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KINOHIGHLIGHTS

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INTERFILM & KUKI

Das Interfilm Festival hat sich auch 2021 für ein hybrides Angebot entschieden: Vom 16.–21.11. findet Berlins ältestes und größtes Kurzfilmfestival vor Ort statt. Vom 17.11.–13.12. können ausgewählte Programme in vier unterschiedlichen Wochen-Paketen online geschaut werden. Insgesamt 400 Produktionen wurden in über 50 Programme sortiert. Besonderen Spaß macht immer ein Blick auf die Spezialprogramme, die den internationalen und nationalen Wettbewerb flankieren. Neben Klassikern wie „Green Film Wettbewerb“ oder „Die lange Nacht des abwegigen Films“, versammelt das Programm „Reality Bites“ Filme im Grenzbereich von Dokumentarischem und Fiktion, zeigt „Queer Fever“ Kurzfilme über Liebe und Identität in allen Facetten, nehmen sich in „Genre Now! Slashing the Patriarchy“ Regisseurinnen des Slasherfilms an, und untersucht „Mensch Maschine“ die Zukunft der künstlichen Intelligenz. Länderprogramme sind Ungarn, China und Myanmar gewidmet, und das Programm „Girls* Riot“ haben Teenagerinnen kuratiert. Wie immer haben die Kinderfilm-Programme mit dem KUKI ihr eigenes Festival. Bereits im Vorfeld, ab dem 10.11. läuft der von der Heinrich Böll Stiftung ausgelobte „Eyes Wide Open Online Award“, bei dem das Publikum über neun „gesellschaftspolitische“ Filme abstimmen kann. Die Filme gibt es online zu sehen und der Eintritt ist frei. interfilm.de

¢ Interfilm im Kino: 16.–21.11. ¢ Interfilm online: 17.–13.11. auf interfilm.de/sooner

Originaltitel: Otac D Serbien/Kroatien/Deutschland 2020 D 120 min D R: Srdan Golubović D B: Srdan Golubović, Ognjen Sviličić D K: Aleksandar Ilić D S: Petar Marković D D: Goran Bogdan, Boris Isaković, Nada Sargin, Milica Janevski, Muharem Hamzić D V: barnsteiner-film

VATER – OTAC

Zu Fuß nach Belgrad

Nikola ist ein Mann um die 40. Sein Aussehen spiegelt die Armut wider, in der er und seine Familie leben. Seine Kleidung ist abgetragen. Seine Fingernägel sind dreckig von der Arbeit als Tagelöhner. Emotionslos hält er seinen Kopf meist gesenkt. Doch trifft sein eindringlicher Blick die Kamera, erkennt man seine Trauer und Verzweiflung, aber auch seine Hartnäckigkeit. Als ihm das korrupte Jugendamt seine beiden Kinder wegnimmt, beschließt er, nach Belgrad zu gehen, um dort Beschwerde einzulegen. 300 Kilometer zu Fuß, denn er hat weder ein Auto noch Geld für den Bus. Das Unterwegssein bestimmt von da an die Handlung. VATER wird zum klassischen Roadmovie. Sein Weg führt Nicola durch die serbische Pampa. Sinnbildlich für die vergessene Peripherie Europas kommt er an ärmlichen Dörfern, stillgelegten Fabriken und verlassenen Häusern vorbei. Immer wieder geht er neben schnellbefahrenen Straßen entlang, wo das laute Brummen der Motoren verheißungsvoll in die moderne Hauptstadt weist. Oder er wandert wie im Western durch menschenleere, karge Landschaften, die die soziale Rohheit und seine Einsamkeit widerspiegeln. Flüchtig begegnet Nikola etlichen Menschen unterwegs. Die meisten haben nicht viel mehr als er selbst. Einige helfen ihm kurzfristig mit einer Mitfahrgelegenheit oder einem Schlafplatz, andere versuchen ihn auszurauben. In der Summe erschrecken jedoch Indifferenz und Tatenlosigkeit der Menschen. Und Nikola bleibt der Willkür der Obrigkeit machtlos ausgeliefert. Auf diese Weise zeichnet der Gewinner des Panorama-Publikumspreises der Berlinale 2020 ein drastisches Sittenbild einer tief zerrütteten post-jugoslawischen Gesellschaft, die geprägt ist von Arbeitslosigkeit, Armut, Korruption und fehlender Solidarität. D Nina Linkel

¢ Start am 2.12.2021

When the corrupt youth welfare office take away both of his children, Nicola decides to go to Belgrade to file a complaint. He‘s going 300 kilometers by foot, since he neither has a car nor the money for a bus.

SING ME A SONG

2013 hatte der französische Filmemacher Thomas Balmès in seinem Film HAPPINESS den damals acht Jahre alten Mönch Peyanki porträtiert, für den das Internet damals völlig neu war. In SING ME A SONG ist Peyanki ist sechzehn, und das Smartphone ist sein ständiger Begleiter. Über die Plattform WeChat hat er die junge Nguen kennengelernt und sich in sie verliebt. Peyanki verkauft medizinische Pilze, um das Geld für eine Reise in die Hauptstadt Timphu zu verdienen, wo Nguen in einer Bar arbeitet. Eine traurige Liebesgeschichte. ¢ Start am 9.12.2021

Frankreich/Deutschland 2019 D 100 min D R: Thomas Balmes

KRIEG UND FRIEDEN (1966)

Viel monumentaler als Sergei Bondartschuks Verfilmung von KRIEG UND FRIEDEN geht es kaum noch. Der fast acht Stunden lange Film war der teuerste in der Sowjetunion produzierte Film und gewann einen Oscar als bester fremdsprachiger Film. Das explizite Ziel der Produktion war es, die US-Produktion von 1959 zu übertreffen. Tausende Soldaten der Roten Armee kamen als Statisten zum Einsatz, der Film wurde 70mm-Material gedreht. Ins Kino kommt jetzt eine restaurierte digitale Fassung. Es wird

bombastisch. ¢ Start am 18.11.2021

UdSSR 1966 D 492 min D R: Sergej Bondartschuk D D: Lyudmila Savelyeva, Vyacheslav Tikhonov, Viktor Stanitsyn, Kira Golovko, Oleg Tabakov

EIN FESTTAG

Zeit des Umbruchs

Die britische Countryside 1924, kurz nach dem Ende des großen Krieges. Das Land und die Menschen sind gezeichnet, gleich welcher Klasse sie angehören. Jeder hat irgendwen verloren. Die Verbliebenen rücken näher zusammen. So ist es auch bei den Adelsfamilien. Die Nivens und die Sheringhams haben vier Söhne an den Krieg verloren. Verblieben ist Paul Sheringham (Josh O’Connor), der mit Emma (Emma D’Arcy) vermählt werden soll, um die Familientradition fortzuführen. Doch Paul ist seit Kindheitstagen mit Jane (Odessa Young) zusammen, einem Waisenmädchen, das als Dienstmagd im Hause Niven angestellt ist. Während die Familien und Pauls zukünftige Ehefrau am Muttertag bei einem Picknick zusammenkommen, trifft sich Paul mit Jane. Doch der Tag wird ein schicksalhafter Wendepunkt für alle Beteiligten. Der Roman von Graham Swift aus dem Jahr 2016 fängt die Leere jener Zeit ein, in der auch bereits die BBC-Serie „Downton Abbey“ angelegt war. Der Adel verliert an Bedeutung und klammert sich an Traditionen auf der Suche nach Halt in einer Zeit des Umbruchs. Doch die Welt hat sich längst weitergedreht. Eine tiefe Melancholie liegt auf Eva Hussons Verfilmung des Romans, der von Alice Birch (LADY MACBETH) adaptiert wurde. Inmitten der betäubenden Trauer steht ein Liebespaar. Paul und Jane sind füreinander bestimmt, ihre Liebe hat jedoch keine Zukunft. Erzählt wird ihre Geschichte aus der Perspektive von Jane, nuanciert verkörpert von Odessa Young (SHIRLEY). In den Nebenrollen versinnbildlichen Olivia Colman und Colin Firth als nun alleinstehendes Ehepaar Niven eindrucksvoll jenes Trauma, das der Krieg in den Menschen zurückgelassen hat. Jamie Ramsay fängt das Drama in sinnlichen Bildern ein. Der Sommer bricht an, die Welt steht offen. Doch am Horizont ziehen bereits dunkle Wolken auf.

Originaltitel: Mothering Sunday D Großbritannien 2021 D 120 min D R: Eva Husson D B: Alice Birch D K: Jamie Ramsay D S: Emilie Orsini D M: Morgan Kibby D D: Odessa Young, Josh O’Connor, Olivia Colman, Colin Firth D V: Tobis Film

Great Britain, 1924. The Niven family lost four boys to the war. Their last son, Paul, is about to get engaged with a girl of their circle. He meets for the last time with Jane who he truly loves.

ÜBER UNS Das INDIEKINO MAGAZIN erscheint alle ein bis zwei Monate und bietet einen Überblick über Neustarts, Festivals und Wiederaufführungen. Unser Herz gehört dem unabhängigen Film und dem unabhängigen Kino.

KINOS Das INDIEKINO MAGAZIN ist bundesweit in folgenden Kinos erhältlich:

Alpirsbach: Subiaco Kino Bamberg: Lichtspiel, Odeon Berlin: Acud Kino, b-ware!ladenkino, Bali Kino, Brotfabrik Kino, Bundesplatz-Kino, City Kino Wedding, Eva-Lichtspiele, filmkunst66, Filmrauschpalast, FLB Weissensee, FLK Friedrichshagen, FLK Hasenheide, FLK Insel, fsk-Kino, Hackesche Höfe Kino, Hofkino, Il Kino, Kino Krokodil, Mobile Kino, Sputnik Kino, Tilsiter Lichtspiele, Union Filmtheater, Wolf Kino, Xenon Kino, Z-inema, Zukunft Bielefeld: Lichtwerk im Ravensberger Park, Kamera Filmkunsttheater Bonn: Kino in der Brotfabrik, Neue Filmbühne, Rex Filmtheater Bremen: Atlantis Filmtheater, Gondel Filmtheater, Schauburg Chemnitz: Kino Metropol Dießen am Ammersee: Kinowelt am Ammersee Dresden: Filmgalerie Phase IV Enkenbach-Alsenborn: Provinz Programmkino Erfurt: Kinoclub Erfurt Essen: Essener Filmkunsttheater Fellbach: Orfeo-Programmkino Frankfurt: Mal Seh’n Kino Freudenstadt: Subiaco Kino im Kurhaus Fürstenfeldbruck: Lichtspielhaus Fürstenfeldbruck Göttingen: Lumière Halle: Luchs Kino am Zoo, Puschkino Hamburg: Studio-Kino, Blankeneser Kino, Die Koralle, Elbe Theater Heilbronn: Kinostar-Arthaus Hillesheim: Eifel Filmbühne Kaiserslautern: Union-Studio für Filmkunst Kassel: Bali, Gloria, Filmladen Kiel: Traumkino Koblenz: Apollo Odeon Köln: Filmpalette, Lichtspiele Kalk, Odeon Kino, OFF Broadway, Weisshaus Kino Lich: Kino Traumstern Ludwigsburg: Caligari Kino, Luna Lüneburg: Scala Programmkino München: Arena, Monopol Münster: Cinema Münster Nürnberg: Casablanca Filmkunsttheater Oberhausen: Kino im Walzenlager Ochsenfurt: Casablanca Kino Oldenburg: Cine k Pforzheim: Cineplex Pforzheim, Kommunales Kino, Rex Filmpalast Rendsburg: Kommunales Kino e.V., Schauburg Rottweil: Central Kino Schneverdingen: LichtSpiel Schneverdingen Schramberg: Subiaco Kino Templin: Multikulturelles Centrum Weimar: Kommunales Kino mon ami

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ABONNEMENT Sie können das INDIEKINO MAGAZIN per Post direkt nach Hause bekommen. Eine Bestellung ist online möglich: www.indiekino-shop.de

IMPRESSUM

Herausgeber: INDIEKINO BERLIN UG (haftungsbeschränkt) Rudolfstr. 11, 10245 Berlin Telefon: 030 – 209 897 24, info@indiekino.de, www.indiekino.de Geschäftsführung: Hendrike Bake Redaktion: Hendrike Bake, Thomas Dorow redaktion@indiekino.de Filmtexte: Thomas Abeltshauser, Hendrike Bake, Yorick Berta, Stefanie Borowsky, Tom Dorow, Anna Hantelmann, Lili Hering, Christian Klose, Clarissa Lempp, Elinor Lewy, Nina Linkel, Claus Löser, Michael Meyns, Harald Mühlbeyer, Pamela Jahn, Toni Ohms, Hannes Stein, Eva Szulkowski, Lars Tunçay Texte Kinohighlights: INDIEKINO MAGAZIN und Kinos Grafik: Michael Zettler, Nora Wiesner (Zett Media) Akquise/Marketing: Hendrike Bake, info@indiekino.de Druck: Bonifatius Druck, Paderborn Auflage: 25.000 Bildnachweis: Filmbilder/Plakatmotive: Filmverleiher/Filmfestivals Frame by Frame (S. 9): Deutsche Kinemathek - Museum für Film und Fernsehen Kurzfilmtag (S. 9): AG Kurzfilm e.V. / Kurzfilmnacht Augustusburg, Fotograf: Konrad Behr Interfilm (S. 56/57): interfilm Berlin Der Kampf ums Dach über dem Kopf (S. 60)

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