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Im Fokus – MINT-Bildung in Kita und Schule Dagmar Winterhalter
from Frühe Bildung
by Hogrefe
Rezension
Im Fokus – MINT-Bildung in Kita und Schule
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Dagmar Winterhalter
Miriam Leuchter (2017) Kinder erkunden die Welt. Frühe naturwissenschaftliche Bildung und Förderung Stuttgart: Kohlhammer, 135 Seiten, € 29,00 ISBN 978-3-17-023434-5
Die Lehrbuchreihe „Entwicklung und Bildung in der Frühen Kindheit“ soll Studierenden und Fachkräften in Kindertageseinrichtungen und Schulen Grundlagenwissen vermitteln, wie Bildungsarbeit gestaltet werden kann. Der Band „Kinder erkunden die Welt – Frühe naturwissen schaftliche Bildung und Förderung“ fokussiert dabei die naturwissenschaftliche Bildung in Kindertageseinrichtun gen. Die Autorin fasst den aktuellen Forschungsstand mit fundierter Fachkompetenz und mit Blick auf relevante Stu dien zusammen. Eine klare Gliederung und wissenschaftlich relevante Erläuterungen zu diesem komplexen Bildungsbereich werden durch praktische Beispiele mit konkret umsetzbaren Handlungsideen untermauert. Ein Grund für eine kritische Beurteilung gängiger naturwissen schaftlicher Bildung in der Praxis ist, so Leuchter, dass aufgrund u. a. der TIMMS und Pisa Studie, bei der Deutschland nur im Mittelfeld lag, nun gefordert wurde, verstärkt naturwissenschaftliche Experimente im Kindergarten an zuleiten, ohne ein didaktisches Konzept zu transferieren. Ausgehend von diesem Problemaufriss, was naturwissen schaftliche Bildung bedeutet, und einer fundierten Darstellung von Forschungsfragen und Methodologie, wird dieser Bildungsbereich vielperspektivisch beleuchtet. Die aufgeworfenen Untersuchungsbereiche werden in einer sehr stringenten Argumentation bearbeitet. Der Vielzahl an Veröffentlichungen, die meist nur Experimente für den Elementarbereich beschreiben, stellt die Autorin Miriam Leuchter ein entwicklungspsychologisches und naturwis senschaftsdidaktisches Konzept entgegen.
Das erste Kapitel befasst sich mit der Analyse, was Kenn zeichen naturwissenschaftlicher Forschung sind, denn „allein die Fragen und das Explorieren der Kinder sind noch keine naturwissenschaftlichen Tätigkeiten, sondern erst naturwissenschaftliche Denk- und Arbeitsweisen können als naturwissenschaftliche Grundbildung gewertet wer den“, so die Autorin. Eine entwicklungspsychologische Perspektive sowie das Verständnis von kognitiven, emotio nalen und motivationalen Voraussetzungen bilden das Grundkonzept altersangemessener Frühbildung. Ziel die ser Bildung ist es, vorläufige Erklärungen zu finden, die verifiziert und wiederholt werden können. Aufgrund dieser Erkenntnisse können Begriffsbildungen und Kategorisie rungen vorgenommen werden. Ein Erkenntniszirkel verdeutlicht eine didaktische Erarbeitung in der Praxis und definiert, veranschaulicht und erörtert naturwissenschaft liche Denk- und Arbeitsweisen.
Das Kapitel „Fachliche und bildungspolitische Richtlinien und Ziele“ beschreibt das Konzept von Scientific Literacy, zeigt bildungspolitische Richtlinien auf und die daraus resultierende Rolle der Fachkräfte in diesem Bildungsbereich. Erwähnenswert wird die Korrelation von gesellschaftlichem Wandel in Bezug auf das Bild vom Kind und den daraus resultierenden pädagogischen Themenschwerpunkten in der Kita aufgezeigt und kurz historisch beleuchtet.
Im folgenden Kapitel wird auf die Entwicklung von Kompetenzen und Basiswissen der Kinder im Alter von null bis sechs Jahren eingegangen. Hier wird implizites und explizites Wissen anhand relevanter Forschungen erklärt. Studien aus der Säuglingsforschung und Befunde aus Studien der frühen Kindheit diskutieren u. a. die Ergebnisse zur Bildung von Kategorien zum Erkennen kausaler Zusammenhänge, zu schlussfolgerndem Denken und das Wissen über das eigene Denken und dem Denken der anderen, zu Strategien der Problemlösung, der Kontrolle von Variablen sowie der Koordination von Theorien und Evidenz. Dies wird exemplarisch am Themenfeld Physik dargestellt. Wie die Autorin selbst resümiert, kann dadurch noch keine didaktische Schlussfolgerung gezogen werden, wie Wissen den Kindern vermittelt werden kann.
Grundlegend ist jeweils auch, mit welchem Vorwissen die Kinder an die Aufgaben herangehen.
Weiterführend wird das Verständnis von Wissen als Konzept und Lernen als konzeptueller Wandel beschrie ben. Die Entstehung und Stabilität kindlicher Konzepte werden mit Beispielen anschaulich aufgezeigt. Auch die Grenzen der Konzeptforschung bei Kindern im Kinder gartenalter sind thematisiert, da Kinder nur bedingt ihre Konzepte verbalisieren oder begründen können. Ausge hend von der Zielsetzung naturwissenschaftlicher Frühbildung, dass Kinder in ihrer späteren Lebensbiografie vernetztes und flexibles Wissen über die Welt haben, In teresse an Naturphänomen sowie das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten erlangen konnten, erfordert dies von den Pädagog_innen eine ko-konstruktive pädagogische Arbeitsweise. Am Beispiel der Entwicklungszonen im Sin ne Vygotsky wird der Aufbau von sozial gesteuerten Prozessen definiert.
Im letzten Drittel des Lehrbuches werden praktische Anregungen zu naturwissenschaftlichen Konzepten bei Vorschulkindern und Grundschulkindern beschrieben. Auch diese Kapitel weisen eine didaktisch fundierte und struktu rierte Anregungspalette auf. Als große Herausforderung für die Fachkräfte wird das materiale und verbale Scaffolding erachtet, da es einerseits ein fundiertes Wissen über natur wissenschaftliche Inhalte und andererseits deren Umsetzung in eine heterogene Kindergruppe mit unterschiedlichem Entwicklungs-Wissenstand der Kinder erfordert.
Resümee
Neben theoretischen Abhandlungen und Verweisen auf aktuelle Studien werden zu jedem Unterkapitel kleine Beispiele zur Umsetzung in der Praxis verdeutlichend beschrieben. In farblich abgehoben Kästen werden zudem Ergebnisse einzelner Studien aufgezeigt und auf aktuelle Literatur verwiesen. Auch werden Grenzen und Einschränkungen aus entwicklungspsychologischer Sicht bezüglich Lernen und Wissenserwerb bei Kindergartenkindern erörtert. Als Fazit bleibt zu sagen, dass dieses Lehrbuch zur naturwissenschaftlichen Bildung vor dem Hintergrund einer Professionalisierung von Erzieher_innen und der qualitativen Ausgestaltung von Kindertageseinrichtungen einen wichtigen Beitrag leistet.
Rezensentin: Dagmar Winterhalter, Staatsinstitut für Frühpädagogik (IFP), Winzererstr. 9, 80797 München, Dagmar.WinterhalterSalvatore@ifp.bayern.de
https://doi.org/10.1026/2191-9186/a000417
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