INDIEKRITIKEN
Nowhere Special Liebe, Sicherheit, Trost
Großbritannien/Italien 2020 D 96 min D R: Uberto Pasolini D B: Uberto Pasolini D K: Marius Panduru D S: Masahiro Hirakubo, Saska Simpson D M: Andrew Simon McAllister D D: James Norton, Bernadette Brown, Chris Corrigan, Valene Kane D V: Piffl Medien
John (James Norton) sieht aus wie ein harter Typ: eine Narbe über der Nase, Tattoos bis zum Hals. Er hat gelernt, seine Gefühle zu verbergen, und dass ist ihm in seiner aktuellen Situation sehr wichtig. Der nordirische alleinerziehende Fensterputzer sucht Adoptiveltern für seinen kleinen Sohn Michael, denn John weiß, dass er bald sterben wird. Uberto Pasolinis sensibler, liebevoller Film NOWHERE SPECIAL nimmt uns mit auf den Weg von Vater und Sohn zu vier möglichen Elternpaaren und einer Single-Frau, die sich um die Adoption beworben haben. Hier sind es nicht die großen Momente, die besonders bewegen. Weder die Mitteilung des Arztes über Johns verbleibende Lebenszeit noch sein Tod selbst sind Teil des Films. Dafür zieht die Erzählung in Johns Gedankenwelt und in seine Traurigkeit hinein. In den kurzen Szenen, in denen er die Menschen kennenlernt, bei denen Michael aufwachsen soll, muss er über die Zukunft entscheiden. Die reiche Familie bietet eine gute Ausbildung und den in modernen Gesellschaften kaum möglichen Klassenwechsel an, aber sollte A Northern Irish window cleaner has cancer and knows he doesn’t have much time left. Before he dies, he wants to find the right adoptive family for his son.
Termine unter www.indiekino.de
der stille, zarte Michael nach dem Verlust seines Vaters wirklich auf ein Elite-Internat gehen? Die Postbotenfamilie hat schon viele Pflegekinder betreut und es gäbe eine liebevolle große Schwester, aber ist der Vater nicht zu derb? Die dominante Frau, die von Michael den Plüschhasen zurückverlangt, den er von ihrem Mann bekommen hatte und an dem er sich schüchtern festhält – John würde ihr nicht einmal einen Hund anvertrauen. Und doch hat das System sie alle als mögliche Adoptiveltern ausgewählt. Die Sozialarbeiterinnen werden unruhig, die junge Shona, die Johns Fall betreut, riskiert ihren Job, wenn herauskommt, wie viele Regeln sie schon gebrochen hat. Die Zeit läuft davon. Wer bietet genug Liebe, Sicherheit, Trost? Wirklich berührend sind kleine Beobachtungen: John hält an einem Zebrastreifen und folgt mit seinem Blick einem Jungen, etwas älter als Michael, während der in seiner Schuluniform mit dem Rucksack auf dem Rücken über den Zebrastreifen geht. Er wendet sich im Fahren noch einmal um. Es ist ein innerer Abschied von einer Zukunft seines Sohnes, die John nicht erleben wird. Für Filme wie diesen gibt es den Abspann im Kino: Man kann noch ein paar Minuten im Dunkeln sitzen und sich die Tränen trocknen. D Tom Dorow ¢ Start am 7.10.2021 OKTOBER 2021 D
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