geschlossen die Tur. Sind dabei, sowas von, für dich, wecke die Uhr. Samstag, 28. Apriltag, das Leben beginnt. Getrieben durch die Nacht, Faltplan blind. Im Bunker, Getränke, Gesang, Zeit verrinnt. Für alle offen, ohne Lizenz, Kunst halt. Bestimmt.

Ohne Seitenzahl


Aus Pappe. Tageweises Leben. In Beton. Gefeit gegen das Beben. Kommt vorbei. Kräftig der Druck der Hände. Skizziert, gemalt, geklebt. Papier, riesengroß, die Wände. Zu Hause im Bunker. Auf Zeit. Allein – eine Nacht. Reingeschmuggelt ins Programm. Viel an Troja gedacht.

28. 04. 2018 18 – 1 Uhr HOCH5, Neustädter Straße 19, Bielefeld

Vereint. Kunst, Esel, Pappe, Beton. Braucht keine Einladung. UND JETZT: KOMM.

Layout und so: Flo




Irgendwann der ausgesprochene Ge­danke: Hier hat vor ein paar Tagen Anne-Sophie Mutter gespielt. Und dann Stille. Weiche Knie. Nüchterner Kopf. Lampenfieber. Ehrfurcht. Irgendwann hat das mit dem Spaß auch ein Ende. Dann einmal schütteln, Schulterklopfen, wir lassen uns doch hier nicht verrückt machen und rauf auf die Bühne. Oetker-Halle, geschichtsträchtiges Gebäude, Shantychöre mit Tradition und mittendrin Shantallica, gekommen, um zu verwüsten. Ach, so darf man das nicht schreiben, sie eint ja die Liebe zur Musik. Und zur Arminia. Aber das kommt später. Da sitzen also der Käpt`n Rolf, der CHIEF Markus, 1WO Anders und Obermat Lars auf der sonnenüberschütteten Dachterrasse – die Mädels vom Nachbartisch gucken mit einer Mischung aus Neugierde und Verwunderung rüber – und wir können ablegen. Shantallica, das hat herzlich wenig mit Heavy Metal zu tun, dafür aber mit Shantys und vor allem dem, was man daraus machen kann. Die vier sind der Kopf der Truppe, wie viele sie insgesamt sind, können sie gerade nicht wirklich treffend beantworten, 35 sollen es wohl sein. Plusminus. Es könnten noch viel mehr sein. Wenn sie denn wollten. Aber sie wollen nicht jeden, denn, Achtung, Phrasenschweinplatzgefahr, hier käme der Mensch vor der Note. Heißt: Passt du nicht zu uns, singst du nicht mit. Passt du zu uns, bist du dabei. Scheißegal, ob du singen kannst. Die Sonne lacht, das Bier verdunstet irgendwie viel zu zügig und da darf man dann ruhig mal ein paar, nun, unerwartete Dinge ansprechen. Etwa, dass der ein oder andere Shantallicaner gar nicht singen könne. Aber bitte, hier geht es ja nicht um Mehrstimmigkeit und Solistenrolle, um Jugend musiziert oder den Musikantenstadl. Hier geht es um echte Männerfreundschaften. Doch, doch, mitsingende Frauen könnten sie sich auch vorstellen. Nur eben nicht bei sich. Dabei hat das ja alles nur wegen der Frauen angefangen. Die Frau vom Rolf feierte irgendeinen runden Geburtstag, die Erinnerung schwindet da gerade ein wenig, und verschenkt werden sollte etwas, das du nicht kaufen kannst. Vielleicht was singen, vielleicht vom Meer, mal ein paar Kumpels anrufen, nix können, trotzdem oder gerade deshalb singen. Sich hinstellen, losträllern, Applaus ernten, vielviel Applaus ernten. Und Tränen. Und Gänsehaut. Und Glückseligkeit. Es sei dann etwa sieben Minuten in einem Mailverlauf kreuz und quer und vor allem drunter und drüber gegangen und dann stand fest: Wir heißen Shantallica. Und auch: Ich will mit euch nichts zu tun haben. Schrieb einer, der zufällig in den Mailverkehr geraten war. Als Geisterfahrer quasi. Ihr habt doch ne Macke.

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17 Seitdem wird geprobt. In der Altdeutschen Bierstube Esser, Kümmel-Tablett von Kneipier Wanze inklusive. Keine Ahnung, warum der so heißt, aber irgendwas muss das mit ihm zu tun haben, sonst würden sie ja nicht von der auf der Lauer liegenden Wanze singen, wenn er schwerbepackt den Probensaal betritt. Muss das eigentlich, das mit den Proben? Sicher nicht. Also wenn es ums musikalische Können geht. Ist ja nur einstimmig. Mit viel Toleranz bei Musikern, Sängern und vor allem bei denen, die all das irgendwie zusammenhalten wollen. Wissen sie. Aber ist ja super gesellig. Und die Auftritte rücken ja immer näher. Und spätestens jetzt wird aus der Männersetzensichzusammenundgröleneinbisschen-Geschichte etwas ganz anderes. Wir sind bestens gebucht. Erzählen sie. Und wundern sich. Werden dafür sogar bezahlt. Wundern sie sich noch viel mehr. Wobei die Währung nicht immer Euro sein muss. Freibier ist obligatorisch. Aber aufgepasst: Freibier bedeutet nicht, Kasten hinstellen und danach ist Ebbe. Freibier heißt: Vor, während und nach dem Konzert so viel Bier, bis wirklich niemand mehr durstig ist. Ein Zustand, der nicht so wirklich vorstellbar ist. Und vielleicht ist es am Ende dann doch nicht das dreigestrichene, hohe C, das entscheidet. Sondern die Show, das Mitgeschunkel, dieses Gefühl, dass die da oben schon ne dicke Buchse haben müssen, sich mit so viel Nichtkönnen auf die Bühne zu stellen. Und das, also das mit dem Können, irgendwann komplett egal ist. Hauptsache Stimmung. Sie waren schon beim Ponyrock-Festival in Oldenburg, sangen bei Arminia, wo sie eh bei jedem Heimspiel sind. Hier anfangen und kein Arminia-Fan sein? Geht nicht. Sagen die vier und sehen plötzlich gar nicht mehr so lustig aus. Es gibt Dinge, die sind nicht witzig. Arminia ist nicht mal ernst. Die ist mehr. Sie sind sogar mal nach La Palma eingeladen worden. Haben es da mit der Verständigung vielleicht etwas übertrieben, aber auch hier das gleiche Bild: Verwunderung, Lachen, Dabeisein. Als sie auf dem Rückflug wieder am Schalter standen, guckt die Dame dahinter kurz auf, formt die Augen zu Schlitzen und sagt nur: Ach. Ihr seid das. Völkerverständigung eben. In 48 Stunden, quer über die Insel. Wie die vier, der Lars, der Rolf, der Andreas und der Markus so erzählen, kratzen sie sich immer wieder am haarlosen Kopf. Gibt’s doch gar nicht. Wo wir hingekommen sind. Mit nix. Zum Adventssingen eingeladen worden, als Vorprogramm BossHoss auf der Alm gehabt, jetzt ne Einladung zur Eröffnung der neuen Volksbank-Zentrale. Da kommen sie ganz zum Schluss. Als Grande Finale. Vor dem Feuerwerk. Wird fließend ineinander übergehen, das Ganze.

Made by Karen


DU MAGST DAS SO?


T Heft, Ansprache, Tiefe, Aufmachung. Du willst das auch so? Für deine Firma, deine Website, dein Magazin. Na dann los. Meld dich bei uns. Bei deiner neuen Werbeagentur. Phonieren: 05223 7923700 | Mailieren: info@hoch5.com Faxieren: Wird nix, steht im Keller | Surfieren: www.hoch5.com

Bünde  |  Bielefeld  |  Berlin


Der Ulli muss die Augen zusammenkneifen, so windig ist das gerade. Sieht aus wie in der Sahara. Sagt er und schaut dem Sandstaub hinterher, der über seinen Hof hinwegfegt.

RINDVIECH Fast so exotisch sehen seine Rinder aus, die in einem Mix aus drinnen und draußen stehen. In einer Art Rondell, durch das der Wind geht, in dem sie sich rindswohl fühlen, die frische Versmolder Luft einatmen können und groß und dick, und, ja, auch fetter werden. Denn dafür sind sie da, dafür hat Ulli Krumkühler sie manchmal von weit, sehr weit hergeholt. Angusrinder findest du nicht an jeder Ecke, Angusrinder findest du bei Ebay. Also spannt er den Hänger hinter seinen riesigen Geländewagen und fährt los. Ist manches Mal herb enttäuscht worden, weil das, was da vor ihm stand, nicht das war, was vor ihm stehen sollte. Da hatte das Rind plötzlich Hörner. Und war damit alles, nur kein Angus. Aber willste das dann da stehen lassen?


Gut abgehangen


Ulli Krumkühler ist, trotz seiner jungen Jahre, ein Realist. Und Rechner. Und gelernter Landwirt. Als er damals im Junglandwirteforum mit anderen jungen Landwirten unterwegs war, ging es zu wie immer. Interessant und lustig. Bis sie an dem Hof ankamen, den sie besichtigen wollten. Da standen Wagyu-Rinder. Und Angusrinder. Die Macher betrieben einen Onlineshop für ihr Fleisch und die, die eben nicht Nackensteaks für 2 Euro das Kilo an der Supermarkttheke kauften, bestellten fleißig. Die Idee hat mich nicht losgelassen. Erzählt der Ulli heute. Und erinnert sich noch daran, dass er nicht schlecht staunte, als plötzlich auf dem Züchterball in Osnabrück der Typ mit den Rindern neben ihm an der Theke stand. Du bist doch der mit den...? Ja, bin ich. Willste mitmachen? Ja. Gut. Na dann. So einfach entstehen Geschäftsbeziehungen, der eine sucht ne Idee, der andere jemanden, der Rinder aufzieht. Also verabschiedete sich Ulli gedanklich schon einmal von den konventionellen Mastbullen in seinem Stall und plante mit dem Angusrind. Musste die Familie überzeugen und ging auf Einkaufstour. Ca. 40 Rinder bekam er so zusammen, wog sie, schaute sich die wachsenden Fleischberge an, die da genügsam im Stall standen und staunte nicht schlecht, als der Anruf vom Geschäftspartner kam. Sieht gerade nicht gut aus, mit dem Geschäft. Heißt im Klartext: Wir können dir deine Tiere nicht abnehmen. Dann noch ein Missgeschick, ein Rind brach sich ein Bein und der Verwerter bot 200 Euro – für das ganze Tier. Will ja niemand haben, so was Exotisches. Befand er. Fand Ulli nicht. Also hat er den Frust in seine WhatsApp-Gruppe gehackt. Gibt’s doch nicht. So schlechtes Geld für so gutes Fleisch. Dauerte nen paar Stunden, und das Fleisch, das ganze Rind war weg. Verkauft an die, die wissen, dass das Fleisch vom Angus perfekt marmoriert ist, zum Davonschweben schmeckt. Dann eben so. Seitdem vertreibt Ulli sein Fleisch selber. Entweder auf Vorbestellung, als 20 kg Mix-Kiste (Frischfleisch vakuumiert) oder

Sieht aus wie ein Ufo. Ist aber der Frischluftstall von maximal 135 Angusrindern.


Gut abgehangen

Mädels & Jungs stehen hier getrennt voneinander, weil Jungs alles im Kopf haben, wenn sie Mädels sehen. Nur nicht das Zunehmen.



HINFAHREN Auf den Geschmack gekommen? Dann nichts wie los. Ab aufs Land. Auf nach Versmold. Hin zu Ulli. Zum Einkaufen. Oder zum TAG DES OFFENEN HOFES – mit Programm für die ganze Familie: 10. Juni 2018, ab 10 : 00 Uhr. WO? Hof Krumkühler | Laerstraße 30 | 33775 Versmold

Noch schöner marmoriert als Marmorkuchen: Das Steak im

Hier hat sich Karen Cuthbert gestalterisch ausgetobt.

Hofladen.

Und liegt ja auch immer bereit. Gut, noch sieht der Verkaufsraum ein bisschen abenteuerlich aus, aber das Hoffest steht vor der Tür, Tausende werden erwartet, da bleibt kein Raum, um weiter über den dringend gebrauchten Hofladen nachzudenken. Bis dahin gibt es das Fleisch beim Freund, Tims Landbau, um die Ecke. Oder eben direkt vom Hof, vorherige Anmeldung erbeten. 135 Tiere sollen es mal werden, die hier viele Monate und Jahre stehen. In der frischen Luft, auf Stroh, unter ihresgleichen. Wenn man sie so sieht, mit den großen Augen, den langen Wimpern, dem schokobraunen oder tiefschwarzen Fell, dann ist das immer noch ein komisches Gefühl, dass sie mal auf dem Grill landen. Auch für Ulli. Wenn sie abgeholt werden, wenn es auf die letzte Reise geht. Aber es ist eben auch ein Geschäft, sein Geschäft. Für das er nen satten Kredit aufgenommen, die normalen Rinder aus dem konventionellen Stall verbannt, die Schweinemast eingestellt und die Junghennenaufzuchtplätze reduziert hat. Die Zukunft? Gehört dem Angusrind. Dem Direktverkauf. Und ihm, da ist er sich sicher.

Gut abgehangen

­ ortionsweise, gefroren und eingeschweißt. p Gut, alles noch nicht, dafür hat er zu viel Fleisch und zu wenige Kenner. Aber das wird. Und zeigt sich schon an denen, die einfach mal vorbeikommen. Die neugierig vor dem riesigen Ufo stehen, das da auf Krumkühlers Hof gelandet zu sein scheint. Mädels und Jungs stehen hier getrennt voneinander, weil Jungs alles im Kopf haben, wenn sie Mädels sehen. Nur nicht das Zunehmen. Bullen wachsen nicht, Bullen glotzen nur. Ulli weiß, wovon er spricht, wenn er von seinem Fleisch schwärmt. Ein richtiges Geschmackserlebnis: Ein schönes Steak, medium gegrillt, nur mit etwas grobem Salz oder so ein Burger-Patty, sehr grob gewolft, sehr dunkel in der Farbe, der gehe immer.


S E C H S U N D Z W A N Z I G

Y O R N K E W G R A F I K

V O N K I R S T I N

Y O N R E K W

K A S S E N


Der Tag war lang und kalt und irgendwie auch anstrengend. Bin ja schließlich keine 20 mehr. Sagt V ­ olker ­Hanke, vor sich ein Bier und

ein Glas ­Wasser, vor sich auch die Theke des „­Marseille“, ­geschäftiges Personal, das dafür sorgt, dass der Samstagabendansturm ­bekommt, wonach er verlangt. Hells ­Kitchen heißt der New ­Yorker Bezirk,

S I E B E N U N D Z W A N Z I G


A C H T U N D Z W A N Z I G

in dem das „Marseille“ liegt – ein wenig wirkt es fast so, als sei Volker Hanke nach all den Attraktionen und geschichtsträchtigen Gebäuden, die er sich eben noch mit der U-Bahn, dem Bus erfahren, vor allem aber auf den Beinen erlaufen hat, hierher geflohen. Anhalten, Ruhe finden.

Das, was wir hier machen, hat ganz am Anfang noch niemand gemacht. Sagt Hanke nicht ohne Stolz. Als er mit zwei Freunden zusammen Touristen erstmals laufend durch die Stadt führte. Willst du wirklich in einem dieser dunkelroten Doppeldeckerbusse hocken und nur glotzen? Oder willst du die echten Insidertipps entdecken, willst dir die Bronx, Brooklyn, Harlem von einem erklären lassen, der hier seit 1995 lebt? Am Anfang waren es nur wenige, dann, als ihr Angebot zum ersten Mal in einem der großen deutschen Reiseprospekte auftauchte, immer mehr. Klingt ja auch nach einer sehr guten Mischung aus Bewegung, Information und Anderssein. Denn während der Bus nur eine Schleife um das Base­ ballstadion der Yankees dreht, läuft Hanke mit der zusammengerollten Zeitung unter dem Arm kleine Gassen hoch und wieder runter, bleibt hier stehen, erklärt dort Wissenswertes und sorgt dafür, dass die kleine Gruppe mehr erfährt, als aus jedem Reiseführer, aus jeder App. Die zusammengerollte Zeitung deshalb, weil du als Reiseleiter jegliche Achtung vor dir selbst verloren

hast, wenn du mit einem roten Regenschirm durch die Gegend läufst und die Truppe so optisch zusammenhältst. Reiseleiter – so würde er sich heute nicht mehr nennen. Früher, als er hier ankam, da sei er etwas in der Art gewesen. Einer, der die Sorgen, den Ärger aufnahm, nach Lösungen suchte und vor allem eins machte: sich kümmerte. Aber irgendwann willst du dann doch was eigenes machen, willst das Gegenkonzept zum Massentourismus an den Start bringen.

Also lieber was ­eigenes aufmachen, rein ins R ­ isiko, das du ja eh eingegangen bist, weil du nicht in deiner kleinen, ostwestfälischen Heimat bleiben wolltest. ­Sondern raus in die Welt. Marketing und BWL hat er in Paderborn studiert, wollte Staat und Eltern nicht auf der Tasche liegen, also alles schön von zu Hause aus geregelt, gelernt, gelebt. In sich aber schon den Wunsch spürend, irgendwann dann doch den Bruch, den richtig großen zu schaffen. Zwei Wochen New York-Urlaub sollten es nach dem Abschluss sein. Dann fiel der Blick erst ins leere Portemonnaie, dann auf eine Anzeige einer amerikanischen Firma, die deutschsprachige Praktikanten suchte. Beides passte gut zusammen. Vereinbart wurden sechs Praktikumsmonate, gewor-


Das mit der passen­ den Greencard dazu war dann doch schwerer als gedacht, weil es irgendwann mühsam ist, sich alle sechs Monate für drei Wochen nach Mexiko abzusetzen und dann als Tourist wieder einzureisen.

den sind es am Ende gleich 18. Allerdings in L.A. Es wurde ein wenig diskutiert, sich gerieben, dann stand fest: Volker Hanke macht die Servicekraft für anderthalb Jahre in New York. Kannst ja immer noch früher abhauen, wenn es so gar nix ist mit der Art von Arbeit. Das Unternehmen irgendwas zwischen Ableger und Mutter der TUI, die Kunden frustriert, weil sich im Hotel eine Kakerlake fand, das Zimmer zu klein, der Wasserhahn zu rostig, das Frühstück zu pappig war. Irgendwas war immer. Was ja auch kein echtes Wunder ist, wenn du für 2.000 Mark den Kompletttrip buchst. Aber das darfst du den Kunden nicht sagen, ­sondern dich einfach nicht mehr wundern. Irgendwann dann der Schwur: Wir können das besser. Und wir können das anders. Insight Seeing wurde gegründet, erst als deutsche GmbH, irgendwann dann als amerikanisches Unternehmen.

Es hat Zeiten gegeben, da war Hanke so halb legal in New York. Wenn überhaupt. Durfte nicht arbeiten, als er auf seine Greencard, seine Arbeitserlaubnis wartete. Aber New York sei nun mal sauteuer, damals wie heute, also war nix mit nix arbeiten. Er nennt die Phase die der drei B. Barpianist, Babysitten, Boxen. Mein Baby kennenlernen kommt wohl auch noch dazu, denn irgendwann war eine Herzdame gefunden, es wurde geheiratet – wie ­Hanke heute noch nicht nur erzählt, sondern fast beteuert – und die Greencard wandelte sich in eine permanente Aufenthaltsgenehmigung. Nach neun Jahren war der Status eher „Baby verloren“, Scheidung, alleine sein, der ganze Kram halt.

Längst war Volker Hanke da aber schon ein echter New Yorker. Kein Ami, Gott bewahre. Aber davon gibt es hier eh nur wenige, die meisten sind hergezogen, fühlen sich als

Teilchen in e ­ inem Pott, der gemixter und bunter nicht sein könnte. Sich vergleichen? Wie in Schlangen? Wer hat das dickste Auto, den tollsten Job, macht den schönsten Urlaub? Vergiss es. Irgendeiner ist eh besser, schöner, reicher. Also sieh lieber zu, dass du selber auf die Beine kommst. Und wackelig stehen bleibst. Die Freunde und Geschäftsgründer von Insight Seeing kamen nach und nach abhanden, heute führt Volker Hanke den Laden alleine. Mischt die gut 20 Freelancer immer wieder durcheinander, teilt ein, geht, läuft selber los. Du kannst bei ihm jede nur erdenkliche Tour buchen, selbst Sex an the city. Auch wenn er sich dabei dann doch sehr, sehr alt fühle. Niemand, der älter als 12 Jahre und männlich ist, sollte sich das antun. Sagt er. Und weiß doch: Die Besucher lieben es. Dabei ist er gerade 50 Jahre alt geworden – gut, die Beine wollen nicht mehr so wie am Anfang, aber U-Bahn fahren sei eh das Wichtigste und Empfehlenswerteste und sowas von authentisch für den Touristen. Schauen, was sich hier alles so tummelt.

Einen besseren Überblick über den Querschnitt ­bekommst du ­nirgendwo über dem Asphalt.

N E U N U N D Z W A N Z I G


D R E I S S I G

Dann läufts auch wieder mit dem Laufen. Wobei bitte nicht der Eindruck entstehen solle, dass er eingerostet sei. Es sei nur mit 27 irgendwie leichter gefallen. Aber das weiß jeder 50-Jährige. Also weiterlaufen.

Dann geht es vielleicht raus in die Bronx, dahin, wo der Friedhof schöner ist als der gesamte Central Parc. Weiß eben nur niemand. Und genau das ist das Kapital von Volker Hanke. Dabei wechselt die Stadt nicht nur ihre Farben, sondern auch ihr Gesicht, bist du einmal ein paar Wochen auf Heimatbesuch, dann haben zig Restaurants geschlossen, unzählige neue aufgemacht.

Ganze Blöcke sind kaum mehr wiederzuerkennen;

kein Ort auf der Welt, der sich so schnell immer wieder neu erfindet. Heimatbesuch nennt Volker Hanke die Reise ins Ostwestfälische tatsächlich. Wenn hier im Big ­Apple die Luftfeuchtigkeit bei 35 Grad auf unerträgliche 95 Prozent steigt, dann sehnt er sich nach der Heimat. Wobei es da so ruhig ist, dass er, gerade angekommen in Düsseldorf, sich erst einmal mit Freunden in Köln trifft. Um runterzukommen. Und die Stille auch wirklich genießen zu können. Der Bruch sei sonst einfach zu groß. Seine Mutter machte sich zweimal in die Gegenrichtung auf, der Vater nie, zu gewaltig wirkte und wirkt die Stadt, der Bruch, der Kontrast zwischen LandEi und GroßstadtApfel. Dabei ist er genau das nicht, denn als Kaufmann schloss er viele internationale Deals ab, reiste, arbeitete in größeren Städten. Heute aber: liebt er die Ruhe auf dem Land. Der Kellner fragt nach der nächsten Runde, vielleicht einen Cocktail, noch ein Bier? Nö, lass mal, der Abend ist zwar noch jung, aber nach sechs Stunden Tour ist er dann doch nicht mehr

taufrisch und der Nachhauseweg dauert ja auch noch. Eine gute Stunde, um genau zu sein – längst hat Volker Hanke die teuren und doch, wenn überhaupt, durchschnittlichen Appartements in Manhattan verlassen, für die du rund 4.000 Dollar Monatsmiete rechnen musst. ­Rostige Wasserhähne und mickrige 45 Quadratmeter inklusive. Jetzt lebt er auf Staten Island. Schiebt er sich morgens die Brille auf die Nase, dann schaut er direkt auf seinen Arbeitsplatz, auf die Silhouette New Yorks. Es gibt Schlechteres. Ein Auto braucht hier kein Mensch, den Dreiklang zwischen Fähre, Bus und U-Bahn beherrscht er perfekt und wer ehrlich sei, der fahre auch in Berlin, Hamburg oder München viel zu lange zur Arbeit. Radelnd in die Firma? Gibt’s doch nur in OWL. In irgendeiner Tasche hat Hanke immer eine Handvoll Visitenkarten, 11.000 Stück brachte er anfangs so über die Jahre unters Volk, dies und die Mund-zu-Mund-Propaganda sind

B i g


seine Marketingwerkzeuge. Sicher, drauf ausruhen dürfe man sich nicht. Denn dieses digitale Zeitalter mache auch vor ihm und seinem Berufsstand nicht halt. Apps führen durch die Stadt, ein Smartphone hat eh jeder vor der Nase und wer will heute noch stundenlang laufen, wenn er sich all das auch auf YouTube anschauen könne. Was natürlich nicht das Gleiche sei, nicht ansatzweise. Aber das weiß ja der YouTube-­ Gucker nicht. Also kommen vor allem die 30- bis 50-Jährigen zu ihm, lassen sich mitnehmen auf eine Tour, die schon zu Recht den Titel Insight trägt.

Dabei kommt auch die beim Times Square ­vorbei, beziehungs­weise um ihn nicht herum. So wie jetzt, wo die Rechnung im „Marseille“ bezahlt und das Staunen über die Millionen Lichter nie beendet ist. Ist doch Wahnsinn

hier. Sagt Volker Hanke und schaut sich die Reklame an, die diesen wundersamen Ort zu jeder Nachtzeit hell wie am Tage erscheinen lässt. Was er selber so macht, wenn er Urlaub hat? Freizeit sei, wenn er mit Freunden mit der Band Lukabrazi in Clubs spiele. Er am Piano, auch an der Gitarre, so Rocksachen halt, nix Großes im Allgemeinen, groß aber für ihn. Und im richtigen Urlaub? Auf nach Ostwestfalen. Nach Norderney. Sich mal durchpusten lassen, so richtig. Oder nach Paris reisen. Da hat er neulich als erstes eine Walking Tour gebucht. Als Überzeugungstäter. Als einer, der weiß, dass es keinen besseren Weg gibt, um eine unbekannte Stadt zu entdecken. Der Guide war schwer in Ordnung und hat seinen Job richtig gut gemacht. Auch wenn er gar nicht aus Paris stammte.

Sondern aus New York.

A p p l e

E I N U N D D R E I S S I G


Spielplan Fußball-WM 2018

1.

SERBIEN : SCHWEIZ Fr, 22. Juni, 20 Uhr SERBIEN : BRASILIEN Mi, 27. Juni, 20 Uhr SCHWEIZ : COSTA RICA Mi, 27. Juni, 20 Uhr

So, 17. Juni, 14 Uhr COSTA RICA : SERBIEN So, 17. Juni, 20 Uhr BRASILIEN : SCHWEIZ Fr, 22. Juni, 14 Uhr BRASILIEN : COSTA RICA

Do, 14. Juni, 17 Uhr RUSSLAND : SAUDI-ARABIEN Fr, 15. Juni, 14 Uhr ÄGYPTEN : URUGUAY Di, 19. Juni, 20 Uhr RUSSLAND : ÄGYPTEN Mi, 20. Juni, 17 Uhr URUGUAY : SAUDI-ARABIEN Mo, 25. Juni, 16 Uhr URUGUAY : RUSSLAND Mo, 25. Juni, 16 Uhr SAUDI-ARABIEN : ÄGYPTEN

C Mo, 18. Juni, 20 Uhr TUNESIEN : ENGLAND

SCHWEDEN : SÜDKOREA SÜDKOREA : MEXIKO

Mo, 18. Juni, 14 Uhr Sa, 23. Juni, 17 Uhr

2.

So, 24. Juni, 14 Uhr ENGLAND : PANAMA Do, 28. Juni, 20 Uhr ENGLAND : BELGIEN Do, 28. Juni, 20 Uhr PANAMA : TUNESIEN

Sa, 23. Juni, 20 Uhr DEUTSCHLAND : SCHWEDEN

MEXIKO : SCHWEDEN SÜDKOREA : DEUTSCHLAND

Mi, 27. Juni, 16 Uhr Mi, 27. Juni, 16 Uhr

2.

1.

Sa, 23. Juni, 14 Uhr BELGIEN : TUNESIEN

Mo, 18. Juni, 17 Uhr BELGIEN : PANAMA

DEUTSCHLAND : MEXIKO

Do, 21. Juni, 17 Uhr, FRANKREICH : PERU Di, 26. Juni, 16 Uhr DÄNEMARK : FRANKREICH Di, 26. Juni, 16 Uhr AUSTRALIEN : PERU

1. 2.

Sa, 16. Juni, 12 Uhr FRANKREICH : AUSTRALIEN Sa, 16. Juni, 18 Uhr PERU : DÄNEMARK Do, 21. Juni, 14 Uhr DÄNEMARK : AUSTRALIEN

So, 17. Juni, 17 Uhr

2.

A A Fr, 15. Juni, 17 Uhr MAROKKO : IRAN Fr, 15. Juni, 20 Uhr PORTUGAL : SPANIEN Mi, 20. Juni, 14 Uhr PORTUGAL : MAROKKO Mi, 20. Juni, 20 Uhr IRAN : SPANIEN Mo, 25. Juni, 20 Uhr SPANIEN : MAROKKO Mo, 25. Juni, 20 Uhr IRAN : PORTUGAL 2.

1.

1. 2. 1. 1.

2.

So, 24. Juni, 20 Uhr POLEN : KOLUMBIEN Do, 28. Juni, 16 Uhr SENEGAL : KOLUMBIEN Do, 28. Juni, 16 Uhr JAPAN : POLEN

Di, 19. Juni, 14 Uhr KOLUMBIEN : JAPAN Di, 19. Juni, 17 Uhr POLEN : SENEGAL So, 24. Juni, 17 Uhr JAPAN : SENEGAL

1.

2.

NIGERIA : ISLAND Fr, 22. Juni, 17 Uhr ISLAND : KROATIEN Di, 26. Juni, 20 Uhr NIGERIA : ARGENTINIEN Di, 26. Juni, 20 Uhr

Sa, 16. Juni, 15 Uhr ARGENTINIEN : ISLAND Sa, 16. Juni, 21 Uhr KROATIEN : NIGERIA Do, 21. Juni, 20 Uhr ARGENTINIEN : KROATIEN


Mo, 2. Juli, 16 Uhr

1/8

:

2. F

2. D

1. G

1. A

A A

Mo, 2. Juli, 20 Uhr

81/

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Sa, 30. Juni, 20 Uhr

2. H

2. B

1. F

1. B

8 1/ :

1/8

Di, 3. Juli, 16 Uhr

:

So, 1. Juli, 16 Uhr

2. E

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1. D

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1. H

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Do, 3. Juli, 20 Uhr

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A A

So, 1. Juli, 20 Uhr

2. G

2. C

C

1. AF7

1. AF1

1/8

:

:

Sa, 7. Juli, 16 Uhr

:

Fr, 6. Juli, 16 Uhr

1/ 8

1. E

1. AF8

1. AF2

1. AF3

1. AF5

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:

1. AF4

1. AF6

81/

Sa, 7. Juli, 20 Uhr

1/8

Fr, 6. Juli, 20 Uhr

:

1. VF3

1. VF1

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1/2

Mi, 11. Juli, 20 Uhr

:

1/2

Di, 10. Juli, 20 Uhr

1. VF4

1. VF2

1. HF1

2. HF1

:

So, 15. Juli, 17 Uhr

:

Sa, 14. Juli, 16 Uhr

2. HF2

PLATZ 3

1/4 1/4 1/2 FIN ALE 1/8 8 1 / 1/4 1/4 1/2

1. C

1/ C 8

Sa, 30. Juni, 16 Uhr

1. HF2

So sieht ein Fußball-WM-Spielplan aus – zumindest für unsere Art Direktorin Kirstin Kassen


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LUFTIG


LUFTIG

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LUFTIG

BE I SI E BE N ME T ERN I ST SCHLUSS. WE NN ES RI C HT I G GUT LÄUFT. R I CH T I G HO C H H I NAUS GE HT. Aber das geht es nur selten. Meist sind die Höhen geringer. Dann ein letztes Anspannen der Muskeln. Ein letztes Mal versuchen, den Griff noch ein bisschen fester hinzubekommen. Und dann geht es doch wieder abwärts. Bouldern hat nichts mit der Höhe zu tun. Wissen Jonah und Jan. Beide stehen an diesem Samstagmorgen im Halleluja-Steinbruch, der wirklich so heißt, als wenn der Entdecker nicht wie wir den Weg um den Berg herum gefunden hätte, sondern den steilen Anstieg auf allen Vieren hochgekraxelt wäre, ehe er oben laut: Halleluja! gerufen hätte. Kann man machen. So zur Einstimmung. Bereits dann fühlt man sich als Bergsteiger. Und vergisst das ganz schnell wieder, wenn man die sieht, die jedes Wochenende hierherkommen.

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LUFTIG

Jan studiert in Bielefeld. Jonah wohnt in Osnabrück, beide wissen: Wenn bouldern, dann hier. Klar, beide klettern auch in der Boulderhalle, deutlich häufiger sogar. Aber hier draußen ist‘s dann doch was anderes. Die Hände voller Kreide, den Blick nach oben gerichtet, geht es darum, nicht die schnellste, sondern die eleganteste Route nach oben zu finden. Oder zumindest so weit, bis der Verstand sagt: reicht jetzt. Und der Kletterpartner sagt: reicht schon lange. Und der Bauch sagt: ein wenig geht aber schon noch. Es gehe nicht ums Risiko. Aber auch nicht darum, sich festzugurten, das Seil durch die Metallösen zu fädeln, die andere in den Stein getrieben haben. Es geht nur: Mensch gegen Stein. Oder besser: Mensch mit Stein. Den richtigen Halt finden, zugreifen, den Fuß dahin stellen, wo er Halt und Vortrieb bietet. Spinnengleich geht es nach oben, unten warten Partner und Matte darauf, im Fall der Fälle den Fall abzufangen. Aus der kleinen Musikbox plärrt tatsächlich „Country Roads“, es geht noch ein Stückchen weiter, kurzes Innehalten, Absturz, Analyse und noch einmal. >

ES G EHT N UR: MEN SC H G EG EN ST EI N. O D ER B ESSER: MEN SC H MI T ST EI N.

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LUFTIG

MI T GI P FE LSTÜR ME N? HAT D AS NICH TS ZU TUN. SI EHT NICH T SO AUS. FÜH LT SI C H AB E R SO AN. WE NN D U WE I SST, WIE E S GE HT. UN D NICH T D IE H ÖHE D AS ZI EL I ST. SOND E R N D E R W EG. <

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G E S T A LT E T V O N :

CHRISTINA

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40 STAMM VORM KOPF Ach, die niemals alt werdenden Kollegen, die immer noch mit dem ­Longboard in die Agentur kommen. Mütze schief und viel zu groß auf dem Kopf, Logo-T-Shirt an und den festen Willen in sich tragend, bloß nicht auf den Mainstream abzudriften – auf dem sie schon seit Jahren stilsicher unterwegs sind, ohne es zu merken. Geht auch anders, erwachsener, größer, toller, schöner. International, sogar Afrika unter­ stützend. Kleiner Haken gefällig? Die Baumstammboards sind sauschick. Und ebenso teuer. Verkauf halt deine Mützensammlung, dann wird’s schon hinhauen. forgebkn.com/drakkar

SCHEUNENFUND DIE ZEIT RAST Mit Armbanduhren ist das so eine Sache. Wirklich die schlichte Rolex, die das Geschmäckle des Protzigen nie ganz ablegen wird? Oder die zigste Variante der Moonwatch, die niemals das Original erreichen wird? Vielleicht doch die coole Casio-Taschenrechneruhr, die dem Ü-Ei entsprungen zu sein scheint und beweist: Der Träger liest abends Fix & Foxi, während die eigene Brut längst eingenickt ist. Dann lieber die hier. Vom Aisslinger Werner. Schlicht und doch nicht Bauhaus, bunt und doch nicht poppig. Könnte gut aussehen. Einen Sommer lang. nomos-glashuette.com/en/watches/families/autobahn


41 KLAPPERT’S? Die Älteren unter uns erinnern sich. Früher, also sehr viel früher, stand man am Flughafen vor riesigen Wänden und hoffte, dass beim nächsten Umklappern bitte nicht „gestrichen“ aufploppen mag. Längst vorbei. Leider. Oder: nicht ganz. Denn jetzt kann man sich seine ganz eigene Anzeigentafel an die Wand nageln. Digital und analog zugleich. Dauert noch ein bisschen, bis sie geliefert wird. Und, nein, ­Vorfreude ist nicht die schönste aller Freuden. Aber sie kann nicht schaden. Dann klappt’s auch. Mit der Wand zum Klappern. vestaboard.com

Irgendwo in Schweden wird doch noch einer stehen und auf uns warten. Hinten brüten die Hühner drin, vorne ist die Scheibe unter der Schneelast eingedrückt, aber sonst wird er noch gut in Schuss sein. So gut zumindest, dass er transportfähig ist. Dann noch schnell den VHS-Kurs Oldtimerschrauben für absolut Beginners belegt und der Ausfahrt mit dem Volvo P210 duett steht – in 5 ­Jahren – nichts mehr im Wege. volvocars.com/de/volvo/mehr-volvo/markentradition/ historische-modelle/17-p210-duett

FLEISCHFREI Es gibt Schinken aus allem, nur nicht aus Fleisch. Gut, dann heißt er nicht mehr Schinken, sondern Formschinken, aber besser macht es das nicht. Dann doch lieber gleich ein wenig radikaler. Und sich nachts an ein Rinderbein schmiegen – aus Stoff. Sich ne Gesichtswurstrolle unter den Nacken schieben. Wärmt und hilft vielleicht auch gegen Heißhunger. Oder andersherum. Egal, hier wird der fündig, der einen Vegetarier beschenken will. Und am Ende nur Sachen für sich selber findet. aufschnitt.net




Mach das bloß ordentlich. Muss man niemandem sagen, weiß doch jeder. Dauert dann halt ein bisschen sehr viel länger. Aber bitte, noch 89.999 Flaschen und das Freibier fließt in Strömen.


Die Geschichte von seinem Bier Flutlicht und der Werbung darauf, die, nun, nicht gerade freundlich gegenüber den Jungs aus Herford war, ist vielfach erzählt. Und damit Geschichte. Jetzt aber steht er in der Sonne, die Stirn gut eingecremt, die Sonnenbrille auf der Nase und weiß: Es geht immer weiter. Mit den Problemen. Und den Geschichten. Freiwillige hat er gesucht. Und gefunden. Die vorbeikommen und sich einem Flaschenberg stellen, der im Laufe der Zeit nicht kleiner, sondern immer größer wird. Immer wieder kommt eine Ameise um die Ecke, dirigiert von einem Mitarbeiter, der ein paar hundert Flaschen in Kästen auf den Parkplatz rollt. Und immer wieder das gleiche Bild: Flasche aus der Kiste nehmen, Etikett von der Rolle knibbeln, über das alte kleben, festdrücken, das Gleiche noch mal auf der Rückseite und dann zurück in die Kiste damit. 90.000 verdammte Mal.

Was willste machen? Fragt Mike Cacic. Das Gericht will es so. Wer genau da geklagt, den Anstoß gegeben hat? Schwer zu sagen. Mit Blick gen Herford. Ist ja geheim. Hat aber die Wettbewerbshüter auf den Plan gerufen. Und die haben befunden: Es darf nicht auf der Flasche stehen, dass sie aus Bielefeld kommt. Denn das kommt sie nicht. Also streng, sehr streng genommen. Denn gebraut wird in Rheda, weil bei der eigenen, der Ravensberger Brauerei gerade einmal der Bauantrag fertig ist. Von der Finanzierung ganz zu schweigen. Also gab es zwei Möglichkeiten. Alles wegkippen. Oder alles überkleben. Oder, dritte Möglichkeit, alles auf einmal austrinken. Aber irgendwie stecke da doch ne ganze Menge, wenn nicht das gesamte Kapital drin. Und ne Freibierparty sei zwar gut und schön, aber der Brummschädel am nächsten Tag dann doppelt so schlimm, wenn alles weg wäre. Also mal abklopfen, wer so mitmachen könnte. Im Internet, bei Facebook horchen. Und ganz erstaunt sein, wie viele kommen. Für lau. Und Freibier. Aber erst nach der Aktion. Erst einmal sich erklären lassen, wie es geht und dann sorgsam die alten, verbotenen Etiketten mit den neuen, fast komplett schwarzen überkleben. Damit nix schiefgeht. Damit es wirklich nichts mehr zu meckern gibt. Jede fertige Palette wird durch eine neue ersetzt. Hat der Typ dahinten nie Feierabend, der mit der Ameise mehr Arbeit anzukarren als wegzu­ bringen scheint?


Wir machen das, weil uns das Bier schmeckt. Sagen die einen. Die anderen sind sich sicher, dass die Kleinen zu unterstützen sind. Gegen die ­Großen. Aus Herford. Sagt keiner. Denken viele. Und kleben weiter. Inzwischen ist der Grill angefeuert, wird ordentlich Kühles ohne Umdrehung aus dem Kühlschrank gereicht und fängt Mike an zu erzählen. Dass er sich eine bessere Publicity als anfangs gar nicht erträumen hätte können. Aber bei all dem hätte und wäre und würde: er sei nie zur Ruhe gekommen. Hätte immer nur reagiert. An ein gesundes Wachstum sei nicht zu denken gewesen, es seien unglaublich hektische, verrückte Wochen und Monate gewesen. Mit dem Ergebnis, dass er nun weiß: Alles kannste denken. Aber nicht alles auf dein Produkt schreiben. Ans Bein pinkeln bringt Aufmerksamkeit. Aber eben auch Probleme. Damit soll jetzt erst einmal Schluss sein. Genug gepöbelt. Der Name ist ja jetzt bekannt, die von Flutlicht, waren das nicht die mit Herf... Ja, waren wir. Aber sind wir nicht mehr.

Aus schick mach düster. Oder aus informativ abgedunkelt. Egal, Hauptsache von offizieller Stelle gibt’s nen Okay. Und dann hoch die Tassen, auf die Flaschen.

Jetzt machen wir Bier aus Bielefeld. Gibt es ja seit 1919 nicht mehr. Wobei das mit dem aus Bielefeld ja noch nicht stimmt. Aber das soll sich ändern. Wenn erst einmal die Brauerei steht. 20 Hektoliter soll die Anlage bringen, dreimal am Tag angeworfen werden. Größenordnungen, über die die ­Großen lachen. Oder auch nicht, wie sich ja schon gezeigt hat. Aber das Bier soll halt immer schön frisch, die Anlage, das ganze Unternehmen flexibel sein. Als auch die letzte Flasche umetikettiert ist: Freibier. Und gleich die Ernüchterung hinterher. Das wars noch nicht. Waren nur 70.000 Flaschen. Der Rest steht noch in den Märkten. Der Rest muss noch abgeholt, auch umetikettiert, wieder hingebracht werden. Darauf nen Pils. Prost. =



WA R U M E I N H Ö R N E R U N D FA H R R A D KLI N G E LN N I CHTS M ITE I N A N D E R ZU T U N H A B E N . FA S T.

KLINGEL MIT HORN

Karen Cuthbert

Da steckt doch der Kevin drunter. Gut zu erkennen, das alte ­Einhorn. Noch besser zu erkennen: Die Designs seiner ausgefallenen ­Unicorn-Bike-Fahrradklingeln.


Eigentlich ist der Hype um das Einhorn ja schon wieder vorbei. Aber das macht weder Kevin noch Nadine etwas. Sie finden es schön, Einhorn und so ihre Firma zu nennen. Dabei produzieren die beiden weder Einhornmasken noch Fahrradklingeln mit Einhörnern drauf. Sondern Fahrradklingeln und Sattelbezüge. Und das kam so, erzählen sie: Wir fahren beide unglaublich gerne und viel Fahrrad. Und ne Klingel brauchst du nun mal, wenn du sicher und flott vorwärtskommen willst. In schön aber? Gibt es die nicht. Also hockten sich die beiden in die heimische Bielefelder Garage und begannen zu suchen und zu finden, zu schneiden und zu kleben, zu grundieren und folieren, ehe am Ende die, da lehnen wir uns gerne bis zum Rausfallen weit aus dem Fenster, schönsten Fahrradklingeldesigns ever ever entstanden sind. Ever. Jede Klingel ist ein Unikat, ausgeschnitten aus einer 150 Quadratmeter großen Folie, die aus Rotterdam angeliefert und dann so auf den Rohling aufgebracht wird, dass weder Regen noch Sonne noch Hagel dem Ganzen etwas anhaben könnte. Geworben wird über Instagram, verkauft direkt über den eigenen Shop oder über Amazon. Drei Linien, Classico, Retro und Sport, sind im Angebot, das stets variiert und bei dem der Kunde schnell sein sollte. Sonst ist die Klingel im Rosenlook weg und kommt vielleicht nie wieder. Wer weiß. So wie der Hype mit dem Unicorn. Weiß ja auch keiner. Hofft nur jeder. Also außer bei den Unicorn-Bike-Klingeln. Die dürfen gerne bleiben.

48 49 Aufgespiest


Zusammengebastelt

von Florian Jorzick

Es regnet. Nicht ein bisschen. Auch nicht viel.


Sondern viel mehr.

Aquiles Rรถsner sieht aus wie Noah. Steht vor dem, vor seinem Boot. Im selbst gestrickten Pullover, der das Wasser aufsaugt wie ein durstiger Schwamm. Aber mit Wasser, mit der Flut kennt er sich aus. Und aus der Ruhe bringt ihn sowieso niemand.


Aquiles Rösner baut sich ein Schiff. Ganz alleine. Also wirklich: Ohne Hilfe. Und man hat, wenn man ihm die Hand schüttelt, fast das Gefühl: Nur mit bloßen Händen. Sein Boot ist rund und wirkt auf Land so, als habe jemand eine Walnuss geknackt, die eine Hälfte ordentlich aufgepumpt und aufgebockt. Es wird kein schnelles Boot. Eher ein gemütliches. So wie Aquiles Rösner einer ist. Denkt der, der ihn nur oberflächlich kennt. Der sich fragt: wie lange dauert das denn noch? Die Tage, als er von Dachdecker zu Dachdecker gefahren und Bleireste eingesammelt hat, aus denen er den schweren Kiel gegossen hat, sind lange, gefühlt sehr lange her. Damals hockte er noch in Herford in einem Industriegebiet, hatte ein Zelt um und vor allem über sein Boot gebaut und sich nicht beirren lassen: ich baue mir mein Boot. Es wurde ja gebraucht. Zurück in die Heimat soll es gehen. Nach Chile. Ganz schön weiter Weg für einen, der bisher gerade mal auf der Ostsee ein bisschen Segel­ erfahrung gesammelt hat. Aber: Wenn du da klarkommst, dann schaffst du es auch über den großen Teich, weiß der 70-Jährige. In Chile warten sein geerbtes Grundstück, ein großer See, eine Hütte, vielleicht der, wie man so sagt, Lebensabend. Und das Lebensende. Was die Familie, die Frau dazu sagt? Schulterzucken. Kann ja mitkommen. Oder nachkommen. Der Plan ist unumstößlich. Nicht zu viel nachdenken, nicht zu viele Pläne schmieden oder gar den Zeitplan etwas fester zurren. Hektik bringt nichts. Und am Ende ist es dann doch das Geld, das entscheidet, wann es weiter, wann es losgehen kann.


Noch steht das Boot auf dem Grundstück eines Freundes, eine Plane stemmt sich gegen die Wassermassen. Leider erfolglos. Aber mit Wasser muss das Boot ja wohl fertig werden. Findet Aquiles Rösner und lässt sich von den paar Litern, die da ins Bootsinnere schwappen, nicht aus der Ruhe bringen. Dann lieber noch an den Kojen feilen, die am Ende vier Personen über den Atlantik bringen können. Ob sie auch gefüllt sein werden? Mal schauen. Wer so mit will. Sagt der Bootsbauer zu sich selbst und werkelt weiter. Sonst fährt er eben alleine. Irgendwann, in ein paar Monaten, vielleicht auch in einem Jahr, so genau weiß man das nicht, kommen Kran und Tieflader und dann steche er in See. Also erst einmal in den Kanal, aber Wasser ist Wasser und von da gehe es dann los. Ein bisschen Angst habe er, wenn er ehrlich sei, schon. Nicht davor, dass das Boot das alles mitmache. Das liege tief und sicher im Wasser wie ein Rotweinglas, da gäbe es keine Probleme. Ganz sicher. Aber einfach so in See zu stechen? Das werde schon eine Umgewöhnung. Aber eben auch das Ziel. Die Sachen zu packen, abzuhauen.

Auf gen Nordsee, ab auf den Atlantik, rüber nach Südamerika. Sei gar nicht so weit. Sagt er zu sich. Zieht sich die Mütze, die aus dem gleichen Stoff genäht wurde, aus dem gelbe Regenmäntel sind, ins Gesicht und schraubt, feilt, hobelt und hämmert einfach weiter, der Aquiles. Der Noah.


SCHON KAPIERT? ES GEHT UM INHALTE. UM GESCHICHTEN. BEI UNS. UNSERER ARBEIT. NENN ES CONTENT. WENN DIR DIE DEUTSCHE ­SPRACHE NICHT GEFÄLLT. WIR MACHEN INHALTE. JEDEN TAG. FÜR ALLE. FÜR DICH. EGAL OB FOTO, TEXT, FILM. PRINT, WEB, SOCIAL MEDIA. HAUPTSACHE: MIT GÄNSEHAUT.


Achso.

www.hoch5.com


Anleitung zum Glücklichsein.

sechsundfünfzig


Porto. glĂźcklich gelayoutet von Florian

siebenundfĂźnfzig


Lissabon wäre eine gute Möglichkeit. Oder Barcelona. Okay, da war jeder schon zigmal, aber warum nicht das Gute wiederholen? Aber Porto. Was ist das denn?

Da wollte neulich ne Frau aus Sachsen hin, buchte ­telefonisch und landete in ­Bordeaux. 1:0 für den heimischen Dialekt, befand das ­Gericht, das sich mit dem Fall auseinandersetzen musste. Dann also Porto, kurzer Check auf der Landkarte: ganz schön weit oben. Wobei uns unser Erdkundelehrer immer einbläute, dass es oben und unten in Erdkunde nicht gibt. Egal, Porto ist oben. Porto ist nicht nur oben, wenn es um Portwein geht. Weiß ja jeder, mag ja kaum jemand. Gut, muss man hier mal getrunken, dran genippt haben. Dem Kellner dann aufmunternd zunicken, doch, schmeckt nach Portwein, klasse gemacht, jetzt aber bitte nen Pils. Wer durch Porto spaziert, der denkt erst: Ganz schön abgewrackt hier. Und ganz schön ­viele Baustellen hier. Ein paar Tage später aber: Ganz schön schön hier. Ein wenig Patina, aber im Aufbruch, die Stadt. Und dann beginnt in einem so langsam etwas zu wachsen, das du aus Lissabon, aus Barcelona nicht kennst. Eine tiefe Verbundenheit. Du gehst in Restaurants, die nach Sterne-Küche duften, die auch genauso schmecken. Und dir am Ende eine Rechnung unter die Nase halten, die du für einen Witz hältst. Einen richtig guten.

achtundfünfzig


Du fährst mit dem Wagen ans Meer. Zu Wellen, so hoch, wie du sie noch nie zuvor gesehen hast. Da geht kein Mensch rein. Da gehen aber Surfer rein. Wagemutige. Lebensmüde. Du lässt dich auf Schiffen über den Fluss treiben, schlenderst über die riesige Stahlbrücke, die die beiden Stadtufer miteinander verbindet, sitzt einfach nur da und denkst: Kann man sehr gut aushalten, hier.

Fahr mit dem Mietwagen nach Nazaré. Dahin, wo die höchsten Wellen der Welt an den Leuchtturmfelsen klatschen. Schüttel den Kopf über so viel Wagemut. Klopf den ­ Surfern auf die ­Schulter, stell dir vor, du ­könntest das auch. Schüttel wieder den Kopf. Staun einfach. Und dann runter zum Strand, Mund auf, Herz auf, einatmen, ganz tief. Und nicht mehr ausatmen.

neunundfünfzig


Wenn du es richtig machen willst, dann frag deine Erbtante nach einem Vorschuss und buch dich im ARMAZÉM LUXURY HOUSING ein. Nimm den langsamsten Aufzug der Welt mit Gelassenheit und erfreu dich an einem Appartement, das zentraler, moderner, gemütlicher und ausgefallener nicht sein könnte. Leg dich in die Badewanne, schau rüber zu den poppenden Möwen auf dem Dach der Industriebrache und lieg einfach so herum. Geh danach rüber ins Cantina 32 und bestech den Türsteher, dass er dir einen Tisch reserviert. Klappt erst in drei Wochen? Lohnt sich, so lange dazubleiben und zu warten. Bestell zum Dessert einen Cheesecake. Für den kommen Japaner extra her. Wundere dich nicht, dass er in einem tönernen Topf serviert wird, sondern tauch den Löffel ein und heb ab. Frühstücke im Mercador um die Ecke, meide die Halsabschneider unten am Fluss, kauf dir eine Sonnenbrille für 5 Euro und setz dich einfach in die Sonne. Die hier seltener, schwächer scheint als in Lissabon. Oder Barcelona.

Bring dir nichts mit. Außer dem ­Versprechen, ­wiederzukommen. Stell dich auf derbe, ehrliche Hausmannskost ein. Kaufe keine Billig-T-Shirts und keinen Portwein. Den gibt’s auch bei uns. Alles andere nicht.

sechzig


einundsechzig


Jetzt weißt du:

EINEN FADEN GIBT’S HIER NICHT. DAS IST DER FADEN.

Den halten wir in den Händen: Konzeption: Tobias Heyer und Julie Pitke Text und Fotografie: Tobias Heyer Layout und Satz: Karen Cuthbert, Florian Jorzick, Kirstin Kassen und Christina Maurus Bildbearbeitung: Katharina Lütgert Organisation und Lektorat: Anne Lüneburg

In Bielefeld, Bünde und Berlin. Jetzt hältst du ihn fest. Lass ihn nicht mehr los. Bis Juni, dann kommt ein neuer.

Impressum Herausgeber HOCH5 Verlags GmbH & Co. KG Zum Stellwerk 10, 32257 Bünde +49 5223 79 23 700 www.hoch5-verlag.com V. i. S. d. P.: Tobias Heyer

Auflage: 5.000 Stück Druck: RHEINPFALZ Verlag und Druckerei GmbH & Co. KG


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