Vier Helder der Klimaforschung

Page 1

Vier die auszogen, die Ostsee zu schützen

Bestes Beispiel ist das dritte Oktoberwochenende in diesem Jahr. Es herrschten bis zu 25 Grad, was ungewöhnlich mitten im Herbst ist. Eine weiSchönwald setzt auf Nachhaltigkeit tere Sache hat Filies beobachtet: „Eine subjektive Mit guter Laune startet Silke Schönwald in den Tag Wahrnehmung von vielen ist, dass die Intensivität und beginnt ihn im Hofgebäude der ForschungseinHaben wir das gut heute! Im Gegensatz zu vor 60 der Stürme im Winter zugenommen hat. Aber auch richtung. Beim anfänglichen Betreten des Hofes tritt Jahren haben wir heute zehn Sommertage mehr. einen Meeresspiegel- und Temperaturanstieg gibt Lack-Geruch hervor. „In den Räumen vor meinem Das heißt mehr Tage am Strand verbringen, sich es schon, auch wenn das so gering ist, dass man Büro werden viele Teile von Schiffen repariert. Da die Sonne auf den Körper brutzeln zu lassen und es nicht spürt.“ Allerdings sind die minimalen Verkann das öfters mal vorkommen, dass es so riecht“, in die Ostsee zu springen. Die Aussichten für die änderung bisher nur mit Messgeräten feststellbar. sagt die Frau, die ein lila Kopftuch trägt. Zukunft sind noch rosiger. Zum Ende des JahrDas EUCC-D-Mitglied ist jedenfalls der AuffasNach ihrem abgeschlossenen Ökologie-Studium hunderts könnte diese Anzahl auf 38 Sommertage sung, dass man deswegen nicht gleich in Panik hat sie sich auf ein Praktikumsangebot des IOW erhöhen. Wir dürfen uns also wahrscheinlich auf verfallen sollte. Ihm ist es dagegen wichtig bei den beworben und wurde angenommen. Schönwald ist grandiose Sommer freuen. Leuten das Bewusstsein zu schaffen, den Prozess seit einem Jahr am IOW als „HilfswissenschaftleViele Forschungsanstalten befassen sich mit solKlimawandel wahrzunehmen. Neben Filies sind rin“ tätig und gehört der „Arbeitsgruppe Küsten- und che Auswirkungen, die der Klimawandel hervorauch noch Matthias Mossbauer und Franziska Stoll Meeresmanagement“ an. ruft. Das Leibniz-Institut für Ostseeforschung in bei der „Küstenunion“ und in der Gruppe „KüstenDas Team greift viele unterschiedliche ThemengeRostock-Warnemünde (IOW) ist eines der deutund Meeresmanagement“. „In der Gruppe herrscht biete auf. „Ich beschäftige mich mit Indikatoren die schen Forschungsinstitute, welches sich mit dem immer eine lockere und entspannte Stimmung. Mit Auskunft geben sollen wie sich eine Gemeinde an den Auswirkungen auf unser heimisches Meer beIhnen zusammenzuarbeiten ist sehr angenehm“, der Küste mit Nachhaltigkeit auseinander gesetzt freut sich der Mann mit dem kurzen blonden Haar. hat“, erzählt Schönwald. Die Indikatoren sind unEr ist wie acht weitere Teammitglieder bei der ter anderem Badewasser-und Trinkwasserqualität, Gruppenbesprechung um 11.00 Uhr anwesend. Dünenvegetation und wirtschaftliche Faktoren. Es herrscht eine entspannte Stimmung. Die jungen Schönwald tauscht sich mit Leuten aus anderen Leute tauschen sich anfangs über das vergangene europäischen Küstenregionen aus. Sie fragt, wie Wochenende aus. Danach gibt jeder einen kurzen deren Strandmanagment aussieht, die Einwohner Überblick, wie weit er bei seinem derzeitigen Prodort auf den Klimawandel reagieren und wie es jekt ist. An der Tür klopft es und jemand ruft in die in der Region aussieht wenn es zu Hochwasser Runde, dass der Raum schon für eine nächste Bekommt. Nach dem Austausch und einer Analyse sprechung zur Verfügung stehen muss. Die Gruppe werden nun Maßnahmen entwickelt. „Wir müssen beeilt sich und ist nach 30 Minuten fertig. jetzt anfangen nachhaltig zu wirtschaften und dem Ein weiteres Mitglied der Arbeitsgruppe von Silke Trend des Klimawandels entgegenzuwirken“, sagt Schönwald ist Matthias Mossbauer. Sein ArbeitsSchönwald. platz befindet sich ebenfalls in dem Büro von SchönAuch wenn die wald. Der Mann mit dem Pferdeschwanz arbeitet Frau mit dem blauam Themengebiet „Strandmanagement“. „Vorher grünen Halstuch Das Leibnitz-Institut für Ostseeforschung in Warne- schon seit einem habe ich das Unterwasserpflanzenwachstum entmünde. lang der Ostseeküste untersucht. Jetzt habe ich ein Jahr am IOW ist, Thema was sich nicht mehr ganz dem Thema Kliklappt die Navimawandel zuwendet“, meint Mossbauer. schäftigt. 1992 wurde das Forschungszentrum auf gation durch das Empfehlung des Wissenschaftsrates neu gegrün- H a u p t g e b ä u d e Filies misst, während andere den Wandel Beim Unterwasserpflanzenwachstum hat er festgestellt, dass immer mehr Pflanzen an den Strand det. Vorgänger war das Institut für Meereskunde noch nicht so, wie noch nicht mal spüren Warnemünde. Das IOW hat rund 216 Mitarbeiter sie sich das vorDer ehemalige Student der Uni Lüneburg hat bevor getrieben werden. und ist in vier Fachsektoren aufgeteilt. Physikali- stellt. Dafür weiß er zu EUCC-D kam, seine Abschlussarbeit für das Mossbauer: „Strandanwurf ist teuer“ sche Ozeanographie, Meereschemie, Biologische sie aber umso deutsche Klimaprojekt „Radost“ geschrieben. Dar- Das nennt man auch „Strandanwurf“ und wird als Meereskunde und die Marine Geologie nimmt die mehr, wo sie ihre aus ergab sich dann eine Folgeeinstellung bei der Problem für den Tourismus gesehen. Es kostet eiEinrichtung genauer unter die Lupe. Mittagspausen am „Küstenunion“. Bei „Radost“ hatte Filies eine Men- nen hohen finanziellen Aufwand, den Strand davon Im Sektor Biologische Meereschemie ist die Ar- Liebsten verbringt: ge von Ergebnissen gesammelt und ausgewertet. zu befreien. Die Strandbehörden interessiert das beitsgruppe „Küsten- und Meeresmanagement tä- „Im vierten Stock „Wenn ich Prognosen für die Ostsee vorhersagen besonders, denn die wollen wissen wie sich das in tig. DIese befasst sich mit anwendungsorientierter des Hauptgebäude könnte, würde ich dafür bestimmt eine Nobelpreis den nächsten Jahren auswirkt. Küsten- und Meeresforschung. Der Klimawandel sitzen wir alle gerkriegen“, sagt er lachend. Jedoch ist ihm aufgefal- Dazu hat Mossbauer mit anderen Forschern eine spielt dabei eine Rolle, wie er sich zum Beispiel auf ne zusammen und Silke Schönwald kümmert sich len, dass eine Saisonverlängerung des Sommers Ökosystemmodellierung durchgeführt. Sie versuchden Tourismus auswirkt oder welche Maßnahmen genießen dabei die um Nachhaltigkeitfaktoren für ten damit das Pflanzenwachstum zu simulieren. stattfindet. die Ostsee. getroffen werden müssen, damit die Ostsee geschützt wird.

Aussicht auf die Ostsee. Ich beneide die Leute, die im vierten Stock arbeiten und so eine tolle Aussicht haben.“ Aus dem Fenster von Schönwald sind lediglich Stangen und Rohre zu bewundern. Der schöne Ausblick wäre eine schöne Abwechslung zu der ständigen ComputerChristian Filies untersucht die Auswirkungen des Klimawandels Arbeit, die die Hilfswissenauf den Tourismus. schaftlerin und ihre Gruppe bewerkstelligt. „Ich suche immer die Möglichkeit praktisches mit der Arbeit am PC zu verbinden. Ich komme aber gut damit klar“, antwortet Schönwald auf die Frage, ob sie nicht gern mehr an der frischen Luft arbeiten würde. Anders dürfte es Christian Filies auch nicht gehen. Der 30-Jährige arbeitet auch am IOW, aber ist dort nicht offiziell angestellt. Er gehört der „EUCC- Die Küsten Union Deutschland (EUCC-D) an, die im Leibniz-Institut untergebracht ist. Die EUCC-D fördert die nachhaltige Entwicklung der Küsten und Meere durch integriertes Management unter Einbeziehung des globalen Wandels und regionaler Interessen. Christian Filies untersucht dabei die Einflüsse des Klimawandels auf den Tourismus: „Den Entscheidungsträgern im Tourismus versuche ich die Fakten näher zu bringen, die sie noch nicht auf dem Schirm haben.“


Dabei wurde festgestellt, dass sich in den nächsten 100 Jahren wird 30 cm betragen und wurde bei der 50 bis 70 Jahren das Problem des „Strandanwurfs“ Errichtung von Hochwasserschutzbauten schon vergrößern wird. Keine gute Nachricht für den Tou- berücksichtigt.“ Ein Schritt von vielen, sich dem Klirismus. mawandel anzupassen. Vor vier Jahren ist der junge Mann mit dem Pferde- In Zukunft wird sich Matthias Mossbauer weg von schwanz an das Klimawandel begeben. Sein neues Thema lautet: IOW gekom- „Müll in der Ostsee“. Das Ziel sei es damit Menmen. Er hat in schen zu sensibilisieren und zum Beispiel eine Dresden studiert PET-Flasche müllgerecht zu entsorgen. und wollte schon In der Mittagspause war Silke Schönwald an der immer etwas mit frischen Luft unterwegs. Dort tankte sie genug Kraft Küstengeogra- für den restlichen Tag, da am Nachmittag nur noch fie machen. Am PC-Arbeit ansteht. Als sie in ihrem Arbeitsraum zuLeibniz-Institut rückkehrt ist ein weiteres Gruppenmitglied erschiehat er dann nen. mehrere Prakti- Modelle sind Krämers Ding ka durchgeführt. Inga Krämer, die gegenüber von Schönwald arbeiDaraus ist ein tet kümmert sich um die Gewässerqualität, EutroEinstellungsver- phierungen (Wasser wird übermäßig mit Nährstofhältnis entstan- fen versorgt) und den Nährstoffeinträgen in die den. Ostsee. Die Frau die seit 2009 am IOW ist, schaut Was ihm beson- dabei auf welche Ursachen das zurückzuführen ist ders am IOW und welche Ziele verfolgt werden, damit die Nährgefällt ist, dass stoffeinträge verringert werden können und die Euviele Fachleute trophierung sich verbessert. „Wir arbeiten eng mit Matthias Mossbauer beschäftigte aus verschiede- Modellierern zusammen. Man kann die Zukunft ja sich mit dem Unterwasserpflan- nen Fachrich- nicht vorhersagen, sondern nur mit Modellen nachzenwachstum in der Ostsee. tungen am IOW bauen“, meint Krämer. Sie denkt sich verschiedene vertreten sind. Möglichkeiten von Szenarien aus und untersucht, „Man braucht nur zwei Türen weitergehen und holt was zum Beispiel passiert, wenn die Wassertempesich dann erstklassige Informationen die man für ratur um zwei Grad steigt. sein Projekt benötigt“, lobt Mossbauer, der seit drei In den nächsten 10 bis 20 Jahren werden die DinMonaten ebenfalls EUCC-D-Mitglied ist. ge, denen Krämer nachgeht noch geringe AuswirEr hat für die Zukunft herausgefunden, dass sich die Wassertemperatur durch das Unterwasserpflanzenwachstum nicht großartig verändern wird. Seiner Meinung nach wird der Klimawandel an der Ostsee keine so großen Auswirkungen haben, wie in anderen Regionen auf der Welt. Was für ihn an der Küste ein wichtigeres Problem darstellt, sind die Nährstoffeinträge der Landwirtschaft in der Ostsee. Dagegen versichert Mossbauer, habe es aber bereits EU-Maßnahmen gegeben, um die Einträge zu verringern. Für die Zukunft weiß er, gibt es eine weitere Sache die zu beachten ist: „Der durchschnittliche Mee- In den nächsten 100 Jahren ist in der Ostsee mit einem Meeresspieresspiegelanstieg in den nächsten gelanstieg von 30 cm zu rechnen.

kungen für die Ostsee haben. Um den Schutz des Meeres zu gewährleisten, wird bis 2020 der „Baltic Sea Action Plan“ umgesetzt. Dieser soll alle Einflüsse und Beeinflussungen auf das Ökosystem des Binnenmeeres und ihrer jeweiligen Verknüpfungen betrachten. „Vor allem spielen auch die Entscheidungen der Politiker in der Zukunft eine wichtige

Die Ostsee wird auch in Zukunft sich ständig verändern und mit dem Klimawandel gehen.

Rolle“, erzählt die 36-Jährige. Genau wie viele andere Forscher auch wird die „Arbeitsgruppe Küsten- und Meeresmanagement“ weiterhin viele Ergebnisse sammeln und auswerten. Sie begleitet den Wandel der Ostsee ständig und wird feststellen inwiefern sich der Klimawandel auf das Meer vor den Türen Rostocks auswirkt. Vorhersagen kann man derzeit noch nicht machen, aber Maßnahmen treffen um den Trend der Veränderung entgegenzuwirken. All dies wird helfen, dass wir die steigende Zahl der Sommertage zum Sonnen oder Baden in der Ostsee genießen können. Johannes Weber medien colleg rostock


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.