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Arzneimittelallergie – ein schwerwiegendes Problem im Praxisund Klinikalltag

Editorial Arzneimittelallergie – ein schwerwiegendes Problem im Praxis- und Klinikalltag

Barbara Ballmer-Weber

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Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Kantonsspital St. Gallen, St. Gallen

Die Arzneimittelunverträglichkeiten (Adverse Drug Reaction, ADR) sind unerwünschte Reaktionen auf Medikamente, die in einer Dosierung, wie sie üblicherweise für Therapien eingesetzt wird, zu einer krankmachenden Reaktion führen. Sie stellen im Praxis- und Klinikalltag ein schwerwiegendes Problem dar. ADRs sind für 3 – 6 % der Hospitalisationen verantwortlich und komplizieren den Hospitalisationsverlauf in 10 – 20 % der Patienten. Circa 20 % der ADRs lassen sich auf eine Medikamenten allergie / Intoleranz zurückführen.

Aus Angst vor allergischen Reaktionen oder Kreuzreaktionen werden Patienten für sie indizierte Therapien häufig nicht verabreicht. Andererseits werden Patienten mit für sie potentiell gefährlichen Substanzen reexponiert, da eine klare Dokumentation der allergischen Reaktion auf ein Medikament und der entsprechende Eintrag im Allergiepass fehlen. Eine sorgfältige allergo logische Abklärung mittels Anamnese, Hauttesten, in vitro Testen und teils oralen Provokationen ist deshalb indiziert und bringt häufig Klärung. Vorteilhaft ist es, die allergologische Abklärung innert vier Wochen bis sechs Monaten nach dem Ereignis zu veranlassen.

Über 10 % der Bevölkerung berichten, eine Allergie gegen Penicilline zu haben. Die Prävalenz einer echten Betalaktamallergie liegt jedoch deutlich tiefer. Lukas Jörg und Arthur Helbling stellen in diesem Themenheft die Manifestation und Abklärung bei Verdacht auf Betalaktamantibiotika vor [1], während Kathrin Scherer Hofmeier sich mit dem breiten Gebiet der Medikamentenallergie auf Nicht-Betalaktam-Antibiotika befasst [2]. In beiden Beiträge wird auch die wichtige Thematik von Kreuzallergien besprochen.

Makulopapulöse Exantheme beim Kind sind häufig. Klinisch kann das virale Exanthem jedoch nicht von einem makulopapulösen Arzneimittelexanthem abge grenzt werden. Viele Kinder werden fälschlicherweise als medikamentenallergisch bezeichnet, und wie von Caroline Roduit festgehalten, ist eine allergologische Aklärung einer möglichen kindlichen Arzneimittelreak tion gerade deshalb dringend empfohlen [3]. Nichtsteroidale Analgetika (NSAID) gehören weltweit zu den am häufigsten eingenommenen Medikamenten. Der welt weite Aspirinkonsum wird z. B. auf 50'000 Tonnen pro Jahr geschätzt. Intoleranzreaktionen auf NSAID sind häufig. Neben der Diagnoseklärung ist es, wie im Artikel von Barbara Ballmer-Weber erläutert, für den Betroffe nen essentiell im Rahmen der allergologischen Abklärung für ihn gut verträgliche Ausweichanalgetika zu identifizieren [4].

Nicole Müller, Theresa Fachruddin und Oliver Hausmann besprechen die Indikation, Vorteile aber auch Grenzen der in vitro Abklärung bei Medikamentenaller gie [5]. Eine Histaminintoleranz wird häufiger vermutet, als sie effektiv vorliegt. Patienten mit einer Histaminintoleranz und ihre behandelnden Ärzte befürchten Unverträglichkeitsreaktionen auf Medikamenten, die häufig nicht evidenzbasiert in verschiedenen Foren kolportiert werden. Im Beitrag «Medikamentenunverträglichkeit bei Histaminintoleranz: facts and fiction», stellen Peter Schmid-Grendelmeier und Benno Schnyder die heutige Datenlage zu diesem Thema vor [6].

Die häufigsten Arzneimittelreaktionen an der Haut sind urtikarielle oder makulopapulöse Exantheme. Selte ner kann es jedoch zu schwerwiegenden potentiell letalen Hautreaktionen kommen, auch SCAR genannt (severe cutaneous adverse drug reaction). Ieva Saulite, Wolfram Hötzenecker und Antonio Cozzio zeigen in ihrem Beitrag «Warnsymptome Haut» auf, wenn es gefährlich werden kann [7].

Literatur

1. Jörg L, Helbling A. Das Kreuz mit der Kreuzallergie: Betalaktamantibiotika-Allergie. Therapeutische Umschau 2019. 2. Scherer Hofmeier K. Allergie gegen Nicht-Betalaktam

Antibiotika: eine Herausforderung in der Praxis. Therapeutische

Umschau 2019. 3. Ballmer-Weber BK. Analgetikaunverträglichkeit: Intoleranz oder Allergie? Therapeutische Umschau 2019. 4. Roduit C. Die Medikamentenallergie beim Kind: häufiger vermutet als existent. Therapeutische Umschau 2019. 5. Müller N, Fachruddin T, Hausmann O. Laborabklärungen der

Medikamentenallergie: Grenzen und Möglichkeiten. Therapeutische Umschau 2019.

6. Schmid-Grendelmeier, Schnyder B. Medikamentenunverträglichkeit bei Histaminintoleranz und Mastozytose: facts and fictions. Therapeutische Umschau 2019. 7. Saulite I, Hötzenecker W, Cozzio A. Warnsymptom Haut: kutane Manifestation der Arzneimittelallergie. Therapeutische Umschau 2019.

Prof. Dr. med. Barbara Ballmer-Weber

Fachbereich Allergologie Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie Kantonsspital St. Gallen 9007 St. Gallen Barbara.Ballmer-Weber@kssg.ch

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