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Mitteilungen
by Hogrefe
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Kongressberichte
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Dem Potenzial klinischer Fachspezialisten auf der Spur – 3. Symposium Klinische Fachspezialisten vom 18. Oktober 2019: Entwicklungsstand und Praxismodelle in der interprofessionellen Versorgung
Sie werden Health Officer genannt, Barefoot Doctor oder Physician Associate – weltweit gibt es viele Begriffe für einen Beruf, der in der Schweiz noch neu ist, in anderen Ländern aber schon lange existiert: Gesundheitsfachpersonen, meist mit pflegerischem Background, die im ärztlichen Auftrag klinischmedizinische Aufgaben übernehmen. „Den Beruf gibt es derzeit in 55 Ländern. Doch es werden jährlich mehr“, sagte Scott Smalley, Präsident der International Academy of Physician Associate Educators (IAPAE), an der diesjährigen Konferenz des Verbands Mitte Oktober am ZHAWDepartement Gesundheit. Die rund 60 Teilnehmenden befassten sich unter anderem mit der Standardisierung des Berufs. Für die weltweit rund 370 000 Physician Associates brauche es eine einheitliche Bezeichnung, eine Angleichung der Ausbildung und eine gemeinsame Akkreditierung. „Physician Associates brauchen eine gemeinsame Stimme“, sagte auch Stefan Breitenstein, Direktor des Departements Chirurgie am Kantonsspital Winterthur (KSW), Schweiz, das als eines der ersten Schweizer Spitäler die neue Rolle eingeführt hat. Heute kommen klinische Fachspezialisten – so die hiesige Bezeichnung für das Berufsbild – immer häufiger zum Einsatz, wie das dritte Symposium Klinische Fachspezialisten zeigte, das während der IAPAEKonferenz stattfand. Von der Chirurgie über die Onkologie bis zur Geriatrie: Die Einsatzbereiche sind vielfältig.
Neben dem Einblick in den Praxisalltag bot das Symposium eine Tour d’Horizon über verschiedene Aspekte des neuen Berufs. Dazu gehörten beispielsweise die nicht vorhandenen Rahmenbedingungen. Annette Jamieson von der Helsana Versicherung sprach etwa die fehlende Tarifierung von Leistungen der Fachspezialisten im ambulanten Bereich an. Die Helsana wolle nun in einem Pilotprojekt mit dem KSW ausloten, was diesbezüglich „innerhalb der Vorschriften des Krankenversicherungsgesetzes möglich ist.“ Sonia Barbosa vom Ärzteverband FMH wiederum legte die Haltung der Ärzteschaft dar: „Die Unterstützung der medizinischen Verbände für das neue Berufsbild ist da, wenn diese von Anfang in dessen Entwicklung eingebunden werden.“
Das Symposium fand im Rahmen der International Conference of the International Academy of Physician Associate Educators (IAPAE) statt.
Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW), Departement Gesundheit, Winterthur, https://www.zhaw.ch/ de/hochschule/
Was bei Menschen mit Demenz am Lebensende vergessen geht – St. Galler Demenz-Kongress vom 13. November 2019
In den kommenden Jahren wird die Zahl von Personen mit Demenz an ihrem Lebensende stark zunehmen. Aber es fehlen schweizweit angemessene Betreuungsangebote. 150 000 Personen mit Demenz lebten 2018 in der Schweiz. 2040 werden es doppelt so viele sein. Alle 18 Minuten gibt es derzeit statistisch gesehen eine neu an Demenz erkrankte Person. Und aktuell ist Demenz im Alter die dritthäufigste Todesursache. Das sind einige Zahlen, die am St. Galler DemenzKongress vom 13. November auf dem Gelände der Olma Messen in St. Gallen genannt wurden. Das Thema EndofLife Care bei Personen mit Demenz widmet sich den vergessenen Anforderungen in der letzten Lebensphase bei Personen mit Demenz und ist von groβer gesellschaftlicher Relevanz. Das widerspiegeln auch die Anmeldezahlen: Der Kongress war mit über 1 100 Teilnehmenden aus dem ganzen deutschsprachigen Raum ausgebucht. „Wir stellen heute die vergessenen Anforderungen in den Fokus, weil Demenz noch immer zu wenig als lebensbeendende Erkrankung wahrgenommen wird. Das liegt unter anderem daran, dass die Anzeichen des Sterbens bei Personen mit Demenz nicht deutlich wahrgenommen werden“, begrüsste Heidi Zeller, Leiterin der Fachstelle Demenz an der Fachhochschule St. Gallen (FHS), die Teilnehmenden.
Eine Folge davon, dass Demenz nicht als terminale Erkrankung gilt, ist, dass Personen mit Demenz schlechter betreut werden als beispielsweise Personen mit einer Krebserkrankung. Dies ist einer der Forschungsschwerpunkte von Melanie Karrer und Angela Schnelli, beide wissenschaftliche Mitarbeiterinnen am Institut für angewandte Pflegewissenschaft IPWFHS. Sie haben Interviews mit Pflegenden geführt und so die Anforderungen an die EndofLife Care bei Personen mit Demenz herausgearbeitet. Es brauche ein Gespür und Intuition, da Menschen mit Demenz beispielsweise nicht beantworten können, ob sie Schmerzen empfinden, so Melanie Burgstaller. Eine weitere Herausforderung sei, dass sich Institution und Intuition im Berufsalltag der Pflegenden oftmals nicht vereinbaren lieβen, etwa wegen des Zeitdrucks. Angela Schnelli ergänzte, dass die zweite Anforderung sei, die Angehörigen einzubeziehen. Diese seien die wichtigsten Bezugspersonen für Menschen mit Demenz. Gleichzeitig sei die kommunikative Brücke zwischen Angehörigen und Pflegenden oftmals nicht stabil.
Sterbewünsche von Personen mit Demenz beinhalten auch die Frage nach Selbstbestimmung, Autonomie und Urteilsfähigkeit. Was sollen Angehörige, Pflegende und Ärztinnen und Ärzte tun, wenn eine Person zu einem Zeitpunkt, wo sie noch urteilsfähig ist, den Wunsch äuβert, ihr Leben mittels Sterbefasten oder Sterbehilfe zu beenden? Am Podiumsgespräch wurde diese Frage äuβerst kontro
vers diskutiert. Als klarer Gegner der assistierten Sterbehilfe positionierte sich Raimund Klesse, Psychiater und Präsident der Organisation Alzheimer Graubünden: „Ein Sterbewunsch ist immer Ausdruck einer inneren Not“. Daher stehe für ihn die Frage im Vordergrund, wie man auf Suizidwünsche reagieren könne. Zumal diese in den meisten Fällen wieder vorbeigehen würden. In einer Studie seien 700 an Demenz erkrankte Personen zu ihren Suizidgedanken befragt worden, von denen nur einer übrig blieb, der einen konkreten Plan gefasst hatte, ergänzte Klesse.
Am Podium teil nahm auch Marion Schafrot, Ärztin und Präsidentin der SterbehilfeOrganisation Exit. Gemäss Schafrot hat Exit im vergangenen Jahr 18 Personen in den Freitod begleitet, die an Demenz erkrankt waren. Das seien sehr wenige Personen, die sich zudem in speziellen Situationen befunden hätten, sagte sie. „Entweder waren es Personen ab 50 Jahren, die an einer schnell fortschreitenden Sonderform von Demenz erkrankt waren. Oder es handelte sich um betagtere Personen mit Alzheimer Demenz, die noch andere Nebenerkrankungen hatten.“
Basil Höneisen, FHS St. Gallen, Hochschule für Angewandte Wissenschaften, http://www.fhsg.ch
Erster VPU-Kongress mit deutlichem Appell – Deutschland braucht mehr akademisch ausgebildete Pflegende
Deutschland braucht deutlich mehr hochschulisch qualifizierte Pflegende. Es ist Zeit zu handeln! Mit diesem Appell endete der erste VPUKongress zum Thema „Hochschulische Qualifizierung in der Pflege – Chancen, Herausforderungen, BestPracticeModelle“, der am 15. und 16. November 2019 auf dem Campus der Charité in Berlin stattfand. Der Verband der Pflegedirektorinnen und Pflegedirektoren der Universitätskliniken und Medizinischen Hochschulen Deutschlands (VPU) und das Netzwerk Pflegeforschung hatten mehr als 50 Referentinnen und Referenten aus Wissenschaft, Politik, Pflegemanagement und praxis zum Wissens und Erfahrungsaustausch eingeladen.
Höheres Bildungsniveau rettet Leben und fördert Innovationen
In seinem Grußwort an die rund 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer betonte der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Staatssekretär Andreas Westerfellhaus, dass die immer anspruchsvolleren Aufgaben der Patientenversorgung eine hochwertig ausgebildete Pflege bis hin zum Studium erforderten. Dies wurde von Professor Linda Aiken von der Universität Pennsylvania wissenschaftlich untermauert: „Es liegen umfassende Belege vor, dass ein höherer Anteil hochschulisch qualifizierter Pflegender positive Auswirkungen auf pflegesensitive Patientenergebnisse wie Mortalitäts oder Infektionsraten hat“, so die renommierte Pflegewissenschaftlerin. Akademisch Ausgebildete könnten kritische Situationen früher erkennen und besser bewältigen. Von diesen erweiterten Kompetenzen profitierten nicht nur Patienten und Angehörige, sondern das gesamte Pflegeteam.
Die Akademisierungsquote in Deutschland sei im internationalen Vergleich erschreckend niedrig. Tatsächlich liege der Anteil hochschulisch qualifizierter Pflegender an deutschen Universitätskliniken aktuell bei nur knapp zwei Prozent, warnte Andreas Kocks, Sprecher des Netzwerks Pflegeforschung. „Dieser Anteil ist weit entfernt von den Empfehlungen des Deutschen Wissenschaftsrates, der eine Akademisierungsquote von zehn bis 20 Prozent fordert“, so Kocks. In den USA reichten die Forderungen sogar bis zu 80 Prozent.
Bedeutung von Pflegenden für eine evidenzbasierte Pflegepraxis
Doch wie kann eine Veränderung hin zu einem höheren Bildungsniveau in der Pflege gelingen? Und wie können akademisch ausgebildete Pflegende strukturiert und nachhaltig in die direkte Patientenversorgung integriert werden? Linda Aiken verwies dazu auf Beispiele aus Norwegen, Kanada und Australien, wo die Qualifizierung von Pflegenden durch gesetzliche Maßnahmen an die Hochschulen verlagert wurden. Auch eine neue Einstellungspolitik der Kliniken könne ein Motor für Veränderungen sein. Die Professoren Michael Simon und Patrick Jahn von den Universitäten Basel und Tübingen bestätigten die Bedeutung von Pflegenden für eine evidenzbasierte Pflegepraxis und die damit verbundenen Qualifizierungswege. Beide machten deutlich, welche Anstrengungen dazu an Hochschulen und in der Pflegeforschung notwendig seien.
Wie das Zusammenspiel von Pflegewissenschaft und management gelingen kann, zeigte Dr. Johanna Feuchtinger von der Universitätsklinik Freiburg. Hier habe man gute Erfahrungen mit geteilten Führungsstrukturen gemacht, in denen pflegefachliche und pflegepädagogische Leitungen die klassische Stations oder Abteilungsleitung ergänzen. Zusätzlich wurde ein breites Team von Pflegeexperten / APN (Advanced Practice Nurses) eingesetzt. „Auf einer Station haben wir bereits eine Akademisierungsquote von 60 Prozent“, so die Pflegewissenschaftlerin. Wichtig für diese Entwicklung sei der Einsatz und die Begleitung von Studierenden in der Pflege sowie eine breite Forschungsaktivität in der direkten Patientenversorgung.
Vernetzung von Praxis, Forschung, Management und Bildung
Die Referentinnen und Referenten der sieben Parallel Symposien ergänzten dieses Bild mit Diskussionen und Beiträgen zur inter und intraprofessionellen Zusammenarbeit, der erweiterten klinischen Kompetenz bis hin zur Frage, wie ein optimaler Start nach dem Studium in der Pflegepraxis gelingen kann. Schließlich wurden die Preisträgerinnen der 32 eingereichten wissenschaftlichen Poster verkündet. VPUVorstandsvorsitzender Torsten Rantzsch war beeindruckt von der Bandbreite der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit konkreten Praxisentwicklungsthemen. Sie verdeutlichten das Potenzial einer engen Vernetzung von Praxis, Forschung, Management und Bildung mit dem Ziel
einer guten Patienten und Angehörigenversorgung, so der Pflegedirektor der Universitätsklinikums Düsseldorf. Mehr Informationen über den VPU: www.vpuonline.de
Torsten Rantzsch, MBA, Vorstandsvorsitzender AltMoabit 96, 10559 Berlin, Deutschland info@vpuonline.de; www.vpuonline.de
In eigener Sache
Die Mitherausgeberin der Zeitschrift Pflege, AnnaBarbara Schlüer, Leiterin Klinische Pflegewissenschaft am UniversitätsKinderspital Zürich, wurde zur Präsidentin der International Society of Pediatric Woundcare (ISPeW) ernannt. Wir gratulieren herzlich!
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Das Praxisbuch überträgt Prinzipien und Interventionen der Mäeutik auf die Pfl ege und Begleitung von alternden Menschen mit geistiger Behinderung und kognitiven Beeinträchtigungen. Dabei tritt Cora van der Kooij der Fehlannahme entgegen, dass jedwede Verhaltensänderung von alternden Menschen mit geistiger Behinderung als demenzieller Prozess zu verstehen sei. Sie verortet diese Veränderungen erst einmal lebensgeschichtlich als Eintritt in eine andere Lebens- und Alterungsphase.
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