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Die Medikamentenallergie beim Kind: häufiger vermutet als existent
Übersichtsarbeit Die Medikamentenallergie beim Kind: häufiger vermutet als existent
Caroline Roduit 1 , Christine Kühne 2
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1 Children's Hospital of Eastern Switzerland, St Gallen 2 Center for Allergy Research and Education (CK-CARE), Davos
Zusammenfassung: Unerwünschte Arzneimittelreaktionen sind häufig im Kindesalter. Jedoch ist nur ein kleiner Anteil dieser Reaktionen auf Medikamentenallergien zurückzuführen. Etwa 10 % aller Eltern berichten, dass bei ihren Kindern der Verdacht auf eine Medikamentenallergie vorliegt. Obwohl keine verlässlichen epidemiologischen Daten vorliegen, legen Studien nahe, dass nur 10 % dieser Kinder eine echte Medikamentenallergie haben. Die häufigste Medikamentenallergie bei Kindern ist die Allergie auf Antibiotika, insbesondere Betalaktam-Antibiotika. Bei Kindern besteht eine der grössten Schwierigkeiten der Diagnose der Medikamentenallergie darin, bei einem makulopapulösem Exanthem zwischen einer Medikamentenallergie und einem virusinduzierten Exanthem zu unterscheiden, insbesondere bei Reaktionen nach Antibiotika. Daher wird eine hohe Anzahl der Kinder fälschlicherweise als «medikamentenallergisch» bezeichnet. Im Falle eines Verdachtes auf eine Medikamentenallergie, wird daher eine komplette allergologische Diagnostik empfohlen.
Drug allergy in children: more often suspected than real
Abstract: Adverse drug reactions are frequent in the pediatric population. However, only a small proportion of all adverse reactions are drug allergic reactions. About 10 % of the parents report a suspected drug allergy in their children. Even though, no accurate epidemiological data are available, studies suggested that as few as 10 % of those reported an allergy really are. The most common drug allergy among children is a drug hypersensitivity to antibiotics, especially to betalactam antibiotics.In children, one of the major difficulty in the diagnosis of drug allergies, and especially to antibiotics, is the differentiation of maculopapular eruption as an allergic reaction from a viral exanthema, which is very common among children. Therefore, a high number of children are inappropriately labeled as “drug allergic”. In case of suspicion of an allergy, it is recommended to perform a complete allergy workup.
Obwohl sie seltener vorkommen als im Erwachsenenalter, stellen unerwünschte Arzneimittelreaktionen im Kindesal ter ein wichtiges medizinisches Problem und eine Herausforderung für das Gesundheitswesen dar. Es konnte gezeigt werden, dass insgesamt 2.9 % aller pädiatrischen Klinikbesuche auf eine unerwünschte Arzneimittelreaktion zu rück geführt werden können [1 – 3].
Der Begriff Medikamentenallergie wird dann verwendet, wenn immunologische Mechanismen involviert sind. Die klinischen Manifestationen sind verschieden, sie reichen von makulopapulösen Exanthemen oder Urtikaria bis hin zu lebensbedrohlichen Reaktionen, wie Anaphylaxie und schweren Hautreaktionen (z. B. Stevens-Johnson Syndrom). In Studien bei Kindern konnte beobachtet werden, dass Arzneimittelreaktionen vor allem die Haut betreffen.
Genaue epidemiologische Daten über Medikamentenallergien, insbesondere bei Kindern, fehlen. Der Verdacht auf eine Allergie bei Kindern gegen zumindest ein Arzneimittel wird von etwa 10 % aller Eltern geäussert, wobei Betalaktam-Antibiotika am häufigsten als Ursache vermutet werden. Jedoch können nur wenige davon nach einer allergologischen Diagnostik bestätigt werden [4].
Die Inzidenz der Medikamentenallergie wird bei Kindern niedriger eingeschätzt als bei Erwachsenen. Ausserdem unterscheiden sich die Auslöser bei Kindern und Erwachsenen. Bei Kindern sind Betalaktam-Antibiotika die am häufigsten betroffene Gruppe, gefolgt von NSAID und Nicht-Betalaktam-Antibiotika [4, 5].
Eine hohe Anzahl an Kindern werden fälschlicherweise als «medikamentenallergisch» bezeichnet. Es konnte gezeigt werden, dass eine Überdiagnose an Penicillinallergien zu einer kostenintensiven und inadäquaten Therapie führt [6].
Daher ist bei Verdacht auf Medikamentenallergie eine komplette allergologische Abklärung empfohlen.
Antibiotika
Die häufigste Medikamentenallergie bei Kindern ist die unerwünschte Arzneimittelreaktion auf Antibiotika, insbesondere Betalaktam-Antibiotika [7]. Jedoch stellen Infektionen, welche im Kindesalter häufig vorkommen, die wichtigste Differentialdiagnose dar.
Es ist anzunehmen, dass die meisten Hautausschläge, welche während der Antibiotika-Therapie auftreten, auf die Infektion selber zurück zu führen sind. Medikamentenallergien konnten in weniger als 10 % aller Fälle bestätigt werden. Eine Studie aus Genf hat 88 Kinder untersucht, welche mit Betalaktam-Antibiotika behandelt wurden und ein verzögertes Auftreten einer Urtikaria oder eines makulopapulösen Exanthems zeigten. Nur 6.8 % dieser Kinder zeigten einen positiven Provokationstest mit Betalaktamen [8].
Infektionen stellen auch einen Risikofaktor dar für die Entwicklung einer allergischen Reaktion auf BetalaktamAntibiotika. Bei Kindern kann durch Aminopenicilline bei gleichzeitigem Vorliegen einer Epstein-Barr-Virus Infektion ein Exanthem hervorgerufen werden [9].
Auch die Reaktivierung von humanem Herpesvirus 6 (HHV-6) wurde bei einem pädiatrischen Fall als Kofaktor vermutet bei einer Spättypreaktion mit Eosinophilie und systemischen Symptomen (DRESS [10]).
Serumkrankheit-ähnliche Reaktionen (Serum sicknesslike disease) wurden in bis zu 0.06 % der Kinder beobachtet, welche Cefaclor erhielten. Die Reaktion zeichnet sich aus durch Ausschlag, Fieber, Arthralgien und Arthritis. Auf Grund der selteneren Anwendung von Cefaclor wird diese Reaktion nur noch selten beobachtet.
Makrolide und Sulfonamide sind häufig involviert, jedoch selten als Medikamentenallergie bestätigt. Die Prävalenz der Makrolidallergie liegt bei 0.07 bis 0.7 %.
Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR)
Die am häufigsten verwendeten Medikamente im Kindesalter sind Ibuprofen und Paracetamol.
Eine Medikamentenallergie gegen NSAR ist seltener bei Kindern als bei Erwachsenen, aber diese werden am zweithäufigsten als Auslöser für Medikamentenallergien vermutet. Hautsymptome sind die typische Manifestation im Kindesalter. NSAR sind eine der häufigsten Auslöser für schwere Hautreaktionen im Kindesalter wie StevenJohnson-Syndrom [11].
Eine Übersichtsarbeit über Allergie auf Paracetamol zeigte, dass bei Kindern mit einer vermuteten Paracetamol-Allergie die Prävalenz von allergischen Reaktionen auf Paracetamol (orale Provokationstest wurden durchgeführt) 10.1 % war [12].
Perioperative Medikamente
Insgesamt sind Muskelrelaxantien die zweithäufigsten Auslöser einer perioperativen Anaphylaxie nach Latex.
Im Gegensatz zu Erwachsenen werden Muskelrelaxantien bei Kindern seltener inkriminiert. Die Inzidenz von perioperativen Anaphyalxien im Kindesalter liegt bei einem Fall in über 7000 Anästhesien [13].
Diagnostisches Vorgehen bei eine Arzneimittelallergie bei Kindern
Generell können für Kinder und Erwachsene die gleichen Algorithmen verwendet werden.
Anamnese
Eine komplette und präzise Anamnese ist sehr wichtig und immer der erste Teil der diagnostischen Abklärung. Der zeitliche Abstand zwischen der Verabreichung der Medikamente und des Auftretens der Reaktion ist wichtig, ebenso wie die Art der Reaktion.
Hauttest
Hauttestungen beinhalten den Haut-Prick-Test, den intradermalen Test und den Patch-Test. Hauttestungen für Medikamentenallergien sind im Erwachsenenalter gröss tenteils standardisiert. Daher sollten die Empfehlungen und Kontraindikationen der Hauttestungen für Erwachsenen auch bei Kindern angewendet werden. Aber es ist unmöglich zu sagen, ob die aktuell empfohlenen Konzentrationen für die Hauttestungen auch für Kinder optimal sind.
Die meisten Studien, welche Hauttestungen bei Kindern evaluieren, beziehen sich auf Antibiotika. Während die Aussagekraft dieser Testungen relativ hoch ist in Bezug auf Soforttypreaktionen, haben mehrere aktuelle Studien ge zeigt, dass sie eine niedrige Sensitivität in Bezug auf Spättypreaktionen haben.
In vitro-Testungen
Da es keine Daten bei Kindern gibt, sind die gleichen Regeln für in vitro-Testungen bei Kindern und Erwachsenen anzuwenden.
Der Basophilen-Aktivierungstest kann bei der Diagnose von Soforttypreaktionen angewendet werden, falls das die Bestimmung des spezifischen IgE für gegen das verdächtigte Medikament negativ oder nicht erhältlich ist.
Für die Diagnose von Spättypreaktionen kann der Lymphozyten-Transformations-Test angewendet werden.
Provokationstest
Der Provokationstest mit Medikamenten ist der Goldstandard der Diagnose der Medikamentenallergie. Auch ein
follow-up Provokationstest bei Patienten mit bekannter Medikamentenallergie kann sinnvoll sein. Eine Studie hat kürzlich gezeigt, dass sich bei den meisten Kindern mit Betalaktam-Allergie nach drei Jahren eine Toleranz entwickelt hat [14].
Ein Provokationstest mit Medikamenten sollte nie bei Patienten durchgeführt werden, bei denen schwere oder lebensbedrohliche Reaktionen aufgetreten sind.
Schlussfolgerung
Da eine hohe Anzahl der Kinder fälschlicherweise als «medikamentenallergisch» bezeichnet wird, ist bei Verdacht auf eine Medikamentenallergie eine allergologische Diagnostik empfohlen.
Literatur
1. Smyth RM, Gargon E, Kirkham J, Cresswell L, Golder S, Smyth
R, et al. Adverse drug reactions in children – a systematic review. PLoS One. 2012; 7: e24061. 2. Impicciatore P, Choonara I, Clarkson A, Provasi D, Pandolfini C,
Bonati M. Incidence of adverse drug reactions in paediatric in /out-patients: a systematic review and meta-analysis of prospective studies. Br J Clin Pharmacol. 2001; 52: 77 –83. 3. Le J, Nguyen T, Law AV, Hodding J. Adverse drug reactions among children over a 10-year period. Pediatrics. 2006; 118: 555 –62. 4. Rebelo Gomes E, Fonseca J, Araujo L, Demoly P. Drug allergy claims in children: from self-reporting to confirmed diagnosis.
Clin Exp Allergy. 2008; 38: 191 –8. 5. Lange L, Koningsbruggen SV, Rietschel E. Questionnairebased survey of lifetime-prevalence and character of allergic drug reactions in German children. Pediatr Allergy Immunol. 2008; 19: 634–8. 6. Rubin R. Overdiagnosis of Penicillin Allergy Leads to Costly,
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J Investig Allergol Clin Immunol. 2009;19 Suppl 2: 45 –50. 8. Caubet JC, Kaiser L, Lemaitre B, Fellay B, Gervaix A, Eigenmann PA. The role of penicillin in benign skin rashes in childhood: a prospective study based on drug rechallenge. J Allergy
Clin Immunol. 2011; 127: 218 –22. 9. Chovel-Sella A, Ben Tov A, Lahav E, Mor O, Rudich H, Paret G, et al. Incidence of rash after amoxicillin treatment in children with infectious mononucleosis. Pediatrics. 2013; 131: e1424–7. 10. Hubiche T, Milpied B, Cazeau C, Taieb A, Leaute-Labreze C.
Association of immunologically confirmed delayed drug reaction and human herpesvirus 6 viremia in a pediatric case of drug-induced hypersensitivity syndrome. Dermatology. 2011; 222: 140 –1. 11. Ferrandiz-Pulido C, Garcia-Patos V. A review of causes of
Stevens-Johnson syndrome and toxic epidermal necrolysis in children. Arch Dis Child. 2013; 98: 998 –1003. 12. Gabrielli S, Langlois A, Ben-Shoshan M. Prevalence of Hypersensitivity Reactions in Children Associated with Acetaminophen: A Systematic Review and Meta-Analysis. Int Arch
Allergy Immunol. 2018; 176: 106 –14. 13. Dewachter P, Mouton-Faivre C. [Allergic risk during paediatric anaesthesia]. Ann Fr Anesth Reanim. 2010; 29(3): 215 –26. 14. Tonson la Tour A, Michelet M, Eigenmann PA, Caubet JC. Natural History of Benign Nonimmediate Allergy to Beta-Lactams in Children: A Prospective Study in Retreated Patients After a
Positive and a Negative Provocation Test. J Allergy Clin Immunol Pract. 2018; 6: 1321 –6.
Dr. med. Caroline Roduit
Fachärztin für Allergologie und klinische Immunologie Ostschweizer Kinderspital Claudiusstrasse 6 9006 St. Gallen caroline.roduit@kispi.uzh.ch
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ADHS-Diagnostik bei Kindern und Jugendlichen
Das ADHS-Diagnostikum für Kinder und Jugendliche (ADHS-KJ) ist ein multimodales und multimethodales Verfahren zur Erhebung und Prüfung der relevanten Diagnosekriterien einer ADHS.
Das ADHS-KJ ist mehrdimensional aufgebaut. Es ermöglicht, leitliniengetreu (gemäß der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften; AWMF) die relevanten Kriterien einer ADHSDiagnose nach ICD-10 und DSM-5 zu erheben und dahingehend zu prüfen, ob der Verdacht einer ADHS zu bestätigen ist. Es setzt sich aus einem neuropsychologischen Einzeltest zur Testung verschiedener Exekutivfunktionen, einem Verhaltensbeobachtungsbogen zur hyperaktiven Symptomatik sowie aus Checklisten für die Eltern und Lehrkräfte (nach ICD-10 und DSM-5) zusammen.
Besonderheiten:
• Neuropsychologische Testbatterie zur objektiven Erfassung der
ADHS-relevanten Exekutivfunktionen • Zeitökonomisches Verfahren zur ADHS-Diagnostik • Einfache Handauswertung • Die ADHS-KJ Testergebnisse geben neben der Diagnose auch
Hinweise auf Therapieziele • Fallbeispiele verdeutlichen die Handhabung, Auswertung und Interpretation • Ein Profi lbogen zeigt alle Ergebnisse auf einen Blick