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Arbeiterbäckerei

Das einstige Bäckerjuwel der Alpen

Vor vier Jahren startete das Autoren-Duo mit Unterstützung des Innsbrucker Stadtarchivs einen Aufruf, um ausreichend Material für eine Geschichte der Ersten Tiroler Arbeiterbäckerei (ETAB) zu bekommen.

von Karl Eller und Michael Svehla

Die ETAB an der Haller Straße in den 1980er-Jahren – ein Bild, das vielen InnsbruckerInnen noch sehr vertraut ist.

Hauptgrundlage bildeten aber die zahlreichen Geschäftsunterlagen hauptsächlich aus der ersten

Hälfte des 20. Jahrhunderts, die Karl Eller noch aus der Fabrikruine retten konnte.

Für die Zeit ab den 1970er-Jahren waren es dann vor allem die zahlreichen Interviews, welche Michael Svehla mit ehemaligen MitarbeiterInnen führen konnte und die ein ganz persönliches Licht auf die ETAB und ihre Geschichte werfen.

Die Gründung

Als am 8. Oktober 1899 drei Innsbrucker Bäcker ihre eigene Bäckerei in einer kleinen Backstube in der Maximilianstraße gründeten, konnte noch niemand ahnen, dass daraus einmal die „größte Bäckerei der Alpenländer“ entstehen werde, die weit über die Grenzen der Stadt hinaus bekannt war und deren Erzeugnisse vom Arlberg über Bozen bis nach Kitzbühel geliefert wurden. Doch der Reihe nach: Schlechte Arbeitsbedingungen und niedrige Löhne waren der Anlass zur Gründung einer „Arbeiter“-Bäckerei, in welcher neben der Sicherstellung höherer Löhne sowie besserer hygienischer und arbeitszeitlicher Verhältnisse auch ein an Quantität und Qualität besseres Brot hergestellt werden sollte. Selbstredend war dies den selbstständigen Innsbrucker Bäckermeistern ein Dorn im Auge. Proteste und zahlreiche in Umlauf gebrachte falsche Gerüchte standen an der Tagesordnung. Zu diesen Schwierigkeiten gesellte sich einige Jahre später der unfreiwillige Auszug aus der Maximilianstraße, neue Räumlichkeiten wurden rasch in der Dreiheiligenstraße gefunden. Doch trotz dieser zahlreichen widrigen Umstände konnte die Arbeiterbäckerei bald erfolgreich Fuß fassen in der Innsbrucker Bäckerlandschaft und be-

Brotaufkleber der ETAB, um 1954.

reits 1906 ein neu erbautes und größeres Produktionsgebäude in der Pradler Straße 68 eröffnen.

Auf dem Weg zur Großbäckerei

Als auch dort die Produktion zu klein geworden war, traf man eine weitreichende Entscheidung. An der Haller Straße sollte die größte und modernste Großbäckerei des Alpenraumes entstehen, die eine eigene Teigwaren- und später auch noch eine Konditoreiabteilung umfassen sollte. Federführend an dieser Entwicklung zeichnete neben anderen weiteren bekannten Tiroler Sozialdemokraten wie Simon Abram, Josef Holzhammer und Martin Rapoldi vor allem eine Person – Johann Orszag, der seit 1916 als Geschäftsführer im Vorstand vertreten war. Jedoch sollte ihm keine glückliche Zukunft beschieden sein: Kurz nach dem Anschluss an Nazi-Deutschland wurde er denunziert und nahm sich, in Erwartung einer Verhaftung durch die Gestapo, im Mai 1938 das Leben. Damit war der Weg frei für eine Eingliederung der ETAB in die Stadtwerke Innsbruck. Erst vier Jahre nach Kriegsende konnte die ETAB aus diesem Konstrukt wieder herausgelöst werden, allerdings erlangte sie damit auch nicht mehr ihre wirtschaftliche Selbstständigkeit, die sie vor dem Krieg innehatte. Die GöC (Großeinkaufsgesellschaft österreichischer Consumvereine) übernahm alle Gesellschaftsanteile und traf somit letztlich sämtliche Entscheidungen. In den 1960er- und 1970er-Jahren sollte die ETAB noch einmal zu alter Stärke aufblühen, als sie Großkunden wie die Klinik und mehrere Kasernen belieferte und beispielsweise 1964 die erste Semmelstraße in Tirol in Betrieb setzte. Mit ihren zahlreichen Filialen war sie seit ihrer Gründung Vorreiterin eines Unternehmenskonzeptes, welches heute erfolgreich von anderen Tiroler Großbäckereien umgesetzt wird.

Viele Hände bereiten ein schnelles Ende – bei der Zeilenproduktion.

Der Niedergang

Als 1978 die Gründung des KONSUM ÖSTERREICH erfolgte, wurde die ETAB in diese Organisation mitübernommen und bildete gemeinsam mit anderen österreichischen Großbäckereien einen eigenen Produktionszweig. Zahlreiche Innovationen sowie eine Namensänderung in Ährenstolz Backwarenbetrieb wurden in den 1980er- und frühen 1990er-Jahren gesetzt. Als der KONSUM ÖSTERREICH schließlich 1994 in den Ausgleich schlitterte, wurde dabei auch die ETAB mitgerissen. Ein Fortführungskonzept durch die Wiener Traditionsbäckerei Ankerbrot misslang, am Ende blieb 1997 die Einstellung der Eigenproduktion und zwei Jahre später – zum 100. Geburtstag – die endgültige Schließung und Demontage des Gebäudes. Dieses verfiel zusehends und wurde durch Vandalenakte im Innenbereich gänzlich zerstört. 2005 erfolgte schließlich der Abbruch. Auf dem ehemaligen Gelände der ETAB befindet sich heute eine Filiale einer Lebensmittelkette.

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Veröffentlichungen des Innsbrucker Stadtarchivs, Neue Folge, Band 65 Innsbruck 2021

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