Blücher und Rostock

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Anno 2016

Num. 1

Ein Held als Held

wird nicht geboren

Über das Leben und Wirken von Rostocks berühmtesten Sohn Gebhard Leberecht von Blücher von Sarah Müller Es ist der 12. September 1819. Vor Schloss Krieblowitz (Schlesien) ertönen Kanonenschüsse. Pulverdampf breitet sich aus. Im Schloss will man das offene Fenster im Sterbezimmer schließen, doch der Sterbende selbst bittet, es geöffnet zu lassen... Noch einmal Kanonendonner hören, Pulverdampf riechen und seinen früheren Kampfgefährten möglichst nahe sein. So beschreiben Chronisten, unabhängig voneinander, die letzte Bitte von Gebhard Leberecht von Blücher – einem Mann, der nahezu 45 Jahre seines Lebens in Kriege, 23 davon gegen die Franzosen, zugebracht hat. Gebhard Leberecht von Blücher, der wohl berühmteste Sohn Rostocks, hatte als Befehlshaber, der an den Kämpfen beteiligten preußischen Truppen, gegen die napoleonische Herrschaft gekämpft und gesiegt. Am 3. Juli 1815 erzwang Blücher dann schließlich auch die Kapitulation von Paris. Europa hatte den Frieden wieder und feierte seinen Helden. Blücher zu Ehren werden bereits zu seinen Lebzeiten militärische Orden vergeben, mit Edelsteinen besetzte Degen geschmiedet, Straßen, Plätze sowie Schiffe nach ihm benannt. Man trinkt nach 1819 zum Gedenken an Blücher aus Tassen mit seinem Portrgät und bestellt Blücher-Torte. Aber ein Held wird nicht als Held geboren, das sollte auch bei Blücher nicht anders sein... Die Anfänge Am 16. Dezember 1742 wird Gebhard Leberecht von Blücher in der Rostocker Altbettelmönchstraße 23 (heute Rungestraße) geboren. Sein Vater ist der Hessen-Kasselsche Rittmeister Christian Friedrich von Blücher. Seine Mutter, Dorothea Maria von Zülow, kommt aus einem mecklenburgischen Adelsgeschlecht. Als jüngstes von neun Kindern, verbringt Blücher seine ersten 14 Lebensjahre in Rostock. Eine grundlegende geistige Schulbildung geniessen die Kinder nicht, vielmehr widmen sie sich fast ausschließlich der körperlichen Ertüchtigung. Nach Eintritt Schwedens 1757 in den Siebenjährigen Krieg schließen sich Gebhard Leberecht und sein älterer Bruder Ulrich Siegfried 1758 gegen den Willen ihrer Eltern dem schwedischen Husaren-Regiment Sparre an und kämpfen gegen Preußen. Als Oberst von Belling, der mit Blücher verschwägert war, ihn bat, in preußische Dienste einzutreten, nimmt Gebhards Schicksal eine entscheidende Wende. So werten es die Chronisten Görlitz, Rauschenick und Förster, Fortan kämpft Blücher erfolg-

deren Oberbefehlshaber, Arthur Wellesley, 1. Duke of Wellington, die Unterstützung der Preußen. Waterloo steht kennzeichnend für das Ende von 20 Jahren Krieg in Europa. Die Schlacht selber, ist ein regelrechtes Gemetzel. 11.000 Gefallene, 35.000 Verwundete und 10.000 getötete Pferde an einem einzigen Tag. Napoleon zieht sich geschlagen zurück, für ihn bedeutet diese Schlacht das Ende seiner militärischen Karriere. Wellington und Blücher hingegen werden als Helden gefeiert. Das Blücherdenkmal 1816 verleiht die Stadt Rostock Blücher die Ehrenbürgerschaft, die erste, die Rostock in seiner nun fast 800-jährigen Geschichte vergab. 1819, im Sterbejahr Blüchers, wird in Rostock die Errichtung des ersten Blücherdenkmals in Europa festlich begangen. „Keine Geringeren als der Bildhauer Johann Gottfried Schadow und der Dichterfürst Johann Wolfgang von Goethe haben Denkmal und Platz Gestalt gegeben“, betont Rostocks heutiger Oberbürgermeister Roland Methling. Der preußische König Friedrich Wilhelm III. am Sterbebett Blüchers.

reich im Husaren-Regiment H8 und steigt vom Kornett bis zum Generalmajor (1794) auf. In dieser Zeit heiratet Blücher zweimal, er wird Vater von sieben Kindern, von denen vier im Kindesalter sterben.

die Formierung einer preußischen Nationalarmee“ für militärische Reformen und ebenfalls für die allgemeine Wehrpflicht ein. Sein Ruf als Soldatenvater festigt sich – trotz seiner 63 Jahre – als modern denkender, mobiler Militärreformer.

Die Sache mit den Franzosen Zwei Offiziere machen in den darauffolgenden Jahren auf sich aufmerksam. Der eine ist der mittlerweile 52jährige preußische Husarenkönig Blücher. Der andere ist der 25jährige französische Brigadegeneral Napoleon Bonaparte, über den der französische Kriegsminister sagt: „Viel Wissen, ebensoviel Umsicht und übermäßige Tapferkeit, das ist ein schwacher Umriß der Vorzüge dieses Offiziers.“

Bis zum Jahre 1806 nimmt Blücher an nahezu allen militärischen Auseinandersetzungen Preußens teil, wird 1803 Militärgouverneur von Münster in Westfalen und ist dort Obermeister der ortsansässigen Freimaurerloge. Kaiser Napoleon geht derweil daran, ein neues „Deutschland“ zu bilden. Unter seinem Patronat entsteht der Rheinbund, eine Vereinigung, deren Stoßrichtung eindeutig auf Preußen zielt. Mit der Niederlage der preußischen Armee in der Doppelschlacht bei Jena und Auerstedt am 14. Oktober 1806, gelangt Preußen unter französische Vorherrschaft. Im Jahr 1813 übernimmt Blücher zu Beginn der europäischen Befreiungskriege den Oberbefehl eines preußisch-russischen Korps. Am 12. August schließt sich Österreich dem Bündnis Russlands, Preußens und Englands an, am 8. Oktober auch das Königreich Bayern. Blücher übernimmt die zweite von drei Heeresgruppen, die Schlesische Armee, bestehend aus russischen und preußischen Truppen. Blücher schlägt die Franzosen in der Schlacht an der Katzbach am 26. August 1813 und am 3. Oktober nach der Elbüberquerung bei Wartenburg. Im April 1815 schreibt Blücher an seine Frau: „In Frankreich ist der Bürgerkrieg begonnen“. Als die Franzosen am 18. Juni 1815 in der Schlacht von Waterloo britische Truppen angreifen, erhält

Ab 1804 beschäftigt Blücher zunehmend die „französische Angelegenheit“. Napoleon Bonaparte hat sich selbst die Kaiserkrone aufs Haupt gesetzt. Blücher sieht in den Aktionen Napoleon Bonapartes eine, wie er an den preußischen König schreibt: „ernste Gefahr für das gesamte Land.“ Die Warnung hat kein Erfolg und die Franzosen besetzen Hannover. Blücher schreibt an seine Frau: „gott weiß die Francosen machen mich zu vihl zu tuhn, daß ich alles übrige ligen laßen muß.“ Blücher probt dennoch für den Ernstfall und trainiert als Generalleutnant die Bataillone in ihrem Zusammenwirken. Durch die Ereignisse in Frankreich, wo 1793 die allgemeine Wehrpflicht (Levée en masse) eingeführt wird, setzt sich Blücher in einer 1805 veröffentlichten Schrift mit dem Titel „Gedanken über

Es ist der 12. September 1819 – 17 Tage nach der Enthüllung des Blücherdenkmals in Rostock. Unter dem Salut von Kanonenschüssen schließt der „Befreier des Vaterlands“ – Gebhard Leberecht von Blücher mit 77 Jahren die Augen.

Das Blücherdenkmal in Rostock (Foto: S. Müller)


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