Claudia Spielmann
Warum ich male?
Zunächst, weil Malen aufregend ist. Ich mag das Papier, ich mag seine Einladung, diskret und vielversprechend zugleich. Und ich mag den metallischen Geruch der Tinte, ihre Farbe, vor allem aber die Endgültigkeit, die damit verbunden ist. Sobald die Tinte ins Papier dringt, ist nichts mehr veränderbar. Nichts kann radiert, nichts kann weggetupft werden. Der unkorrigierbare Umgang mit Tinte und Papier verlangt Konzentration und Entschiedenheit, er fordert Strenge: Das Material hat seinen eigenen Willen, und ich muß bereit sein für das Bild.
Ich male, weil ich mich, seit ich denken kann, für Linien und Formen, Räume, für Licht und Schatten interessiere. Ich trage Bilder mit mir herum, die auf mich wie ein Befehl wirken. Wie ein Langzeitbefehl. Oder wenigstens wie eine dringliche Bitte: male uns, wenn Du irgend kannst. Diese Bilder bestehen aus Erlebnissen, aus Erfahrungen. Es sind verdichtete Momente, Augenblicke aus meinem Alltag, oft visuelle Mitbringsel von Reisen.
Zum Beispiel der Anblick einer Brücke in Santa Monica in der Mittagshitze. Ein Gerüst aus Stahl und Beton, gespannt über der Bucht, über ein Stück des Pazifiks. Die rhythmische Architektur ihrer versetzten Brückenpfeiler, die seltsam schattige Intimität unter der Brücke. Dazu das hohle Rumpeln der Autos. So ein Bild nehme ich mit. Zum Beispiel. Oder Japan, Tokoname, ein kleiner verfallener Industrieort am Meer. Wo man die Holzhäuser und die stillgelegten Industrieanlagen durch einen Teeranstrich gegen das unablässige Salz zu schützen versucht hatte. Das schwere Schwarz der Fassaden, dazu das gleißende Sonnenlicht. Die Schatten auf dem harten Straßenpflaster, auf dem Sand. Das alles im eisigen Dezemberwind. Eine Stimmung der Verlassenheit, die nach Gemaltwerden geradezu verlangt. Luft und Salz und Sonne hatten in dem Holz und dem Teer Formen und verwitterte Farben hervorgerufen, die so vollendet und inspirierend waren, daß ich mich nicht sattsehen konnte. Es hatte sicher Jahre gebraucht, diese anonymen Bilder entstehen zu lassen: als hätte die Zeit sich selber gemalt.
Am Nachmittag desselben Tages kratze ich den Rest meines Monatsgeldes zusammen und kaufte soviel handgeschöpftes Papier und schwarze Schultinte, wie ich konnte. Ich bezog eine Fabrikhalle und fing an. Das war der Auslöser. Ich begann in Japan mit einer Serie von Monotypien. In Kalifornien und Deutschland habe ich weiter an diesen Themen gearbeitet. Viele Skizzen und Arbeiten sind so entstanden. Allesamt sind sie Versuche den gesehenen, den geliehenen – den Bildern in mir – nahe zu kommen. Manchmal gelingt es, aus einem Glücksmoment, aus einem schnellen und sicheren Gefühl heraus. Und dann bin ich zufrieden. Bleibe aber mißtrauisch. Und lege das Blatt beiseite. Vergleiche es später mit anderen Blättern, vor allem aber mit meiner kleinen Galerie der inneren Bilder. Wenn es dort aufgenommen wird, wenn es nach drei Tagen oder Wochen immer noch stimmt, immer noch interessant ist, wenn ich keine flachen Stellen entdecke, wenn die Komposition lebt und atmet, – dann ist es gut.
Claudia Spielmann, Mai 1998
›Super 8‹, 2018
63 × 93 cm
Collage, Maispapier und Tusche
3.600 Euro
Titel:
›Schlafwandlerin‹, 1999
28 × 28 cm
Tusche auf handgeschöpftem Papier
1.200 Euro
›Stage I‹, 1994
64 × 93 cm
Tusche auf handgeschöpftem Papier
3.600 Euro
Inspirationroom II, 2023
62 × 84 cm
Tusche auf handgeschöpftem Papier
3.300 Euro
›Inspirationroom I‹, 2023
64 × 93 cm
Tusche auf handgeschöpftem Papier
3.600 Euro
›Silent Room‹, 2023
69 × 80 cm
Tusche, Acryl auf handgeschöpftem Papier
3.300 Euro
›BREATH I‹, 2018
38 × 27 cm
Tusche auf handgeschöpftem Papier
1.400 Euro
›BREATH II‹, 2018
38 × 27 cm
Tusche auf handgeschöpftem Papier
1.400 Euro
›BREATH III‹, 2018
38 × 27 cm
Tusche auf handgeschöpftem Papier
1.400 Euro
›BREATH IV‹, 2018
38 × 27 cm
Tusche auf handgeschöpftem Papier
1.400 Euro
›BREATH V‹, 2018
38 × 27 cm
Tusche auf handgeschöpftem Papier
1.400 Euro
›Tokoname Story II‹, 1994
69 × 94 cm
Tusche auf handgeschöpftem Papier
3.600 Euro
Claudia Spielmann
1962 geboren in Hamburg
1984–89 Studium Malerei und Kostümdesign an der Fachhochschule für Mode und Gestaltung Hamburg
1989–96 Kostüme und Ausstattung für verschiedene Bühnen: Thalia-Theater Hamburg, Schauspielhaus in Hamburg, Düsseldorf, München, Zürich und Basel, Burgtheater Wien
1994 Künstlerstipendium der Japanischen Regierung, Aufenthalt in Japan, Ausstellungen in der Unac Gallery, Tokyo und in der Za. Moca Foundation Tokyo
1999 Studienaufenthalt in Madras, Indien
Teilnahme an zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen und Messen (Art Frankfurt, Art Miami, Kunstmesse München, Art Karlsruhe, Fine Art Köln, Kunstmesse Köln, Art Basel).
Ihre Arbeiten sind in diversen Sammlungen zu sehen (Albis Plastic GmbH, Hamburg, Konzertsaal Baseler Höfe, Hamburg, Sparkassenstiftung Schleswig-Holstein, Kunstsammlung des NDR, Sammlung Hit-Technopark).
Claudia Spielmann wird vertreten durch die Galerie Holthoff, Hamburg und die Unac Gallery, Tokio. Sie lebt und arbeitet in Aumühle bei Hamburg.
›STADT LAND FLUSS‹, 2018 180 × 115 cm Collage, Papier und Tusche auf handgeschöpftem Papier 12.000 EuroGALERIE HOLTHOFF
Fischers Allee 70
22763 Hamburg
www.galerie-holthoff.de mail@galerie-holthoff.de
Tel. +49 (0)40 881 897 16
Mobil +49 (0)170 450 47 94
Der Katalog erscheint anlässlich der paper positions berlin
27. – 30. April 2023
Die Preise haben eine Gültigkeit bis zum 31. Mai 2023.
Deutsche Telekom Hauptstadtrepräsentanz
Französische Strasse 33 a – c
10117 Berlin
Stand 13
Text: Claudia Spielmann
Abbildungen: Claudia Spielmann
Druck: RESET ST. PAULI Druckerei GmbH, Hamburg
Hamburg/Berlin im April 2023