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Konzernmacht im Atomsektor
Drei internationale Perspektiven auf Rosatom
Rosatom – Kritiker*innen der Atomindustrie und ihrer internationalen großen Player war der russische staatliche Atomkonzern bereits vor dem Angriffskrieg gegen die Ukraine ein Begriff. Seit seiner Gründung 2007 umfasst der Staatskonzern alle entscheidenden Bereiche des zivilen wie des militärischen Atomkomplexes Russlands. Doch seine Aktivitäten sind bei Weitem nicht auf Russland beschränkt. Auch in Deutschland spielt der Konzern eine Rolle in der Atomwirtschaft. Seit 2009 ist die Rosatom-Tochter „Atomstroyexport“ Inhaberin der ehemals in Hanau, heute im benachbarten Alzenau ansässigen NUKEM Technologies und damit in Deutschland an Stilllegungen von Atomkraftwerken beteiligt. Mehr Aufmerksamkeit erlangte die Atomkooperation zwischen der französischen Framatome und Rosatom in der Brennelementefabrik im niedersächsischen Lingen (siehe S. 24f.). Doch die Aktivitäten des russischen Staatskonzerns gehen weit über diese Beispiele hinaus. Tatsächlich ist Rosatom zu einem der bedeutendsten international tätigen Player der Atomwirtschaft mit Unternehmen in allen Bereichen der nuklearen Kette geworden.
Im Rahmen des IPPNW-Weltkongresses kamen drei Umweltgerechtigkeits- und Menschenrechtsaktivist*innen aus Russland, Südafrika und Tansania ins Gespräch, die jeweils etwas über Rosatom zu sagen haben. Valdimir Slivyak hat sich als Umweltaktivist der russischen Umweltorganisation EcoDefense über viele Jahre hinweg und unter großen Risiken immer wieder gegen die russische Atomwirtschaft engagiert und dafür den Right Livelihood Award, auch als alternativer Nobelpreis bekannt, erhalten. Makoma Lekalakala ist Direktorin von Earthlife Africa und war neben vielen andern Aktivitäten besonders prominent gegen die russisch-südafrikanischen Atomgeschäfte aktiv. In Tansania, wo in Abhängigkeit von den Konjunkturerwartungen in der globalen Atomindustrie bereits seit den 1950er Jahren immer wieder Uranbergbau erwogen wurde, ist die Rosatom Tochter Uranium One seit 2011 Betreiberin des am weitesten fortgeschrittenen möglichen Uranbergbauvorhabens des ostafrikanischen Landes. Wilbert Mahundi engagiert sich seither gegen die Bergbaupläne der Rosatom-Tochter am „Mkuju River Uranium Project“ im Süden Tansanias. Gemeinsam mit Anthony Lyamunda, der kürzlich mit dem Nuclear Free Future Award in der Kategorie „Widerstand“ für sein Engagement ausgezeichnet wurde, wehrt er sich in einer Koalition aus Umweltgruppen und Einzelpersonen gegen den Einstieg Tansanias in den Uranbergbau.
Rosatom ist relativ empfindlich, wenn es um internationale Öffentlichkeit geht – wir können mit unseren Kampagnen also durchaus etwas erreichen.
(Vladimir Slivyak)
Vladimir Slivyak betont, dass es sich bei Rosatom nicht um einen Konzern handelt, der nach ökonomischen Spielregeln im engeren Sinne handeln würde: „Rosatom ist ein politisches, ein staatliches Instrument, eine Waffe würde ich sogar sagen, für das die politische Führung Russlands, Putin selbst, 2007 entschieden hat, dass es am besten als Wirtschaftskonzern auftritt. Das Ziel ist es, Einfluss auszuüben und Abhängigkeiten zu schaffen.“ Zum Komplex Rosatom gehören mehrere hundert Unternehmen. Langsam werden einige davon kritischer betrachtet. Schließlich kontrolliert Rosatom gegenwärtig das russisch besetzte AKW Saporischschja in der Ukraine und ist damit aktiv in den Krieg verwickelt. Slivyaks Engagement gegen den Atomkomplex in seiner Heimat begann aber schon in den 1990er Jahren, hält bis heute an und bleibt nicht auf Russland beschränkt. Rosatom ist schon seit mehreren Jahren auch auf dem afrikanischen Kontinent aktiv. „Die hiesige Zivilgesellschaft sollte darüber sehr alarmiert sein“, mahnt Slivyak auf dem IPPNW-Weltkongress im kenianischen Mombasa.
Dass zivilgesellschaftliche internationale Zusammenarbeit auch gegen einen Gegner wie Rosatom erfolgreich sein kann, hat Slivyak zum Beispiel gemeinsam mit Makoma Lekalakala aus Südafrika unter Beweis gestellt. Die langjährige Aktivistin und Direktorin von Earthlife Africa setzt sich seit 2014 gegen Atomkraft in Südafrika ein. Damals hatte EcoDefense sie und ihre Kolleg*innen auf ein Abkommen zwischen ihrer Regierung, dem südafrikanischen Energieversorger Eskom und Rosatom aufmerksam gemacht. Dem Abkommen nach sollte Rosatom acht bis zehn AKW im ganzen Land errichten. Die Atomkooperation sollte beispielhaft stehen für die Expansion des russischen Nuklearsektors in Afrika. Die auf der Webseite von Rosatom kurzzeitig sichtbaren Unterlagen wurden alsbald wieder entfernt. Zu spät, denn die Aktivist*innen hatten bereits Kopien angefertigt und eine Kampagne gegen die Pläne, die die südafrikanische Seite mit beispiellos hohen Kosten belastet hätten und ihr zudem die gesamten Verantwortung für etwaige Atomunfälle überließ, kam ins Rollen.
Jede Entscheidung für oder gegen eine bestimmte Form der Energiegewinnung hat Auswirkungen auf uns und unsere Umwelt. Wir brauchen und wollen keine Atomkraft! Wir brauchen eine dezentralisierte und demokratisierte Energieversorgung.
(Makoma Lekalakala)
Nicht nur die Probleme, die mit AKWs einhergehen, sind der südafrikanischen Aktivistin ein Begriff. Südafrika leidet auch unter den Folgen des Uranbergbaus. Für Wilbert Mahundi und Anthony Lyamunda sind diese Erfahrungen eine Bestätigung ihres langjährigen Kampfes gegen den Einstieg ihres Landes in den Uranbergbau. Auch in Tansania ist der russische Staatskonzern aktiv. Die Rosatom-Tochter Uranium One betreibt das „Mkuju River Uranium Project“ und ist damit zum wichtigsten Akteur des Landes in Sachen Uranbergbau geworden. Keine der anderen potentiellen Uranminen im Land ist so weit fortgeschritten wie dieses Projekt, das am Rande eines Natur- und Wildtierschutzreservats, des Selous Game Reserve, liegt und damit von außen kaum zugänglich ist.
Für uns ist es kaum möglich, herauszufinden, was vor Ort tatsächlich passiert. Wer in das Gebiet möchte, ist auf die Kooperation der Betreiberfirma und der Behörden angewiesen – von Transparenz kann keine Rede sein .
(Wilbert Mahundi)
Ursprünglich hatte Rosatom eine Bergbaugenehmigung für einen offenen Tagebau erhalten. Nun will das Unternehmen die Methode allerdings ändern und das sogenannte „In situ Leaching“ anwenden, bei dem zumeist mit großen Mengen Schwefelsäure gearbeitet wird. „Eigentlich wäre eine neue Umweltverträglichkeitsprüfung fällig. Schließlich sind die Risiken im Fall dieser neuen Methode völlig andere, insbesondere, was das Grundwasser und die angrenzenden Flüsse betrifft“, betont Mahundi. „Wir müssen verhindern, dass Rosatom mit diesem Vorhaben durchkommt. Mit Aufklärungskampgenen in Tansania und internationalem Druck, können wir das noch verhindern“, ergänzt Lyamunda. Erfahrungen erfolgreicher zivilgesellschaftlicher Kooperationen, auch gegen große Gegner wie Rosatom, machen Mut politische Möglichkeitsfenster zu nutzen. „Wir müssen so international sein wie die Industrie und die nukleare Kette selbst“, formuliert es eine Teilnehmerin des Weltkongresses.