HOCHFÜNF no. 9

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Unendlich süße Sachen und die Endlichkeit des Lebens

Was mit Essen

Lassen Sie die ­Sushirolle ­fallen und ­kommen 30 Sie mit ­erhobenen Händen raus! 26

­VON 5,0 AUF 40,0 VOLUMENPROZENT

Unter Bunkerfreunden 20

10

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PSYCHOTEST: WELCHER ESSENSTYP BIST DU?

User ­experience 24

44

14

HAUTE CUISINE AUF ZEITUNGSPAPIER

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DAS ALLERLETZTE ABENDMAHL. UND BEFLECKTE KUNST So viel Platz

BEWUSSTSEINS­ ERWEITERNDE NUDELN, DIE SÜCHTIG ­MACHEN! KÜCHE?

STEIGENDE ­RENDITEN:

01/2015

KOST NIX

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3

Waffeln 4 statt ­Manege

KATZEN ­W ÜRDEN… WAS ­G ENAU KAUFEN? Her mit der Idee! 42

12

WASSER FÜR 38 ALLE!

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36

HACKFLEISCHVERORDNUNG ADÉ Heißgetränke und 1 von 48 35

Manieren

Alle für Wasser

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no

9 Diese Ausgabe hat, was keine vor ihr hatte. Ein Thema. Also nicht so ein erwachsenes, ausformuliertes, mehr so irgendwas mit ­Essen. Ist schön geworden, finden wir. Aber weil wir uns nicht lumpen lassen, ­haben wir noch einen draufgesetzt. Das Heft ist komplett auf Esspapier gedruckt.

Leider mit hochgiftigen Farben. Also, ­bevor die Lebensmittelkontrolle unsere Hefte abholt: Bitte nicht essen! Lesen geht. Mit ­zugekniffenen Augen und einem Sicherheits­ abstand von zwei Metern. DAS HIER IST ÜBRIGENS AUSGABE NEUN. Guten Appetit.

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Bild: Carmen Wolf

Text: Stephan Sand

Layout: Kirstin Remiasch

Typische Zirkustiere sind sie ja nicht gerade, die Schweine und Hühner hier rund um den ­Circuswagen. Dafür ist er selbst aber ein echtes Original. Gefertigt aus solider deutscher ­Eiche, außen nahezu unverändert und innen behutsam an seine neue Aufgabe angepasst. Denn viel Zirkus ist hier nicht mehr. Ist aber auch gar nicht nötig, das Angebot spricht für sich. Manege frei für ein kleines Café-Idyll im Norden Bielefelds.

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Der Köckerhof bildet ein U. Links gibt’s Obst und Gemüse, rechts befindet sich ein voll ausgestatteter Bioladen, gerade­ aus wird gewohnt. Und mittendrin steht der Circuswagen, 1987 in der ehemaligen DDR gefertigt und damit nur ein klein wenig jünger als seine neue Besitzerin. Den Vorbesit­ zern, einer Schaustellerfamilie, diente der Wagen als Zuhause während der Spielsaison.

Frühstück. Ein kleiner Wagen wird in den schmalen Gang gefahren. Darauf eine Etagere mit Wurst und Käse, Marmelade, Honig und den vielen anderen leckeren Dingen, die nur darauf warten, Bekanntschaft mit den frischen Brötchen zu machen. Eva Matthes ist auf dem Hof aufgewachsen. Dass sie hier jetzt arbeitet ist aber auch ein bisschen Zufall. Seit sie ihre Ausbildung zur Hotelfachfrau gemacht hat, war der Traum da von einem eigenen Café. Als sie mit 24 vor der Frage stand, wie es beruflich für sie weitergeht, kam eines zum anderen. Der Köckerhof sollte ein Café bekommen. Sie wollte eines eröffnen. Aber anders. Nicht gebunden an den Hof, sondern mobil. Ein Marktstand? Gut. Ein Circuswagen? Besser!

2009 hat sie ihn im Netz gefunden, in Hoyerswerda besucht und keinen anderen mehr angesehen. Ab Mai wurde entkernt. Manchmal rabiat, manchmal ganz sachte, Schindel für Schindel. Die wurden schließlich zum Ausbessern der ent­ standenen Löcher gebraucht. Was selbst gemacht werden konnte, wurde selbst gemacht. Eine zweite Tür, versetzte Fenster, die Bänke und Tische – das hat ein Tischler über­ nommen. Und geschafft, dass am Ende alles so aussieht als wäre es nie anders gewesen.

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Wunderbar dicke Waffeln mit Puderzucker. Oder mit Pflaumenmus und Schmand. Oder mit roter Grütze und Sahne. Oder köstliche Kuchen, natürlich hausgemacht. Bio, wie alles hier. Saisonal, ­regional, lecker. „Nein, Café und Hofladen gehören nicht zusammen“, erklärt Eva Matthes. Aber man teile sich den Platz und die Lieferan­ ten. Und oft auch die Kunden. „Das war am Anfang schon ein großer Vorteil, dass wir hier durch den Hofladen schon einen Anziehungspunkt vor der Tür haben.“ Längst kommen viele aber auch nur wegen des Cafés. Und sollten reservieren. Vor allem im Winter, wenn die 40 Plätze auf der Terrasse weg­ fallen und nur die 20 im Circuswagen bleiben. Wechselnde Tagesgerichte. Pasta, Quiche in allen Variationen oder Salate. Immer solange der Vorrat reicht. Also zu kurz. Stammgast zu Mittag: eine Tagessuppe, Rührei und Strammer Max.

„Am Anfang sind wir auch oft mit dem Wagen unterwegs gewesen. Auf Hochzeiten, Geburtstagen oder Betriebsfeiern – aber wir ­haben mittlerweile so viele Gäste, dass wir gar nicht mehr wegkönnen.“ Viel zu tun ist auch so. Zwei feste Mitarbeite­ rinnen, je nach Saison bis zu vier weitere, sorgen dafür, dass es an nichts fehlt. Außer vielleicht an Platz. „Ein Ausbau ist nicht möglich, wir müssten das dann alles ganz anders an­ gehen. Und das will ich im Moment nicht. Ich bin zufrieden, so wie es ist.“ Was ein Blick durch den Wagen verrät? Da ist sie nicht die einzige. ///

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Produkt. Messe. Innenraum. 11 von 48

hallo@freiraum14.com


Was Fiffis futtern Ice passt auf. Worauf, wissen wir nicht genau. Aber der Tatrahund scheint in uns und den Kunden, die zwischendurch hereinkommen keine Gefahr zu sehen. Ruhig liegt er hinter der Theke und schaut nur ab und zu auf, wenn etwas Bewegung in den Laden kommt. Nur am Ende, fürs Foto, zeigt er sich in der ganzen Pracht. Und ist mit seinen 58 Kilo die beste ­Werbung für gute, artgerechte Ernährung.

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Wir treffen den Besitzer von Hund und Laden:

den meisten Leuten der Ansatz von Fertig­

Arjan Bol. Seit zwei Jahren bietet er in der

futter eigentlich gut. Weil man es leicht hat,

„Ist auch okay, aber muss wirklich einen hohen Fleischanteil haben!“ Ob man selbst bewusster

Weststraße am Siegfriedplatz alles für die art­

Zeit spart. Nur dürfe man nicht auf Kosten

isst, wenn man sich so um die Ernährung seines

gerechte Ernährung von Hund und Katze an.

der Tiere an den Bestandteilen sparen und

Haustiers kümmert? „Ich denke schon. Aber oft

Und beweist nebenbei, was man aus einem

teures Fleisch gegen billiges Getreide tau­

ist es auch umgekehrt. Wir haben auch vegane

ehemaligen Sonnenstudio Schönes machen

schen.

Kunden, die sich viel Gedanken um Ernährung machen. Die wissen aber

kann. Kein klassischer Tierfutterladen, son­ dern einer, in dem der Kunde sich wohlfühlt. Kolonialwarenstil. Ein bisschen Tante Emma. Eigentlich kommt Arjan Bol aus dem Marke­ ting. Das hat er studiert, war zuletzt Produkt­ manager (Marketingleiter) einer Kosmetik­ firma. Aber er war schon immer Hunde­freund. Und ist immer mehr in das Ernährungsthema

„Einen freilaufenden Hund erwischst du nicht im Feld beim ­Maiskolben-Knabbern!“

Fleisch braucht.“ Für 2015 hat sich Arjan Bol gleich mehrere ­Themen vorgenommen. ­Gemeinsam mit einer Hunde­ trainerin und einer Tierärztin plant er Workshops zu art­ gerechter Beschäftigung und Erster Hilfe. Denn mit artge­

hereingewachsen. Die Vorgängerin von Ice hat ihn dazu gebracht. Weil sie mit nur fünf,

auch genau, dass ein Hund

„Barfen kommt immer mehr in den Trend. Man

sechs Jahren immer schlapper und energie­

findet die Bestandteile mitt­

loser wurde. Bis der Tierarzt eine Unverträg­

lerweile auch in den Zoo­

lichkeit auf Getreide festgestellt hat. Da hat

handlungen und im Internet.

Arjan Bol begonnen, ihre Ernährung auf

Aber die Beratung muss

BARF umzustellen. „Wir waren danach kaum

stimmen, damit die Ernäh­

noch beim Tierarzt und sie hat bei bester

rung wirklich ausgewogen

­Gesundheit noch 6 weitere Jahre gelebt.“

ist.“ Arjan Bol ist zertifizier­

rechter Ernährung hört es nicht auf. ///

ter Ernährungsberater für BARF heißt soviel wie „Biologisches Artge­

Hunde. Ab und zu gibt er

rechtes Rohes Futter“ und orientiert sich an

auch Workshops zur artge­

den Ursprüngen. Am Wolf. „Wenn der ein

rechten Ernährung. Das

­Kaninchen fängt, hat er eine ausgewogene

muss auch nicht unbedingt

Ernährung. Dazu gehört auch das Getreide

BARF sein, wie er betont.

aus dem Magen des Kaninchens. Aber nicht

Auch ein hochwertiges

in den hohen Anteilen, die von der Futterin­

Nassfutter sei gut, wenn die

dustrie beigemischt werden.“ Dabei gefällt

Zeit fehlt. Trockenfutter?

Carmen Wolf hat beim Fotografieren viele schöne Dinge für Tiere entdeckt. Hat selbst aber leider gar keins. Stephan Sand auch nicht. Aber seine Eltern. Der erste Dackel ist 18 Jahre alt geworden. Mit Trockenfutter aus dem Supermarkt. Die nächste Generation bekommt mittlerweile qualitativ hochwertiges Nassfutter. Er ist ­gespannt.

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Eine durchgestrichene Eiswaffel weist am Eingang ­darauf hin, für viele ist es selbstverständlich: In der Ausstellung der Kunsthalle Bielefeld wird nicht gegessen. Nein. Wirklich nicht. Auch wenn sich so mancher daran erinnern wird, dass der Künstler Rirkrit T ­ iravanija hier sogar schon gekocht hat. Die Gefahr von Flecken auf den Kunstwerken steht bei dem Verbot nicht mal im Mittelpunkt, erklärt Anne Kaestner, in der Kunsthalle zuständig für die lange Liste aus Presse, Mar­ keting, Bildung und Kommunikation. „Das hat auch mit Res­ pekt gegenüber der Kunst zu tun. Genauso wie man nicht Musik hört, während man die Ausstellung besucht.“ Aber grundsätzlich gehören Essen und Kunst hier durchaus zu­ sammen. Als die Kunsthalle 1968 gebaut wurde, war sie das erste Museum in Deutschland mit Café innerhalb des Muse­ umsgebäudes. Sieht man mittlerweile überall. Auch heute noch etwas Besonderes ist aber die große Terrasse, die bei einem Stück Kuchen einen reizvollen Ausblick auf den Skulp­ turen-Park ermöglicht.

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Text: Stephan Sand Bild: Anna Lechner ­ Illustration & Layout: Kirstin Remiasch

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„Man sagt, dass Museumsbesucher heutzutage etwa ein Drit­ tel der Zeit in der Ausstellung verbringen und zwei Drittel im Museumsshop und -Café. Das gehört heute für viele einfach dazu“, so Anne Kaestner. Natürlich gibt es Menschen, die sich

Das mit dem Essen in der Ausstellung ist so eine Sache, er­

daran stören. Die meinen, dass die Kunst aus dem Fokus

zählt mir eine so freundliche Museumsaufsicht, dass ich mir

­gerät. Für Anne Kaestner ist es andersherum: Durch solche

gar nicht vorstellen kann, dass sie schimpfen kann. Macht sie

Angebote kann man mehr Menschen ins Museum holen,

natürlich auch nicht, sie gibt freundliche Hinweise, wie sie

Kunst überhaupt erst in den Fokus bringen.

mir erklärt. Im Text auftauchen möchte sie

Dafür müsse man auch Kompromisse machen.

nicht, aber sie kann berichten, dass es generell

Wenn es denn überhaupt einer ist.

eher selten vorkommt, dass jemand ein But­ terbrot auspackt. Aber die, die es tun, sind häufig nicht besonders einsichtig.

„Essen hat in der Kunst schon immer eine große Rolle gespielt. Man denke nur an die Stillleben oder ‚Das letzte Abendmahl‘.“ Oder an Rirkrit

„Ist doch nur ein kleiner Happen.“

Tiravanija, der 2010 mit seinen Kochperfor­

„Bin ja gleich fertig.“

mances die Kunsthalle zum Esszimmer ge­

„Ich MUSS jetzt aber was essen!“

macht hat. „Ja, Rirkrit Tiravanija holt Kunst aus Ein kleines bisschen verstehen kann sie es ja.

dem elitären Kosmos und bringt sie mit Alltäg­ lichem zusammen. Das ist auch einer unserer

Dass man ein Kaugummi kaut, zum Beispiel.

Ansätze in der Kunstvermittlung.“ In der Ver­

„Hier ist so trockene Luft, da muss man, wenn

anstaltungsreihe Kunst Kulinarisch wird nach dem Ausstel­

man länger hier ist, schon mal etwas essen oder trinken.

lungsbesuch ein thematisch passendes Essen serviert. Na­

Aber dafür kann man auch kurz rausgehen.“ Ein Kaugummi

türlich nicht in der Ausstellung, sondern im Café – das senkt

hat sie übrigens noch nie entdeckt. Vielleicht guckt sie auch

das Herzinfarktrisiko für die Restauratoren. Nur mit Respekt

einfach weg.

vor der Kunst ist das Essensverbot ja nicht erklärt. Hier wol­ len kulturelle und materielle Werte bewahrt werden.

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richtig lange überlegt haben Wiebke Heitkamp und Helga Bieber damals eigentlich nicht. Zwei, drei Stunden vielleicht. Aus dem Kellnerin­ nen-Job in die Selbstständigkeit wechseln? Nicht länger nur servieren, was in der Res­ taurantküche in die Töpfe wandert, sondern das Ganze selbst produzieren? Einen kleinen Marktstand von einem Studentenpärchen übernehmen, auf Wochenmärkten frische Pasta und handgemachtes Pesto verkaufen? Ja. Genau das war es, was die beiden Freun­ dinnen wollten. Schon über zwei Jahre ist das nun her. Seit­

wandern aus dem Großhandel direkt nach

dem geht es für Wiebke Heitkamp und Helga

Großdornberg, wo sie – einst auf 11, heute

Bieber vier Mal pro Woche früh raus. Also

auf 50 Quadratmetern – von Wiebke Heit­

sehr früh. Und doch klingelt der Wecker um

kamp und Helga Bieber frisch verarbeitet

4:30 Uhr für Marktverhältnisse eher spät,

und liebevoll verpackt werden. Dabei ent­

bedenkt man, dass die Kollegen vom Blu­

stehen immer wieder auch neue Produkte,

Nudeln gehen ja irgendwie immer. Kein

menstand um diese Uhrzeit längst im Groß­

die sie anschließend auf den Wochenmärk­

Wunder also, dass sich Fotograf Hans

markt Schlange stehen. Wiebke Heitkamp

ten in Bielefeld und Herford zum Probieren

Richter mit seiner Kamera direkt auf die

und Helga Bieber haben ihren Anhänger

anbieten. Gerade dieses unmittelbare Feed­

Produkte stürzte – Spaghetti mit Pesto

dann schon gepackt. Bestückt mit allerlei

back, das sie vom Marktpublikum bekom­

sind schließlich sein Lieblingsessen. ­

Köstlichkeiten. Mit Pasta in den unterschied­

men, schätzen sie besonders an ihrem Beruf.

Autorin Julie Pitke aß in ihrer Kindheit

lichsten Formen und Farben, mit Pesto, vom

Während Wiebke Heitkamp eine Schüssel

am liebsten Maccheroni mit gebratener

klassischen Basilikum bis hin zum saisona­

dampfender Spaghetti über den Tresen

Fleischwurst und Tomatenketchup, heu-

len Bärlauch. Mit Risottomischungen, mit

reicht, erzählt Helga Bieber mit leuchtenden

te dürfen es gerne mal Spaghetti aglio

Gebäck, mit Tiramisu – kurz: mit allem, was

Augen weiter. Von der ganz besonderen

olio mit Parmesan sein. Doch trotz unter-

das italienische Herz begehrt. Alles selbst

­Atmosphäre auf den Märkten, von den vielen

schiedlicher Vorlieben sind sich die

erdacht, alles selbst hergestellt. Die Zutaten

Kontakten, die sie bereits geknüpft haben.

­beiden einig: Nudeln machen glücklich.

Und von vielen Stammkunden, die jede Wo­ che aufs Neue zum Einkaufen vorbeischau­ en, um sich mit den – wie sie selber sagen – süchtig machenden Nudeln einzudecken. Das sei das größte Lob, der schönste Erfolg. Schon in ihrem Kellnerinnen-Job waren Wiebke Heitkamp, 34, und Helga Bieber, 48, ein eingespieltes Team. Dass sie eines Tages Geschäftspartnerinnen werden wür­ den? War nie geplant. Und ist deshalb auch kein großes Thema. Hier arbeiten eben Freundinnen zusammen. Zwei Frauen, die ihre Leidenschaft fürs Kochen und für gutes Essen kurzerhand zum Beruf gemacht ­haben. Denen auch das frühe Aufstehen, die Kälte im Winter, die kurzen Wochenen­ den nichts anhaben können. Und die als Stadt. Land. Genuss. längst über neue, andere, ­größere Fragen nachdenken. Ein Ladenlokal? Ein Produktionsverkauf? Ein zweiter Marktwagen? Eigene Mitarbei­ ter? Am Ende wird es wohl wieder der Bauch entscheiden.

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Da sind Hip­Hopper, die geben sich Pseudonyme, die nennen sich wie ein unerwünscht zuge­ stelltes Schriftstück, das dich mit einem Fuß in den Knast stellt. Oder solche, die Masken tragen – toter oder lebendiger Art. Und es gibt solche, bei denen weniger das Drumherum als vielmehr die Musik zählt. Die heißen dann einfach Thorsten, Markus, Michael, Jannes und Florian – also auch in Wirk­ lichkeit. Und tragen höchstens Basecaps oder volle Haarpracht. Aber eben alles echt. So wie die Themen. Ausm Leben. Ausm Hirn. Ausm Bauch. Da hat man dann auch ma kein Bock auf Party, geht mal früh ins Bett. Dreht die Basecap mit dem Schirm nach vorn (echt jetzt – nach vorn!), zieht sie tief ins Gesicht und denkt mal drüber nach, was war und wohin es gehen soll und übers Glück. Das ist dann, wenn neben Sound vom Platten­ teller und Sprechgesang auch Bass­ und Gitar­ renklänge den Weg ins Gehör finden, wenn Musik gemacht wird, die aufs Publikum reagiert und andersherum. Dies hier geht also an solche, die selbst mal in Baggy Pants steckten und sich gern daran erinnern, die Gitarrenklänge zu schätzen wissen und richtige Livemusik. Und die treffen sich dann im Februar im Bunker und heben die Hände zu Klang und Gesang von madgroove. Nein, nicht in unserem Bunker. Sondern im Bunker Ulmenwall. Ja doch, unsere Bunker­Kollegen kennen sich da berufsbedingt schon noch besser aus in der Bielefelder Musik­ Szene und teilen ihre Kenntnisse großzügig und regelmäßig in Form der „Soundz of the City“­Stage. Da wird dann aus ostwestfälischer Zurückhaltung Bielefelder Bühnenpräsenz – et voilà: Musik von umme Ecke.

Am 25. Februar 2015 20.30 Uhr Bunker Ulmenwall

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GOURMET Schwarz-braun ist die Haselnuss. Oder grob. Oder fein. Oder süß, oder lieb. So wird sie von den Haselherz-Machern cha­ rakterisiert. Für ihre leckeren Haselnuss-Cremes. Ja, es ist Zeit für mehr Konkurrenz auf dem Haselnuss-Creme-Markt. Das erspart leidige Diskussionen (heißt es DIE oder DAS

NASCHKATZE

Nutella?), ist außerdem laktosefrei, glutenfrei und vegan, besser für die Zähne (ohne Zucker) und schmeckt. Darüber hinaus gibt’s leckere Rezeptideen und die

Ein Wunder! Ganz sicher, ein Wunder muss es sein.

Garantie der Verwendung bester

­Zauberbohne schön und gut –

Haselnüsse aus der türkischen

aber ein riesiger süßer

Schwarzmeerregion. Also, liebe

Ballon

aus

bunten

Gourmets unter den Ha­

Fäden, der sich auf

selnuss-Creme-Lieb­

der Zunge in Nichts

habern: sofort bestel­

auflöst und nur den

len, sonst gibt’s was

zarten Geschmack von

auf die Nuss!

Kindheit und Jahrmarkt

haselherz.de

hinterlässt – das ist es doch, was in Erstaunen versetzt, große Augen zaubert und di­ rekt vor denselben Welten entstehen lässt. Welten

KANNIBALE

voller Einhörner, Regen­ bogen, Goldtöpfen und Bächen aus Schokolade.

Geschmackvoll muss es aussehen, perfekt an­

Voller bunt gekachelter

gerichtet, garniert mit etwas Frischem. Blutig

Lebkuchenhäuser, Fabel­wesen, Milch und

darf es ruhig sein, aber dann schön rechteckig

zugeschnitten,

Honig, Zauberdrachen und Feen, die jeden Wunsch er­

das

füllen. Gut – es mag der Zuckerschock aus uns sprechen.

Tier will man ja nun nicht

Doch beim Bohnen-Pflanzen sind wir noch nie so weit gereist. ariete.net

mehr erkennen. Hier und da noch ein Möhrenbett, ein Pfefferminzblatt oder eine form­ schön

geschnit­

tene Cocktailtomate. Messer und Gabel an

GENTLEMAN Underdressed und Flecken auf dem Hemd. Das passiert sicher

der richtigen Stelle, dazu

nicht wieder. Zumindest nicht dem, der sich für eine praktische

ein Gläschen Wein. Dann lässt sich

20er-Packung dieser Servietten entscheidet, die sich bequem

jedes Tier verspeisen. Oder einfach mal das ganze

am Knopfloch befestigen lassen und sowohl perfekt sitzen als

Trara über den Haufen werfen und nur die Augen

auch Leute machen. Kaum ein Vorteil, den das 33 x 33 cm große

­servieren – das wär doch mal ein unvergessliches Din­

Papier nicht bekleidet: den perfekten Wind­

ner! Man kann ja vorsichtig anfangen. Die Trolli Glotzer

sor-Knoten schon gemacht, immer frisch

aus Schaumzucker und Fruchtgummi schauen den Gast

am Mann zu tragen und darüber hinaus als

zu Tisch fast genauso schön schaurig an wie das tieri­

Taschentuch zu verwenden. Ein Accessoire,

sche (oder menschliche?) Original. Sind aber zur ersten

das alle Wünsche erfüllt. Kann man von ner

Gewöhnung vielleicht schmackhafter. Der flüssige Kern

richtigen Krawatte ja wohl nicht erwarten.

sorgt für eine saure Überraschung, provoziert aber den

donkey-products.com

Würgereflex zunächst deutlich weniger als es das echte Auge tut. Mutige vor! trolli.de

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Einmal hatte Kadri Sansar sein Rezept doch

dutzt. „Nicht, wenn es nicht geschmeckt

Vor allem Pendler zwischen Bielefeld, Bünde

weitergegeben. Als er noch einen Laden in

hat.“ Sie erzählten ihm vom Artikel in der

und Enger haben den Imbisswagen für sich

Paderborn hatte. Sein Mitarbeiter wurde

Zeitung und zahlten jeder 10 Euro. Viele

entdeckt. Auch Miele-Mitarbeiter und das

eingeweiht. Irgendwann kündigte der von

sprachen ihn in den nächsten Tagen auf die

Personal des Johannes-Krankenhauses trifft

jetzt auf gleich und machte nur kurze Zeit

Regel an, die immer noch gilt. Kunden

man mittags hier, vor allem seitdem Kadri

später einen eigenen Döner-Imbiss auf,

­kamen immer mehr. Dem Verfasser des Zei­

Sansar telefonische Vorbestellungen ent­

­wenige Meter weiter. „Mit meinen Soßen­

tungsartikels ist er bis heute sehr dankbar.

gegennimmt. Silvester hat sogar jemand 85 Döner vorbestellt. Auch Anfragen für

rezepten, aber billiger!“ Die Kunden blieben aus, Kadri Sansar musste schließen,

Hochzeiten oder andere Feiern hat er

nach zwölf ­Jahren.

bereits gehabt. Aber nie gemacht. Zu

Jetzt steht er mit Didis Bude auf seinem

umständlich. Abbauen. Die Kühlung

eigenen Grundstück. Keine Miete, keine

organisieren. Das lohnt

Mitarbeiter. Nur seine Frau Hasine und er. Geringe laufende Kosten. „Deshalb ist unser

Wir sitzen mit Kadri Sansar und seinem

sich kaum.

Döner so günstig“, erklärt Kadri Sansar, und

Sohn Degil an einem der überdachten Tische.

Also blei­

will gleich jeden Zweifel ausräumen: „Nicht,

Degil Sansar ist Auszubildender zum Immo­

ben die

weil wir an den Zutaten sparen. Frische ist

bilienmakler und Namensgeber für die

Sansars

das Wichtigste!“ Und er ist überzeugt von seinem Döner. Einmal war jemand da, der

­Dönerbude, ab und zu hilft er auch aus. „Didi kommt von einem ehemaligen Fußball­

hier. Zur Freude der Stammkunden, wie

erst ein wenig skeptisch schaute. „Wenn’s

trainer von mir. Der wollte sich die Ausspra­

der Familie, die einmal

nicht schmeckt, musst du nichts zahlen!“ rief

che einfacher machen. Mittlerweile bin ich

die Woche extra aus Bad Salzuflen kommt,

ihm Kadir Sansar zu. Der Mann aß seinen

für alle Didi, sogar für meine Eltern.“ Sein

um hier zu essen. So wie wir gerade. Und

Döner, zahlte und fragte, ob er ein Foto ma­

Vater lächelt. „Wir haben überlegt wie wir

selbst als mit Zaziki sozialisierter Döneres­

chen könne. Ja, warum nicht? Ein paar Tage

unseren Laden nennen sollen. Wir wollten

ser muss ich sagen: die Cocktailsoße könnten

später waren drei Männer in Anzug da.

einen ungewöhnlichen Namen, da bot sich

sich ruhig ein paar andere Buden abgucken.

Nachdem sie ihren Döner gegessen hatten

Didis Bude einfach an.“ Seit der Eröffnung im

Auch wenn Kadri Sansar da natürlich ande­

fragte einer von ihnen nach: „Müssen wir

April 2013 hat sich hier schon einiges getan.

rer Meinung ist. ///

­etwas bezahlen?“ Kadri Sansar schaute ver­

Auch wenn vielen Kunden gerade dieses Provisorische gefällt. „Ich kann das ein biss­ chen verstehen, aber wir wollen das schon noch schöner und einladender machen“, er­ klärt Didi. Erst wurden Döner, Pommes und Bratwürste aus einem alten Wohnwagen verkauft, mittlerweile ist es ein richtiger ­Imbisswagen. Seit ein paar Monaten mit fes­ tem Unterstand, damit auch bei schlechtem Wetter nichts gegen einen Zwischenstopp an der Engerschen Straße spricht.

Stephan Sand bezahlt diesen Döner ­gerne und macht demnächst öfter einen Zwischenstopp hier, wenn er zwischen der Bünder HOCH5-Zentrale und dem Büro in der Bielefelder Altstadt pendelt.

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Kirstin Remiasch war begeistert vom Konzept des ­erweiternden Anbaus: erst Wohnwagen, fahrbare Imbissbude, dann ein fester Unterstand. Zur weiteren Ausgestaltung hat sie ihre Vorschläge schon einmal skizziert. Ein Turmzimmer darf jedenfalls nicht fehlen!

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Zum Glück ist Leandra Jaranowsky die erste Gewittertorte ihres Lebens ­gelungen. Denn wäre sie das nicht, ­hätte sie das Backen sofort wieder sein lassen.

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––>


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waren ziemlich überzeugt, warum sollte es

fach eine Idee um, die bereits während des

hier nicht klappen: die Uni in der Nähe, den

Studiums als Projektarbeit entwickelt wurde:

Teuto vor der Tür und ja irgendwie doch an

Dawanda in echt. Ein Ort, an dem Kreative

Bus und Bahnnetz angebunden.“ Aber sie

den Raum bekommen, ihre Werke zu verkau­

waren halt auch ziemlich realistisch. Und so

fen. Sie würden einen Raum schaffen, an

überzeugten sie die Bank vorerst nicht mit

dem Kreative Fächer mieten können um das

ihrem Business­plan, in dem sie von 20 ­Gästen

Handgemachte unter die Leute zu bringen.

am Tag ­ausgingen. Zum Glück konnten sie mit etwas Eigenkapital die Bank dann doch

Aber nur das? „Ich habe immer schon gerne

noch überzeugen. Keiner konnte ahnen, dass

Gäste bewirtet, in diversen Studentenjobs

heute an manchen Sonntagen 1 ­ 40–160 Gäs­

gekellnert, also beschlossen wir, das Konzept

te ­kommen würden, sie bis zu 16 Torten an

mit einem Café zu verbinden. Ich musste nur

einem Tag ­backen würde. Inzwischen kann

ausprobieren, ob ich backen kann“, ­erzählt

sie bis zu zehn Torten in drei Stunden zau­

die heute 29-jährige Leandra. Und wirkt

bern, und das in einer zwei Q ­ uadratmeter

­dabei, fast vier Jahre nach der ­Eröffnung des

großen Küche. „Gerade an den Wochenenden

Wald Stadt Cafés immer noch erstaunt.

komme ich mit dem Backen manchmal fast

­Ziemlich naiv hätten sie dann ­versucht, bei

nicht hinterher.

––>

gleichzeitig der Beruf ist. Und so köstlich!

Ein Café an der lauten Werther Straße? „Wir

Job. Da setzten Leandra und ihr Mann Jan ein­

essen, zu plaudern. Noch besser, wenn es

den Bachelor in die Tasche gesteckt und ohne

Pause zu machen, Kaffee zu trinken, Torte zu

richtig ernst genommen haben die uns nicht, vor allem nicht mit unserer Standortanalyse.“

nert zu werden, wie schön es sein kann, eine

sal besiegelt und von ihr gefasst. Das Innen­ architektur-Studium gerade abgeschlossen,

erst beruflich hier eintauchen, um daran erin-

sie lachend. „Das war eine Katastrophe. So

viel vom Wald Stadt Café gehört. Mussten aber

der Bank ein Darlehen zu bekommen, erzählt

Carmen Wolf und Anna Lechner haben schon

Doch auf Anhieb war diese wirklich gut. Und so war der Entschluss nun auch vom Schick­


Da muss ich die Stücke schon ratio­nieren,

aussieht wie einem Mädchentraum ent­

schön, nein wie süß“, lacht Leandra. Dann ist

die sich einige Kunden für den Nachmittags­

sprungen, aber dennoch auch viele männli­

sie zufrieden, denn das Wichtigste ist, dass

kaffee zu Hause mitnehmen wollen“, erzählt

che Stammgäste anzieht. Selbstgehäkelte

das Sortiment den Gästen gefällt. Die Mieter

Leandra nachdenklich, die inzwischen mit

Lampen hängen über den Tischen, und auch

der Fächer sind meist Frauen, die Jüngste ist

einem siebenköpfigen Team, das hilft wo es

sonst ist die Dekoration natürlich selbstge­

14, die Älteste 65 Jahre alt, nur zwei Männer

kann, den Laden schmeißt und auch sehr

macht. Passend zur Jahreszeit wird diese

haben seit Eröffnung des Wald Stadt Cafés

dankbar ist für die Unterstützung der Fami­

­immer wieder neu erfunden.

Fächer gemietet. Gestrickte Socken, gegos­ sene Briefbeschwerer, eingekochte vegane

lie. Dass es so kommen würde, hätten sich Leandra und Jan damals nie erträumt. Dabei

Für die Einrichtung haben Leandra und Jan

Pasten, es lohnt sich immer wieder zum

scheint ihr Café wie zum Träumen da.

vor vier Jahren sämtliche Trödelmärkte in

­Stöbern vorbeizukommen.

der Region abgeklappert, die Möbel liebevoll Auf einem alten weißen Küchenbuffet von

restauriert, alle weiß gestrichen. Ein alter

Aber nicht umsonst fällt beim Betreten des

Leandras Oma stehen die selbst gemachten

Lattenrost wurde zum tragenden Teil der

Cafés der Blick schnell auf das Holzschild an

Backwerke: Mohn-Kirsch-Torte, Russischer

Theke umgestaltet, Apfelsinenkisten ge­

der Wand gegenüber. Und der Spruch darauf

Zupfkuchen, Pflaumen-Streusel-Kuchen mit

sammelt, ebenfalls weiß gestrichen und an

bringt das Gefühl, das hier im Wald Stadt Café

Vanilleguss, Apfel-Streusel-Torte, Hasel­

die Wand montiert. In diesen können heute

in der Luft liegt ziemlich gut auf den Punkt:

nuss-Kirsch-Schokoladen- und natürlich die

bi zu 40 Kreative ihre Dinge ausstellen und

Life is short eat dessert first.

Gewittertorte – klassisch mit Kirschen aber

verkaufen. Für maximal 75 Tage kann eine

auch mit Himbeeren. Hier kann man im

Kiste gemietet werden. Dann wird sie wieder

Also, mein Tipp: Probiert alle Torten von

wahrsten Sinne des Wortes versinken. Und

frei gemacht für die nächsten L ­ ieblingsstücke.

­Leandra. Und nehmt es ihr nicht übel, wenn

„Eigentlich müssten wir eine Tonaufnahme

mal die eine oder andere schon alle ist. Wer

machen, von dem Moment, wenn unsere

sich darüber ärgert, ist einfach zu spät dran

so gut wie sie sind. Sondern auch in diesem

Gäste vor die Fächer treten und die selbstge­

oder hat das Motto auf dem Holzbrett noch

kleinen, lichtdurchfluteten Kosmos, der zwar

machten Dinge entdecken. Ah, oh, ach wie

nicht verstanden.

zwar nicht nur in dem Genuss der köstlichen Torten, die niemals Sünden sein können,

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Text: Stephan Sand Bild: Carmen Wolf ­Illustration & Layout: Kirstin Remiasch

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Nein, die allermeisten Lebensmittel-

Proben mitnehmen schon. Aber die werden

nahme: Das grundsätzliche Betriebsrisiko ist

kontrollen laufen sachlich und fried-

eingeschickt. Geschmackstests sind nicht

hoch. Krankenhausküchen, aber auch Sushi-­

lich ab. Wirkliche Probleme gibt es sel-

vorgesehen. Schade.

Restaurants werden öfter besucht. Aber

ten, Betriebe ganz ohne Mangel noch

wenn Herr Lücke das so erzählt, klingt das

seltener. Aber alles im grünen Bereich

sowieso alles unproblematisch „Mit denen,

hier in Bielefeld, sagt uns Dr. Ivo Lücke,

Saubere Abläufe

Stadtoberveterinärrat am Gesund-

die uns bereits kennen, gibt es selten Proble­ me. Nur wenn wir das erste Mal da sind, hö­

heits-, Veterinär- und Lebensmittel-

Herr Lücke zeigt uns den Stadtplan, auf dem

ren wir schon mal ‚Was wollen Sie? Proben

überwachungsamt in Bielefeld.

die Kontrollbezirke eingetragen sind. Als Ab­

mitnehmen und nicht bezahlen?‘ Aber recht­

schnittsleiter für den Bereich Lebensmittel-

liche Zweifel können wir in der Regel schnell

Drei Jahre Ausbildung müsste ich noch nach­

und Bedarfsgegenständeüberwachung teilt

ausräumen.“

holen, zum Bäcker zum Beispiel, danach den

er die Kontrolleure ein. Jeder hat drei dieser

Meister machen und ordentlich Berufserfah­

Bezirke. Einen eher außerhalb, einen mehr

Gerade bei der ersten Kontrolle direkt nach

rung sammeln. Dann dürfte ich vielleicht ir­

mittig und der andere in Stadtkernnähe. In

einer Neueröffnung werden die Kontrolleure

gendwann die zweijährige Ausbildung ma­

regelmäßigen Abständen wird rotiert. Die

erst mal zu Beratern. Erklären, worauf es

chen und als Lebensmittelkontrolleur durch

Betriebe werden im Abstand von drei Mona­

ankommt, was jetzt schon falsch läuft und

Bielefeld ziehen, sagt der Herr Lücke. Also

ten bis zwei Jahren kontrolliert. Je nachdem

dringend geändert werden muss. Problema­

nicht konkret zu mir, aber ich will ja für die

wie die Risikobewertung ausgegangen ist.

tisch: Das Basiswissen fehlt den Betreibern

Zukunft nichts ausschließen. Ich stell mir

Wo hygienisch soweit alles gut ist, die Le­

oft, ein Hygieneführerschein wäre wün­

das eigentlich ganz gut vor: „Packen Sie mir

bensmittel korrekt gekennzeichnet sind und

schenswert, sagt Herr Lücke. Auf den „Frika­

doch bitte mal die Maispoulardenbrust als

auch die Dokumentation der Abläufe passt,

dellenschein“, den meine Kollegen gemacht

Probe ein. Und dieses Tiramisu, das so lecker

muss man natürlich nicht so oft hin, wie in

haben (Bericht hier im Heft) sollten die sich

aussieht.“ Natürlich geht das so nicht. Also

einen eher schludrig geführten Betrieb. Aus­

also mal besser nichts einbilden.

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Diagnose Brechdurchfall „Verbraucherbeschwerden spielen eine wich­

Herr Lücke, haben Sie denn Bedenken,

tige Rolle, wir sehen den Betrieb ja oft erst

wenn Sie essen gehen? „Nein, ich gehe ger­

ein, zwei Jahre später wieder. Wenn da der

ne ins Restaurant.“ Schauen Sie denn vorher

Koch wechselt, kann es auch schnell bergab

nach, was die letzten Kontrollen ergeben

gehen, ohne dass wir davon etwas mitbe­

­haben? „Auch das mache ich nicht. Aber aus

kommen.“ Trotzdem ist es so eine Sache mit

eigener Erfahrung gibt es natürlich Betriebe,

dem „mir ist schlecht geworden“. Magen-­

die ich nicht aufsuche.“ Welche das sind, will

Darm-Erkrankungen können eine Inkubati­

er uns aber nicht verraten. Da muss man

onszeit zwischen wenigen Stunden und

wohl selbst Lebensmittelkontrolleur wer­

­einer Woche haben, erklärt er uns. Etwas

den. Aber ein bisschen schlau machen kann

einfacher ist es zuzuordnen, wenn viele ge­

sich jeder, denn Bielefeld ist Teil eines Modell­

meinsam gegessen haben und über die glei­

versuchs. Die 80 Punkte umfassende Liste,

chen Probleme klagen. Trotzdem bleibt die

auf der die Risikoeinschätzung beruht, ist in

Beweisführung meist schwierig. Vorgaben

eine Hygieneampel eingeflossen. Aber das

für die Lagerung von Rückstellungsmustern

ist nur fast richtig. „Es geht um mehr als

gibt es nur in wenigen Fällen, meist für

­Hygiene“, erklärt uns Herr Lücke, „es ist ein

Großküchen. Oft freiwillig. Um klarzustellen:

Kontrollbarometer, auch wenn die Presse

„An uns hat es nicht gelegen!“ Als Student

das gerne anders nennt.“ Also, bevor uns

hatte ich ja auch immer gleich das Mensa­

­Pegida zur Lügenpresse zählt: Dieses Kon­

essen in Verdacht. Entschuldigung dafür.

trollbarometer findet sich im Netz, unter

vz-nrw.de/appetitlich Sieht ganz gut aus in Bielefeld.

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„Nicht jede unserer Kontrollen ist

Wir kontrollieren ja auch, ob genug Alkohol im Glühwein ist.“ 33 von 48


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NEBENJOB? LEBENSRETTER! Plasma spenden heißt Leben retten. Das sind große Worte, aber sie treffen zu. Allein in Deutschland werden rund 16.000 chronisch kranke Menschen mit Medikamenten aus menschlichem Plasma behandelt. Und gemeinsam können wir ihnen helfen.

Doch wer braucht eigentlich Plasmapräparate?

Da bei der Plasmaspende – im Gegensatz zur

Vor allem Menschen mit Blutgerinnungsstörun­

Vollblutspende – nur der flüssige Blutbestand­

gen (der so genannten Bluterkrankheit) sind da­

teil entnommen wird, kann der Körper des Spen­

rauf angewiesen. Aber auch Menschen mit einer

ders das gespendete Volumen innerhalb kürzes­

geschwächten Immunabwehr benötigen regel­

ter Zeit wieder aufbauen. Deswegen kann viel

mäßig Plasma, da ihr Körper ohne Unterstützung

häufiger Plasma als Blut gespendet werden: bis

von außen keine Infektionen abwehren kann. Erst

zu 45-mal pro Jahr. Vor, während und nach der

durch Plasmapräparate ist es ihnen möglich, ein

Spende werden die Spender vom freundlichen

relativ normales Leben zu führen. Doch selbst für

Ärzteteam und speziell ausgebildetem medizini­

Leute, die keine schwere Krankheit haben, kön­

schen Personal rundum kompetent betreut. Also,

nen diese speziellen Medikamente lebenswichtig

werden auch Sie zum Lebensretter!

sein: So hilft beispielsweise ein Wundkleber, der

Die Spender von CSL Plasma erhalten für ihr

aus Plasma gewonnen wird, starke Blutungen zu

Engagement eine Aufwandsentschädigung,

stillen und das Gewebe wieder zu verschließen.

die sich an dem unmittelbaren Aufwand je nach

Plasma

Spendeart orientiert

spenden

können

alle

gesunden

Menschen zwischen 18 und 59 Jahren bei CSL Plasma am Niederwall 1–3 in Bielefeld (Telefon: 0521/967270).

(§ 10 Satz 2 Transfusionsgesetz).


ENTDECKEN Kluge Sachen mögen wir ja. Und wenn sich eine ganze Küche in kompakter Trolley-Form an den Ort seiner Bestimmung ziehen lässt, dann kann uns das nur beglücken. Am See, im Wald oder am Strand – wenige Handgriffe machen den kom­

EINDECKEN

pakten Koffer zur Kulisse für das perfekte Dinner. Wer noch

Wir sind keine Spießer. Und halten nichts von Untersetzern.

einen Gaskocher und seine Espressokanne dazu packt, der

Von Spickzetteln aber schon. Das Tischset Kniggerich ist

braucht gar keine richtige Küche mehr,

beides. Nun müssen wir uns ­

eigentlich gar kein Eigenheim. Der ver­

entscheiden. Finden wir das

abschiedet sich von seiner Einbaukü­

gut oder schlecht? Oder ihr ent­

che im Landhausstil und entscheidet

scheidet euch selbst.

sich für eine Behausung im Land­

Von uns aber noch ein Anwen­

schaftsstil – schläft unter

dungs-Tipp: Wer den „Tisch­

Blättern oder im Sand ver­

tuch-Trick“ bis zur Perfektion

graben, gräbt sich ein Loch

trainiert (ihr wisst schon –

für … Ok, halt. Das überlassen

Tisch decken, Decke wegzie­

wir der Fantasie. Die bringt

hen und alles bleibt stehen) und diesen dann mit unserem

die mobile Küche auf jeden

Spießer Top-Tipp kombiniert, kann beim nächsten Essen mit

Fall zum Blühen.

den Schwiegereltern mächtig punkten. Wenn jegliches Ge­ schirr, jede Gabel, jedes Glas nicht nur am richtigen Platz, son­ dern auch mit dem perfekten Abstand zueinander und auch zum Gast liegt – das beeindruckt sogar Schwiegermutter. Also,

EINSCHENKEN

Geschirr auf dem Deckchen anordnen und dann: mit einem kräftigen Ruck… donkey-products.com

Wir wissen es. Dass Herr Alfonso Bialetti da keine Espressokanne erfunden hat – im Sinne des unter Hochdruck extrahierten Heißge­ tränkes, das wir hierzulan­ de „Espresso“ nennen. So

VERSCHENKEN

ein Kännchen baut eben

Höher, schneller, weiter, größer, lauter! Wollen alle.

nicht genug Druck auf.

Aber macht das Freude? Also, so wirkliche Freude?

Ist uns aber egal. Darf

Freude, die überrascht, die das Herz öffnet und auch

auch jeder Barista lesen.

noch gut schmeckt, so eine F ­ reude? Die verschenkt

Denn – Espresso zum Ergeb­

man ganz anders. Mit einer Tarte novelle. Ob man die

nis oder nicht – wie das ganz

Novelle dabei selber schreibt, oder doch besser auf al­

gewöhnliche Wasser aus dem Hahn

tes Schriftstellerhandwerk zurückgreift, bleibt selbst

wie von Zauberhand aus dem un­

überlassen. Die Tarte dagegen ist immer handgemacht

teren, einmal verschraubt ganz

und liebevoll abgeschmeckt von Konditorin Steffi. Hal­

unzugänglich wirkenden Behälter,

ten wir fest: Die Qualität des

sich als braunes Glück in den obe­

möge bei Selbstversuchen

ren ergießt, und dann durch diese

zweifelhaft sein, der Ge­

winzig kleine Öffnung dickflüssig

schmack und die Freu­

den Weg in die Tasse findet… Das grenzt an ein Wun­

de beim Beschenkten

der, erinnert uns an Entfesselungskünstler, die auch

aber auf jeden Fall

noch gut schmecken. Also pflegen wir das Kännchen,

zügellos.

lieben es, lassen es mit uns reisen. Und danken jedes

tartenovelle.de

Mal mit staunend aufgerissenen Augen diesem kleinen Zauberkünstler für seine Show. Und den Espresso.

35 von 48

Geschriebenen


„Metzger und Technik“, murmelt der Herr der IHK, als er versucht, seine PowerPoint-Präsentation auf die Leinwand zu beamen. Gespannt sitzen die rund 30 Teilnehmer im großen Saal und starren an die Wand. Unter ihnen acht zukünftige Gaststättenbe­ sitzer, sechs ambitionierte Caféeröffner, eine obligatorische Eisdiele, ein potenzieller Imbiss, ein leerstehendes Sportlerheim und ein Jäger, der einen Wildhandel eröffnen ­möchte. Und mittendrin: Wir. In der Tasche zwei Pfund Gehacktes, halb und halb, ein Ei, zwei erntefrische Zwiebeln, ein trockenes Brötchen, den besten Senf, den wir bekommen konnten und eine handvoll Gewürze. Frikadellenschein, bald gehörst du uns.


„Wer anderen eine Frikadelle brät, hat eine Bratpfanne. Oder zumindest eine ­Bescheinigung über die Unterrichtung nach §4 Abs. 1 Nr. 4 des Gast­ stättengesetzes“, fährt er fort. Dann bedauert er, gerade er als Metzger, die Abschaffung der Wer sich als Gastronom in Deutschland selbst­

Hackfleischverordnung im Jahre 2004. Wir be­

ständig machen möchte, kommt um diesen

dauern ihn dafür. Was sie beinhaltet haben wir

halbtägigen Kurs in Hygiene- und Gesetzesfra­

leider nicht erfahren, was davon aber übrig ge­

gen der IHK nicht drumherum. Das Zertifikat,

blieben ist, ist, dass in Speisekarten die Spei­

im Volksmund Frikadellenschein genannt, ist

sen ordentlich betitelt werden müssen. Heißt,

eine Grundvoraussetzung für jeden Existenz­

dass der Gast aus der Karte lesen kann, was er bestellt. Uns geht nun endlich ein Licht auf,

gründer in der Lebensmittelbranche.

warum Speisekarten so unsexy sind, und wa­ rum immer alles so penibel aufgelistet ist. Er

„Zuerst machen wir ein bisschen trocken“ ­beginnt der Vortragende seine Präsentation,

lacht und sagt: „Es gibt natürlich Begriffe, die

entschuldigt sich schon einmal vorweg für sei­

nicht weiter erklärt werden müssen.

ne westfälische Klodderschnauze und öffnet

Jägergeschnetzeltes ist z. B. nicht etwa ein ­geschnetzelter Jäger.

das erste Chart.

Kein Applaus, keine ­Jubelgesänge, keine entrüsteten Gesichter.

Das sollte ja wohl allen klar sein.“ Welche Be­ grifflichkeiten also in Speisekarten verwendet

Schnell wird klar: Frikadellen werden hier nicht

werden können, kann man nachlesen. So wie

gebraten. Leider. Stattdessen: vier Stunden

eigentlich alles. Das ist auch schon die Erkennt­

lang auf eine leicht schiefe PowerPoint-Präsen­

nis, die wir aus diesem Kurs mitbringen. Wie

tation starren. Gezeigt wird eine gesunde

wir eine Frikadelle zubereiten, haben wir nicht

­Mischung aus informativen Texten und ab­

gelernt, wir dürfen es jetzt, aber müssen uns

schreckenden Bildern, auf denen zu sehen ist,

selber ein Rezept dafür suchen.

was wir tun müssen, damit das Hygieneamt unseren Laden schnellstmöglich schließt. Im

Genauso ist es mit dem Eröffnen einer Gastro­

Schnelldurchlauf lernen wir, welches Fleisch

nomie, was wir beachten müssen, müssen wir

wie gekühlt werden muss, wie wir uns selber

uns selber zusammensuchen, der Kurs der IHK

einen HACCP bauen und wie wir diesen durch­

hat uns aber gezeigt, was dafür wichtig ist und

führen.

was wir beachten müssen. Genauere Informa­ tionen sind dennoch selber zusammenzu­

Was ist eigentlich ein HACCP?

suchen. Treffender konnte er seine Power-­ Point-Präsentation nicht beenden als mit diesen Worten: „Oder fragen Sie jemanden, der sich damit auskennt.“ ///

Ein HACCP ist die Hazard Analysis and Critical ­Control Points, oder auf deutsch: Risiko-Analyse kritischer Kontroll-Punkte. Kurz gesagt, ein

Florian Jorzick labert dir nicht gerne eine Frikadelle ans Ohr.

selbsterbautes, individuelles Konzept, das

­Braten darf er sie dir jetzt theoretisch schon. Er tüftelt aber noch

­jederzeit auch Außenstehenden ermöglicht,

an dem perfekten Rezept. Geschrieben hat er nur diesen Text

den reibungslosen Ablauf der Kühlkette der

dafür. Sascha Bartel hat das Angebot, die von ihm fotografierten

verwendeten Lebensmittel einzusehen. In ers­

­Frikadellen aufzuessen, dankend abgelehnt. Sagt zumindest die

ter Linie dient er der Selbstüberwachung und

Köchin. Uns hat er erzählt, dass er nach dem Shooting nicht mal

Einhaltung der festgelegten Maßnahmen.

’ne Frikadelle bekommen hat.

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Viele, viele gute Tropfen Mit einem Trainingslager des FC St. Pauli

Deutschland, Österreich, Schweiz. Ein

in Kuba fing alles an. Der damalige

menschenwürdiger Zugang zu saube-

­Spieler Benjamin Adrion begann nach

rem Trinkwasser und sanitärer Grund-

seiner Rückkehr, Spendengelder zu sam-

versorgung ist das Ziel von dem Netz-

meln. Schockiert von der schlechten

werk und seinen Aktivisten, oder

Trinkwasserversorgung auf Kuba ent-

besser Supportern, wie sie genannt

schied er, spielerisch die Welt positiv

werden. „Im Vordergrund stehen vor

mitgestalten zu wollen. Das war 2005,

­allem Aktionen, mit denen wir auf die

das ­Geburtsjahr von Viva con Agua.

fehlende Trinkwasserversorgung und

Heute, fast zehn Jahre später, sitzen

schlechte hygienische Bedingungen in

uns Marc Schüngel und Alexander Sas-

vielen Regionen der Welt aufmerksam

se gegenüber. Sie sind nur zwei der in-

machen wollen“, erklären Marc und

zwischen 8.000 Aktivisten, die sich für

­Alexander, die aus Wiedenbrück gekom-

Viva con Agua ehrenamtlich engagieren.

men sind, um uns ihre Herzenssache

Das Konzept, das sich Benjamin Adri­on

­näherzubringen. Das können kulturelle

einfallen ließ und das er Viva con Agua

Aktionen und Projekte sein: Konzerte,

nannte, hat sich in der Zeit seit seiner Entstehung über den gesamten deutsch-

Kunstprojekte oder andere Dinge – ­„alles, was den Supportern so in den Sinn kommt.“ Ganz nebenbei werden

sprachigen Raum ausgebreitet:

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dabei Spenden gesammelt. „Besonders etabliert hat sich das Pfandbecher-Sammeln auf Festivals. Da laufen wir mit umfunktionierten Mülltonnen über den Festivalplatz, sammeln Pfandbecher, tauschen das Pfand ein und bekommen so eine gute Summe für den Spendentopf zusammen. Wir schwatzen aber niemandem seinen Pfandbecher aus der Hand“, betont Marc, „die Leute kommen selbst zu uns und überlassen uns das Pfand.“ Bis zu 2000 ­Becher kommen da an so einem Festivaltag schon mal zusammen (ca. 4000 an einem Wochenende, wie z. B. dem Serengeti-Festival) und inzwischen ist Viva con Agua bei den Festivalbetreibern schon zu einem gern gesehenen Gast geworden. Allein in den Sommermonaten des letzten ­Jahres hat Viva con Agua auf über 120 Musikfestivals die Flagge mit dem Tropfen gehisst. Dabei geht es aber


Anna Lechner weiß nun endlich, was ihr ­Kollege Sören – der direkt hinter ihr sitzt – wirklich macht, wenn er sich auf den Festivals rumtreibt oder 2500 Kilometer durch den Balkan bis nach Mazedonien trampt. Er ist ein verkappter schlafender Supporter also, der erst richtig aufblüht, wenn er aktiv werden kann.

www.pool.vivaconagua.org Local Crew OWL: netzwerk@vivaconagua.org owl@vivaconagua.org und facebook.com/VcA.OWL

nicht alleine darum, Spendengelder zu

Vision „Alle für Wasser – Wasser für

Viva con Agua ist ein Zusammen-

sammeln. Vielmehr möchten sie auch

alle.“ Und einen weiteren Botschafter

schluss vieler, vieler guter Tropfen auf

hier mit den Aktionen die Aufmerksam-

ihrer Ziele kann man inzwischen auch

den heißen Stein. Und jeder kann ein

keit der M ­ enschen auf die weltweite

in einigen Kneipen Bielefelds antreffen.

weiterer Tropfen werden.

Wasser-­Problematik lenken, ein Be-

Und auch bestellen. Leise oder laut gibt

wusstsein ­schaffen für die Themen

es das Viva con Agua-Wasser. Wer es

Wer mitmachen will kann dies auf drei

WASH-Wasserversorgung, Sanitäranla-

trinkt, tut Gutes, sorgt dafür, dass 60 %

Wegen tun: Entweder du meldest dich

gen und Hygiene. Auch deshalb setzt

des Gewinns, den die Viva con Agua

einfach in der Onlinecommunity, dem

das Netzwerk hierzulande einen

Wasser GmbH macht in Trinkwasserpro-

sogenannten Pool, an, um bei Festivals

Schwerpunkt im Bereich Bildung und

jekte fließt. Wer glaubt, dass das alles

Pfandbecher sammeln zu gehen und

Entwicklung. „Wir wollen Kinder, Ju-

ist, was man tun kann, der wird von

regelmäßig Infos aus dem Viva con

gendliche und Erwachsene für einen

Menschen wie Marc Schüngel und Alex­

Agua-Kosmos zu bekommen. Oder du

verantwortungsbewussten Umgang mit

ander Sasse eines Besseren belehrt.

wirst Fördermitglied, um die Arbeit

Wasser aktivieren. Nur so können wir

Aber auf eine sehr sympathische Art

von Viva con Aqua finanziell den Rü-

die weltweite Wassersituation schließ-

und Weise. Denn das Viva con

cken zu stärken. Oder? Werde selbst

lich langfristig verändern“, erklären die

Agua-Wasser ist, wie wir gelernt haben,

kreativ. Schließe dich dem Netzwerk

beiden Supporter. Beim RUN 4 WASH,

nur die Spitze des Eisberges. „Viva con

an und starte eigene Aktionen. Die

­einem grenzüberschreitenden Spenden-

Agua ist viel mehr“, fasst Marc zusam-

Local Crew Ostwestfalen-Lippe hat

lauftag in Kooperation mit der Welthun-

men. „Viva con Agua ist ein offenes

sich für das Jahr 2015 das Ziel gesetzt,

gerhilfe liefen letztes Jahr beispiel­s­

Netzwerk, bei dem jeder die Möglichkeit

­besonders in Bielefeld Aktionen zu

weise mehr als 50 Schulen – 23.000

hat, sich und seine Fähigkeiten einzu-

starten und die Supporter freuen sich

Schülerinnen und Schüler für die eine

bringen – für eine Welt ohne Durst.“

immer über motivierten Zuwachs. ///


u d t S Ha E e d I ne na E l l e st


h c o N u e n r 端 E f igE? e z an Oder nen Text? n Bild? ne Illustration? ne WebsEite? ne Grafik? n Magazin? ne App?

DANN BEWIRB DICH MAL:

InfO@Hoch5.com


Text: Stephan Sand Bild: Hans Richter Layout: Kirstin Remiasch

Die Mehrgenerationenhofbrauerei

Selbst wenn er den Rauch seiner Ziga-

Der Hof

rette einzieht, scheint das Pfeifen nicht zu verstummen. Michael Zerbst hat zu

Besagter Hof ist nicht nur Brauerei-Standort,

tun, aber lässt sich nicht aus der Ruhe

sondern Lebensmittelpunkt für Menschen

bringen. Er läuft, oder besser schlen-

in ganz unterschiedlichen Lebenssituatio­

dert von links nach rechts, stellt Gläser

nen. Aber vielleicht einfach von vorne: Nach

an den richtigen Platz, sieht nach dem

seinem Zivildienst und ersten Erfahrungen

Essen, weist die ankommenden Besu-

in der Altenhilfe war Michael Zerbst unzu­

cher auf ihre Parkplätze. Und pfeift vor

frieden mit der Art, wie Alte und Hilfsbe­

sich hin. So lange bis er spricht. Herz-

dürftige dort behandelt werden. Zu groß

lich willkommen zur Brauereibesichti-

und unbeweglich sind ihm die Heime gewe­

gung in der Rotingdorfer Brauerei bei

sen, zu wenig an den Bedürfnissen der ein­

Werther.

zelnen Personen orientiert: „Alte und Kran­ ke gehören in die Mitte der Gesellschaft.“

„Der Ostwestfale hat Gesichtsmuskeln, die

Also hat er 1986 gemeinsam mit Freunden

für zwei Minuten breites Grinsen reichen.

den Verein „Lebensbaum“ gegründet, einen

Wenn ich den Räucherschrank aufmache

ambulanten Pflegedienst. Aber alleine zu

und das Essen heraushole, bekommen die

Hause zu leben kann einsam machen. Der

meisten Muskelkater.“

Bielefelder Verein Alt und Jung brachte ihn

Im Ofen wartet die Rotingdorfer Pfanne, „sechzig Kilo Futter“, auf gar nicht so knorri­

schließlich auf die Idee mit der Haus- und Wohngemeinschaft. Als der Hof gefunden

ge Ostwestfalen. Spätestens nach dem

war, hat es noch anderthalb Jahre gedauert,

­ersten Bier und ein paar Anekdoten vom

bis die Finanzierung geklärt war. Die vorhe­

Hof ist die Laune bestens.

rige Besitzerin hatte versprochen, solange

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mit dem Verkauf zu warten bis das Geld auf­

ersten Donnerstag im Monat

getrieben war. Am Ende wurde sie aber doch

kann man sich hier beim Bier

etwas ungeduldig. Nach zahlreichen ermü­

sogar die Haare schneiden

denden Besuchen in Düsseldorfer Ministeri­

lassen. Das Motto: In die

en – im Gepäck ein 1:50 Modell des Hofes mit

Bierbar kommt der Barbier.

den notwendigen Umbauten – kamen die

Das war es aber auch schon

­benötigten Zuschüsse. Und das Leben auf

mit festen Terminen. Frei­

den Hof. Sieben Menschen mit Pflegebedarf

tags und samstags sind

leben unten in der WG und drei Familien in

Brauereibesichtigungen.

der ersten Etage. Die Bewohner wechselten,

Nach Anmeldung kann man

aber die Grundkonstellation blieb immer die

aber auch einfach auf ein

gleiche. Und das Zusammenleben funktio­

Bier vorbeikommen. So wie

niert. Manche bringen sich mehr in das

Lothar Kriesten, der schon

­Gemeinschaftsleben ein, manche weniger.

bevor es offiziell losgeht mit

­Jeder wie er mag.

einem Bier auf der Bank vor der Brauerei sitzt. „Sind Sie

Das Bier

Stammgast hier?“ „Michael, bin ich ein Stammgast?“ Das Pfeifen unterbricht für

Es war einer der gemeinsamen Grillabende

­einen Moment. „Nein, Du

der Bewohner des Mehrgenerationenhauses,

wohnst fast hier.“ Und das

an dem die Idee aufkam, eigenes Bier zu

klingt ganz so, als dürfe er

brauen. Was passt auch besser zu ganzen

sich Hoffnung machen, auch

Wildschweinen, die über dem offenen Feuer

später neben dem Brauer auf

gebraten werden? Ende der 90er hat Michael

dieser Bank zu sitzen. „Wenn

Zerbst mit einem Freund zusammen ange­

ich meinen Arsch nicht mehr

fangen zu brauen. 30-Liter-Pöttchen für den

hochbekomme, sitzen wir

Eigenbedarf. Dann irgendwann alle sechs

hier, trinken eigenes Bier,

Wochen 200 Liter in der Edelstahlkanne.

­eigenen Whisky, rauchen

­Eigenbedarf? „Nein, das war natürlich nicht

selbst angebauten Tabak

nur für uns alleine.“ Freunde, Nachbarn, ge­

und pfeifen den Mädels hin­

nug Abnehmer gab es schon immer. Die Idee,

terher.“ Bis dahin gibt’s aber

eine Brauerei zu eröffnen gewann immer

noch einiges zu tun. Der

mehr an Form. 2006 war es soweit. Der

­eigene Tabakanbau ist noch

­direkt mit Holz befeuerte 2000-Liter-Brau­

in weiter Ferne, aber der

kessel wurde in Betrieb genommen. An der

Traum einer eigenen Whisky-Destille hat

­Finanzierung beteiligten sich neben der

längst F ­ ormen angenommen. Um die sollte

Bank auch Freunde und Bekannte. Seitdem

sich zunächst ein Freund kümmern. Bau­

gibt es das Rotingdorfer Bier ganz offiziell.

anträge stellen, Zollfragen klären und was

Mit 5,0 Volumenprozent Rendite. Ein Pils?

sonst dazugehört. „Dann hat er Arbeit be­

Dunkler, trüber, lecker.

kommen und zur Überraschung aller die ­Probezeit überstanden. Jetzt muss ich es

Die Brauerei

doch selber machen.“ Dass das klappen kann, hat Michael Zerbst ja bereits gezeigt. „Ich gestehe mir zu, dass

Wer das Rotingdorfer trinken möchte, sollte

Sachen schiefgehen, aber ich bleibe dran.“

vorbeikommen. Öffnungszeiten gibt es zwar

Bis das nächste Ziel erreicht ist. Nach dem

angeblich nicht. Aber eigentlich schon. Ein

Whisky ist vor dem Tabak. Und der wiede­

bisschen zumindest. Der Donnerstagabend

rum vor dem Kaffee. „Irgendwann soll das

steht ganz im Zeichen der Sozialen Markt­

hier der verbrauchssteuervielfältigste

wirtschaft. So viel essen und trinken wie

­Hektar Deutschlands werden.“ Man ist auf

man mag für sechs Euro die Stunde. Jeden

einem guten Weg.

///

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„Der Ofen ist zu hoch zum Brot­ backen. Zu wenig Oberhitze. Also schneiden wir unten ab, was schwarz ist.“ Michael Zerbst, Erfinder des Hobelbrots.


9 no

HOCHFÜNF No9 IMPRESSUM Herausgeber: HOCH5 VERLAGS GmbH & Co. KG, V.i.S.d.P.: Tobias Heyer, Konzept, Text, Fotografie und Design: HOCH5 GmbH & Co. KG, Verlag und Redaktion: HOCH5 VERLAGS GmbH & Co. KG | ­Kontakt: Neustädter Str. 19 • 33602 Bielefeld • 0521.96121160 | Borriesstraße 11 • 32257 Bünde • 05223.7923700 | info@hoch5.com • www.hoch5.com | Auflage: 10.000 Exemplare • Verteilung: OWL | Mediadaten: Preisliste 1/2013 | Für unverlangt eingesandte Manuskripte wird keine Haftung übernommen.


no

10

Das zehnte HOCHFÜNF will gefeiert werden! Und wir drehen richtig auf. In der Schreibtischschublade warten ­bereits drei Packungen Konfetti auf ­ihren Einsatz. Die lassen wir dann mit der Fertigstellung der nächsten ­Ausgabe unter großem Gejohle auf das Kehrblech rieseln. Sauberkeit geht vor. Thematisch gibt’s das Übliche. Intel­ lektuelle Unredlichkeiten im gehetzten Dieter-Thomas-Heck-­Gedächtnis-Stil, unterstrichen durch infantile Illustra­ tionsversuche und eine B ­ ildsprache, die betroffen macht. Sinnentstellen­de Zitate und unvorteilhafte Detailauf­ nahmen g ­ ehören selbstverständlich ­weiter zum Repertoire. Verrückt, dass ­immer noch Menschen mit uns reden. So. Jetzt müssen wir uns gar nicht mehr anstrengen, um die Erwartungen an unsere 10. Ausgabe zu übertreffen. Machen wir trotzdem. Berufsehre:

HautReich Schönheit und Wohlbefinden für die Haut Kosmetik MICRODERMABRASION U LT R A S C H A L L B E H A N D L U N G E N FRUCHTSÄUREPEELING VA K U U M M A S S A G E LY M P H D R A I N A G E MASSAGEN GANZKÖRPERPEELINGS CELLULITISBEHANDLUNGEN MANIKÜRE UND PEDIKÜRE

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­Konfetti muss man sich verdienen.


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