4 minute read

der unermüdliche Rekommandeur

Next Article
FEINSTE PRALINEN

FEINSTE PRALINEN

Auf lateinisch bedeutet „recommendare“ soviel wie: empfehlen, anpreisen, ausrufen; ergo – ein Wirt! Einer, der weiß - was er hat, der weiß - was er kann, der weiß - was du brauchst, bevor du es selbst weißt. Viele von dieser bayerischen Art gibt’s nimmer. Einer davon ist Sepp Krätz – der unermüdliche Rekommandeur zwischen Andechser am Dom, Waldwirtschaft, Wagyu-Zucht im Wittelsbacher Land und dem legendären Hippodrom. Krätz muss sich irgendwann geklont haben, denn mir scheint, er ist überall gleichzeitig. Er ist da, selbst wenn du ihn nicht siehst, du spürst ihn. Zucker und Salzstreuer stehen poliert in einer Reihe, das Personal ist auf Zack, die Brezn sind frisch und knackig, selbst das Weißwurstwasser hat die richtige Temperatur.

Egal, ob jetzt gleich der Ministerpräsident, ein prominenter Künstler oder ein einfacher Münchner Rentner als Gast kommt, das Krätz-Imperium ist immer Einsatz bereit. So etwas kannst nur bedingt lernen, so etwas hast du im Blut oder gar nicht! Da spricht man nicht mehr von Beruf, sondern von Berufung. Der Stadtschreiber traf sich mit dem „Berufenen“ für ein Interview im Andechser am Dom.

Advertisement

Nach Corona ist grad in der Gastronomie bei vielen kein Glas mehr auf dem anderen geblieben. Welche Lehren ziehst Du als Unternehmer und welche als Privatmensch - aus diesen schwierigen Zeiten?

Meine Lehre als Gastronom war – erst recht nach Corona, dass wir noch mehr Gastgebermentalität, noch mehr Engagement brauchen. Mein Leitmotiv galt ja von Anfang an: Es geht immer besser!… ich kann gar nicht anders. Und als Privatmensch hatte ich ja eine beson- dere Situation – durch meinen Bauernhof – da kam ich gar nicht zum Nachdenken. Wir waren durch Corona gerade unterbesetzt … und so musste ich halt selbst ran. Sieben Tage – jeden Morgen um sieben Uhr in den Stall – ich war ausgelastet und hatte meine Aufgabe. Da hast du gar keine Zeit zum Jammern oder Krankwerden und trüben Gedanken. Diese Ausnahmesituation war irgendwie sehr schön - am Land zu sein, endlich mal weg von den Massen, weg von der Stadt zu sein. Ich war wieder da, wo ich herkomme, wo meine Familie herkommt – bei der landwirtschaftlichen Arbeit – so hab‘ ich die Coronazeit überbrückt.

München kennt Dich als 24-Stunden-Powerman. Wie schauen bei Dir Auszeiten aus – gibt es die überhaupt? Ist vielleicht golfen mit Deinem Sohn Arthur so eine Regeneration?

Ich mag zwar das Golfen, aber komm‘ selten dazu. Entspannung finde ich auf meinem Bauernhof. Da ist meine Familie um mich, mein Hund um mich; zudem mag ich die Tierpflege sowieso… alles Umstände, die mich entspannen. Es gibt natürlich auch immer was zu reparieren und zu basteln, das gefällt auch meinen Buben sehr. Nur herumliegen könnte ich nicht, ich schau auch nie Fernsehen – ist ja eh immer was zu tun am Hof. Mein Sohn ist da nicht viel anders und kann schon einiges besser, dann kritisiert er mich schon mal, wenn ich nicht so schnell bin. Arthur ist, wie es ausschaut - „ICH“ mal zwei… er muss immer eins drauflegen.

120 Jahre Hippodrom! Ohne Familie Krätz würde es diese Institution mit größter Wahrscheinlichkeit nimmer geben. Am Frühlingsfest auf der Theresienwiesn erlebt das „Hippo“ ja eine große Renaissance. Obwohl Du seit 2014 kein Wies- nwirt mehr bist, träumen immer noch viele Gäste von einem Comeback… schwärmen förmlich von diesen goldenen Zeiten. Bleibt es ein Traum oder siehst Du eine Möglichkeit zurückzukehren?

Ich hatte ja lange Zeit zwei Zelte. Erst das Hippodrom auf der Wiesn (seit 1995)… und ab 2010 eine kleineres Zelt am Früh- lingsfest. Ausschlaggebend war 2009 ein Oktoberfestgastspiel in Berlin – eine Woche vorm Rathaus. Nach dem Erfolg sagten wir uns: Stellen wir das „kleine Hippodromzelt“ 2010 doch auf‘s Frühlingsfest in München – war doch naheliegend. Wenn ich heute zurückschaue, wie viele Besucher allein im letzten Jahr kamen, kann es nicht ganz falsch gewesen sein; das hat sich ziemlich gemausert! Beides, Frühlingsfest und Wiesn, könnte ich mir aber nicht mehr vorstellen… es ist sehr zeitintensiv, und ich bin auch nicht mehr der Jüngste. „Sollte“ sich auf der Wiesn wieder eine Tür öffnen, würde ich’s mir nochmal überle- gen.

Aber kein großes Zelt mehr, eher so ein kleines Cafèzelt – ein „edles Hippodrom“. Wenn sich wirklich wieder mal eine Tür öffnen sollte: Ich würd‘s mir überlegen!

Wenn der Sepp von Heute den Sepp vor 20 Jahren treffen würde, was würde er ihm raten? Welche Wertigkeiten haben sich bei Dir verändert?

Vor zwanzig Jahr` hatte ich noch mehr Leichtigkeit, hab‘ nicht nachgedacht – einfach gemacht. Die Leichtigkeit ist etwas verloren gegangen. Jetzt wo ich älter werde, werde ich immer mehr detailversessen – nicht mehr so unbeschwert. Ab einem gewissen Alter sagst du nicht mehr so leicht, wenn was nicht hinhaut: Jetzt mach‘ ich einen Neustart - wie vielleicht vor 20 Jahren. Auch wenn die Ansprüche an mich selbst, eher größer geworden sind. Aber wenn‘s, wie so oft, eine sieben-Tage-Woche gibt – Treppe rauf, Treppe runter - spürst abends die Hüfte und den Rücken. Dann muss auch ich mal zehn Tage aussetzen und sag‘ mir: Ruhiger, teil deine Kräfte ein. Denn gerade in meiner Branche gibt es viele Beispiele von Kollegen, die umfallen und nicht mehr aufstehen.

Wenn Sepp Krätz nach vorne blickt. Wie sieht er sich und sein Imperium in fünf Jahren, in zehn Jahren?

Ich bin ja Qualitätsfanatiker – des kannst gern schreiben! Meine Wagyu-Zucht zum Beispiel: Gerade schicken wir Lebendtiere und Embryonen nach Estland, es gibt Anfragen aus Portugal – alles sehr professionell gemacht. Da sind wir wieder bei der Qualität… Qualität und Tierwohl wird in Zukunft noch wichtiger. Ich sehe es auch als Glück, dass ich wieder zum Bauernhof zurückgefunden habe – da komme ich ja schließlich her. Aber ich habe auch Glück mit meinen Frauen - mit meiner Ehefrau und meinen beiden Töchtern. Meine Frau Tina ist ja bekanntlich federführend im Hip- podrom. Tochter Julia macht das Andechser am Dom, und Tochter Stefanie leitet mit ihren Mann die Waldwirtschaft. Naja, und ich bin die Feuerwehr, wenn es brennt – bin ich da. Alleine könnte ich es nicht machen, sie sind meine großen Stützen. So ist‘s auch in der Zukunft gut aufgeteilt - Hauptsache von der Familie ist immer wer präsent. Ich selbst fühle mich durchaus zufriedener, war ja nicht immer so. Du merkst ja, dass du nicht stärker wirst, dann wirst schon einsichtiger. Natürlich gibt es so extreme Typen, wie ich es bin, nicht mehr so viele. Mein Vater hatte früher immer Angst um mich, weil ich fortwährend mehr wollte… viel riskierte – finanziell, arbeitstechnisch. Dieselben Sorgen mach‘ ich mir heute um meinen Sohn, der sieht auch nicht ein, dass er früher schlafen gehen soll oder sich warm anziehen. Das hat sicherlich jede junge Generation so an sich, so soll es auch sein – einsichti- ger und ruhiger wirst du noch früh genug. Mein Credo war immer: Tradition ist wichtig, brich nicht mit ihr, aber auch die Tradition muss mit der Zeit gehen.

This article is from: