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EIN STADTTEIL HÜBSCHT SICH AUF
Immer mehr an Attraktivität gewinnt Berg am Laim. Der Umbruch macht sich vor allem in dem Gürtel entlang der Bahnstrecken bemerkbar. Vor allem das Werksviertel im Osten des Stadtteils gibt die Impulse für den Wandel vor. Schon die Historie zeigt: Berg am Laim war immer bereit, sich neu zu erfinden, wenn es die Zeit erforderte.
Eigentlich ist Berg am Laim bereits seit der ersten urkundlichen Erwähnung im Jahr 812 im stetigen Auf- und Umbruch. Nur hat das Tempo im Lauf der Jahrhunderte rasant zugenommen. Warum die Gegend lange vor der Stadtgründung von München im frühen Mittelalter für Siedler so interessant war, liegt an der geografischen Lage. Der Wind hatte seit dem Ende der Eiszeit abgeschliffene Sedimente an die östlichen Hänge entlang der Isar verfrachtet. Es entstand eine 16 Kilometer lange Lehmzunge, die sich von Ramersdorf bis nach Ismaning erstreckt. Durch Verwitterung entstand in der oberen Schicht Lösslehm, der fruchtbar ist. Diese Böden eignen sich besonders gut für den Getreideanbau und das war für die dauerhafte Besiedlung ausschlaggebend. Gut, der germanische Urvater der Truderinger, Truchtaro, ackerte nebenan schon 300 Jahre früher. Hier waren es die Bajuwaren, die drei Siedlungen gründeten: „ad Perke“, „ad Pouminunchirihum“ und „Echartingin“.
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„ad Perke“ heißt übersetzt „beim Berg“, womit die Erhebung der Lehmzunge gemeint war. Wobei die Bezeichnung reichlich übertrieben ist, denn die Lehmschicht war nur etwa drei bis vier Meter dick. Im 15. Jahrhundert kam dann zu Berg noch die Ergänzung „auf dem Laimb“ hinzu. Die Bezeichnung hat aber nichts mit dem Klebstoff Leim zu tun, sondern bedeutet „Lehm“. Die ersten Höfe standen an der Ecke Josephsburgstraße zur Echardinger Straße. Nur ein Haus erinnert noch an die erste Besiedlung: Der Zeugnerhof, in dem
Der zweite Ortsteil, der 870 erstmals erwähnt wurde, war „ad Pouminunchirihum“, was so viel wie „aus Baumstämmen gebaute Kirche“ bedeutet. Baum und Kirche? Da klingelt wohl was. Richtig: Baumkirchen. Der Ortskern befand sich um die hölzerne Kirche St. Stephan an der Baumkirchner Straße. Die inzwischen steinerne Kirche mit der markanten Turmspitze war übrigens damals eine der ältesten urkundlich erwähnten Kirchen in der Münchner Region. Heute ist sie katholische Filialkirche der Pfarrkirche St. Michael. Baumkirchen wurde 1818 Teil der neuen Gemeinde Berg am Laim.
Der dritte Ortsteil tauchte dann im Jahre 1091 in den Schriftrollen auf. „Erhartingin“ wurde in dem Jahr von Kloster Tegernsee gekauft. Der Name bedeutet so viel wie „bei den Leuten des Erhart“. Der ehemalige Weiler Echarding hat in der Gegenwart keinen Ortskern. Lediglich die Echardinger Straße, das Wirtshaus Echardinger Einkehr und der Park Echardinger Grünstreifen. Bemerkenswert für die Entwicklung der Wohnflächen in München ist, dass die Stadt schon in den 1920er Jahren die Flächen in Echarding bis hinüber zur Ampfingstraße von den Erben des Unternehmers und Bankier Hugo von Maffei abkaufte, um dort Wohnungen zu bauen. Hier entstand dann die Großsiedlung Neuramersdorf. Auch die Echarding ging 1818 in der Gemeinde Berg am Laim auf. Alle drei Ortsteile wurden dann 1913 nach München eingemeindet.
Lehm bringt den wirtschaftlichen Aufschwung
Ab dem 14. Jahrhundert wurde mit dem Abbau der Lehmvorkommen begonnen. Die Stadt München benötigte Millionen von Ziegel. Zuerst nach dem großen Stadtbrand 1327, bei dem der komplette östliche Teil der Altstadt in Flammen aufging. Eine Folge der Katastrophe war, dass der Brandschutz verbessert wurde. Alle abgebrannten und neuen Häuser mussten nun mit Steinen oder Ziegeln gebaut werden.
„Ohne Lehm daat‘s München ned geb‘n“, war ein gängiges Sprichwort in der Stadt. Für die Erweiterung der Stadt und dem Bau des zweiten Mauerrings wurde viel Baumaterial benötigt. Mitte des 15. Jahrhunderts wurde auch der imposante Münchner Dom komplett mit roten Ziegeln errichtet. Der Lehm kam hier ebenso wie der für das Fundament des Maximilianeums aus Berg am Laim. Auch hier standen größere Projekte an, wie der Bau der Kirche St. Michael. Die adeligen Herren beschlossen, nicht nur Lehm zu fördern, sondern auch Ziegel hier selbst herzustellen. Im 17. und 18. Jahrhundert entstanden dann mehrere Ziegelstadel, wie einer heute noch in der Alten Ziegelei in Oberföhring zu sehen ist.
Die Ziegelei-Gastarbeiter kamen aus Norditalien
Ab den 1830er Jahren wurden dann Ziegel im großen Maßstab industriell gefertigt. Der Ringofen revolutionierte die Produktion. Er lieferte bessere Qualität und einen höheren Ausstoß, weil sie rund um die Uhr brannten. Dadurch wuchs der Bedarf an Arbeitskräften sprunghaft an. 1.000 Arbeitskräfte aus Norditalien, darunter viele Frauen und Kinder, schufteten in den Sommermonaten in den Ziegeleien, die sich entlang des heutigen Echardinger Grünstreifens aufreihten.
Die Grundbesitzer und Unternehmer wurden immer reicher, vor allem, weil die Technisierung großen Profit brachte. Auch die Abbauflächen wurden immer rarer und damit immer wertvoller. Einer davon war der Bürgermeister, Ein Beispiel dazu war der Großgrund- und Ziegeleibesitzer Matthias Grundler (1874 - 1932). Die von ihm erworbene prachtvolle Villa an der Berg-am-LaimStraße beim Tomannweg steht unter Denkmalschutz. Die Grundler-Villa sticht mit dem gepflegten Garten und dem schmucken Pavillon auf den ersten Blick aus der eher tristen Umgebung mit eintönigen Mietshäusern sofort heraus.
Die Lehmgründe waren dann 1910 vollständig ausgebeutet. Die Flächen wurden Bauerwartungsland und schafften den „Loambaronen“ (Loam bayrisch für Lehm) neue sprudelnde Geldquellen. Grundler gründete die Gartenstadt Trudering, in Ramersdorf bei der Hechtseestraße gibt es sogar ein Grundler-Viertel und die Siedlungen Waldperlach sowie Am Blütenanger in Freimann entstanden ebenfalls auf dem Grundbesitz des einstigen Ziegelproduzenten.
Die Backsteinziegel begegnen noch uns heute an vielen Stellen in Berg am Laim und erinnern an lehmige Zeit des Stadtviertels: Ein großer Ziegelkreis am Boden im Zentrum am Grünen Markt, Ziegelreliefs in der U-Bahnstation Kreil- lerstraße oder die Ziegelfassade im neuen Gewerbeensemble „Die Macherei“, wo sich einst eine Ziegelei befand. Auch der Mattoneplatz im neuen Quartier in Baumkirchen nimmt Bezug auf die Vergangenheit. „Mattone“ bedeutet Italienisch so viel wie Backstein und soll an die italienischen Gastarbeiter erinnern, die in den Ziegeleien arbeiteten.
Berg am Laim eine Kurkölnische Hofmark?
Doch zurück zu den Wittelsbachern, die weiterhin die Entwicklung des Ortes geprägt haben, und wie dieser in Kölner Hand geraten ist. Die Hofmark Berg am Laim gehörte damals dem Freisinger Fürstbischof Albrecht Sigismund von Bayern. Er ließ das kleine Schloss „Berg am Laimb“ erbauen. Als der Fürstbischof 1685 starb, vererbte er den Besitz seinem Bruder, dem Kölner Erzbischof Max Heinrich, der sie später wiederum seinem Neffen Joseph Clemens übertrug, der ebenfalls Erzbischof von Köln war. Dieser ließ eine neue Residenz errichten, die nach ihm „Josephsburg“, genannt wurde. Warum der Kölner Wittelsbacher so gerne in Bayern war, wird deutlich, wenn man weiß, dass seine kurkölnischen Residenzen im Erbfolgekrieg von den Franzosen zerstört worden waren. Die Josephsburg ist inzwischen in die Kategorie „Verschwundenes Schloss“ einzuordnen. Immerhin, eine Straße und eine U-Bahnstation erinnern uns noch daran.
Auf Joseph Clemens folgte als weiterer Kölner Erzbischof, Herzog Clemens August von Bayern. Dieser Sohn von Kurfürst Max Emanuel war ein Meister im
Sammeln von Titeln und führte ein Hofleben nach dem Vorbild des Sonnenkönigs Ludwig XIV. Sein Hofstaat bestand in der Spitze aus über 1.000 Personen. Ausschweifende Feste waren bei ihm an der Tagesordnung und mit dem Zölibat hielt es der Kirchenmann auch nicht so genau. Was sollte Clemens August nun mit seinem bayerischen Erbe im Osten von München anfangen? Nun, er ließ erst einmal das Schloss Berg am Laim als kurfürstliches Jagdschloss ausbauen. Dann stellte er fest, dass in der Achse gegenüber im Westen das Nymphenburger Schloss steht, das seinem Papa Max Emanuel gewidmet war. Da müsste ein architektonischer Gegenpool geschaffen werden, dachte er sich wohl.
Verstecktes RokokoJuwel St. Michael
Da sich inzwischen die Anhängerschaft der Michaelsbruderschaft vervielfacht hatte und die ihr gewidmete Kapelle in der Josephsburg zur klein war, musste ein neuer repräsentativer Kirchenbau her. Gemäß seinem Credo „Klotzen nicht kleckern“ verpflichtete er die besten Künstler seiner Zeit, um die Kirche St. Michael ab 1738 erschaffen zu lassen: Als Baumeister Johann Michael Fischer, François Cuvilliés der Ältere für die Fassade, Johann Baptist Zimmermann für die Deckenfresken und die Bildhauer Johann Baptist Straub und Ignaz Günther für die Schnitzarbeiten.
Die Ausrichtung der prächtigen Fassade mit dem Doppelturm nach Westen ist nicht zufällig. Beim geistlichen Gegenstück zum weltlichen Schloss Nymphenburg sollte vom Orleansplatz in München her eine Auffahrtsallee geschaffen werden. Sie wurde aber nie realisiert, weil die Bahnlinie München-Mühldorf das Vorhaben zunichtemachte. So versteckt sich die Front eines der bedeutends- ten Meisterwerke des Rokokos heute hinter einem Riegel von Bäumen.
Nachdem 1801 die Kölner Ära zu Ende war, wurde die Hofkirche zur Pfarrkirche. Die Kirche hat zwei Seitenflügel. 1840 erwarben die Barmherzigen Schwestern den Südflügel und richteten ein Altenheim für ihre Mitschwestern ein. Dazu kam im Nordflügel ein Kloster für Novizinnen des Ordens. Dahinter ist seit 2007 das moderne Mutterhaus und Altenheim der Barmherzigen Schwestern zu finden.
Die dunkle Vergangenheit von St. Michael
Auf dem Weg zur St. Michaelskirche kommt man an einer Gedenktafel vorbei, die an das ehemalige Internierungslager für Juden erinnert, dass in der NS-Zeit im Nordflügel des Klosters untergebracht war. Hier wurden von allen Personen eingewiesen, die aus