KomfortZone01 Das Magazin für Ergonomie in der Fahrzeugindustrie | Jetzt spricht die Branche — Ergonomie bei Airbus, BMW, BOMAG und Daimler | Innovation inklusive — RAMSIS-Lenkungskreis und Grundlagenforschung | Neu, neu, neu — das bringt RAMSIS NextGen | Simulation im Rückspiegel — die Anfänge der digitalen Ergonomie | Trendanalyse — gute Aussichten bei schlechter Sicht
Editorial 2
KomfortZone
01
„Es ist Zeit für Ergonomie.“
Gute Ergonomie ist gleichbedeutend mit Komfort und Sicherheit. Viel Wissen, aber auch leistungsfähige Technologien sind notwendig, um diesen Anspruch in der Praxis zu erfüllen. In unserem Magazin KomfortZone geht es uns genau darum: marktfähige Ergonomie, ihre Werkzeuge und ihr Nutzen für die Fahrzeugindustrie und ihre Kunden. Die Anforderungen der Industrie sind eindeutig: Immer schneller wird eine immer größere Anzahl an Varianten produziert. Ohne virtuelle Produktentwicklung wäre das nicht möglich. Und längst schon hat diese Virtualisierung Früchte getragen. Fehlt nur noch der Mensch. Egal ob im Pkw, Nutzfahrzeug oder Flugzeug, der Bedarf, den Menschen durchgängig in die CAD-getriebene Produktentwicklung zu integrieren, ist allgegenwärtig. Es ist die Zeit der (digitalen) Ergonomie und sie macht enorme Fortschritte: Die menschliche Physis lässt sich immer besser in der Simulation darstellen und das hat einen interessanten Effekt: Ab einer gewissen Reife erzeugt die Simulation oftmals effektiver Wissen, als es durch Versuche mit realen Probanden möglich wäre. Auf einmal ist die virtuelle Welt der Realität überlegen. Heute ist das zum Beispiel bei der Gurtsimulation der Fall. Andere Bereiche wie die Simulation von Einund Ausstieg oder die kognitive Ergonomie werden über
kurz oder lang folgen. Irgendwann können wir die gesamte Ergonomie im Fahrzeug digital überprüfen. Neue Software, neue Studien und neue Anwendungsmöglichkeiten ebnen uns den Weg dafür. Die erste Ausgabe von KomfortZone zeichnet ein Bild des Status quo der Ergonomie in der Praxis — mit Berichten zu Innovation und Forschung genauso wie mit BestPractice-Beispielen und Interviews aus der Industrie. Als führendes Ergonomiewerkzeug spielt RAMSIS dabei (natürlich) eine wichtige Rolle. Ein Magazin mit diesem Anspruch entsteht nicht im Alleingang. Viele Gespräche gingen den hier abgedruckten Beiträgen voraus. Im Namen unseres Redaktionsteams bedanke ich mich herzlich bei allen, die uns mit Rat und Tat dabei zur Seite standen. Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen.
Ihr Dr. Andreas Seidl Geschäftsführender Gesellschafter Human Solutions, Assyst und AVM
Inhalt 4
KomfortZone
Mensch
6
Deutschland — deine Autofahrer. Wissenswertes rund um Autos, Fahrer und Komfort.
Die Erfindung des digitalen Menschen. Er kennt RAMSIS wie kein Zweiter. Prof. Heiner Bubb über vier Jahrzehnte digitale Ergonomie. 8 Vom Manikin zum Menschen. Jetzt wird es individuell. Mit iSize Automotive lassen sich Probandenteams völlig realistisch simulieren.
Praxis
16 Innovation
24
6
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Lebenswelt Auto. Ergonomie schreibt man bei BMW groß. Chefergonom Peer-Oliver Wagner zeigt, was Komfort und Sicherheit der Premiummarke ausmachen. 16 Wie baut man ein Auto in sieben Monaten? Bei der Formula Student gewinnt das marktfähigste Auto. Die FH Esslingen ist mit dabei … und RAMSIS.
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Der neue RAMSIS. Die Testphase hat begonnen. Alles über die nächste RAMSIS-Generation mit den Favoritenfeatures des Entwicklerteams und Feedback aus der Branche. 24 RAMSIS-Forschung. Statusreport. Bewegung und Menschsimulation sind die zentralen Themen der Grundlagenforschung bei Human Solutions.
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Die Herren der Ergonomie. Innovation und Branchennähe — RAMSIS hat der Konkurrenz einen Lenkungskreis voraus. Bernd Brückner von Daimler spricht über die wichtigste RAMSIS-Institution. 32
RAMSIS im Überblick RAMSIS Automotive Seite 44
RAMSIS Industrial Vehicles Seite 50
Fokus
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Nachwuchs-Innovation. Der RAMSIS Excellence Award verbindet Wissenschaft und Industrie.
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RAMSIS in der neuen Welt. Die 3. RAMSIS Update Conference inspiriert Profis in Amerika.
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Gute Aussichten für alle Kunden. Seit 2011 treten Human Solutions und ihre Töchter als Gruppe auf und nutzen dabei viele Synergieeffekte, zum Beispiel in der Entwicklung. 38
Technologie
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Neues aus der digitalen Liga. Die wahren Helden der Ergonomie bleiben oft unerwähnt. Ein Bericht aus dem Arbeitsalltag eines RAMSIS-Anwenders.
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Wie macht man schwere Arbeit leichter? Am besten wie Weltmarktführer BOMAG.
46
Wie bringt man Virtual Reality zum Fliegen? Airbus setzt auf VR — mit Ergonomiebonus. 52
Trendanalyse
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Zu guter Letzt
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Flug ERGO 78737 — entspannt in den Wolken. Ein reibungsloser Flug mit RAMSIS Aircraft.
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Wenn RAMSIS schlecht sieht … Eigentlich verbessern Brillen das Sehvermögen. Doch sie können die Sicht im Fahrzeug auch beeinträchtigen.
60
Durchblick versus Vignette. Plaketten und Geräte an der Windschutzscheibe kosten Sicht. Wie stark sind die Einschränkungen wirklich?
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Mensch 6
Deutschland — deine Autofahrer
KomfortZone
Wir fahren (fast) elf Autos in unserem Leben. Mindestens sieben davon sind schwarz, grau oder silberfarben und eines ist weiß. Alle 8,5 Jahre wechseln wir das Auto. Am liebsten hätten wir einen Audi Q3 oder einen 5er BMW. Aber dann wird es doch ein Golf. (Zumindest 2011/12)
Von allen Europäern sind wir am längsten unterwegs. Und wenn wir fahren, dann mit dem Auto. (Nur bei jeder vierten Reise wechseln wir auf Bus, Bahn, Schiff oder Flugzeug.)
In unserem Leben fahren wir zwei Jahre Auto und stehen sechs Monate im Stau. Am weitesten für Freizeitaktivitäten, dann zur Arbeit und an dritter Stelle zum Einkaufen. Das kann aufs Kreuz gehen, aber was zählt, ist der Spaß. (Wenn man der entsprechenden Google-Hit-Rate glaubt und der Flensburger Tabelle: Geschwindigkeitsübertretungen sind die häufigste Ordnungswidrigkeit.)
Autofahren wollen wir so früh wie möglich. Meistens schon bevor wir 24 Jahre alt sind. Wir lieben die Führerscheinprüfung und jeder Vierte von uns macht die Prüfung zweimal oder öfter. Ach und übrigens danke — wir sind zufrieden. Denn es gibt immer weniger, was uns im Auto stört. Außer bei der Kommunikationstechnologie, da geht noch was.
Quellen: www.carpassion.com; www.diePresse.com; Kraftfahrtbundesamt; Wirtschaftswoche; www.hna.de; ADAC.de; T-Online.de; Google; EU-Mobilitätsstudie; J.D. Power, Initial Quality Study 2012
Mensch
Die Erfindung des digitalen Menschen RAMSIS ist ein Kind der 80er-Jahre. Auch wenn die Software erst in den Neunzigern industriell eingesetzt werden konnte, ihre grundlegenden Parameter wurden bereits ein Jahrzehnt fr端her erforscht und sind heute aktueller denn je. Gemeinsam mit Professor Heiner Bubb machen wir uns auf die Suche nach den Urspr端ngen der ersten digitalen Menschmodelle und unterhalten uns 端ber den Fortschritt in der Ergonomie.
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KomfortZone: Sie sind einer der Väter von RAMSIS, aber ursprünglich wollten Sie Physiker werden. Wie kamen Sie zur Ergonomie? Bubb: Die 70er waren eine visionäre Zeit. Die ersten Computer waren einsetzbar. Die technischen Möglichkeiten schienen grenzenlos. Die Idee, Maschinen an den Menschen anzupassen, kam mir zukunftsträchtig vor. KomfortZone: Warum gerade die Fahrzeugindustrie? Bubb: Na ja. Nicht viele Maschinen kommen dem Menschen näher als sein Auto. Der tatsächliche Auslöser war natürlich wirtschaftlich begründet. Die Automobilindustrie hatte in Deutschland schon immer eine große Bedeutung. In den späten 70ern gab es allerdings eine Krise. Man merkte, dass man effizienter produzieren musste, um mit der japanischen Konkurrenz mitzuhalten. Das war der Auslöser für die Virtualisierung der Produktentwicklung. Interessant war dabei allein schon die Vorgehensweise: Es gab einen Arbeitskreis im
Rahmen einer gemeinsamen Forschungsgruppe der deutschen Autobauer, kurz FAT. Es hat zwar ein paar Jahre gedauert, bis alle Beteiligten sich geeinigt haben, aber dann konnten wir ganz umfassende Grundlagenforschung betreiben. Ich bin überzeugt, dass dieser breite Forschungsansatz einer der Hauptgründe für die Qualität von RAMSIS ist. KomfortZone: Wie weit war der Weg vom physischen Teststand bis zum digitalen Menschmodell? Bubb: Die ersten Gehversuche der digitalen Menschmodellierung waren natürlich holprig. Aber das Problem war nicht allein die Software, sondern überhaupt eine korrekte Beschreibung für den Menschen zu finden. In gewisser Weise ist es egal, ob Sie mit einer Puppe oder einem Avatar arbeiten. Beide müssen die Realität optimal wiedergeben. Insofern hat die Digitalisierung der Ergonomie auch ein Stück weit die ergonomische Forschung angetrieben, weil man den Menschen klar
Mensch
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KomfortZone
Die Menschmodellierung im Zeitraffer: die Kieler Puppe noch eine 2D-Schablone, das Tonnenmännchen mit erster Volumenberücksichtigung und später RAMSIS in 3D
definieren musste. Die ersten Schritte dazu waren noch analog: Es gab die Kieler Puppe, eine Art flache Menschschablone, die zum ersten Mal zeigte, wie Körpermaße zusammenhängen. Sie wurde standardmäßig als Frau des 1., 5. und des 50. Perzentils und als Mann des 50. und des 95. Perzentils eingesetzt. Das hat uns nicht gereicht. Wir haben dann das sogenannte „Tonnenmännchen“ erfunden, das auch das Volumen einbezog und insbesondere eine räumliche Repräsentation der Körperhaltung ermöglichte. Die ersten digitalen Schritte machte die Firma Tecmath (später Human Solutions) mit dem „Softi“, ein Strichmännchen zwar, aber schon mit interessanten Algorithmen. KomfortZone: Was waren die zentralen Neuerungen gegenüber der klassischen Ergonomie? Bubb: Da ging es um ebendiese Wiedergabe der Realität. Nicht nur bei den Maßen, sondern auch bei der Haltung und Bewegung. Wir haben dafür interdisziplinär gearbeitet: Physiker, Maschinenbauer und sogar Psychologen. Zuerst war das Ergebnis wie bei den bekannten Puppen oder Männchen auf einen Idealkörper ausgelegt. Aber wer hat den schon. Wir haben also versucht, reale Menschen auf diese Idealform zu übertragen, zum Beispiel mit optischer Überlagerung. Das waren dann auch
die Anfänge der Bodyscanner-Technologien. Ein wichtiger Schritt war zudem die automatische Haltungsprognose. Hier hat ja Dr. Seidl aktiv geforscht. Dabei kommt dann auch ein weiterer Aspekt des digitalen Menschmodells zum Tragen — das Verhalten. Wenn wir die ergonomischen Eigenschaften eines Produkts feststellen wollen, muss der Mensch damit ja etwas tun. Um diese Handlungen simulieren zu können, sind viele Untersuchungen und Daten in RAMSIS eingeflossen und der Prozess ist noch längst nicht abgeschlossen. KomfortZone: Welche neuen ergonomischen Erkenntnisse gab es? Bubb: Interessant war zum Beispiel, dass Komfort oder Diskomfort bei einer Körperhaltung wesentlich von dem tolerierten Gelenkwinkelbereich abhängen. Je enger der Winkel ist, desto weniger Toleranz ist bei den Versuchspersonen da. An vorderster Stelle steht hier der Kopf. Die Kopfbewegungen im Auto sollten deshalb sehr sparsam sein, weil sie schnell als unangenehm empfunden werden. Die Untersuchungen im Rahmen von RAMSIS Cognitive haben das rückwirkend auch für die Wahrnehmungsbewertung bestätigt. Informationen, die sich nur über Augenbewegung erfassen lassen, werden leichter und schneller aufgenommen.
KomfortZone: Hat sich die Automobilauslegung dadurch verändert? Bubb: Auf jeden Fall. Allein die Einstellung zur Ergonomie hat sich phänomenal verbessert. Ganz interessant sind zum Beispiel die Forschungsergebnisse hinsichtlich der Lenkradverstellung. Früher konnte man das Lenkrad, wenn überhaupt, nur auf einer Querachse nach oben oder nach unten verschieben. Sehr große oder sehr kleine Personen müssen es aber auch nach vorne bzw. nach hinten schieben können, um eine angenehme Haltung zu haben. Eine weitere Entdeckung war, dass für eine komfortable Haltung ein entsprechender Abstand zwischen Kopf und Dach Voraussetzung ist. Das hat mit der Sichthöhe zu tun. Große Menschen fühlen sich unwohl, wenn die Sichtlinie am oberen Rand des Fensters verläuft. Sie nehmen dann von sich aus eine gekrümmte Haltung ein, um durch die Fenstermitte zu sehen. Man hat daraufhin angefangen, die Dachhöhe deutlich zu optimieren. Aus ergonomischer Sicht spricht also alles für große Fenster. Derzeit werden die Fenster aber eher wieder schmaler. Das fordert die Ergonomen mit Sicherheit heraus. Ich bin gespannt, wie sie es lösen werden. KomfortZone: Macht Ergonomie die Fahrzeuge auch sicherer? Bubb: Ja. Das ist der Hauptgrund für Ergonomie und zwar nicht allein der besseren Bedienung wegen. In unbequemer Haltung ermüden sie schneller. Eine schöne Anekdote gibt es dazu von den Dortmunder Trambahnfahrern. Die mussten bis weit in die 60er-Jahre stehen, weil man fürchtete, sie würden sonst einschlafen. Aber das Gegenteil war der Fall. Heute wird das Fahrzeug für viele zum Arbeitsplatz — sei es durch lange Fahrten oder im Industriebereich. Ergonomie ist also das absolut zentrale Thema. KomfortZone: Und wie sieht für einen Ergonomen das perfekte Auto aus? Bubb: Aus ergonomischer Sicht lässt es sich von möglichst vielen Menschen möglichst gut bedienen. Da sind wir dann natürlich schnell bei einer großen Limousine. Aber auch hier gibt es noch zusätzliche Vorgaben: Als kleine Frau müssen Sie zum Beispiel hoch sitzen, um gute Sicht auf Instrumente und die Straße zu haben. Aber
Sie müssen auch die Füße gut — also mit der richtigen Unterstützung und im passenden Winkel — auf die Pedale setzen können. Auch als großer Mann brauchen Sie die entsprechende Sichthöhe. Das hat uns übrigens damals alle erstaunt: RAMSIS sitzt gerne hoch. Höhere Autos wie SUVs kommen da natürlich besser weg. Allerdings nur, solange noch genügend andere Autos niedriger sind, sonst fällt der Höhenvorteil wieder weg. Beim Sitzen gibt es auch einiges zu beachten. Mit RAMSIS können Sie demnächst die ideale Druckverteilung auf der Sitzfläche messen. Wenn das objektiv stimmig ist, vermeiden Sie aktiv Rückenschmerzen. Bei der richtigen Sitzhaltung sieht das schon anders aus, da spielt auch viel subjektives Empfinden eine Rolle. Allerdings gibt es auch immer Erkenntnisse, die man nicht berücksichtigen kann. Ergonomie bestimmt ja nicht allein den wirtschaftlichen Erfolg eines Produkts. KomfortZone: Das ist Stand heute. Wie wird sich die digitale Ergonomie und damit auch RAMSIS Ihrer Meinung nach weiterentwickeln? Bubb: Wir Ergonomen suchen immer nach objektiven Parametern, die den Menschen im wahrsten Sinne des Wortes berechenbar machen. RAMSIS enthält davon schon einiges. Die grundlegenden neuen Themen sind meiner Meinung nach automatische Bewegung und Kognition. Die Vision für mich dahinter ist, RAMSIS irgendwann vollständig situationsabhängige Aufgaben zu stellen. Zum Beispiel: „Fahre auf die Autobahn und schalte das Radio ein.“ KomfortZone: Das ist wirklich noch eine Vision. Bubb: Natürlich, aber man muss sich doch angemessene Ziele setzen. Am Anfang unserer Forschung waren viele Dinge, die RAMSIS heute kann, eine Vision, vielleicht sogar die ganze Idee der digitalen Menschmodelle. Und sehen Sie es sich heute an.
Zur Person: Professor Heiner Bubb gehört zu den renommiertesten Arbeitswissenschaftlern Deutschlands. Bis 2009 leitete er den Lehrstuhl für Ergonomie an der TU München, bis 2007 gemeinsam mit Prof. Heinzpeter Rühmann.
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Vom Manikin zum Menschen Die deutsche Reihenmessung SizeGERMANY trat 2008 an, um aktuelle Körpermaßdaten zu generieren. Die Ergebnisse sind nach wie vor beeindruckend. Nicht nur was die Ergonomie betrifft, sondern auch bei der Bereitstellung der Informationen. Denn entstanden ist eine Rundum-glücklich-Datenbasis über den Kunden — mit seinen Körpermaßen, seiner Körperform und seinem soziodemografischen Hintergrund.
Was hat ein 1,90-Meter-Mann mit einem Kleinwagen über Ergonomie zu sagen? Die Verbindung von Körpermaßen, Aussagen über die Zufriedenheit mit der Fahrzeugergonomie und zusätzlichen Informationen über Einkommen und Alter sagen viel aus. Die digitale Maßabnahme im Rahmen von SizeGERMANY zeigt den Körper nicht nur in seinen Abmessungen, sondern auch in seiner Form. Ein umfassender Fragebogen erhebt den sozialen Hintergrund, das aktuell gefahrene Auto und die ergonomische Bewertung durch den Probanden. So werden erstmals Körpermaße und die Zufriedenheit mit der Fahrzeugergonomie sowie soziodemografische Aspekte wie Alter oder Einkommen in Verbindung gebracht. Jetzt können Automobilhersteller ihre Kunden und deren Ansprüche an die Fahrzeugergonomie genau identifizieren und haben immer ein passendes Bild ihrer Zielgruppe vor Augen. Dabei wird zum Beispiel deutlich, dass Menschen an den extremeren Randbereichen weniger Komfort beim Autofahren empfinden. Ein Mann mit 1,90 Meter wird weit weniger
mit der Ergonomie in seinem Fahrzeug zufrieden sein als jemand mit 1,75 Meter. Denn bei zunehmender Körperhöhe wird der Sitzkomfort schlechter beurteilt — egal welche Automarke gefahren wird. Das gilt ebenfalls für das vertikale Wachstum: Auch bei zunehmender Hüftbreite wird der Sitzkomfort schlechter beurteilt. Ein weiteres Beispiel: Die 26- bis 35-Jährigen legen mehr Wert auf den Sitzkomfort als andere Altersgruppen. Rund 40 Prozent stellen Schwächen oder sogar große Schwächen im Sitzkomfort fest. Getoppt wird das nur noch von den 36- bis 45-jährigen, hier bemängeln fast 50 Prozent den Sitzkomfort. Diese und ähnliche Daten lassen sich interaktiv auf dem Online-Portal iSize auswerten und in Tabellenform oder als 3D-Avatar darstellen. Aber es geht noch weiter. Fortsetzung auf der nächsten Seite
SizeGERMANY/iSize Automotive im Überblick
22 Maße für Fahrzeugergonomie im Sitzen und Stehen nach ISO 7250
13 000 Männer, Frauen und Kinder, vermessen im Rahmen von SizeGERMANY
Vermessung mit 3D-Bodyscannern
Akzelerationsprognose bis 2038
Antworten auf demografische Fragen, zum Beispiel zu Einkommen, Autotyp oder ergonomischen Ansprüchen
200 000 internationale Probanden aus Frankreich, USA, China, Japan und Korea
Endlich. Der Mensch kommt im digitalen Auto an.
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Die SizeGERMANY-Daten werden in RAMSIS eingebunden. Dann stehen Manikins mit realistischer Form und aktuellen Maßen direkt bei der Fahrzeugauslegung bereit. Zunächst als eigenständige Datenbank „Neue 2008 Deutschlandpopulation“. Damit lassen sich bereits heute RAMSIS-Typologien auf Basis moderner Daten entwickeln. Doch das Team von Human Solutions will noch einen Schritt weiter gehen: Die Verknüpfung zwischen Daten und Soziodemografie soll direkt im System nutzbar werden. In einem aufwendigen Forschungsprojekt, iPOP, werden die Grundlagen für eine umfassende 3D-Population mit demografischem Profil in RAMSIS geschaffen. Dafür wird die Software mit dem Internetportal iSize verbunden. Werden dann Testkollektive erstellt, kann gleichzeitig nach Markt und nach Maßkriterien selektiert werden. Auch das bekannte Modul BodyBuilder entwickelt sich so auf lange Sicht zum webbasierten Werkzeug. Neben Testkollektiven mit mehr Aussagekraft
bietet RAMSIS damit auch einen durchgängigen Zugriff auf alle anthropometrischen und soziodemografischen Informationen. Bisher sind die Körpermaße nach Regionen in Datenbanken aufgeteilt. Ein zusammenhängender Online-Datenpool vereinfacht die Erstellung von Testkollektiven und erleichtert zudem die Einbindung neuer Datenbanken wie die der BRIC-Staaten. Gleichzeitig bietet iSize Automotive zusätzliche statistische und marktorientierte Auswertungsmöglichkeiten in RAMSIS, die bei der Definition der Probandenpools wichtige Entscheidungshilfen sind. Zum Beispiel kann die Dichte bei der Verteilung dargestellt oder analysiert werden, wie häufig eine Fahrzeugklasse oder sogar ein bestimmter Autotyp in einer Region gefahren wird. Zur Offline-Kopplung können RAMSIS-Grenztypen für mehrere Nationen erstellt werden. Diese Funktion steht bereits heute zur Verfügung.
Highlight-Funktionen von iSize Automotive
Einfachere Integration neuer Datenbanken
Marktauswahl anhand benutzerdefinierter Gewichtsfaktoren für jedes Land, zum Beispiel ein Kundenprofil anstatt der Bevölkerungsgröße beim Mischen von Populationen Standardanalyse mit den bereits existierenden Portalauswertungen anhand der Standard-Körpermaß-Perzentilauswertung Erweiterte Analyse durch die Anzeige mehrerer Populationen und die numerische Berechnung von Randbereichen Typologie-Erzeugung (Körperbautypen) auf Basis der ausgewählten Population (Marktauswahl) und mit mehreren Kenngrößen Manikin-/Testkollektiv-Definition und Import in RAMSIS anhand benutzerdefinierter Vorgaben Manikin-Analyse hinsichtlich (multidimensionaler) Perzentile in vorgegebenen Populationen
PRAXIS 16
KomfortZone 3D-Bodyscanning bei BMW
Lebenswelt Auto Wenn ein Kunde in sein (zukünftiges) Auto einsteigt, erwartet er einiges. Dann muss die Marke ihre Versprechen einhalten — auch hinsichtlich Komfort und sicherer Bedienung. Ergonomie ist deshalb für BMW eine Kernkompetenz und man fördert sie entsprechend. KomfortZone spricht mit Chefergonom Peer-Oliver Wagner über sein Verständnis von Ergonomie und darüber, wie aus einem Auto ein Stück Lebensqualität wird.
© Alle Bilder zum Beitrag: BMW
KomfortZone: Die Marke BMW gehört zu den bekanntesten der Welt. Was trägt Ergonomie dazu bei? Wagner: Die ergonomische Übersetzung für „Freude am Fahren“ ist, sich zu fragen: „Wie will unser Kunde sein Fahrzeug nutzen? Was will er damit erleben und wie passt es am besten in seine Welt?“ Das kann zum Beispiel sein Freizeitverhalten sein. Immer mehr Menschen nehmen Fahrräder im Auto mit. In anderen Ländern fahren die Käufer vielleicht gar nicht selbst, sondern lassen sich fahren. Sie möchten auf dem Rücksitz arbeiten oder entspannen. Auch dem entsprechen wir — nicht nur mit einer Fülle von Angeboten, sondern mit einem integrierten ergonomischen Konzept, das alle Konfigurationsmöglichkeiten unserer Fahrzeuge einhalten kann. KomfortZone: Was zeichnet die Ergonomie bei BMW besonders aus? Wagner: Sie ist vor allem lebensnah. Wir machen Autos, die sich ganz natürlich in die Lebenswelt unserer Kunden einfügen. Ergonomie ist bei uns Teil des Gesamtbildes. Uns geht es nicht allein um die Innenraumauslegung, sondern um das Zusammenspiel von Mensch, Fahrzeug und der Umgebung. Deshalb interessiert uns selbstverständlich, ob Sie richtig sitzen, aber genauso wichtig finden wir, was und wie Sie das Fahrzeug vor sich wahrnehmen, ob Sie Ihr Handy schnell verstauen und Ihren Kaffee leicht abstellen können. Und natürlich auch,
wie der Fahrzeuginnenraum insgesamt auf Sie wirkt. Das meinen wir, wenn wir sagen, ein BMW muss passen wie ein Anzug. Der Fahrer muss intuitiv das Gefühl haben, dass das Auto zu ihm gehört wie ein Teil seines Körpers. KomfortZone: Wie sehr fördern Sie diesen Ansatz? Oder fordert er Sie mehr? Wagner: Ich bin ursprünglich Produktdesigner, diese Sichtweise liegt mir sehr. Für mich ist das zentrale Thema in der Produktentwicklung der Mensch. Das Auto kann ich ändern, die Umwelt ändert sich von selbst, den Menschen kann ich mir nicht kürzer oder länger machen. Natürlich gibt es noch eine ganze Reihe gleichberechtigter technischer Themen. Schließlich will ich in meinem BMW ja in erster Linie fahren. Und auch daran knüpfen sich Erwartungen. Aber für uns steht dabei immer der Mensch im Mittelpunkt. Wir Ergonomen bei BMW vertreten den Kunden im Entwicklungsprozess. Das gefällt mir. Und ich denke, bisher waren wir mit dieser Arbeit sehr erfolgreich. KomfortZone: Wie sehr unterscheiden sich die verschiedenen ergonomischen Fahrzeugkonzepte voneinander? Wagner: Die BMW-Grundlinie bleibt selbstverständlich in jedem Modell erhalten, aber immer fragen wir uns, was genau man mit diesem Auto erleben will. Daraus
Praxis
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KomfortZone
Interview mit Peer-Oliver Wagner von BMW, Forts. von S. 17
ergeben sich dann Unterschiede: Das Fahrgefühl in einem 5er BMW und einem Roadster ist zum Beispiel grundverschieden. Aus der Limousine will ich nach sechs Stunden Fahrt entspannt aussteigen und fit für mein Meeting sein. In einem Roadster will ich die Kurve spüren, ich möchte also weit aktiver und sportlicher fahren als in der Limousine. Aus ergonomischer Sicht betrifft das beispielsweise die Armstützen. Bei der Haltung im entspannten Fahren brauche ich sie, beim dynamischen Fahren dürfen sie mir nicht im Weg sein. KomfortZone: Wie setzen Sie das konkret um? Wagner: Mit einer gut durchdachten Kombination von virtuellen und physischen Testständen. Viele Untersuchungen können wir in RAMSIS am digitalen Modell vorwegnehmen. Gerade in Bereichen, bei denen es um objektive Aspekte bei Haltung, Sicht und Erreichbarkeit geht. Für jedes Fahrzeug suchen wir ein spezielles Kollektiv in RAMSIS. Das bilden wir dann auch mit entsprechenden Menschen aus unserem Probandenpool ab. Wir besitzen einen 3D-Bodyscanner, mit dem wir diesen Pool stetig ausbauen. Derzeit haben wir die anthropometrischen Daten von rund 800 Personen in unserem System. KomfortZone: Und was ist das spezifische Ergonomiegeheimnis eines BMW?
Wagner: Es ist ja eigentlich kein Geheimnis, Sie können es ja in jedem unserer Modelle selbst testen. In einem BMW hat jeder die für sich notwendigen Freiräume. Wir unterstützen auch durch eine vorgegebene ergonomische Haltung im Auto, die problemlos langes Fahren erlaubt, ohne dass zum Beispiel ein Bein einschläft. Unsere Ergonomie hat viel mit Dynamik zu tun, auch wenn das vielleicht im ersten Moment paradox klingt: Im Auto haben Sie ja eigentlich eine statische Haltung, also wenig Möglichkeit, die Sitzposition immer wieder zu ändern, so wie Sie das vielleicht auf einem Sofa tun würden. Allerdings müssen Sitz und Lenkrad dennoch permanent leichte Haltungsveränderungen zulassen, ohne dass sich deshalb die ergonomische Qualität oder die Sicherheit durch Gurt und Airbags verändert. Neben Beinräumen schauen wir also auf alle Aspekte: Weichheit des Sitzes, Klimatisierung, Fußfreiheit oder Sitzbreite. Einfach auf alles, was man im Auto berühren kann. KomfortZone: Wie passt RAMSIS in Ihr Konzept? Wagner: An RAMSIS schätzen wir die objektive Bewertung von Haltung, Erreichbarkeit und Sicht. Aufwendigere Bewegungsinformationen oder subjektives Empfinden ergänzen wir durch reale Teststände. Ein Beispiel: Die Sicht auf die Ampel überprüfen wir objektiv mit RAMSIS — übrigens für alle unsere aktiven Märkte. Die Frage, ob das Raumgefühl großzügig genug ist, klären wir mit
unseren Versuchspersonen. Wie stark wir physische Tests beanspruchen, hängt auch damit zusammen, ob wir ein vollständig neues oder ein eingeführtes Modell auslegen. KomfortZone: Sie haben sich von Anfang an bei der deutschen Reihenmessung SizeGERMANY engagiert. Was war dabei für Sie besonders wichtig? Wagner: Ganz klar das aktuelle, hochwertige Datenmaterial, das durch die objektive Erhebungsmethode mittels Bodyscanner und die Erfassung des Menschen in 3D zustande kommt. Einzelne Probanden können wir auch selbst vermessen, aber natürlich niemals 13 000 Männer, Frauen und Kinder, die wirklich alle auf die gleiche Weise mit 1 mm Präzision nach DIN-Norm vermessen sind. Wir haben jetzt zum Beispiel eine gesicherte Akzelerationsprognose bis 2038. KomfortZone: Was hat Sie bei den SizeGERMANYErgebnissen besonders überrascht? Wagner: Womit wir eigentlich nicht gerechnet hatten, waren die größeren Spannweiten in der Bevölkerungsentwicklung: Die Schlanken bleiben schlank, die Übergewichtigen legen noch zu. Für uns gibt es also seit SizeGERMANY die Herausforderung, in einem Fahrzeug noch wesentlich mehr ergonomische Extreme unterzubringen. Wir haben nach intelligenten Wegen zur
Auslegung gesucht, damit wir zum Beispiel Gurte anbieten können, mit denen man ein 12-jähriges Kind genauso wie einen 2-Zentner-Mann mit 1,90 Meter Körperhöhe sicher anschnallen kann. Und wir haben sie gefunden. KomfortZone: Welche Entwicklungstrends sehen Sie in den kommenden Jahren? Wagner: Wir beobachten intensiv alle Aspekte, die sich aus der demografischen Entwicklung ergeben. Aufgrund unserer Philosophie natürlich auch die Rolle, die unsere Fahrzeuge in Zukunft bei unseren Kunden spielen werden. Aus ergonomischer Sicht finde ich besonders die Prognose von Bewegung und vielleicht auch Bewegungseinschränkungen wichtig. Das ist auch eines der Themen, die wir langfristig gern bei RAMSIS sehen würden. Denn je früher wir ergonomische Fragen abklären können, desto besser für uns und unsere Kunden. Das geht am besten mit digitalen Modellen.
Zur Person: Peer-Oliver Wagner ist seit 2006 Leiter Ergonomie und Komfort bei der BMW Group. Mit rund 20 Ergonomieexperten gestaltet er die ergonomische Entwicklung aller Fahrzeugmodelle des Münchner Konzerns.
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Ready — steady — go …
Wie baut man ein Auto in sieben Monaten? Die Formula Student ist ein internationaler Wettbewerb. Es geht um Autorennen. Aber hauptsächlich werden Formel-1-ähnliche Rennfahrzeuge gebaut, die nach realen Marktanforderungen bewertet werden, zum Beispiel nach Leistung, Komfort, Bedienbarkeit, Produktionskosten und Benzinverbrauch. Ideen gibt es viele, nur Zeit und Budget sind meistens knapp. Erstmals setzt der Rennstall Esslingen deshalb im Jahr 2010 RAMSIS zur Ergonomiesimulation ein. Verantwortlich war dafür Felix Rathsack. Seine Aufgaben im Team: Ergonomie und Styling des Rennboliden Stallardo ’10.
Noch ganz entspannt trifft sich das Rennstall-Team in Esslingen im Herbst 2009. Doch die Ziele sind bereits hoch gesteckt. Weil ein anderer Motor in den Stallardo ’10 eingesetzt werden soll, wollen die Studenten ein vollständig neues Fahrzeug konstruieren. Gearbeitet wird mit CATIA V5 und RAMSIS, da die Studenten der Hochschule Esslingen diese Programme vom Studium her gut kennen. Ende November steigt dann der Zeitdruck: Mit RAMSIS simuliert das Team das Fahrzeug nach den ergonomischen Prüfkriterien: Fahrerplatzierung, Bewegungsfreiheit des Fahrers im Fahrzeug, Sichtbarkeit und Erreichbarkeit der Instrumente. Die ergonomische Qualität wirkt sich direkt auf die Bewertung durch die Jury und damit auf die Gesamtpunktzahl aus, genauso aber auf die dynamischen Disziplinen. Denn hat der Fahrer seinen Rennwagen gut im Griff, wirkt sich das auch auf die Leistung bei der Beschleunigung von 0 auf 100 km/h und beim Kurvenfahren aus. Die Rennfahrzeuge der Formula Student sind klein, leicht und tief. Der Fahrer braucht einen niedrigen Schwerpunkt, um schnell fahren zu können. Er liegt dabei fast. Die geringe Fahrzeuglänge lässt ebenso wenig Spielraum für die Positionierung von Pedalen, Lenkrad und Instrumenten. Verstellbare Teile werden aus Gewichtsgründen weggelassen. Zum Wettbewerb 2010 meldet Esslingen fünf Fahrer an. Zwei davon werden als ergonomische Extreme für die Auslegung verwendet. Fahrer 1 ist klein und kräftig gebaut (175 cm), Fahrer 2
groß und schlank (192 cm). Auf Basis der ergonomischen Messwerte werden zwei RAMSIS-Manikins erstellt. Die beiden geben grundsätzlich grünes Licht für das ergonomische Konzept. Die Sicht im Kurvenverhalten ist bei Fahrer 2 besser, für Fahrer 1 aber immer noch gut im grünen Bereich. Pedale und Instrumente sind gut erreichbar. Einzig, wenn Fahrer 2 beim Lenken voll einschlägt, werden das Lenkrad und sein linker Arm durch den eigenen Oberschenkel blockiert. Aus bautechnischen Gründen verzichtet das Team jedoch auf eine Anpassung. Im Frühjahr wird sich am Prototyp zeigen, dass sich diese Problemstellung stärker auswirkt als zunächst gedacht: Lenken ist in diesem Winkel nur mit einer Hand möglich. RAMSIS simuliert die Realität also sehr gut. Im August ist die Stunde der Wahrheit für die Formula-Student-Teams gekommen. Das Team Rennstall Esslingen bewährt sich auch im Wettbewerb 2010 und fährt im vorderen Feld mit: Weltranglistenplatz 17 von 466 gelisteten Teams. Platz 11 in der Gesamtwertung von 91 Teams am Hockenheimring. Platz 7 von 30 in Österreich, Platz 8 von 41 in Italien. Punktabzug für die Ergonomie hat es bei keinem der drei Wettbewerbe gegeben. Aufgrund seiner Erfahrungen mit RAMSIS verzichtet das Team im nächsten Jahr komplett auf physische Prototypen. RAMSIS-Pate Felix Rathsack ist nicht mehr dabei. Er hat sein Studium abgeschlossen, aber die Liebe zum Autobau ist ihm geblieben. Gemeinsam mit Kollegen plant er einen Rennwagen mit Straßenzulassung. Und diesmal soll es nicht beim Prototyp bleiben.
Die Formula Student Germany Der ursprüngliche Wettbewerb Formula SAE findet seit 1979 in den USA statt. Seit 2006 gibt es auch eine eigenständige Organisation in Deutschland. Das Konzept ist einfach: Ein (fiktiver) Automobilhersteller beauftragt ein Designteam, einen kleinen Rennwagen im Formel-1-Stil zu konstruieren, zu bauen und zu testen. Zielgruppe sind private Wochenend-Autocross-Fahrer. Der Prototyp wird nach seinem Potenzial für die Serienproduktion bewertet. Zusätzlich gilt es Wettbewerbsregeln einzuhalten, die die Funktionalität vor Ort und smarte Problemlösung sicherstellen sollen. Stimmt etwas nicht, gibt es Punktabzug von der Prüfungsjury, in die unter anderem Manager von Automobilherstellern und Zulieferern berufen sind.
Praxis Praxis
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Der Stallardo ’10 im Einsatz • Konstruktionszeitraum: Oktober 2009 bis Dezember 2010 • Produktionszeitraum: Januar 2010 bis April 2010 • Höchstgeschwindigkeit: 115 km/h • Beschleunigung: 0 auf 100 km/h: 3,8 s • Hubraum: 599 ccm • Leistung: 61 kW (82 PS) • Spurweite: vorne: 1240 mm/hinten: 1180 mm • Radstand: 1630 mm
Heute findet die Formula SAE in Australasien (Formula SAE Australasia), Brasilien (Formula SAE Brazil), Deutschland (Formula Student Germany), England (Formula Student UK), Italien (Formula SAE Italy), Österreich (Formula Student Austria), Spanien (Formula Student Spain) und den USA (Formula SAE) statt. Studententeams aus aller Welt reisen dafür an. Rund 120 Teams nahmen 2010 in England teil. Am Hockenheimring waren es im gleichen Jahr 91 Teams.
Mehr Information zur Formula Student: www.formulastudent.de
Der Rennstall der Hochschule Esslingen Der „Stall“ wurde 2006 von Studenten gegründet. Die Projekte werden von Professoren der Fachhochschule betreut. 2007 nahm — mit dem Stallardo ’07 — zum ersten Mal ein Team aus Esslingen an der Formula Student teil. 2010 gehörten sieben Studenten zum Wettbewerbsteam. Mehr Informationen zum Rennstall Esslingen: www.rennstall-esslingen.de
Innovation 24
KomfortZone
Die Testphase hat begonnen!
Der neue RAMSIS RAMSIS Next Generation ist eine Kombination aus neuen Funktionen und aktueller Systemtechnologie, die mehr Flexibilit채t bietet und sich noch besser in Ihre Prozesse integriert. Den Anwendern ist trotzdem viel vertraut.
Wie modernisiert man eines der bewährtesten Software-Tools in der Automobilindustrie? Diese Frage löste im Anwender- und Lenkungskreis von RAMSIS eine intensive Sondierungsphase aus, in der die aktuellen Aufgaben und die künftigen Anforderungen an das Ergonomie-Tool gesichtet und beurteilt wurden. Am Ende stand ein neues Softwarekonzept fest. Und das war erst der Anfang. Jetzt, einige Mannjahre später, ist es soweit: RAMSIS Next Generation wird bei mehreren Automobilherstellern aktiv getestet. Die ersten Rückmeldungen sind vielversprechend: Die Bedienung ist einfacher und die Einbindung in die Prozesse erhöht die Produktivität deutlich. Dank der neuen Systemstrukturen können Innovationen leichter aufgenommen werden. Ein paar davon sind schon in der ersten NextGen-Version enthalten und kommen gut an. Sehen Sie selbst.
Das bringt RAMSIS Next Generation: Konzept: Systemmodernisierung im großen Stil Die Fahrzeugindustrie hat in der Vergangenheit große wirtschaftliche Vorsprünge mit RAMSIS realisiert. Wer in Zukunft erneut auf ähnlich hohem Niveau optimieren will, braucht NextGen: Die neue RAMSIS-Generation ist noch konsequenter auf die Prozesse in der Automobilentwicklung ausgerichtet und entlastet Sie deutlich bei zeitaufwendigen Aufgaben sowie bei der Informationsverteilung im Team. Dafür haben wir den Systemkern der neuen RAMSIS-Generation modular aufgesetzt, das Frontend überarbeitet und viele Bedienfunktionen eingebaut, die Ihnen das (Arbeits-)Leben leichter machen.
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Das ist neu
KomfortZone RAMSIS Next Generation setzt bei der Analyse mehrere Menschmodelle gleichzeitig ein. So lässt sich die Analyse auf einmal am gesamten Probandenpool durchführen.
Benutzeroberfläche und Bedienfunktionen: Fokus auf Komfort und Produktivität Wer geduldig gewartet hat, wird jetzt belohnt. Die Bedienung des neuen RAMSIS macht einen Quantensprung. Beispiele gibt es viele, wir nennen hier aus Platzgründen nur drei: Bis zu vier verschiedene Ansichten können Sie in einem Fenster parallel öffnen. Geometrien binden Sie per Drag-and-Drop ein. Das mühsame Hochladen von Objekten ist (Gott sei Dank) vorbei. Für die richtige Atmosphäre bei Präsentationen (oder einfach so) holen Sie sich den Hintergrund Ihrer Wahl und lassen RAMSIS auf einer Bergstraße oder in der Wüste Probefahren.
Systemkern: Innovation schneller einbinden Eine modulare Programmstruktur verschafft Ihnen Freiräume und Flexibilität bei der Verwaltung und Systemerweiterung. Neue Haltungs- oder Bewegungsmodelle — egal aus welcher Quelle — lassen sich so deutlich einfacher integrieren als bisher. Und das Gleiche gilt für zusätzliche Programmbausteine.
Und für den schrittweisen Umstieg auf die neue RAMSISGeneration haben wir NextGen vollständig abwärtskompatibel gemacht.
Prozessorientierung: einfacher zusammenarbeiten Mit einem eigenen Projektmodul sichern Sie das Wissen über die durchgeführten ergonomischen Studien in Ihrem Team. Einmal gesetzte ergonomische Parameter bleiben erhalten. Das erleichtert Ihnen die Zusammenarbeit mit den Kollegen deutlich. Denn Sie hinterlegen den gesamten unternehmensspezifischen Prozessablauf statt in einem Handbuch oder in Powerpoint direkt im System — inklusive der gesamten Projektplanung, Ihrer eigenen Arbeitsorganisation und der Dokumentationen aller durchgeführten Untersuchungen.
Menschmodellierung: realitätsnahe Darstellung Die Manikins in NextGen greifen auf dieselben anthropometrischen Daten zu wie in der bestehenden
Die neue RAMSIS-Version stellt bis zu vier verschiedene Ansichten am Bildschirm dar. Links oben: Die Analyseparameter können direkt in der digitalen Teststellung abgelesen und angepasst werden. Links unten: Durch die Kombination mit dem Webportal iSize lassen sich Probandenpools gezielt zusammenstellen.
Rechts oben: Die Handgeometrie in RAMSIS Next Generation ist wesentlich detailreicher. Gut zum Beispiel für Erreichbarkeits- und Bedienungstest von Elektronikgeräten im Fahrzeug. Rechts unten: Die Menschmodelle verfügen über rollenbasierte Eigenschaften, zum Beispiel Fahrer, Beifahrer oder Passagiere.
Generation. Aber sie sehen besser aus. Das Körpervolumen wird genauso wie das Skelett realistischer angezeigt, hinzu kommen ästhetische Verbesserungen bei Haut, Gesicht und Haaren. Die gute grafische Aufbereitung ist ein Pluspunkt, zum Beispiel wenn Sie vor dem Vorstand präsentieren (oder einfach gute Optik zu schätzen wissen).
Rolle kennt ihre wahrscheinliche H-Punktlage sowie ihre typischen Haltungs- und Bewegungsmodelle bei den entsprechenden Aufgaben. Selbstverständlich läuft die Definition von Haltungsmodellen mit den gleichen Rollen ebenfalls parallel ab. Sie können sich selbst ausrechnen, wie viel schneller Sie die Manikins damit positionieren und wie viel Zeit Sie für Analysen gewinnen.
Positionierung und Analyse: Zeitersparnis durch Automatisierung Früher war RAMSIS Einzelgänger, jetzt können Sie sogar einen Transporter bis auf den letzten Platz besetzen. Mehrere Manikins sind gleichzeitig aktiv. Die gute Nachricht dabei: Sie nehmen Ihnen viel Arbeit ab. Ein Kollektiv von, sagen wir, vier Fahrern und vier Beifahrern setzt sich in RAMSIS Next Generation automatisch hin. Dafür sind die RAMSIS-Modelle mit unterschiedlichen Rollen und Rollenkombinationen gespeichert, zum Beispiel als Frau/Fahrer, als Mann/Beifahrer auf dem Vordersitz oder als Kind/Passagier auf dem Rücksitz. Und jede
Die Automatisierung greift auch bei den Untersuchungen selbst. Mit NextGen können Sie verschiedene Analysen gleichzeitig ablaufen lassen und die Ergebnisse vergleichen. Je nach Testkollektivfilter verteilen Sie die Aufgaben. Dabei sind sogar erste vorsichtige Schritte in Richtung Full-Body-Tracking möglich. Durch inverse Kinematik bewegt sich das RAMSIS-Manikin automatisch mit dem Sitz, dem Türgriff beim Öffnen/Schließen, dem Bremspedal oder einem Schalter am Armaturenbrett mit. Das bringt wiederum einen enormen Zeitgewinn, der Ihnen mehr Raum für die weiterführenden Analysen (oder für Freizeit) verschafft.
Das sagt die Branche über RAMSIS Next Generation
Was finden Sie besonders wichtig an RAMSIS NextGen für Ihre Arbeit?
Wie bewerten Sie Anwenderfreundlichkeit und neue Funktionen/Konzepte in RAMSIS NextGen im Vergleich zur aktuellen RAMSIS-Version?
Bernd Brückner, Daimler
RAMSIS NextGen darf aus unserer Sicht in nichts einer anderen RAMSIS-Version nachstehen. Das ist heute gegeben zum Beispiel im Vergleich mit der bestehenden Software RAMSIS in CATIA. NextGen kann sogar noch mehr mit weniger Klicks.
Besonders hervorheben möchte ich die automatische Analyse. Damit können wir in Zukunft Standardanalysen im Hintergrund laufen lassen und müssen uns nicht Schritt für Schritt durchklicken. Das bedeutet, dass wir in Zukunft deutlich mehr Analysen in weniger Zeit bearbeiten können.
Holger Feige, VW
Zwei Dinge: Zum einen das modernere Look-and-Feel gegenüber der Altversion sowie die Multi-ManikinPhilosophie. Zum anderen, dass Informationen über Objekte und Vereinbarungen im Strukturbaum dargestellt werden, was einem schnellen Zugriff zugutekommt.
Durch das Multi-Manikin-Konzept haben sich die Definitionskomplexität und die Analysemöglichkeit stark erhöht. Das führt dazu, dass Analysen in einem Arbeitsschritt über ganze Kollektive berechnet werden können.
Rainer E. Grünen, Opel
• Vorhersage und Bewertung der Fahrersitzpositionen und Passagierhaltungen • Absicherung der ergonomischen Innenraumauslegung in Bezug auf Erreichbarkeit, Sichtbarkeit, Kraftaufwand und Package • Integration der vereinbarten Unternehmensprozeduren zur Ergonomie in den Fahrzeugentwicklungsprozess • Zuverlässige reproduzierbare Ergebnisse der Simulation in Bezug auf Anthropometrie und geometrische Randbedingungen
Durch die Verwendung mehrerer Manikins und durch das neue Workbench-Design wurde die Anwenderfreundlichkeit stark verbessert.
Christian Knapmeyer Besonders wichtig finden wir das gleichzeitige Durchund Claus Walter, führen der Analysen für mehrere Manikins, die auch Human Solutions noch in unterschiedliche Rollen schlüpfen können. So können ganze Testkollektive über automatisch ablaufende Auswertungen analysiert werden. Bisher war nur ein Manikin (RAMSIS 3.8.x) bzw. immer nur ein Manikin aktiv (RAMSIS 3.9.x) ohne Rollenkonzept vorhanden.
Die gesamte Oberfläche von NextGen ist moderner und zeitgemäßer gestaltet, legt größeren Wert auf direkte Interaktion. Das Laden der Daten durch Drag-and-Drop ist viel anwenderfreundlicher. Auch eine Liste der zuletzt geladenen Daten gab es bisher nicht. Zusatzmodule wie BodyBuilder sind über einen PluginMechanismus nahtlos in NextGen integriert. Statt in vielen Einzeldateien wird die Arbeit jetzt in Projektdateien oder Sessions gesichert, sodass Manikins, Restriktionen, Auswertungen usw. gemeinsam geladen und direkt weiterbearbeitet werden können.
Was würden Sie bei RAMSIS NextGen noch verbessern?
Was wünschen Sie sich für die Zukunft von RAMSIS?
Wir stehen heute vor einer größeren Komplexität. Das Multi-Manikin-Management stellt uns vor einige Probleme hinsichtlich einer einfachen, klaren Benutzeroberfläche. Vor allem hier sind Verbesserungen notwendig.
Eine wichtige Funktion für die Zukunft ist sicher eine verbesserte Komfortbewertung. Die würde RAMSIS abrunden. Eine andere Frage ist, ob die heutige CADFunktionalität innerhalb von RAMSIS NextGen ausreicht. Das müssen wir noch im Zusammenhang mit unserem CAD-System und der dazugehörigen Schnittstelle betrachten und testen.
Die Restriktionsdefinition und die Ergebnisdarstellung bei Reihenuntersuchungen sind noch ausbaufähig. Weiter fehlt eine gewisse Systemassoziativität, die den Anwender bei seiner täglichen Arbeit unterstützt und systeminterne Rechercheaufgaben abnimmt.
Eine weite Verbreitung des neuen Systems sowie eine hohe Anwenderakzeptanz, denn das stabilisiert ein System am Markt. Darüber hinaus ist es wichtig, innovative Ideen zu haben, die dem System seine Einmaligkeit erhalten, womit ein Alleinstellungsmerkmal zu Mitbewerbern entsteht.
• Die Überarbeitung der Manikin-Darstellung müsste noch weiter vorangetrieben werden • Verschiedene Punkte, die im Rahmen der AK-LOP definiert wurden: Geometrie- und Gruppen-Handling, Strukturbaum-Reorganisation, Toolbox-Anordnung usw. • Es sollte die Möglichkeit eröffnet werden, zu verschiedenen Analysefunktionen eigene Grenzwerte zur Erstellung von Bewertungen definieren zu können
• Die Möglichkeit, die Analysen qualitativ und quantitativ als Report auszugeben und mit den unternehmensspezifischen Richtlinien abgleichen zu können • Aussagefähigkeit zu globalen Grenzperzentilen als Vollintegration • Durchgängigkeit der Prozesskette in Bezug auf Datenmanagement und Modelhandling
Wenn eine neue Software funktioniert, macht das Lust auf mehr. Wir werden natürlich RAMSIS NextGen kontinuierlich ausbauen. Mehr Bewegung wäre da zum Beispiel möglich. Aber jetzt freuen wir uns erst einmal über die neue Software und nehmen vielleicht noch hie und da ein paar kleine Anpassungen vor.
Als Entwickler wünscht man sich vor allem viele zufriedene Anwender und möglichst wenige Fehler in der Software.
Innovation
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KomfortZone
Innovation
RAMSIS-Forschung: Statusreport „Ich kann die Bewegung der Himmelskörper berechnen, aber nicht das Verhalten der Menschen.“ Was Isaac Newton im 17. Jahrhundert im Rahmen einer Finanzmarktkrise beklagt, gilt heute noch genauso — auch für die physischen Bewegungsmuster des Menschen. Kraft, Bewegung und Individualität sind deshalb zentrale Forschungsthemen in der RAMSIS-Entwicklung.
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KomfortZone
VERITAS: Simulations- und Virtual-Reality-basiertes Testing Ziel: Wissenschaftliche Datengewinnung für die Verbesserung der existierenden Menschmodelle für Menschen mit eingeschränkter Bewegungsfähigkeit bei selbstständiger Bewegung Inhalt: Durch VERITAS sollen Produkte und Services besser auf alle Nutzer zugeschnitten werden — auch auf Anwender mit Behinderungen oder auf ältere Menschen. Dazu wird zunächst ein aktueller Status quo der derzeitigen Forschung ermittelt und zentrale ergonomische Einschränkungskriterien zum Beispiel durch Arthritis oder Verminderung der Sehfähigkeit ermittelt. Auf Basis dieser Kriterien findet eine Simulation mit Menschmodellen statt, die dann innerhalb verschiedener europäischer Länder validiert werden soll. Förderung: Das Projekt ist Teil des 7th Framework Programme der EU. Human Solutions ist einer von 34 internationalen Projektpartnern. www.veritas-project.eu
iPOP: Selektion und Erstellung von länderübergreifenden Testkollektiven Ziel: Optimierung der Menschsimulation durch zusätzliche Daten und Selektionsmöglichkeiten Inhalte: Im Rahmen von iPOP werden das internationale Körpermaß-Datenportal iSize und das Ergonomiewerkzeug RAMSIS integriert. Damit lassen sich frühzeitig im Entwicklungsprozess Konstruktionen mit den angestrebten Verbraucherpopulationen prüfen und durch entsprechende Designänderungen optimieren. Förderung: Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages
DH Ergo: Ergonomiestudie zu Bewegung und Kraft Ziel: Wissenschaftliche Datengewinnung zur Verbesserung der existierenden Menschmodelle in den Bereichen subjektives Komfortempfinden und selbstständige Bewegung Inhalt: Menschmodelle sollen in Zukunft komplexe Bewegungsabläufe, aufgabenspezifische Lasten, die Bewegungsveränderung sowie die Interaktion des Menschen im Alter mit seiner Umgebung simulieren. Im Fahrzeugbereich werden Bewegungen beim Drücken des Kupplungspedals, beim Betätigen der Handbremse sowie während des kompletten Ein- und Ausstiegs mit Motion Capturing aufgezeichnet und der dabei benötigte Kraftaufwand mechanisch gemessen. Förderung: Das Projekt ist Teil des 7th Framework Programme der EU. Human Solutions ist einer von zehn internationalen Projektpartnern. www.dhergo.org
Innovation 32
KomfortZone
Die Herren der Ergonomie Wer das Zentrum der digitalen Ergonomie sucht, findet es im RAMSIS-Lenkungskreis. Zehn Ergonomieleiter entscheiden hier gemeinsam mit Human Solutions über die Entwicklungsstrategie des führenden Ergonomie-Tools. Das macht RAMSIS zu einem Werkzeug der Industrie und begründet seine enorme Branchennähe. Bernd Brückner, Leiter Ergonomiekonzepte in Forschung und Vorentwicklung der Daimler AG, zeigt, warum der Lenkungskreis zu Recht als Innovationsmotor der digitalen Ergonomie gilt.
Bernd Brückner (3. von links) mit anderen Mitgliedern des Lenkungskreises.
Brückner: Sehr gut! Wir sind in den vielen Jahren ein festes Team geworden und arbeiten eng verzahnt. Sie wären überrascht. KomfortZone: Ganz selbstverständlich ist das nicht. Schließlich handelt es sich ja um direkte Wettbewerber. Brückner: Die Politik ist klar. Wir kooperieren bei allen Bereichen, die vor dem eigentlichen Wettbewerb „Modell gegen Modell“ stehen. Die deutsche Automobilindustrie hat hier ein außergewöhnlich gutes Kooperationsverhalten. Das gilt auch für andere Bereiche, aber im Fall RAMSIS ist es besonders intensiv. Und man muss sagen: Es hat uns nicht geschadet. Im Gegenteil: Die deutschen Automobilbauer haben schon immer versucht, nicht nur das Nötige, sondern das Mögliche zu tun. Und der Kunde honoriert weltweit diese Anstrengungen insbesondere auch für die Ergonomie. Das zeigen die vielen Auszeichnungen und Rankings immer wieder. KomfortZone: Wie funktioniert die Zusammenarbeit im Lenkungskreis genau? Brückner: Grundsätzlich gibt es für RAMSIS strategische Entwicklungspläne, die einen klaren Rahmen vorgeben. Wir kommen regelmäßig zusammen und arbeiten dann entlang einer festen Agenda. Jeder von uns betreut als Pate langfristige Projekte. Bei mir sind es „Kraftbasierte Haltung“ und „RAMSIS sitzt“. Gemeinsam legen wir die Ziele fest. Anregungen für Verbesserungen bekommen wir von Human Solutions und aus dem RAMSIS-Anwenderkreis. Human Solutions bringt neue technische Möglichkeiten ein, Innovationen aus der Software-Welt und einen umfassenden Marktüberblick. Ein wissenschaftlicher Beirat wacht über die fachliche Qualität. Wir sind aber auch aktiv in die Projekte involviert, zum Beispiel über Diplomarbeiten. Am Ende stehen dann manchmal sehr beeindruckende Innovationen. KomfortZone: Gibt es ein Beispiel dafür? Brückner: Da fällt mir sofort das Thema Gurt ein. Das haben wir inzwischen so weit vorangetrieben, dass physische Teststände kaum noch notwendig sind. Die digitale Gurtsimulation eröffnet dem Konstrukteur ganz neue Möglichkeiten, den Sicherheitsgurt auf die
verschiedenen Insassen abzustimmen und zu optimieren. Damit erreichen wir tatsächlich einen neuen Sicherheitsstandard. Ein weiteres bedeutsames Beispiel ist die Entwicklung von RAMSIS NextGen. RAMSIS steht jetzt auf einer ganz neuen Plattform und vieles geht schneller und effizienter. Das ist ein Riesensprung nach vorn. KomfortZone: Wie hat sich die Ergonomie durch den Einsatz von RAMSIS verändert? Brückner: Heute setzen die Automobilbauer bis zu zehn oder mehr RAMSIS-Manikins ein. Darunter auch Kinder. Das führt dazu, dass der Innenraum viel genauer an die Insassen angepasst ist. Wir sind schon längst über den Punkt hinaus, dass sich ein Fahrzeug beschwerdefrei bedienen lassen soll. Die Fahrzeugergonomie wird zunehmend zum Begeisterungsfaktor! KomfortZone: Was heißt das für die digitale Ergonomie? Brückner: Der Lenkungskreis, und damit auch RAMSIS, folgt den Trends der Zeit. Die Städte wachsen, der Verkehr wird dichter. Wir werden also in Zukunft noch mehr Zeit im Auto verbringen. In vielen Regionen, zum Beispiel Asien, ist das heute schon so. Dementsprechend nehmen Komponenten für Kommunikation, Infotainment und Entertainment zu. Das resultiert in immer mehr ergonomischen Untersuchungen für immer mehr Fahrzeugtypen in immer kürzerer Zeit. Ohne digitale Tools, die die Ergonomiebewertung objektivieren und reproduzierbar machen, wäre das nicht möglich. KomfortZone: Und wo geht für RAMSIS die Reise hin? Brückner: Den roten Faden für RAMSIS bilden dabei sicherlich die Themen: Bewegung, Systemmodernisierung und der Ausbau der Komfortbewertung (da kommen dann meine Projekte ins Spiel). Und natürlich drängen wir auch darauf, die bestehende Funktion kontinuierlich auszubauen.
Zur Person: Bernd Brückner verantwortet die Ergonomiekonzeption in Forschung und Vorentwicklung der Daimler AG. Zusammen mit zehn Kollegen entwickelt er neue Methoden und Konzepte sowie Vorgaben für Ergonomie und Komfort und setzt diese im Fahrzeuginnenraum um.
© Daimler
KomfortZone: Viele Automobilhersteller an einem Tisch. Wie ist es da um den „Komfort“ bestellt?
Fokus
Nachwuchs-Innovation Der RAMSIS Excellence Award verbindet Theorie und Praxis. Zum 5. Mal wird am 16. Oktober 2012 der Award für Ergonomiesimulation vergeben. Eine Auszeichnung für aufstrebende NachwuchsErgonomen, die den Brückenschlag zwischen Wissenschaft und Industrie erreichen wollen. Ausrichter des Wettbewerbs ist Human Solutions.
Anforderungen Qualität, Nutzen, aber genauso der Innovationsgrad des Lösungswegs geben beim RAMSIS Excellence Award den Ausschlag. Entscheidungskriterien für die Bewertung der eingereichten Arbeiten sind: • Wissenschaftliches Niveau • Technische Anwendbarkeit und Relevanz für die Praxis • Innovationsgrad
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KomfortZone
Teilnehmer Bewerben können sich Studenten, wissenschaftliche Mitarbeiter und Doktoranden der Ergonomie mit Schwerpunkt Fahrzeuginnenraum- bzw. Cockpitgestaltung (Interior) aus dem deutschsprachigen Raum.
Studienthemen Zugelassen sind alle Arbeiten, die sich (im weitesten Sinne) mit der Auslegung von Fahrzeugen beschäftigen. Dies schließt die Untersuchung von Komfort und Fahrermodellen genauso wie Fragen der kognitiven Informationsaufnahme und -verarbeitung oder Themen rund um die Anthropometrie ein. Untersucht werden können sowohl Autos im engeren Sinne als auch Industriefahrzeuge, Busse, Lkws, Schwermaschinen, Rennwagen und Flugzeuge. Die Arbeit muss aus wissenschaftlicher Sicht qualitativ hochwertig sein. Die Verwendung von RAMSIS ist keine Voraussetzung, aber wünschenswert.
Ziele des Wettbewerbs Studenten und wissenschaftliche Mitarbeiter bekommen frühzeitig Einblick in die Prozesse der Automobilindustrie und knüpfen erste Kontakte in der Branche. Gleichzeitig lernen sie die aktuellen ergonomischen Standard-Tools kennen und gewinnen einen Überblick über deren Einsatzgebiete in der Praxis.
Preise Der RAMSIS Excellence Award ist insgesamt mit 1 500 Euro ausgestattet und wird für die beste wissenschaftliche Arbeit, also Diplom- oder Doktorarbeit oder wissenschaftliche Untersuchung nach dem Abschluss des Studiums, verliehen. Wissenschaftliche Studienarbeiten von Studenten werden separat in der Kategorie „Newcomer des Jahres“ bewertet.
Jury Über die Platzierung der eingereichten Arbeiten und die Vergabe der Preise entscheidet eine Jury mit Mitgliedern aus Wissenschaft und Industrie.
2012 Hauptpreis Thema: Systematische und nutzerzentrierte Generierung des Pkw-Maßkonzepts als Grundlage des Interior- und Exteriordesigns Name: Alexander Müller Institut: Universität Stuttgart/Institut für Konstruktionstechnik und Technisches Design — Forschungs- und Lehrgebiet Technisches Design Besonderheit: die bedeutsame Anwendung ergonomischer Erkenntnisse auf das Fahrzeugdesign
2011 Hauptpreis Thema: Konzeptentwicklung und Konstruktion von Vermessungsgeräten zur standardisierten Erfassung von Range-of-Motion-Daten menschlicher Körpergelenke Name: Christoph Hemprich Institut: Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg/Department Fahrzeugtechnik und Flugzeugbau Besonderheit: innovative Themenauswahl und die Entwicklung eigener Lösungsansätze Newcomer des Jahres Thema: Analyse und Modellierung des Pkw-Be- und Entladevorgangs mit RAMSIS für die nutzerzentrierte Kofferraumauslegung Name: Johannes Spitzbart Institut: Universität Stuttgart/Institut für Konstruktionstechnik und Technisches Design Besonderheit: die Neuartigkeit des ausgewählten Themas und die empirischen Untersuchungen, die das Ergebnis veranschaulichen
2010 Hauptpreis Thema: Validierung der Messprozeduren zum Einsinkverhalten von verschiedenen Prüfkörpern in Fahrzeugsitzen Name: Christian Tomp Institut: Universität Stuttgart/Institut für Verbrennungsmotoren und Kraftfahrwesen/Lehrstuhl Kraftfahrwesen Besonderheit: die Einbindung eigener Ideen und die Bedeutung für zukünftige Entwicklungen in diesem Bereich Newcomer des Jahres Thema: Einfluss unterschiedlicher Sitzhaltungen auf den binauralen Höreindruck im Fahrzeuginnenraum Name: Alexander Bothe Institut: Universität Stuttgart/Institut für Verbrennungsmotoren und Kraftfahrwesen/Lehrstuhl Kraftfahrwesen Besonderheit: die hohe Praxisrelevanz und die wissenschaftliche Ausarbeitung
RAMSIS in der neuen Welt Im Juni 2012 schlug das Herz der Ergonomie zwei Tage lang in Michigan. US-Fahrzeug-Ergonomen aus 23 Unternehmen trafen sich in Sterling Heights. Zum dritten Mal. Sie setzten damit die europäische Tradition der RAMSIS Anwenderkonferenzen fort. Das Ziel: neue Informationen und Erfahrungsaustausch vor allem zu RAMSIS Cognitive, RAMSIS Next Generation und Einstiegsanalyse. In der RAMSIS-Welt hat sich viel getan. Brandheiße Informationen zur kognitiven Seite von RAMSIS gab es gleich zu Anfang aus erster Hand: Dipl.-Ing. Wolfram Remlinger von der Technischen Universität München eröffnete die Konferenz. RAMSIS Cognitive ist zum großen Teil sein „Baby“, denn er hat das Cognitive-Projekt in den letzten drei Jahren geleitet. Dank seiner engagierten Präsentation bekamen die Teilnehmer viele Insider-Informationen und einen umfassenden Einblick in die Software. Das Feedback war durchweg positiv. Fokus
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KomfortZone
Zeit für Praxis. Ford, MAN und Human Solutions zeigten RAMSIS im Einsatz bei der Simulation von Sicht sowie von Ein- und Ausstieg. Spannend war dabei vor allem die Einstiegsüberprüfung bei Lkws für den brasilianischen Markt. Wegen der teilweise schlechten Straßenverhältnisse wurde die Kabinenaufhängung erhöht und dann der Einstieg mit RAMSIS überprüft. Und noch mehr Praxis. Wie in den vergangenen Jahren wurde das Vortragsprogramm durch Workshops zu RAMSIS, RAMSIS Next Generation und RAMSIS Seat Belt Design ergänzt.
Rund 50 Teilnehmer aus 23 Unternehmen diskutierten auf der 3. RAMSIS Update Conference USA die neuen Mรถglichkeiten der Ergonomiesimulation
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KomfortZone
Gute Aussichten für alle Kunden Kunden- und marktgerechte Produkte sind das Ziel erfolgreicher Unternehmen. Doch dafür bleibt immer weniger Zeit und Budget. Wer wirtschaftlich und trotzdem im Sinne seiner Zielgruppe produzieren will, braucht einerseits Technologie, die sich passgenau in den Entwicklungsprozess integriert. Andererseits muss man dabei ganz nah am Kunden sein — am besten wird der Kunde selbst Teil des Entwicklungsprozesses. Das geht mit Technologie von Human Solutions direkt im CAD.
Die Human Solutions Gruppe live. Das neue Internetportal ist seit Frühjahr 2012 online.
Weltweit haben wir Innovationen entwickelt, die heute in Mobility und Fashion selbstverständlich sind. Die Simulation und Überprüfung von Fahrzeuginnenräumen mit dem Menschmodell RAMSIS oder der Einsatz von 3D-Bodyscanning bei Reihenvermessungen zum Beispiel. Immer war es das Ziel, neben Qualität, Komfort und Sicherheit auch die Effizienz der Entwicklungsprozesse zu erhöhen. Diese Philosophie hat Human Solutions zum Weltmarktführer für Ergonomiesimulation gemacht. Partner in Asien, Europa und Amerika tragen dazu bei. Denn dort, wo die Automobilindustrie zu Hause ist, sind wir auch präsent. Vor allem chinesische und indische Autobauer haben die Ergonomie als wichtigen Wettbewerbsfaktor entdeckt. Denn inzwischen sind westliche Fahrzeugmarken so tief in Asien verankert, dass von heimischen Produkten ähnliche Standards erwartet werden. Will man langfristig im Markt bestehen, müssen die Entwicklungsprozesse den Menschen stärker einbeziehen und gleichzeitig effizienter werden. Die Virtualisierung der Produktentwicklung hat auch in diesen Märkten begonnen. Und das ist eine unserer Kernkompetenzen. Unsere Partner vor Ort ergänzen unser Wissen mit umfassendem Know-how zu den lokalen Anforderungen genauso wie zu der Technologie- und der Prozessseite der lokalen Fahrzeugentwicklung. Bei einer hochkomplexen Software wie RAMSIS ist die Produktkompetenz besonders wichtig.
Die positive Entwicklung zeigt uns, dass der Wissenstransfer von Human Solutions an seine Partner bei den internationalen Kunden ankommt. Die Unternehmen öffnen sich und beginnen, gemeinsam mit unseren Experten vor Ort Ergonomie und RAMSIS fest in ihre Entwicklungsprozesse einzubinden. Dementsprechend ist seit 2006 der internationale Umsatz von Human Solutions deutlich gestiegen und hat Veränderungen mit sich gebracht, die sich zum Beispiel auch im Außenauftritt zeigen: Seit 2011 gibt es die Human Solutions Gruppe. Sie umspannt die fünf Unternehmen Human Solutions GmbH, Human Solutions d/b/a Assyst, AVM Solutions GmbH, Assyst GmbH und Sistemi Assyst S.R.L. So können wir verstärkt Synergieeffekte bei Kompetenzen nutzen und die synchrone Entwicklung der Produkte vorantreiben, zum Beispiel beim Thema 3DBodyscanning und bei den anthropometrischen Daten. Heute integrieren wir im Bereich Fashion den Menschen in 3D direkt in die Produktentwicklung, in den Vertrieb und in das Marketing. In Mobility arbeiten wir verstärkt daran, Normen bereits am frühen Computermodell revisionssicher einzuhalten. Mit RAMSIS Next Generation machen wir RAMSIS auch auf lange Sicht zukunftssicher. Und so können wir uns gemeinsam auf die nächsten Innovationen bei Menschmodellierung und Ergonomiesimulation freuen.
Die Human Solutions Gruppe für Mobility Ergonomiesimulation • Branchenlösungen: RAMSIS Automotive, RAMSIS Industrial Vehicles, RAMSIS Aircraft • Module: RAMSIS Bus & Truck, RAMSIS Safety zur Gurtsimulation, RAMSIS Bodybuilder, RAMSIS Global Concepts, RAMSIS ISO 5006, RAMSIS 2008/2/EG • Beratung/Experten: RAMSIS-Experten arbeiten vor Ort in Kundenteams
Menschmodellierung • Vermessung/Analyse: Anthroscan für Reihenuntersuchungen • Daten: zehn anthropometrische Datenbanken mit über 200 000 Probanden aus Amerika, Asien und Europa • Entwicklung von Probandenpools: iSize Automotive inklusive SizeGERMANY-Ergebnisse
Unsere Fachkompetenz in Mobility • Anthropometrie • Ergonomie • Bodyscanning • Menschsimulation • Körpermaßdatenbank
Technologie
Neues aus der digitalen Liga
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KomfortZone
Aus dem Leben eines RAMSIS-Anwenders. Jetzt geht es los. Vor dir auf dem Schreibtisch liegt ein neues Fahrzeugmodell. Hinter dir … ach, das kannst du auch später aufräumen. Jetzt kommt es auf dich an. Die erste Probefahrt eines neuen Fahrzeugkonzepts steht an. Nur du und RAMSIS.
1. Du kennst die Regeln „Von der Einstellung her stimmt die Einstellung.“ Andreas Brehme Das Gute an RAMSIS Automotive ist, dass du sofort loslegen kannst. Zumindest wenn es nicht dein erstes Ergonomie-Match ist. Denn dann hat dein Unternehmen schon die grundsätzlichen Rahmenfaktoren festgelegt, wie Ergonomie bei euch gespielt wird. Und RAMSIS weiß alles, was er wissen muss.
2. Du stellst dein Team auf „Das Runde muss ins Eckige.“ Sepp Herberger Wer soll denn überhaupt Probe fahren und wie viele? Bei der Ergonomie müssen es nicht gerade elf sein und zwischendrin auswechseln willst du auch nicht unbedingt (wäre aber möglich!). Also gut, letztes Mal war es ein neues Konzept, da hast du lieber in Überzahl gespielt. Heute reichen zwei: nur Manikins für die Extreme, also kleine Frau, großer Mann. Oder stellst du doch besser eine Viererkette auf: kleine dünne Frau, kleine dicke Frau, großer dünner Mann, großer dicker Mann? Das würde besser zu den SizeGERMANY-Ergebnissen passen — die Übergewichtigen nehmen zu (in jeder Hinsicht). Also, eine Entscheidung muss her: Heute gibt es in der Kantine nur Salat. Und wir spielen in ganz normaler Aufstellung mit den fünf klassischen Perzentilen.
Achtung!
Einfachere Positionierung mit RAMSIS Next Gen.
3. Du gehst in Position „Ich denke, wenn die Geschichte sich wiederholt, können wir nochmal das Gleiche erwarten.“ Terri Venables Dein digitales Fahrzeugmodell lädst du dir entweder in RAMSIS Automotive oder du arbeitest ohnehin schon in CATIA. Jetzt positionierst du dein erstes Manikin in einem mehrstufigen Prozess — genau nach den festgelegten Regeln deines Unternehmens. Das kann zum Beispiel sein: Hinsetzen, rechtes Bein auf das Gaspedal, Hände ans Lenkrad. Diese Positionierung steht fest und wird auf die gleiche Weise für alle Manikins wiederholt. Jetzt geht es an die Ergonomieuntersuchungen: Die meisten Analysen müssen erneut durchgeführt werden, sobald sich etwas Grundlegendes im Konzept ändert. Gut also, dass die Untersuchungen in RAMSIS Automotive sich beliebig oft nachstellen lassen. Immer mit den gleichen Rahmenfaktoren.
4. Du versuchst, möglichst optimal zu sitzen „Jede Seite hat zwei Medaillen.“ Mario Basler
Technologie
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KomfortZone
Sitzt RAMSIS auch bequem und optimal für die Bedienung des Fahrzeugs? Zeit für die Analyse des Sitzkomforts. RAMSIS Automotive hat die Ergebnisse unzähliger Teststände intus und tut sein Komfortempfinden bzw. die Abwesenheit desselben nur via Algorithmus kund — schnell und leise. Dazu gehören auch das Treten der Pedale und die optimale Einstellung für das Lenkrad.
5. Du versuchst, alles zu erreichen „Der Oberarm gehört zur Hand.“ Bela Rethy Das Konzept zeigt ein neues GPS-System auf dem Armaturenbrett. Als Erstes testest du die Erreichbarkeit. Hier kommt ein wichtiges Feature von RAMSIS Automotive zum Einsatz: Nicht du bewegst das Manikin. Es bewegt sich selbst auf Basis objektiver Haltungs- und Bewegungsmodelle. Die Simulation beschreibt den Handgriff und die Körperhaltungen, die ein Mensch mit größter Wahrscheinlichkeit im Auto einnimmt, um die gestellte Aufgabe zu erfüllen. Klappt das nicht für alle Probanden, kannst du testen, wo das Gerät besser platziert werden könnte.
6. Du versuchst, alles zu sehen „Jetzt stehen die Chancen 50 : 50 oder sogar 60 : 60.“ Rainer Calmund Jetzt kommt die Sichtanalyse. Die wird heute umfangreich, aber du baust auf die Untersuchungen der Vorgängermodelle auf. Interessant wird die Ergänzung durch die Wahrnehmungsbewertung in RAMSIS Cognitive. Jetzt können Ergonomen wie gehabt testen, ob Displays im Auto, wichtige Sichtfelder für Passanten, Gegenverkehr bzw. Verkehrshinweise auf der Straße verdeckt werden oder ob Blendlicht in Seiten- oder Rückspiegel zum Problem werden kann. Aber sie können auch die Qualität der Informationswahrnehmung einschätzen. Wie lange brauche ich, um eine bestimmte Schrift mit einem besonderen Kontrast zu entziffern? Muss ich die Augen bewegen oder den Kopf drehen? Auch hier lassen sich am digitalen Modell viele Teststände ersetzen.
7. Du gehst auf Nummer sicher „Je länger das Spiel dauert, desto weniger Zeit bleibt.“ Marcel Reif Zeit für die Sicherheit. Bei der Gurtanalyse ist RAMSIS in seinem Element und erfüllt alle BTDKriterien schon am Computer. Physische Teststände macht ihr dazu schon lange nicht mehr. Das ist auch gut so, denn in der Produktentwicklung wird die Zeit knapp. Je schneller, desto besser. Durch RAMSIS Safety habt ihr die Entwicklungszeit um mehrere Wochen verkürzt — einfach weil die Überprüfung am Computer jederzeit und vor allem schon ganz früh am digitalen Modell möglich ist.
8. Das Spiel ist aus „Ich habe in einem Jahr 16 Monate durchgespielt.“ Franz Beckenbauer Entwicklung vorbei. Zeitplan eingehalten. Budget auch. Dank RAMSIS Automotive hat sich die Entwicklungszeit in eurem Unternehmen um Faktor drei verkürzt. Und bei der Analyse hast du jede Menge Ideen gehabt, die du im RAMSIS-Anwenderkreis präsentieren willst.
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6 66 Analyse des Diskomforts bei Haltung und Bewegung, z. B. Sitzbreite, Kopf- oder Beinhaltung
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Freiraum
KomfortZone
Anzeige des Platzbedarfs für Haltung und Bewegung im Fahrzeug
Komfort
6 Optimale Gurtauslegung — auch nach BTD-Kriterien
Sicht/ Spiegelsicht
Gurt
Sicht nach innen und außen — Spiegelsicht planar und sphärisch
Autos für den Weltmarkt RAMSIS Automotive ist eine hochgenaue Simulationssoftware. Sie ermöglicht ausgereifte Fahrzeugkonzepte in puncto Ergonomie, Komfort und Sicherheit, auch wenn an Prototypen noch gar nicht zu denken ist.
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RAMSIS berücksichtigt internationale Standards wie SAE, SAE-H-Punkt und Belt Fit Device. Prozess- und Datenintegration, z. B. eigene Feldstudien. Module RAMSIS Direct Translator CATIA V5; RAMSIS Im- and Export of Geometry in JT-Formate; RAMSIS in VR.
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6 Kraft Anzeige der haltungsbedingten Betätigungskraft, z. B. beim Öffnen von Türen oder Kofferraum
Prüfung der Positionierung von Instrumenten und Bedienelementen
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Kognitive Wahrnehmung Perzeption der Information auf Instrumenten
Auch für Bus & Truck
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KomfortZone
Wie macht man schwere Arbeit leichter?
Überall, wo Verdichtung gefragt ist, kommt BOMAG zum Einsatz. Beim Erd- und Asphaltbau für Straße, Schiene oder Flughafen, aber genauso in der Müllverdichtung. Die Maschinen sind schwer und wer sie bedient, muss wissen, was er tut. Voraussetzung ist dabei, dass jeder Fahrer die Maschine gut im Griff hat. Normen schreiben das fest, aber BOMAG geht oft weiter, denn sichere Bedienung und klare Sicht sind eindeutige Wettbewerbsvorteile. Seit 2000 optimiert der Weltmarktführer die Auslegung seiner Fahrzeuge deshalb mit RAMSIS und kann einige Erfolge bei der Fahrzeugergonomie verbuchen. Verantwortlich dafür sind die Konstrukteure Thomas Klein und Stefan Kuhn.
© Alle Bilder zum Beitrag: BOMAG
Hoher Anspruch an den Fahrer Verdichtungsmaschinen fahren langsam und oft bei hohen Außentemperaturen. Hitze und Schritttempo machen schläfrig, aber beim Bau heißt es durchhalten: Während ein Lkw-Fahrer alle 3–4 Stunden Pause machen soll, fahren die „Verdichter“ von früh bis spät. Heißer Asphalt kann nicht warten. Der Fahrer muss aber immer konzentriert bleiben, einerseits um Unfälle zu vermeiden, andererseits um die Messinstrumente zu kontrollieren. Das kann er umso besser, wenn die Ergonomie stimmt.
Beispiel, indem der Kabinenboden leicht angeschrägt wird. Für den japanischen Markt optimiert man den Sitzaufbau so, dass selbst kleine Fahrer mit 1,60 Meter die Füße sicher auf den Boden setzen können. Diese und alle weiteren Anpassungen haben sich gelohnt. Die BOMAG-Konstrukteure wissen, wann sie gewonnen haben. Seit der Arbeitsplatzoptimierung bekommen sie keine Beschwerden von Fahrern mehr.
Verdichtung für den Weltmarkt Einmal am Start mit RAMSIS beginnt BOMAG mit einer Komplettüberprüfung der Kabinenkonstruktion. Der Probandenpool für diese Ergonomieoptimierung stammt aus der internationalen RAMSIS-Datenbank von Human Solutions. Aufgrund der Untersuchung hat sich einiges verändert. Der Fahrer fährt nach wie vor sicher, kann dabei aber einfacher verschiedene Haltungen einnehmen und seine Beine anwinkeln oder bequem ausstrecken. Das erreicht man zum
„Eine Kabine kann komplett aus Glas sein und trotzdem ist die Sicht schlecht.“
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KomfortZone
Sicht nach Vorschrift und darüber hinaus Die Kabinen von Baumaschinen haben lange Lebenszyklen. Alle 6–9 Jahre kommen neue Modelle auf den Markt. Am Fahrerarbeitsplatz verändert sich wenig. Das Armaturenbrett hingegen lebt. Die Fülle der Displays verdeutlicht, wie komplex die Verdichtungsarbeit sein kann. Temperatur und Dichte des Asphalts werden gemessen. Sie zeigen dem Fahrer, wie oft er noch über einen Bauabschnitt fahren muss. Auch der Wasserstand muss immer im grünen Bereich sein, denn das Wasser verhindert, dass Asphalt an Walze oder Rädern kleben bleibt und die Asphaltoberfläche beschädigt. Diese und andere Messgeräte muss der Fahrer ständig im Blick haben, er soll aber genauso wissen, was draußen vor sich geht. Anderthalb Meter um das Fahrzeug muss er im Nahbereich sehen und zwar einen Menschen oder Gegenstand mit 1,50 Meter Mindesthöhe. Das sagt die Norm. BOMAG zielt auf
einen Meter Abstand und einen Meter Höhe ab. Die Maschine soll immer besser sein als gefordert. Das hat nicht nur Sicherheitsgründe. Je früher der Fahrer den Boden sieht, desto näher kann er an Gebäude oder andere Begrenzungen heranfahren. Und das bedeutet weniger manuelle Arbeiten und damit eine Zeit- und Kostenersparnis beim Bau. Das Wissen um die Sichtqualität bei BOMAG ist groß. Interessanterweise hat diese nur bedingt mit der Fenstergröße zu tun. Während einige Konkurrenten ihre Kabinen gerne fast rundum verglasen, eliminiert BOMAG gezielt Hindernisse, die die Sicht stören. Zum Beispiel beim Equipment. „Was nützt die freie Sicht durch das Fenster, wenn man dann nur einen Wassertank sieht und nicht den Boden. Hier machen oft schon einige Millimeter viel aus“, erklärt Thomas Haubrich, Konstruktionsleiter Fahrerstände und Kabinen bei BOMAG.
RAMSIS-Modul ISO 5006: richtlinienkonforme Auslegung des Sichtfelds. Die Grenzwerte der Norm sowie alle Untersuchungsmethoden sind in RAMSIS hinterlegt. Ein wichtiger Zeitvorteil, denn notwendige Änderungen werden schon am Konzept erkannt und die Ergebnisse lassen sich einwandfrei reproduzieren. Weitere Normüberprüfungen: Modul 2008/2/EG und Modul ISO 13564.
Software versus Teststand Mit ähnlicher Präzision ging man an die Einführung von RAMSIS. Die Konstrukteure wollten sicher sein, dass virtuelle Welt und Realität übereinstimmen. Zu Anfang überprüfen sie deshalb die RAMSIS-Werte mit den Ergebnissen der physischen Teststände. Zum Beispiel bei der Fernsicht ergibt sich eine optimale Treffergenauigkeit bei der Sicht im 12-Meter-Radius um das Fahrzeug. Das BOMAG-Team ist erleichtert. Die digitale Ergonomie ist ein wichtiger Zeitfaktor für das Unternehmen: Denn eigentlich findet die Ergonomieprüfung am Prototyp viel zu spät statt. Alles, was nach der Konzeptphase geändert werden muss, kommt teuer. Die digitale Analyse erlaubt frühzeitige Optimierung und ermöglicht zudem ganz andere Lösungsszenarien. Weil keine Risiken in puncto Zeit und
Kosten entstehen, kann man viel mehr ausprobieren und auch einmal ganz neue Konzepte andenken. Für Klein und Kuhn ergibt sich noch ein weiterer Vorteil: Die Abstimmung im Team ist leichter geworden. Die Ergonomieverantwortlichen können die Konstrukteure der Gesamtmaschine jetzt in der Konzeptphase mit objektiven Fakten statt mit persönlicher Einschätzung überzeugen. Die Diskussionen sind wesentlich zielorientierter und auch das spart Zeit.
„Seit RAMSIS brauchen wir an den physischen Prototypen kaum mehr etwas zu ändern.“
BOMAG GmbH BOMAG ist Weltmarktführer auf dem Sektor der Verdichtungstechnik und stellt Maschinen für die Erd-, Asphalt- und Müllverdichtung, Stabilisierer/ Recycler sowie Fräsen und Fertiger her. Hauptsitz ist das rheinland-pfälzische Boppard. Das Unternehmen gehört heute zur französischen Fayat-Gruppe.
BOMAG in Zahlen • 1957 gegründet • ca. 2000 Mitarbeiter/-innen weltweit • ca. 20 Produktgruppen • 6 regionale Niederlassungen in Deutschland • 11 Tochtergesellschaften weltweit • 500 Händler in über 120 Ländern
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Fahrzeugauslegung nach den Vorschriften von DIN-Norm 2008/2/EG, ISO 5006 und ISO 13564
Möglichst einfacher Zugang mit geringem Kraftaufwand
Technologie
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KomfortZone
Komfort/ Raumbedarf
Ein-/Ausstieg
Analyse des Diskomforts bei Haltung und Bewegung, z. B. Beinhaltung und Sitzhaltung
Sicht/ Spiegelsicht
Normüberprüfung
Sicht nach innen und außen — Spiegelsicht planar und sphärisch
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Sanfte Riesen im Dauereinsatz
RAMSIS Industrial Vehicles ist auf die ergonomische Ausrichtung von Bau- und Schwermaschinen zugeschnitten. Bereits am virtuellen Modell lassen sich Fahrzeuge so auslegen, dass ihre Fahrer sie vollkommen beherrschen und kontrollieren können — auch wenn es hart auf hart kommt.
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© BOMAG
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Prüfung der Positionierung von Instrumenten und Bedienelementen
Kraft
Anzeige der haltungsbedingten Betätigungskraft, z. B. Montieren von Fahrzeugkomponenten
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Erreichbarkeit
Prozess- und Datenintegration, z. B. eigene Feldstudien
Kognitive Wahrnehmung Perzeption der Information auf Instrumenten
Zielgruppenspezifischer internationaler Probandenpool
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KomfortZone Š Alle Bilder zum Beitrag: Airbus S.A.S. 2012
Technologie
Wie bringt man Virtual Reality zum Fliegen?
In Airbus-Flugzeugen lassen sich Raumkonzepte für Fluggesellschaften mit ganz unterschiedlichen Geschäftsmodellen — von Economy bis Luxusklasse — realisieren. In Hamburg unterstützt eine eigene Virtual-Reality-Abteilung die verschiedenen Fachbereiche bei der Kabinenauslegung. Für die Ergonomie setzt man dabei auf RAMSIS in VR. Ingenieur Melf-Heiko Mast, Airbus, ist im VR-Bereich ein RAMSIS-Anwender der ersten Stunde.
So real wie möglich
Erst virtuell ändern, dann konstruktiv reden
Was in anderen Industrien noch recht neu ist, macht Airbus schon lange. Konsequent hat man auf Virtual Reality (VR) gesetzt und die Technologie in die eigenen Prozesse eingebunden. Seit 2004 gehört RAMSIS dazu. Gemeinsam mit Human Solutions hat man in einem Pilotprojekt RAMSIS in VR (hier: DeltaGen von RTT) integriert. Inzwischen ist eine umfassende Technologielandschaft entstanden, die die VR-Plattform mit Motion-Tracking und Ergonomie verbindet. Die Akzeptanz ist hoch, nicht zuletzt deshalb, weil man alles genauso wie in echt bewerten kann, und manchmal sogar besser. Die lebensechte Darstellung und die technischen Erweiterungen, wie die Ergonomiefunktionalität, bringen zusätzlichen Mehrwert und tragen dazu bei, dass Airbus mit VR erfolgreich ist. Ergonomisch überprüft werden üblicherweise Komfort, Sicht und Bedienbarkeit. Insgesamt 12 Standard-RAMSISManikins sowie weitere Spezial-Manikins stehen dafür in der Airbus-VR-Abteilung stellvertretend für Passagiere, Kabinenpersonal und Werker bei Montage und Wartung zur Verfügung.
VR ist heute bei Airbus in Hamburg ein fester Bestandteil von Entwicklung und Konstruktion. Die virtuelle Simulation bringt die Fachabteilungen des Engineerings sowie Design, Endmontage und Wartung bereits in der Konzeptphase an einen Tisch. Damit beginnt ein Abstimmungsprozess, der über Monate oder sogar Jahre andauert und erst endet, wenn das Flugzeug fertiggestellt ist. Schnell und effektiv werden am Virtual Mock-up Probleme besprochen und gelöst. Die Simulation zeigt das spätere Flugzeug in Interaktion mit Passagieren und Kabinenpersonal. Änderungen und ihre Auswirkungen lassen sich sofort nachvollziehen und bewerten. Das ist wichtig, denn oft betrifft eine Anpassung zum Beispiel im Design auch Montage, Wartung und Ergonomie. Durch die Integration von RAMSIS kann Airbus zum Beispiel die Erreichbarkeit von Sauerstoffmasken, die Einsehbarkeit von Anzeigen oder die Bewegungsfreiheit von Passagieren und der Kabinencrew in der Virtual-Reality-Umgebung überprüfen. Ein Wechsel ins CAD ist nicht notwendig.
Technologie
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KomfortZone
VR in Echtzeit — Cabin-Operations
Airlines gestalten (sicher) mit
Im VR-Lab wird zum Beispiel das Handhaben der KabinenTrolleys überprüft. Real sind dabei nur der Trolley mit Originalbefüllung und die Testperson, die anstelle eines Crew-Mitglieds den Trolley bedient. In die VR wird sie als RAMSIS-Manikin übertragen. Virtuell stehen die CADKabine und Passagiere in Form von RAMSIS-Manikins parat. In der VR-Umgebung werden reale und virtuelle Daten zusammengeführt. Live und in Farbe sehen die Airbus-Experten auf der sogenannten Powerwall, wie der Trolley von Testperson/Manikin in den Küchenblock oder durch den Gang geschoben wird. Weil die Handlung tatsächlich ausgeführt und in das VR-Programm übertragen wird, hat der virtuell simulierte Flugbegleiter eine völlig realistische Körperhaltung, wenn er den 100 kg schweren Wagen schiebt. Kollisionen mit den ManikinPassagieren oder den Sitzen würde man sofort sehen.
Jede Flugzeugkabine wird nach Kundenwünschen gebaut. Im Bereich Marketing & Sales setzt man deshalb ebenfalls VR ein. Virtuell wird ein Modell präsentiert, das es noch gar nicht gibt. Anforderungen der Airlines an die Kabinenausgestaltung außerhalb der Standardkonfigurationen überprüft man bei Bedarf ergonomisch in VR. So wird sichergestellt, dass etwa der verfügbare Platz den behördlichen Vorschriften entspricht. Das gilt besonders für Sicherheitskonzepte. Im Fall einer Evakuierung steht zum Beispiel ein Crewmitglied am Notausgang, um den Ausstieg zu überwachen. Aus wirtschaftlichen Gründen soll dieser Bereich möglichst klein sein, aus Sicherheitsgründen muss er dafür ausreichen, dass das Personal dort stehen und den Passagieren beim Ausstieg helfen kann.
Und was bringt die Zukunft? Bewegung im Mock-up Diese Form der Virtual Reality in Kombination mit Echtzeitbewegung spart nicht nur in der Abstimmung viel Zeit. Was früher im CAD als Folge vieler Einzelbilder dargestellt werden musste, ist dank Motion-Tracking jetzt realer Bewegungsfluss. Und mit Hilfe von RAMSIS liegt der Bewegung auch ein Körper mit realen Maßen, Proportionen sowie der entsprechenden Haltung und Beweglichkeit zugrunde.
Das kann RAMSIS in VR • A bbildung des realen Probanden, seiner Körpergeometrie, seiner Bewegung und seines Sichtfelds im Modell und Synchronisation mit der Umgebung • Maximale Interaktion mit dem Digital Mock-up • A nalysen für Sicht, Erreichbarkeit und Platzbedarf, zum Beispiel Vergleich der Sichtfelder von unterschiedlich großen Personen • E insatz: ergonomische Innenraumauslegung, Machbarkeit von Montage- und Wartungstätigkeiten • Standardintegration in DeltaGen von RTT
Melf-Heiko Mast hat Pläne. Er will zum Beispiel die Integration von Bewegung weiter ausbauen und er hat auch schon einige Anregungen für weitere RAMSIS-Analysen, die er gerne direkt in VR umsetzen würde — gemeinsam mit Human Solutions und RTT. Virtual Reality bei Airbus bleibt also spannend.
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Flug ERGO 78737 — entspannt in den Wolken Ein ruhiger, ereignisloser Flug ohne Ärgernisse: Das Essen kommt pünktlich, die Klimaanlage ist mit einem Handgriff eingestellt, kein (unerwünschter) Kontakt mit dem Sitznachbarn beim Umblättern von Buch oder Zeitschrift, der Pilot startet entspannt durch, die Stewardess sieht sofort, wenn etwas fehlt … kein Stoff für Hollywood, aber der Traum jedes Ergonomen.
, Wenn für die (meisten) Passagiere die Ferien und für die Crew in der Luft und das Wartungsteam am Boden die Arbeit anfängt, ist die Ergonomie schon längst am Ziel. Was uns im Flugzeug erwartet, sehen die Konstrukteure schon am digitalen Modell. Dank RAMSIS Aircraft fliegen Pilot, Co-Pilot, Kabinenbesatzung und Passagiere schon virtuell im Flugzeug mit. So wissen alle, die in der
Konstruktions- und in der Verkaufsphase entscheiden müssen, wie die Passagiere aussehen und wie sie im Flugzeug gerne sitzen oder sich bewegen. Die Möglichkeit, realistische Passagiere zu simulieren und in den Entwicklungsprozess einzubinden, hilft, die Kabine passagierfreundlicher zu gestalten, die Konstruktionsphase zu verkürzen und die Entwicklungskosten zu senken.
Die Geschichte: RAMSIS hebt ab Der Amerikaner John Edward Long Jr. hält mit 65 000 Flugstunden den Weltrekord im Vielfliegen. RAMSIS könnte es ihm im digitalen Flugzeug gleichtun. Long wurde 1915 geboren und lebte bis 1999 in Alabama/ USA. Die Geschichte von RAMSIS Aircraft beginnt im Jahr 2000 und zwar ausnahmsweise nicht in Kaiserslautern, sondern in Darmstadt/Deutschland. In diesem Jahr entwickelte Human Solutions gemeinsam mit der TU Darmstadt ein neues Haltungsmodell — speziell für Piloten
und ihre Co-Piloten. Aufwendige Ergonomiestudien gingen voraus, durch die man viel gelernt hat. Das Ergebnis gilt bis heute. Die Positionierung im Flugzeug weicht von der des klassischen Autofahrers deutlich ab. Piloten sitzen aufrechter, sie benötigen mehr Kraft, um die Pedale zu bedienen, die Beine sind weniger gespreizt als im Auto und der Abstand von Hüfte und Ferse ist anders. Das Lenkrad ist anders und vieles wird mit Joystick gesteuert. Das wusste man allerdings schon vor den Studien.
Der Pilot und sein Co-Pilot: Erreichbarkeit — Check, Sicht — Check, Kraftaufwand — Check Wer ein Flugzeug steuert, muss alles gut im Blick haben. Nicht nur den Himmel (und Start- und Landebahn), sondern auch alle Instrumente an Bord. Dabei gibt es mehrere Sichtkreise, denen Instrumente nach Priorität zugeordnet sind. Sichtkreis 1 muss immer im Blickfeld, Sichtkreis 2 bei Alarm, Sichtkreis 3 bei den Routinechecks
gut einsehbar sein. Spannend — aus ergonomischer Sicht — wird das, weil sich Instrumente auch über Kopf befinden. Die Leitwerke, für Laien auch die Bremse, werden über Pedale bedient. Dafür braucht man Kraft, die bei entsprechender Beinhaltung auch optimal vorhanden ist.
Die Passagiere: Entschuldigung, das ist mein Platz Wenn mehrere hundert Menschen mehr oder weniger gleichzeitig (teilweise zu schweres) Gepäck in kleine Fächer über ihren Köpfen heben wollen, hat das Boarding seinen Höhepunkt erreicht. Jetzt zeigt sich, wer die Gewichtsvorgaben für Handgepäck einhält oder gut durchtrainierte Oberarme hat und ob die ergonomische Analyse sorgfältig durchgeführt wurde. Denn auch in der Kabine kommt RAMSIS Aircraft zum Einsatz — diesmal als Passagier in verschiedenen Größen (und Breiten). Bei der Auslegung ist es wichtig, dass alle Fluggäste die Gepäckfächer erreichen, sie öffnen, be- und entladen können, dass die Sicht auf die Monitore über dem Gang
stimmt und sich die Schalter für Licht oder Klimatisierung bequem bedienen lassen. Selbst ob die Sitzbreite ausreichend ist, kann man noch am digitalen Modell feststellen. Über die Bestuhlung entscheidet allerdings der spätere Besitzer, die Fluggesellschaft. Bei der digitalen Simulation lassen sich auch zunehmend gesetzliche Bestimmungen vorab überprüfen. Zum Beispiel kann man berechnen, ob das Flugzeug in den vorgeschriebenen 90 Sekunden evakuiert werden kann.
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Die Kabinencrew: Könnten Sie sich bitte anschnallen? Wenn alle Passagiere sitzen, entscheidet sich, ob die Kabinenplanung der Crew das Leben leichter macht. Damit später Service und Sicherheitsanweisungen stimmen, werden auch die Flugbegleiter digital simu-
liert. Zum Beispiel wird geklärt, ob der Servicewagen gut durch den Kabinenflur passt und wie gut die Sitzreihen eingesehen werden können, etwa um zu erkennen, ob alle Passagiere angeschnallt sind.
Die Techniker: Montage und Wartung nach der Stoppuhr Bleiben noch ein oder zwei letzte Bereiche, die für den Flugbetrieb essenziell sind — Wartung und Montage. Für beides ist die Zeit knapp bemessen. Deshalb lässt sich mit RAMSIS Aircraft mit Haltungsstudien sicherstellen, dass alle Arbeitsvorgänge korrekt und in der vorgese-
henen Zeit erledigt werden können. Dafür nützt RAMSIS Wissen, das auch in der Fabrikplanung eingesetzt wird. Ein Zusatzvorteil bei der digitalen Ablaufplanung: Aus der RAMSIS-Simulation können Tutorials für Bedien-, Ein- und Ausbauvorgänge erstellt werden.
Die Fluggesellschaft und der Hersteller: Verkauf mit Virtual Reality Flugzeuge sind maßgeschneidert. Die meisten Flugzeuge werden noch als digitales Konzept verkauft. Ein Konzept, das Hand und Fuß haben muss. Die ergonomische Simulation ist aber nicht nur für die spätere Konstruktion relevant, sondern auch für den Verkauf. Die Fluggesellschaft will genau sehen, was sie später in Betrieb nehmen wird.
RAMSIS arbeitet deshalb eng mit Virtual-Reality-Programmen zusammen. So fliegt ein virtuelles Flugzeug mit echten Passagieren unter der Fahne des späteren Käufers. Um RAMSIS authentischer zu machen, werden dafür Hüllen aus Poser von Curious Labs importiert und als RAMSIS-Geometrien umgerechnet.
Die Vision: digitale Normenkontrolle Selbstverständlich muss jedes Flugzeug nationale und internationale Normen einhalten. Diese können mit
RAMSIS berücksichtigt — und vielleicht eines Tages auch digital geprüft und abgenommen werden.
Ein Herz für große Piloten Über 1,90 Meter und Pilot? Das könnte schwierig werden. Von Generation zu Generation werden wir immer größer. Die Cockpits aber sind gleich geblieben. Viele Fluggesellschaften oder Armeen geben deshalb eine
Maximalgröße für Pilotenanwärter vor. RAMSIS kann hier helfen: Davon werden Piloten in spe zwar nicht kleiner, aber man kann den vorhandenen Platz in modernen Cockpits besser nutzen.
Trendanalyse 60
KomfortZone
Wenn RAMSIS schlecht sieht … Mit umfassenden Analysen stellen Ergonomen sicher, dass kein Fahrzeugelement die Sicht beim Fahren behindert. Doch was passiert, wenn die Einschränkung beim Fahrer selbst liegt, durch eine angeborene oder altersbedingte Sehschwäche? Mit neuen Analysemöglichkeiten findet RAMSIS die Antwort und liegt dabei voll im Trend der demografischen Entwicklung. Gute Aussichten also auch bei schlechter Sicht.
Simulation eines Fahrers mit Gleitsichtbrille. Die Felder für Nah- und Fernsicht sind dunkelgrau und hellgrau dargestellt. Interessant sind dabei nicht nur Größe und Position der Sichtfelder, sondern auch der Verlauf des Übergangsbereichs
Die Sichtanalyse in RAMSIS zeigt, wie weit Augen oder Kopf bewegt werden müssen, um ein Instrument abzulesen
Imitation jeder Sehschärfe RAMSIS kann die angulare Sehschärfe darstellen und damit auch wiedergeben, wie Menschen mit geringeren Sehstärken den Verkehr oder den Fahrzeuginnenraum sehen. So lässt sich die Mindestsehgröße für die Instrumente im Fahrzeug berechnen. Natürlich hat das Menschmodell selbst dabei keine Brille auf. Die Sichtverhältnisse werden wie bei der üblichen Sichtanalyse angezeigt,
lediglich die Parameter sind andere und dementsprechend anders sind auch die Ergebnisse der Analyse. Normalerweise wird die geringe Sehstärke des Fahrers durch eine Sehhilfe ausgeglichen, zum Beispiel durch eine Brille. Doch selbst die beste Brille hat markante Einschränkungen.
Simulation von Brillen Die verschiedenen Sichtbereiche des Fahrers sind in sogenannte Gesichtsfelder aufgeteilt. Geradeaus sieht jeder gut, aber was wird in den Randbereichen der Sichtfelder wahrgenommen? Was bei Normalsichtigen schon eine wichtige Frage ist, kann bei Brillenträgern entscheidend sein. Brillen können nämlich die Sicht in manchen Bereichen deutlich einschränken, denn das Brillengestell selbst kann die Sicht behindern. Zudem decken die
Brillengläser nicht unbedingt das gesamte Sichtfeld eines Normalsichtigen ab. Am Rand der Sichtfelder sieht man deshalb genauso unscharf wie ohne Brille. Die Analyse in RAMSIS zeigt, wie sich die Sehhilfe auf die Sicht im Fahrzeug auswirkt und verwendet dafür zwei digitale Brillenmodelle — als typische Beispiele für große und für kleine Brillen. Der Gleitsichtmodus lässt sich dabei bei Bedarf einfach zuschalten.
Vorsicht Gleitsicht! Doch was geschieht, wenn eine Sehhilfe allein das Sehproblem nicht beheben kann? Bei der Alterssichtigkeit wird zumeist die Nahsicht eingeschränkt. Objekte müssen immer weiter entfernt sein, damit sie gut erkannt werden. Wenn im Alter beim Lesen die Arme zu kurz werden, können die Zahlen auf den Displays also gar nicht groß genug sein. Verwendet man eine Brille, um die schlechte Nahsicht auszugleichen, wird dabei jedoch die Fernsicht eingeschränkt. Gleitsichtbrillen sollen dieses
Manko beheben — schaffen jedoch eine veränderte Ausgangssituation. Denn im Übergang von nah auf fern innerhalb der Brillengläser entsteht ein Bereich, in dem man gar nichts scharf sieht. Mit RAMSIS kann man die verschiedenen Sichtfelder und den Übergangsbereich der Gleitsichtbrille genau erkennen. Und das wirkt sich wiederum auf die Positionierung der Instrumente im Fahrzeug aus.
Hintergrund: Sicherheit und Sichtkomfort Sicheres Fahren erfordert die vollständige Aufmerksamkeit des Fahrers. Normalerweise sieht der geradeaus und bewegt nur die Augen, um so Fahrzeug und Verkehr optimal unter Sichtkontrolle zu haben. Je mehr man sieht, ohne den Kopf zu bewegen, desto besser. Mit dem normalen Standardsichtfeld muss der Fahrer also nicht nur die Straße, sondern auch alle wichtigen Instrumente erfassen können. Interessant für die Analyse sind dabei vor allem die
Instrumente am Rand des Sichtfelds oder Situationen, die dort auftreten. In der Peripherie unserer Sichtfelder reagieren wir vor allem auf den Wechsel von hell und dunkel. Verändert sich etwas, werden wir aufmerksam. Alle wichtigen Instrumente sollten also nur mit einer kurzen Augenbewegung überprüft werden können. Und auch hier gilt, je kürzer der „Sichtweg“, desto besser.
Zu guter Letzt 62
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Durchblick versus Vignette Wer richtig klebt, hat mehr vom Straßenverkehr. Das zeigt Michael Gabelsberger in einer Untersuchung an der TU München, betreut von Dipl.-Ing. Wolfram Remlinger.
Nach dem Daimler-Scholly-Verfahren gewichtet Gabelsberger die verschiedenen Sichtzonen aus der Fahrerperspektive an einem gängigen Fahrzeugmodell. Das Ergebnis erstaunt: Bei freier Windschutzscheibe — also ohne Plaketten, Zertifikate oder elektrische Geräte — gibt es am untersuchten Modell rund 85 Prozent freie Sicht. Doch jeder Aufkleber schränkt — je nach Platzierungsvorschrift — die Sicht zwischen knapp 0,4 Prozent (deutsche Feinstaubplakette) und 3,5 Prozent (Vignette für Österreich) ein. Aufkleber nehmen also einiges an Sicht. Besonders akut ist das in „Mehrländer-
ecken“: Gute 15 Prozent zum Beispiel verliert ein Fahrer an Sicht, wenn er häufiger in Italien (Telepass), Österreich (Vignette), Ungarn (OBU) und Slowenien (Vignette) unterwegs ist. Kommt dann noch mittig ein mobiles Navigationssystem dazu, schränkt das um knapp weitere 14 Prozent ein. Wer also gut sehen will, platziert Vignetten auf der Windschutzscheibe am besten rechts neben der A-Säule oder hinter dem Rückspiegel. Und trennt sich schnell von abgelaufenen Plaketten.
Impressum Danksagung: Viele Kunden und Partner haben uns tatkräftig mit Interviews, Informationen und Bildern unterstützt. Vielen herzlichen Dank! Herausgeber: Human Solutions GmbH Europaallee 10 D-67657 Kaiserslautern Tel.: +49 631 343 593 00 Fax: +49 631 343 593 10 www.human-solutions.com Verantwortlich für den redaktionellen Inhalt: Alexandra Seidl, Human Solutions GmbH (alexandra.seidl@human-solutions.com) Redaktion und Layout: Marketing Essentials (Angelika Methner, Annegret Schall-Ceppa, Claudia Collin, Andrea Landgraf) www.marketing-essentials.de
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