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KINOHIGHLIGHTS
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DEr BESTE FILm ALLEr zEITEN: JEANNE DIELmAN, 23, QUAI DU COmmErCE, 1080 BrUXELLES
Seit 1952 hält die vom British Film Institute herausgegebene Filmzeitschrift „Sight and Sound“ alle zehn Jahre unter Filmjournalist*innen, Kurator*innen, Filmwissenschaftler*innen und Filmemacher*innen eine Umfrage nach den besten Filmen aller Zeiten ab, aus denen der Filmkanon der „100 besten Filme aller Zeiten“ generiert wird. Mindestens für den englischsprachigen Raum ist die Sight and Sound-Liste die wichtigste und bekannteste Leitlinie für wichtige Filme. 1952 befand sich Vittorio de Sicas neorealistischer Film Fahrraddiebe, damals gerade vier Jahre alt, auf Platz 1. Über 50 Jahre lang regierte ab 1962 Orson Welles’ CITIZEN KANE die Liste. Erst 2012 lösten Alfred Hitchcocks Vertigo in der „Critic’s Poll“ bzw. Yasuhiro Ozus TOKYO MONOGATARI (Die Reise nach Tokyo) in der „Director’s Poll“ Welles’ technisch brillanten Klassiker ab. Die „Sight and Sound Poll 2022“ ist gerade erschienen, und zum ersten Mal steht ein Film einer Frau auf der Spitzenposition: Chantal Akermans JEANNE DIELMAN, 23, QUAI DU COMMERCE, 1080 BRUXELLES. Akermans Film, mit einer Laufzeit von knapp dreieinhalb Stunden, war selten im Kino zu sehen, und auch im Internet ist JEANNE DIELMANN nicht zu finden. Aktuell zeigen einige Kinos den experimentellen feministischen Klassiker in Sondervorstellungen (Ausschau halten!) Am 19.2. ist Film in der Sonntagsreihe „Zu lang für einen Kaffee“ im Acud Kino zu sehen. Die ganze Liste findet ihr hier: bfi.org.uk/sight-and-sound/greatest-films-all-time
Die Cronenberg-Retro geht weiter mit Filmen aus den späten achtziger und den neunziger Jahren. DEAD RINGERS (35mm, OV) war einer von Cronenbergs größten Erfolgen. Jeremy Irons spielt eine Doppelrolle als ein Gynäkologen-Zwillingspaar mit einem besonderen Interesse an Mutationen an weiblichen Geschlechtsorganen. Das Motiv einer fetischistischen Leidenschaft für das Körperinnere taucht aktuell in Cronenbergs CRIMES OF THE FUTURE wieder auf. M. BUTTERFLY (35mm, OmU), Cronenbergs Adaption der Puccini-Oper, gibt der Story einen Gender-Twist und versetzt die Handlung in die Zeit kurz vor der Kulturrevolution. Die Adaption von J.G. Ballards Roman CRASH (35mm, Original mit polnischen UT) ist bis dahin der kälteste Film Cronenbergs. Alles ist glatte, modernistische Oberfläche und steriler Sex, bis eine Gruppe, die sexuellen Genuss an der Reinszenierung berühmter Autounfälle hat, die Beziehungen neu aufmischt. Rosanna Arquettes Nebenrolle als Crash-Fetischistin, die ihre Körperbeschädigungen wie Trophäen präsentiert, ist legendär. A HISTORY OF VIOLENCE erzählt eine düstere Noir-Geschichte über einen Kleinstadt-Familienvater (Viggo Mortensen), der sich als kompetenter Killer erweist. Nach der gleichnamigen Graphic Novel von John Wagner und Vince Locke. filmrausch.de
Dead RIngers
Ehe im Schatten
EVA LICHTSPIELE DEr ALTE DEUTSCHE FILm ACUD KINO ASYL FÜr JULIAN ASSANGE
Peter Pewas war Regieassistent bei Helmut Käutner und Wolfgang Liebeneiner. Seine Geschichte DER VERZAUBERTE TAG (1943, 1.2.) um eine selbstbewusste, romantische junge Frau, die in einem Zeitungskiosk arbeitet und sich in einen eleganten Fremden verliebt, wurde von der Reichskulturkammer verboten. Der frühe DEFA-Film EHE IM SCHATTEN (1947, 22.2.) von Kurt Maetzig entstand nach dem realen Vorbild der jüdischen Schauspielerin Meta Wolff und ihres Ehemanns Joachim Gottschalk. Nach Jahren des Nazi-Terrors nahmen sich Wolff und Gottschalk zusammen mit ihrem achtjährigen Sohn Michael am 7.11.1941 das Leben. Joseph Goebbels verbot jeglichen Nachruf. Die Teilnahme an der Beerdigung wurde verboten, die Teilnehmer von der Gestapo fotografiert. Trotzdem gaben einige Kollegen das letzte Geleit, unter ihnen Brigitte Horney, Gustav Knuth, Hans Brausewetter, Werner Hinz, Wolfgang Liebeneiner und Ruth Hellberg. Außerdem: LIEBESPREMIERE (1943, 4.1.), DER GASMANN (1940/41, 11.1.), GABRIELE DAMRBONE (1943, 18.1.), CUBA CUBANA (1952, 25.1.), DER WEISSE TRAUM (1943, 8.2.). „Aufgrund schwerwiegender Verstöße gegen grundlegende Freiheitsrechte der Europäischen Menschenrechtskonvention (…) fordern (wir) die sofortige Freilassung von Julian Assange“, erklärte das „Team Baerbock“ am 14.9.2021. Nach der Ernennung Baerbocks zur Außenministerin ließ sie das Auswärtige Amt von dieser Position abrücken und verkünden: „Die Bundesregierung hat keinen Anlass, an der Rechtstaatlichkeit, des Verfahrens und des Vorgehens der britischen Justiz zu zweifeln.“ Wegen der Veröffentlichung der von der Whistleblowerin Chelsea Manning an Wikileaks übergebenen Materialien und den „Vault 7“-Leaks über Spionage-Malware der CIA droht dem Wikileaks-Gründer im Fall seiner Auslieferung eine Anklage wegen Spionage. Das Acud Kino zeigt zwei Filme über den Fall. DER FALL ASSANGE: EINE CHRONIK (Clara Lopez Rubio/Juan Pancorbo, 2021) schildert die Geschichte bis 2021, als die Auslieferung Assanges noch nicht beschlossen war. ITHAKA (Ben Lawrence, 2021) konzentriert sich auf die Bemühungen, Assange aus dem Gefängnis zu holen und vor der Auslieferung zu bewahren.
BrOTFABrIK KINO ÜBErBLENDUNG – VErGESSENE BILDEr VON OST UND WEST
ACUD, CITY KINO, INDIEKINOHIGHLIGHTS INTImES, SPUTNIK BrITISH SHOrTS FILm FESTIVAL
Kuratiert u.a. von Jan Gympel, der sonst jeden Monat die „Berlin-Film-Rarität“ ausgräbt, zeigt das Brotfabrik Kino eine sehr umfangreiche Retrospektive, die den (Zerr)Bildern nachgeht, die der Osten vom Westen und der Westen vom Osten zeichneten. Die Filmreihe zeichnet den Wandel nach, den diese Bilder abhängig von den aktuellen politischen Positionen durchmachten. Zu den über 40 Produktionen gehören Seltenheiten wie die Fernsehproduktionen „Aus dem Alltag in der DDR“ und die Serie „Familie Bergmann“, die Anfang der 70er Jahre, zur Zeit der Entspannungspolitik, den Westdeutschen das Leben im ihnen fremdgewordenen Osten des Landes nahebringen sollten, oder der DEFA-Film „Was wäre, wenn ...?“, der 1960 durchspielte, was geschehen könnte, sollte ein DDR-Dorf plötzlich die Seite wechseln. Alle Filme werden mit einer Einführung gezeigt. brotfabrik-berlin.de 12.-29.
Flucht nach Berlin
Café Zelig
ACUD KINO ISrAEL DOK
Im Essayfilm DER RHEIN FLIESST INS MITTELMEER (2021) macht sich Offer Avnon Gedanken zu Israel und Deutschland. Tanja Cummings DAS ZELIG (2021) porträtiert das Café Zelig in München, einen Treffpunkt für Holocaust-Überlebende. JANUARY (2021) ist ein Spielfilm nach dem gleichnamigen Theaterstück des bulgarischen Autors Yordan Radichkov. Regisseur Paunov und Hauptdarsteller Samuel Finzi sind zu Gast. In FRITZ BAUERS ERBE (2021) geht es um die Prozesse gegen „kleinen Rädchen“ im Getriebe des Holocaust (s. S. 49). Das British Shorts Film Festival präsentiert vom 19.–25.1. rund 150 Kurzfilme aus Irland und Großbritannien. Die Retrospektive „Stranger Shorts - An Obscure Journey through British Film History“ beschäftigt sich mit einer nahezu vergessenen Seite der britischen Filmgeschichte: dem Vorfilm. Von den 1960er bis in die 1980er Jahre ermutigten die Eady-Levy-Tax und andere Förderprogramme Filmemacher*innen, sich auszutoben und Kurzfilme zu produzieren, die vor einem Hauptfilm im Kino gezeigt werden sollten - was manchmal zu exzentrischen Ergebnissen führte. Ein Sonderprogramm zeigt Kurzfilme von Regisseurinnen, die sich zum „Cinesisters – Female Directors Collective“ zusammengeschlossen haben. Außerdem beim British Shorts FF: Konzerte, Gespräche, eine Ausstellung und der „Dreaming the City“ Festival-Workshop. britishshorts.de 19.–25.1.
The Lake
Rambo
CITY, SPUTNIK, XENON, UNION BEST OF CINEmA
Die Reihe “Best of Cinema“ bringt „Meisterwerke, Klassiker und Kultfilme“ in restaurierter Fassung wieder ins Kino. Im Januar zeigt die Reihe RAMBO (OT: FIRST BLOOD). John Rambo wollte im Städtchen Hope eigentlich nur nett frühstücken, aber dem Sheriff Teasle gefällt sein abgerissenes Aussehen nicht. Der Konflikt eskaliert. Im Februar folgt Paul Verhoevens Erotikthriller BASIC INSTINCT, in dem Michael Douglas als Polizist der Mordverdächtigen Krimi-Schriftstellerin Catherine Tramell (Sharon Stone) näher kommt, als es geraten scheint. 3.1. & 7.2.
Der Dokumentarfilm TAMING THE GARDEN verfolgt, wie der „mächtigste Mann“ in Georgien, Bidsina Ivanishvili aus allen Teilen des Landes jahrhundertealte Bäume nach Norden schaffen lässt, um dort einen botanischen Park anzulegen. Der poetische Film wurde in Georgien als „zu politisch“ eingestuft und war kaum zu sehen. Zum anschließenden Filmgespräch ist Regisseurin Salomé Jashi zu Gast. In der ungewöhnlichen ZDF/DEFA-Auftragsproduktion LEUTE MIT LANDSCHAFT (1987–1988) porträtierte Andreas Vogt Menschen im Naturschutzgebiet von Elbe und Havel. Der Regisseur ist zu Gast.
17.1. TAMING THE GARDEN 6.2. LEUTE MIT LANDSCHAFT, jeweils um 18 Uhr
Taming the Garden
Legacy – Das Erbe der Menschheit
KINO Im PLANETArIUm HIGHLIGHTS JANUAr/FEBrUAr
In der Reihe „Late Night Cult Movies“ zeigt das Kino im Planetarium im Januar den aufwändig restaurierten Sci-Fi-Technicolor-Klassiker PHASE IV des legendären Designers Saul Bass: In einem Labor in der Wüste Arizonas untersuchen zwei Wissenschaftler die rätselhaften Verhaltensänderungen der dort lebenden Ameisen. Die Insekten haben nach einem kosmischen Ereignis eine kollektive Superintelligenz entwickelt und streben nun die Weltherrschaft an … Außerdem zeigt das Kino den Dokumentarfilm LEGACY – DAS ERBE DER MENSCHHEIT vom französischen Fotografen und Filmemacher Yann Arthus-Bertrand, der der Frage nachgeht, wie sehr der Mensch in seiner kurzen Existenz das Antlitz eines ganzen Planeten verändert hat. planetarium.berlin/kino Wie immer ergänzt das Bali-Kino das Filmfestival mit einer Auswahl an Berlinale-Highlights des letzten Jahres. In diesem Jahr laufen der Gewinnerfilm der Berlinale 2022 ALCARRÀS, in dem Regisseurin Carla Simón vom Leben auf einer Pfirsichplantage erzählt. Andreas Dresens RABIYE KURNAZ GEGEN GEORGE W. BUSH lebt vor allem von seiner charismatischen Hauptdarstellerin Meltem Kaptan, die auch den Bären für die beste Darstellerin erhielt. Mikhaël Hers PASSAGIERE DER NACHT mit Charlotte Gainsbourg erzählt von einer Mutter, deren Leben einen neuen Lauf nimmt.
23. & 25.2. RABIYE KURNAZ GEGEN GEORGE W. BUSH 26. & 27.2.
ALCARRÀS 28.2. & 1.3. PASSAGIERE DER NACHT, immer um 18 Uhr
Alcarràs
The Texas Chainsaw Massacre
z-INEmA GENrE INTErNATIONAL
Im brasilianischen MEDUSA (3.1.) geht es um eine weibliche Terrorgang, die einer christlichen Sekte angehört. Als Vorfilm läuft THE BECKONING FAIR ONE (Australien 2021). Der südafrikanische INDEMNITY (10.1.) von Travis Taute ist ein Genremix mit großem Budget, REMAKE, REMIX, RIP-OFF (17.1.) von Cem Kaya handelt von türkischen Remakes von Hollywood Blockbustern, in DER ZORN DER BESTIEN – JALLIKATTU von Lijo Jose Pellissery macht ein nordindisches Dorf Jagd auf einen Bullen, und der südafrikanische Post-Western FIVE FINGERS FOR MARSEILLE erzählt vom Verlust politischer Ideale. Im Februar gibt es dann Klassiker des Horrorfilms: THE TEXAS CHAINSAW MASSACRE (7.2.), DAS HAUS AN DER FRIEDHOFSMAUER (14.2.) und Teil 1 & 2 von Don Cosscarellis PHANTASM-Reihe (21.2, & 28.2.).
In der japanischen Filmreihe Otoko wa Tsurai yo („Es ist schwer, ein Mann zu sein”) kamen zwischen 1969 und 1995 ganze 49 Titel mit Kiyoshi Atsumi in der Rolle des „Tora-san“ heraus. Torasan ist ein liebenswürdiger Vagabund und Straßenhändler, der immer unglücklich verliebt ist. In Zusammenarbeit mit dem Japanischen Kulturinstitut zeigt der Filmrauschpalast zwei Filme vom Tora-san-Stammregisseur Yoji Yamada. Im Sommerfilm TORASAN GEHT IN DEN NORDEN (1987) spielt die japanische Filmlegende Toshirō Mifune einen griesgrämigen Tierarzt, dem Torasan hilft, wieder eine Beziehung zu seiner Tochter aufzubauen. Im Neujahrsfilm TORA-SAN, DER LIEBESBERATER (1982) hilft Torasan als Verkuppler einem schüchternen Zoologen. Der Eintritt ist
frei. 29.1. um 19 & 21 Uhr
Born in Evin
BUNDESPLATz-KINO PSYCHE & FILm
Im Januar zeigt das Kino Rüdiger Sünners HEILIGE SPIELE – EINE FILMWANDERUNG ZU JOHANN SEBASTIAN, in dem der Regisseur über einen Besuch der Lebensorte Johann Sebastian Bachs eine Annäherung an das Genie des Künstlers versucht. Rüdiger Sünner wird zur Vorführung anwesend sein. Im Februar läuft der Dokumentarfilm BORN IN EVIN von Maryam Zaree, die in dem iranischen Hochsichheitsgefängnis geboren wurde und sich in ihrem Film auf eine sehr persönliche Spurensuche macht. Bei beiden Vorstellungen wird es Einführungen und nach den Vorführungen Diskussionen geben. Die letzten Dok-Termine finden jeweils zweimal im fsk-Kino statt: In MEIN LEBEN NEIGT SICH GLEICH DEM MOND begleitet Valerie Bäuerlein sehr zurückhaltend die 24-jährige Nanako an, die „Hikomori“ betrieben hat, den völligen gesellschaftlichen Rückzug, und die nun versucht, ihrer Isolation wieder zu entkommen und Kontakt zu Menschen aufzunehmen. Seit 10 Jahren porträtiert Zhang Mengqi in ihrer 47 KM-Serie ihr Heimatdorf und seine Bewohner*innen, in SELF PORTRAIT: FAIRY TALE IN 47 KM werden sie und ihr Versuch, ein Haus im Ort zu bauen, selbst zum Objekt der Erzählung. ALL THAT BREATHES von Shaunak Sen folgt zwei Brüdern, die in Neu-Delhi verletzte Schwarzmilane retten und wieder aufpäppeln.
8. & 9.1. MEIN LEBEN NEIGT SICH GLEICH DEM MOND 28. & 29.1. FAIRY
TALE IN 47 KM 11. & 12.2. ALL THAT BREATHES, immer um 18 Uhr
All That Breathes
Stop Filming Us But Listen
CITY KINO WEDDING HUmAN rIGHTS FF PrESENTS
Das Human Rights Filmfestival zeigt monatlich einen Film aus dem Festivalprogramm. Im Januar läuft ERASMUS IN GAZA über den italienischen Medizinstudenten Ricardo, der mit Erasmus ein Jahr in Gaza verbringt. Im Februar gibt es STOP FILMING US BUT LISTEN von Bernadette Vivuya und Kagoma Ya Twahirwa, die das von einem niederländischen Filmteam in der Demokratischen Republik Kongo gedrehte Material neu geschnitten haben und mit Beteiligten eine Diskussion über europäische und kongolesische Perspektiven führen. Mit Filmgespräch.