INDIEKINO MAG #24, Januar/Februar 2023

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INDIEFEATURE

The Banshees of Inisherin Existentialistisches Märchen

An einem märchenhaften Regenbogen und einer Madonnastatue vorbei läuft Pádraic (Colin Farrell) über eine sehr grüne irische Insel zum Meer, wo sein Freund Colm in einem alleinstehenden weißen Häuschen wohnt. Er klopft. Nichts. Er schaut durchs Fenster. Das Grammophon läuft. Colm (Brendan Gleeson) ist offenbar da, rührt sich aber nicht. Pádraic ruft „Ich geh dann schon mal vor“, geht zum Pub und bestellt zwei Guinness. Eins für sich und eins für seinen Freund Colm. Wie immer. Doch Colm ist nicht mehr sein Freund, und die einzige Erklärung, die er später dafür abgibt, während der wortkarge Chor der Männer im Pub zuschaut, ist „Ich mag dich einfach nicht mehr.“ THE BANSHEES OF INISHERIN spielt nominell im Jahr 1923 auf der abgelegenen (fiktionalen) Insel Inisherin. Gelegentlich machen Nachrichten vom Bürgerkrieg auf dem Festland die Runde, aber eigentlich beschäftigt die Menschen hier das nächste Bier, die Musik, ihre Tiere, ein bisschen Tratsch und die existentielle Einsamkeit, die jeden hier befallen zu haben scheint. Aber das Dilemma, das Pádraic und Colm betrifft, ist zeitlos, und McDonaghs Erzählweise so allgemein gehalten und zugleich so D 16

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idiosynkratisch, dass die Story sich wie eine Art Volksmärchen anfühlt, mit Archetypen, die McDonagh für diesen Zweck erfunden hat. Nach Colms Ankündigung macht Pádraic Phasen einer schweren Trennung durch: Auf Ungläubigkeit folgt Wut, zumal als er von seiner Schwester erfährt, dass Colm ihn schlichtweg langweilig findet und seine verbleibende Lebenszeit lieber dem Komponieren widmen möchte, als mit Pádraic über die Verdauung seines Esels zu plaudern. Pádraic versucht so zu tun, als ob nichts wäre und er versucht es mit Konfrontation, bis Colm ihm ein Ultimatum stellt: Für jeden Versuch von Pádraic, mit ihm Kontakt aufzunehmen, wird er sich einen Finger seiner Geigenhand abhacken. Und, wie vom Regisseur von BRÜGGE SEHEN … UND STERBEN? und THREE BILLBOARDS OUTSIDE EBBING, MISSOURI nicht anders zu erwarten, setzt er die Ankündigung um. Die lakonische Grausamkeit der Figuren im Umgang mit sich selbst und miteinander gehört zu McDonaghs Markenzeichen. Bisher wirkte sie manchmal willkürlich, wie pure Lust an der Grenzüberschreitung, ein Gag unter Jungs, politisch bisweilen


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