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Queerbeet durch den Berner Musikgarten
BEKANNTE BERNER MUSIKER*INNEN BEANTWORTEN UNSERE FRAGEN
OLI KEHRLI
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Oli Kehrlis Musik steht in der Tradition der Berner Troubadours, ist aber zeitgenössisch interpretiert. Die Liebe zur Heimatstadt, zu seinem Fussballclub und zur Frauenwelt prägten bisher seine berndeutschen Chansons. Für sein jüngstes Studioalbum «Vierti Rundi» hat sich der Chansonnier mit einer neuen Band Verstärkung geholt: Die Poesie ist geblieben, aber das Tanzbein zuckt jetzt gewaltig.
www.olikehrli.ch
Ein Mann, eine Gitarre – das war einmal? Aktuell bist Du mit einer Band unterwegs – wird es keine Soloauftritte mehr geben? Natürlich habe ich nebenbei weiterhin Solo- oder Duoauftritte bei Privatanlässen – im Fokus steht aber künftig die Band. Die Idee dazu entstand in Paris, wo ich auch jene Lokalitäten aufsuchte, die mir der Berner Chansonvater Bernhard Stirnemann vor vielen Jahren auf einem Lageplan in Form eines Fresszettels skizziert hatte. Während dieser Zeit entstanden viele musikalische Ideen und Pläne, die ich schlichtweg nicht mehr alleine umsetzen konnte. Ich haben daraufhin den Kontakt zu meinen jetzigen Bandmitgliedern gesucht und ihnen meine Ideen vorgestellt. Wir haben die Corona-Zeit intensiv genutzt und verbrachten zeitweise fast jeden Tag im Bandkeller. Unser Album «Vierti Rundi» ist am 6. August 2021 auf Vinyl erschienen.
Jacob Stickelberger und Bene Stirnemann waren Deine Mentoren – worin unterscheidet sich Deine Musik von jener der Berner Troubadours? Die Berner Troubadours haben ihre selbstgeschriebenen Chansons jeweils mit Gitarrenbegleitung vorgetragen, ganz im Stile eines «auteurcompositeur-interprète». Ich habe mein musikalisches Schaffen stets weiterentwickelt. Zu Beginn mit Gitarre, später mit Kontrabass, alsdann mit Streichquintett bis hin zum Orchester und heute habe ich meine eigene Band. Es liegt in meinem Naturell, meiner Leidenschaft zu folgen. Ich versuche dabei stets, meine Ideen umzusetzen und mich nicht auf Erschaffenem auszuruhen. Was gleich bleibt wie bei den Berner Troubadours: Im Zentrum des Liedes steht immer noch die Geschichte.
Wie ist das Verhältnis zu Deiner Heimatstadt Bern? In dieser Stadt fühle ich mich heimisch und zu Hause. Inmitten der prächtigen historischen Altstadt wohne und lebe ich. Freunde, Familie, die kulturelle Vielfalt, die Aare, in Sichtweite die Berge, die Lebensform und die Gemeinschaft verschiedener Kulturen, die gemütlichen Beizen und natürlich die Berner Young Boys sind genügend augenfällige Gründe dafür.
MARIO CAPITANIO
Mario Capitanio, der ehemalige Gitarrist von Polo Hofer, in Bern bestens bekannt auch durch viele Auftritte der Band Magic Five, ist ein wahrer Lokalheld. Mit seiner Coverband Zia Lisa brachte er während des Lockdowns ein bisschen Italianità und Lebensfreude in die Altstadtgassen. Jetzt betreibt er mit den drei Bandkollegen das Restaurant Traube in Münsingen, eine neue Anlaufstelle für Berner Musik
liebhaber*innen. www.zialisa.ch / www.themagicfive.ch
Wie geht es Dir jetzt, da wieder offiziell Konzerte gespielt und Feste gefeiert werden können? Allmählich gibt es vereinzelt endlich wieder Anfragen für Auftritte. Wir waren aber auch während des Lockdowns oft mit dem Trio Zia Lisa unterwegs in Berns Gassen und haben aus Solidarität für die Leute gespielt, die zu Hause eingesperrt waren. Eine spezielle Erfahrung, so ganz ohne Strom zu spielen, nur mit Kontrabass und zwei akustischen Gitarren.
Wie ist die Traube angelaufen? Es war natürlich ein tollkühnes Unterfangen, während der Pandemie ein Restaurant zu eröffnen. Da der Zins nicht allzu hoch ist, reicht es, noch arbeiten aber alle ehrenamtlich. Unsere Spezialität sind Crêpes – zu Beginn nur im Take-away, inzwischen endlich auch in unserem lauschigen Gärtchen.
Bis jetzt habt Ihr dort mehrheitlich eigene Konzerte gegeben, wie soll sich das Konzept weiterentwickeln? Ab Oktober gibt es im neuen Saal zweimal pro Monat Konzerte. Als ersten Künstler haben wir, am 29.10., jemand aus der Region ge-bucht, und zwar den Münsinger Martin Stadelmann.
SAM MUMENTHALER
Sam Mumenthaler spielt/singt in verschiedenen Berner Bands und schreibt als Chronist, Autor und Journalist Bücher und Artikel zur Schweizer, insbesondere auch zur Berner Musikszene. Seine Website ist die virtuelle Heimat seiner Sammlung mit raren Dokumenten und Hintergrundinfos zur Schweizer Popgeschichte.
www.sams-collection.ch
Welche sind Deine Berner Lieblingsbands und warum? Das wechselt ständig. Ich gehe oft an Konzerte. Wer mich live «abholt», ist meine jeweilige Lieblingsband. Auf meiner ewigen Bestenliste stehen Bands und Musiker*innen, die mich emotional berühren oder aus dem Busch klopfen. Rumpelstilz, Grauzone oder Jeans For Jesus, um
nur drei von ihnen zu nennen. Oder die unvergleichliche Steff La Cheffe. Dann wären da unbedingt noch der grossartige Pop-Alchemist Balduin als ewiger Geheimtipp und Beat-Man Zeller als unermüdlicher Hohepriester der Trashkultur zu erwähnen.
Was hat Dich dazu bewogen, als Musik-Chronist tätig zu werden? Popkultur ist Alltags- und Jugendkultur. Wie die Popmusik in den letzten fast 100 Jahren seit dem Aufkommen des Jazz unseren Alltag beeinflusst und verändert hat, das interessiert mich brennend. Weil es sonst niemand wirklich tut und ich schon immer das Sammler-Gen hatte, bin ich zum Archivar der Szene geworden. Es kann ja nicht sein, dass ein wichtiger Teil unserer Biografien einfach in der Mulde landet. Wichtig ist mir darum auch die Vermittlung der Geschichte und der Geschichten rund um die Schweizer Popmusik.
JAËL
Die Berner Sängerin und Songwriterin Jaël Malli war von 1998 bis 2013 die Leadsängerin der bekannten Band Lunik. Seither war sie in verschiedenen Formationen und als Solokünstlerin unterwegs. Zurzeit tourt sie mit ihrem «Acoustic Trio» und sie lanciert ein Album mit Kindermusik in Berner Mundart – «Sensibeli». www.jaelmusic.ch
Am 11.11.21 kann nun im Kulturcasino Bern endlich die Plattentaufe Deines neusten Albums «Sinfonia» stattfinden. Begleitet wirst Du vom Berner Symphonieorchester Variaton. Ein eindrückliches Projekt. Hast Du nach all den Jahren unterwegs immer noch Lampenfieber? Meistens bin ich vor allem beim ersten Konzert einer Tournee sehr nervös, danach geht es jeweils wieder. Bei diesem einmaligen Konzert im Casino ist es natürlich quasi die Première und Dernière gleichzeitig. Meistens verfliegt das Lampenfieber nach den ersten Klängen auf der Bühne. Was hat Dich dazu inspiriert, ein Album mit Kindermusik zu machen? Im Lockdown verbrachte ich sehr viel Zeit mit meinem Sohn. Er war meine Hauptinspirationsquelle. Aber auch mein Leben und Erleben und meine Erinnerungen ans Aufwachsen als Hochsensitive sind ins Songwriting eingeflossen. Ich fand, es ist an der Zeit, solche Kindermusik zu kreieren, weil sie mir selber fehlte. Sie soll gleichermassen Kinder wie Eltern ansprechen und ein Genuss für alle sein. Familienmusik quasi ...
STEFF LA CHEFFE
Die zweifache Music Awards Gewinnerin Steff la Cheffe aus dem Berner Breitsch veröffentlichte 2010 ihr erstes Album «Bittersüessi Pille» und ist seither fester Bestandteil der Schweizer Musikszene. Die Alben der Schweizer Rapperin und Beatboxerin «Vögu zum Geburtstag» und «Härz Schritt Macherin» schafften es an die Spitze der Schweizer Charts. 2020 erschien ihr viertes Album «PS:».
www.stefflacheffe.ch
Deine letzten Alben waren sehr persönlich und fast zurückhaltend. Mit der Single «Detox» hast Du einen eher düsteren Knaller präsentiert. Die neue Single «Gschleipf» hat hingegen wieder Hitparadenpotenzial. Was reizt Dich an Gegensätzen? Mich reizt Vielfalt, Diversität. Ich mag es, das ganze Spektrum von Gefühlen, Themen und musikalischen Einflüssen auszuloten. Ich finde es spannender, immer wieder Neues auszuprobieren, als ständig das Gleiche zu wiederholen.
Wird es weitere Unplugged-Konzerte geben? Ich bin momentan entweder im Duo mit meinem Gitarristen Benjamin Not unterwegs oder im Trio, zusätzlich mit Chrigel Bosshard an der Perkussion, den Bässen und Backingvocals. Unsere Konzerte sind nicht unplugged, haben aber einen organischen Charakter. Alle Sounds sind handgemacht und live und wir verzichten auf Spuren ab Konserve und Metronom.
Sänger Seven nannte Dich eine «Tischbombe» – ein Kompliment? Ich denke, was Seven mit der Bezeichnung «Tischbombe» gemeint hat, ist die vorhin erwähnte Diversität und das man nie genau wissen kann, was einen als nächstes erwartet. Ich nehme es als ein Kompliment.