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LIEBE SICHERHEIT TROST NOWHERE SPECIAL
NOWhERE SPECIaL
Liebe, Sicherheit, Trost
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John (James Norton) sieht aus wie ein harter Typ: eine Narbe über der Nase, Tattoos bis zum Hals. Er hat gelernt, seine Gefühle zu verbergen, und dass ist ihm in seiner aktuellen Situation sehr wichtig. Der nordirische alleinerziehende Fensterputzer sucht Adoptiveltern für seinen kleinen Sohn Michael, denn John weiß, dass er bald sterben wird. Uberto Pasolinis sensibler, liebevoller Film NOWHERE SPECIAL nimmt uns mit auf den Weg von Vater und Sohn zu vier möglichen Elternpaaren und einer Single-Frau, die sich um die Adoption beworben haben. Hier sind es nicht die großen Momente, die besonders bewegen. Weder die Mitteilung des Arztes über Johns verbleibende Lebenszeit noch sein Tod selbst sind Teil des Films. Dafür zieht die Erzählung in Johns Gedankenwelt und in seine Traurigkeit hinein. In den kurzen Szenen, in denen er die Menschen kennenlernt, bei denen Michael aufwachsen soll, muss er über die Zukunft entscheiden. Die reiche Familie bietet eine gute Ausbildung und den in modernen Gesellschaften kaum möglichen Klassenwechsel an, aber sollte der stille, zarte Michael nach dem Verlust seines Vaters wirklich auf ein Elite-Internat gehen? Die Postbotenfamilie hat schon viele Pflegekinder betreut und es gäbe eine liebevolle große Schwester, aber ist der Vater nicht zu derb? Die dominante Frau, die von Michael den Plüschhasen zurückverlangt, den er von ihrem Mann bekommen hatte und an dem er sich schüchtern festhält – John würde ihr nicht einmal einen Hund anvertrauen. Und doch hat das System sie alle als mögliche Adoptiveltern ausgewählt. Die Sozialarbeiterinnen werden unruhig, die junge Shona, die Johns Fall betreut, riskiert ihren Job, wenn herauskommt, wie viele Regeln sie schon gebrochen hat. Die Zeit läuft davon. Wer bietet genug Liebe, Sicherheit, Trost?
Wirklich berührend sind kleine Beobachtungen: John hält an einem Zebrastreifen und folgt mit seinem Blick einem Jungen, etwas älter als Michael, während der in seiner Schuluniform mit dem Rucksack auf dem Rücken über den Zebrastreifen geht. Er wendet sich im Fahren noch einmal um. Es ist ein innerer Abschied von einer Zukunft seines Sohnes, die John nicht erleben wird. Für Filme wie diesen gibt es den Abspann im Kino: Man kann noch ein paar Minuten im Dunkeln sitzen und sich die Trä-
Großbritannien/Italien 2020 D 96 min D R: Uberto Pasolini D B: Uberto Pasolini D K: Marius Panduru D S: Masahiro Hirakubo, Saska Simpson D M: Andrew Simon McAllister D D: James Norton, Bernadette Brown, Chris Corrigan, Valene Kane D V: Piffl Medien
A Northern Irish window cleaner has cancer and knows he doesn’t have much time left. Before he dies, he wants to find the right adoptive family for his son.
ONLINE FÜR aNFäNgER
Drei gegen das Internet
Benoît Delépine und Gustave Kervern sind die Anwälte des kleines Mannes. In ihrem Erstling Aaltra legen sich zwei Rollis mit einem Landmaschinenkonzern an, LOUISE HIRES A CONTRACT KILLER schickt Yolande Moreau auf Rachefeldzug gegen den Arbeitgeber und in MAMMUTH fährt Gérard Depardieu quer durch Frankreich, um offene Belege einzufordern. In ONLINE FÜR ANFÄNGER sind es nun Nachbarn in einer Reihenhaussiedlung, die sich mit den großen Techkonzernen anlegen. Marie (Blanche Gardin) sieht sich nach durchzechter Nacht mit einer Sextape-Erpressung konfrontiert, der gutgläubige Bertrand (Denis Podalydès) hat sein Geld an Werbeanrufe verloren und Christines (Corinne Masiero) Job bei einem Mietwagenservice steht auf dem Spiel, weil ihr jemand eine 1-Sterne-Bewertung gegeben hat. Gemeinsam ziehen sie in den Krieg gegen das Web 2.0 und fordern Gerechtigkeit und die Freigabe ihrer Daten. Delépine und Kervern erzählen das gewohnt lakonisch mit einer Vorliebe fürs Surreale. So setzt sich Marie gleich zu Beginn zu Christine aufs Sofa vor dem Haus. „Warum hast du deine Möbel rausgestellt?“ – „Na ja, ich erwarte Besuch.“ Woraufhin eine muslimische Gebetsgruppe in ihr Haus pilgert, das sie als Gebetsraum untervermietet. Hinter dem absurden Humor steckt bei dem Regiegespann aber auch immer alltägliche Tragik. Wenn die Sonne untergeht, ist Marie allein. Ihr Sohn lebt bei seinem Vater. Bertrands Tochter wird im Internet gemobbt, Christine hat ihre Arbeit im Atomkraftwerk verloren, weil sie süchtig nach Serien ist. Hinter all dem stehen die enttäuschten Hoffnungen der Gelbwesten-Proteste, für die das Gespann einst auf die Straße ging. Ein kluger, komischer Film, der sich allerdings gerne von Nebensächlichkeiten ablenken lässt. D Lars Tunçay
Originaltitel: Effacer l’historique D Frankreich/Belgien 2020 D 110 min D R: Benoît Delépine, Gustave Kervern D B: Benoît Delépine, Gustave Kervern D K: Hugues Poulain D S: Stéphane Elmadjian D D: Blanche Gardin, Denis Podalydès, Corinne Masiero, Yolande Moreau D V: X Verleih
¢ Start am 28.10.2021
Online trading, cyber bullying, a sex tape gone out of control – three neighbors are having problems with their online lives and decide to go up against the internet giants.
DaIDO MORIyaMa
The Past is always new, the Future is always nostalgic
Tokyo, 2018, mitten in der Verwandlung für die olympischen Spiele. Ein älterer, schwarz gekleideter Mann streift durch die Stadt, mit einer kleinen Kamera am Handgelenk, die er scheinbar zufällig anhebt: mal im großen Abstand zu seinem Gesicht, mal auf Hüfthöhe fängt er das Stadtgeschehen ein. Es ist Daido Moriyama, heute über 80 Jahre alt und weltberühmt als „Pate der japanischen Straßenfotografie“ – eine Legende unter den internationalen Fotografen, seit er 1968 mit dem Bildband „Japan, a Photo Theater“ zur gefeierten Entdeckung wurde. Um die Neuauflage dieses längst vergriffenen Meisterwerks dreht sich Gen Iwamas Dokumentarfilm mit dem bedeutungsschweren Untertitel „The Past is always new, the future is always nostalgic“. Daido Moriyamas Fotografie ist körnig, verschwommen, nicht fokussiert – ist das überhaupt Fotografie, Kunst? Haben die jungen Wilden die alten Meister der Fotografie zurecht vertrieben? Und was sagt die Wiederentdeckung von Moriyama, der sich immer für die Randfiguren der Gesellschaft interessierte, über Japan selbst aus? Mit großer Detailverliebtheit zeigt der Film nicht nur die bekanntesten Aufnahmen Moriyamas – ein Straßenhund mit menschlichen Zügen, eine Frau im Kimono mit rotem Lippenstift und Brustbehaarung -, sondern stellt vor allem den Prozess der Buchproduktion in den Mittelpunkt. Der Film begleitet Verleger und Buchdesigner ab dem ersten Tag, von der Idee über ihre Gespräche mit Moriyama bis hin zur Veröffentlichung bei der Paris Photo, einer der größten Fotografie-Messen der Welt. Der Film beschäftigt sich mit Moriyamas Werdegang und Rezeption, ist aber vor allem eine große Liebeserklärung an die spezifische, kontrastreiche, verwaschene und sehr persönliche Ästhetik des
Fotografen. D Anna Hantelmann ¢ Start am 28.10.2021
Daido Moriyama is over 80 years old and is considered the “godfather of Japanese street photography”. The film accompanies the production of a reissue of his out of print masterpiece “Japan, a Photo Theater” from 1968, which was Moriyama’s breakthrough. Deutschland 2020 D 120 min D R: Sönke Wortmann D B: Doron Wisotzky D K: Holly Fink D S: Martin Wolf D M: Martin Todsharow D D: Nilam Farooq, Christoph Maria Herbst, Hassan Akkouch, Ernst Stötzner, Meriam Abbas D V: Constantin Film Verleih
A student with Arab roots and a racist professor have to work together. A remake of the French comedy LE BRIO.
CONTRa
Rassistischer Prof
So einen richtigen Plan hat Naima (Nilam Farooq) noch nicht. Sicher ist nur, sie möchte studieren und etwas Besseres mit ihrem Leben anfangen als ihr kleinkrimmineller Bruder und ihre Mutter, mit denen sie in einem Plattenbau in Frankfurt lebt. Doch das Leben zwischen Studium und Familie ist nicht einfach unter einen Hut zu bringen, und als Naima ausgerechnet am ersten Tag zu spät in die Vorlesung von Professor Pohl (Christoph Maria Herbst) kommt, beleidigt er sie vor versammelter Studierendenschaft mit rassistischen Sprüchen. Naima fühlt sich herausgefordert und meldet sich für den Debattierwettbewerb an, um Pohl zu beweisen, dass sie mehr ist als seine Ressentiments. In Zeiten von Social Media dauert es aber nicht lange und ein Video seiner Sprüche landet im Netz. Pohl wird zum Direktor zitiert und dazu verdonnert, Naima bei dem Wettbewerb zu helfen. Die Geschichte mag bekannt vorkommen, basiert sie doch auf DIE BRILLANTE MADEMOISELLE NEÏLA von Yvan Attal aus dem Jahr 2018. Wie bereits äußerst erfolgreich bei DER VORNAME geschehen, nahm Sönke Wortmann die französische Vorlage und adaptierte sie gemeinsam mit Drehbuchautor Doron Wisotzky (SCHLUSSMACHER) für ein deutsches Publikum. Dabei ist das Thema Diskriminierung durchaus geschickt auf zweierlei Ebenen präsent. Wisotzky, der in Frankfurt aufwuchs, behandelt die Alltagsrealität von Menschen mit Migrationshintergrund ebenso wie die von Frauen im akademischen Umfeld. Daneben bringt er mit Elementen wie der „Kartoffelparty“ zur Feier der deutschen Staatsangehörigkeit einige eigene Ideen in die deutsche Version, setzt am Ende aber vor allem auf einen publikumswirksamen Plot. Christoph Maria Herbst glänzt nach „Stromberg“ erneut als chauvinistisches Arschloch. Getragen wird der Film aber von der „Soko Leip-
zig“-Kommissarin Nilam Farooq. D Lars Tunçay ¢ Start am 28.10.2021
A documentary about Martin Miller and his mother Alice Miller, the author of “The Drama of the Gifted Child”, and their complex relationship.
WhO’S aFRaID OF aLICE MILLER?
Familienanalyse Alice Miller, die Psychoanalytikerin und Autorin, die der westlichen Welt beibrachte, dass Kindesmisshandlung dauerhafte Verletzungen zur Folge hat, Alice Miller, die großen Anteil daran hatte, dass in den achtziger Jahren endlich ein Bewusstsein für den sexuellen Missbrauch von Kindern entstand, sah über Jahre zu, wie ihr Sohn Martin vom Vater geschlagen wurde. Martin Miller, selbst Psychotherapeut, diagnostiziert bei seiner Mutter eine tiefe Spaltung: In ihren Büchern erklärte sie der Welt, dass es kindliche Seelen zu respektieren gilt. In ihrem Leben ignorierte sie die von Andrzej Miller ausgeübte Gewalt gegen den Sohn. Im Film WHO IS AFRAID OF ALICE MILLER sucht Martin Miller gemeinsam mit der Psychotherapeutin Irenka Taurek, einer Cousine Alice Millers nach der Ursache für die psychische Grausamkeit seiner Mutter, die den Sohn in Briefen sogar mit Adolf Hitler verglich. Der Dokumentarfilm ist spannender, erschütternder und erhellender als die meisten Familiendramen, in denen lange gehütete Geheimnisse gelüftet werden – vielleicht auch, weil das halbe Personal aus Psychoanalytikern besteht. Der Jüdin Alice Miller, 1925 in Polen geboren, gelang es mit gefälschten Papieren den Holocaust in direkter Nachbarschaft zur Gestapo wohnend zu überleben, und dank ihrer Kontakte auch ihren Geliebten Janek, ihre Schwester, eine Tante und einen Onkel aus dem Ghetto zu befreien. Die Eltern wurden ermordet. Ihren Mann bezeichnete sie ihn Briefen als ihren „Peiniger“ und „Verfolger“. Waren ihre Bücher der positive Ausdruck einer verdrängten Gewalterfahrung, und war ihre Ignoranz gegenüber Martins Leiden der Ausdruck einer unbewussten Projektion, oder war da noch mehr? D Tom Dorow ¢ Start am 28.10.2021
hERE WE MOVE, hERE WE gROOVE
Seit mehr als zwei Jahrzehnten ist Robert Soko mit seinen „Balkan Beats“ als DJ Soko unterwegs. Mit 19 kam er aus Bosnien nach Berlin, kurz nach dem Fall der Mauer und noch vor dem Krieg in seiner Heimat. Er verdingte sich als Taxifahrer. Am Steuer begann seine Karriere als DJ. Gegen das Heimweh begann er, Balkanmusik für die Taxigäste aufzulegen. Das Berliner Lido wurde sein zweites Zuhause. Jetzt, dreißig Jahre später, ist er auf der Suche nach neuen Klängen und musikalischen Mitstreiter*innen aus aller Welt. Also steigt er in seinen Mercedes und fährt an den Balkan …
Niederlande 2020 D 91 min D R: Sergej Kreso
uTa
Malerei, Bildhauerei, Performance oder Musik, auf das Medium kommt es Uta nicht an. Die 70-jährige Berliner Künstlerin nutzt, was je nach Situation am besten zu ihr passt. „Ich wollte nie ein blinder Sänger sein, schon gar keine blinde Sängerin“, singt Uta, doch nun ist sie es, und eine begnadete dazu. Mit ihrem Akkordeon steht sie mal auf der Kleinkunstbühne, mal allein als Straßenmusikerin in der Fußgängerzone, sie spielt, auch wenn ihr die Finger abfrieren. Viel kommt dabei nicht herum, doch: „Das hat mich nie gestört. Und Armut würde ich das auch nicht nennen.“
DaS gLÜCK zu LEBEN
Inspiriert von Éva Fahidis Autobiografie „Die Seele der Dinge“, in der sie auch über das Trauma erzählt, als einziges Mitglied ihrer fünfzigköpfigen Familie Auschwitz überlebt zu haben, hat die Regisseurin Réka Szabo mit der heute 90-Jährigen und der Tänzerin Emese Cuhorka eine Tanzperformance entwickelt. Die Probenarbeit mit der jüngeren Tänzerin und die Erinnerungen bringen Fahidi körperlich und emotional an ihre Grenzen. Doch während der drei Monate, die der Film die Proben begleitet, entwickeln sich ganz neue Verbindungen zwischen den drei Beteiligten.
¢ Start am 30.9.2021
Originaltitel: A létezés eufóriája D Ungarn 2019 D 83 min D R: Réka Szabó
WagNER, BayREuTh uND DER REST DER WELT
Wagnerianer – die Punks unter den Klassikhörer*innen. So versucht lachend eine Anhängerin ihre Faszination für der Musik des deutschen Komponisten in Worte zu fassen. In 40 Ländern gibt es gut vernetzte Wagnervereine, die sich mit einer Leidenschaft für die Aufführung ihres Komponisten einsetzen, die in der Welt der Klassik einzigartig ist. Axel Brüggemann versucht ein vielschichtiges Porträt der weltweiten Fangemeinde zu zeigen: von Musikstudent*innen in Tokio über Gospelchöre in New Jersey bis zum Vorsitzenden des Wagnervereins in Tel Aviv.
¢ Start am 28.10.2021
Deutschland 2021 D 98 min D R: Axel Brüggemann
Mario fällt auf. Er tanzt, liebt Disco-Musik und lackiert sich die Nägel. Die Südtiroler Dorfgemeinschaft toleriert ihn. Beliebt ist er aber nicht. Ganz anders der schöne Lenz, Marios bester Freund und Winzersohn, der in Wien Schauspiel studiert und bald nach Rom zieht. Lenz hat was Mario will. Ein bisschen Neid ist da, aber auch Vertrautheit, die über Freundschaft hinausgeht. Als Lenz ins Dorf zurückkehrt, beschließt Mario, mit ihm nach Rom zu gehen. Dort werden die beiden in einem Queer-Club Opfer eines islamistischen Anschlags. Lenz stirbt. Mario, überlebt und kann es nicht ertragen. Er kehrt allein ins Dorf zurück und alles gerät aus den Fugen, bis er Nadim trifft. Ein ehemaliger Mitschüler und Moslem.
Die Südtiroler Regisseurin Evi Romen schüttelt ein Potpourri an Themen aus. Sexuelle Identität, religiöser Terror, Survivor-Guilt, Rassismus, Sucht. Das könnte zu viel sein, ist es aber nicht. Mit Feingefühl erweitert sie das thematische Spannungsfeld. So erzählt sie fast nebenbei Marios prekäre Situation. Er lebt von Aushilfsjobs und zahlt nach einem Dreier mit Lenz und Dorf-Beauty Claudia Alimente an ein Kind, zu dem er keine Beziehung hat. Für Mario scheint das Leben immer gleich Krise. Romen stellt ihm aber Verbündete bei. Den Vater, Nadim, Lenz und den Tanz. Neben der Originalmusik von Florian Horwarth ist der tragende Song vom französisch-libanesischen Schlagerstar Ricky Shayne, der in den 1960ern als melancholischer Rock’n’Roller in Italien und Deutschland Karriere machte. 2019 setzte Stephan Geene dem fast vergessenen Sänger ein gefeiertes filmisches Denkmal. Dass Mario Shayne-Fan ist, ist ein schöner Kniff. Und die Perspektive Romens zeigt: Sie ist Fan von Mario. Das und die Besetzung machen Hochwald eindringlich und berückend. Dafür gab es den Großen Diagonale Preis und für Hauptdarsteller Thomas Prenn den Österreichischen Filmpreis. D Clarissa Lempp
¢ Start am 7.10.2021
Österreich/Belgien 2020 D 108 min D R: Evi Romen D B: Evi Romen D K: Martin Gschlacht, Jerzy Palacz D S: Karina Ressler D M: Florian Horwath D D: Thomas Prenn, Noah Saavedra, Josef Mohamed, Kida Khodr Ramadan D V: Edition Salzgeber Mario‘s friend Lenz dies in an islamist terrorist attack in Rome. In Mario‘s South Tyrol home village, Nadim, a former classmate and Muslim, is Mario‘s ally. The film explores sexual identity, religious terrorism, survivor guilt, addiction, and racism.
hOChWaLD
Leben gleich Krise
Deutschland/Großbritannien/Österreich 2021 D 89 min D R: Franz Böhm D K: Friedemann Leis D S: Daniela Schramm Moura D M: Hannes Bieber, Leonard Küßner D V: Camino
Filmmaker Franz Böhm and his team accompanied three activists on three continents in DEAR FUTURE CHILDREN: Rayan (22) fights for more equality in Chile, Hilda (22) founded Fridays for Future Uganda, and “Pepper” demonstrates for more democratic rights in Hong Kong.
DEaR FuTuRE ChILDREN
Mutige Aktivistinnen
Nicht nur in Schweden und Deutschland engagieren sich intelligente, selbstbewusste junge Frauen wie Greta Thunberg oder Luisa Neubauer. Weltweit gehen sie für mehr Klimaschutz, Gerechtigkeit und Demokratie auf die Straße. Filmemacher Franz Böhm und sein Team begleiten in DEAR FUTURE CHILDREN drei Aktivistinnen auf drei Kontinenten. In Santiago de Chile kämpft die 23-jährige Rayen für mehr Chancengleichheit, auch für ihre zukünftigen Kinder. Obwohl Chile als reichstes Land Lateinamerikas gilt, spalten niedrige Löhne und Renten und die große Kluft zwischen Arm und Reich das Land, dessen Verfassung noch unter Diktator Pinochet entstand. Rayen protestiert trotz teils massiver Polizeigewalt für ein gerechteres System. Hilda, 22, lebt in Uganda und bekam dort die Folgen der Klimakrise unmittelbar zu spüren. Auf der Plantage ihrer Eltern vertrockneten die Pflanzen, und als der ersehnte Regen kam, rissen heftige Wassermassen alles mit sich. Hildas Eltern mussten ihr Land verkaufen, die Familie verlor wie viele andere ihr Zuhause. Hilda konnte monatelang nicht zur Schule gehen. Heute macht sie sich als Gründerin von Fridays for Future Uganda für das Klima stark. Die 22-jährige „Pepper“, die in Hongkong geboren und dort mit demokratischen Werten aufgewachsen ist, setzt sich gegen die politische Einflussnahme Chinas ein. Dafür nimmt sie große Risiken in Kauf und führt ein Doppelleben. Böhm porträtiert die drei mutigen jungen Frauen, beleuchtet ihre Beweggründe und Zweifel und ergänzt seinen aufrüttelnden Film durch Bilder der Proteste und Ausschnitte aus den Nachrichten. Rayen, Hilda, Pepper und ihre Mitstreiter*innen zeigen, dass die Generation der um das Jahr 2000 Geborenen rund um den Globus demonstriert, für ihre Rechte kämpft – und nicht lockerlassen wird. D Stefanie Borowsky
¢ Start am 14.10.2021 Deutschland 2021 D R: Nana Neul D B: Lucy Fricke, Nana Neul D K: Bernhard Keller D S: Stefan Stabenow D D: Alexandra Maria Lara, Birgit Minichmayr, Josef Bierbichler D V: Warner Bros.
Martha and Betty, two best friends with difficult fathers, drive Martha’s father towards Switzerland where he wants to be euthanized.
TÖChTER
Berlinerinnen, planlos
Betty (Birgit Minichmayr) ist gerade dabei, sich in einer italienischen Kirche danebenzubenehmen, da erreicht sie ein Anruf ihrer besten Freundin Martha (Alexandra Maria Lara) aus Berlin. Sie soll dringend zurückkommen, um gemeinsam mit Martha deren verkrachten, kettenrauchenden Vater Kurt (Josef Bierbichler) in Dortmund abzuholen und die beiden dann mit Kurts altem Golf in die Schweiz zu fahren, wo der Vater vorgeblich einen Termin bei der Sterbehilfe-Organisation Exit hat. Denn Kurt hat Krebs. Die Stimmung im Auto ist mäßig. Kurt hustet und röchelt auf dem Rücksitz und gibt seine Meinung zum Leben im Allgemeinen „Ich brauche keine Freunde. Freunde brauchst du für die guten Zeiten. Das Leid wird immer nur verdoppelt.“ und zur Emanzipation im Besonderen „Wer hat denn die ganzen Latzhosen finanziert!“ zum Besten. Martha kurbelt betont genervt das Fenster runter und ist ständig kurz davor, ihn rauszusetzen und das Vater-Tochter-Ding ein für alle Mal zu beenden. Betty fährt und teilt sich mit Kurt Zigaretten. Die lange, genervte Autofahrt gen Süden gehört zu den besten Momenten des Films. Später dann, als Kurt anstatt sich das Leben zu nehmen eine alte Flamme in Italien aufgesucht hat – was, wie sich herausstellt, von Anfang an der Plan war - und Martha und Betty zunächst gemeinsam, dann getrennt weiter durch Italien mäandern, diesmal auf der Suche nach Bettys vorgeblich verstorbenem Stiefvater, verläuft sich die Erzählung. Während der Plot – gleichzeitig zu lose und zu vertraut – zu wünschen übriglässt, bleiben Betty und Martha durchweg angenehm neurotisch und verpeilt. Nur sehr langsam weicht die südliche Sonne den mauligen und dabei doch irgendwie lässigen Großstadthabitus der beiden auf, der auch an ein etwas weniger hippes Berlin
erinnert. D Hendrike Bake ¢ Start am 7.10.2021