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Wie sicher ist das AKW Beznau?

35 KM BIS ZÜRICH, 10 KM BIS ZUR DEUTSCHEN GRENZE: DAS AKW BEZNAU

Schweizer Landesregierung verhindert Schließung von Pannenmeiler

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Nach dem Urteil des Schweizer Bundesgerichts hätte das AKW Beznau schon 2012 vom Netz gehen müssen. Seit 2015 fordern Anwohner*innen im aargauischen Döttingen, das älteste AKWder Welt müsse endlich abgeschaltet werden.

Der Vorwurf: Das Atomkraftwerk würde einem sehr starken Erdbeben nicht standhalten, es könnte eine gefährliche Menge an Radioaktivität austreten. In seinem Urteil stellte das Schweizer Bundesgericht am 23. April 2021 fest: Das AKW Beznau hätte schon 2012 vom Netz genommen werden müssen, da es im Falle eines Erdbebens der Störfallkategorie 2 den entsprechenden Strahlendosiswert von einem Millisievert nicht eingehalten hätte.

Das ENSI, die Schweizer Atomaufsichtsbehörde, habe „seine ihm gesetzlich übertragene Aufgabe, als nukleare Aufsichtsbehörde darüber zu wachen, dass die nukleare Sicherheit bei den bestehenden Kernkraftwerken während der ganzen Laufzeit gewährleistet bleibt (…), ungenügend wahrgenommen und damit sein technisches Ermessen in bundesrechtswidriger Weise ausgeübt.“

Um einer gerichtlichen Schließung des ältesten AKWs der Welt in Beznau zuvorzukommen, hatte die Schweizer Landesregierung im Februar 2019 die vom ENSI angestrebten Änderungen der Strahlenschutzbestimmungen mittels Revision der Kernenergieverordnung ohne Rücksicht auf den geltenden Bevölkerungsschutz durchgeführt. Damit wurden die Grenzwerte im Strahlenschutz bei Atomunfällen erheblich verschlechtert und noch legitimiert. Einerseits ist nicht mehr das Risiko für die Bevölkerung entscheidend, sondern nur die Ursache der Freisetzung. Diese ist das einzige Kriterium zur gesetzlichen Außerbetriebnahme eines AKWs in der Schweiz. Das sind nach den neuen Regelungen Ausfälle in der Gewährleistung der Kernkühlung. Andererseits lässt die neue Verordnung zu, dass Ereignisse mit einer Häufigkeit von 1:10, also durchschnittlich alle zehn Jahre vorkommen können, zu einer Verstrahlung der Bevölkerung von 100 Millisievert und mehr führen dürfen, sofern sie nicht durch ein Versagen der Kernkühlung verursacht sind. Ansonsten gilt der Höchstwert von 100 Millisievert für Ereignisse, wie sie alle 10.000 Jahre vorkommen. (Quelle: Schweizerische Energiestiftung)

Eine Verstrahlung der Bevölkerung von 100 Millisievert entspricht einer Notfallexpositionssituation – diese kann die Bevölkerung langfristig – also für mehrere Jahrzehnte – treffen und ihr bisheriges Leben unmöglich machen. Wie die Unfälle von Tschernobyl und Fukushima zeigen, ist der Übergang von einer „Notfallexpositionssituation“ zu einer „bestehenden Expositionssituation“ einzig eine Definitionsfrage. Hier werden die Grundsätze des Strahlenschutzes (Rechtfertigung, Dosisbegrenzung, Optimierung) und des Vorsorgeprinzips missachtet. Bei einem Störfall wären die Konsequenzen europaweit dramatisch. Nach einem Super-GAU der Schweizer Atomreaktoren wären laut der Untersuchungsergebnisse des Genfer Biosphäreninstituts über hunderttausend Strahlenopfer in Europa zu erwarten – der größte Teil wahrscheinlich in einem der Nachbarländer. Die sozialen ökologischen und ökonomischen Folgen wären von keinem Staat zu bewältigen.

Nach neuesten epidemiologischen Studien werdem die Auswirkungen der Strahlung im Niedrigdosisbereich auch von der Internationalen Strahlenschutzkommission (ICRP) um den Faktor 10 bis über 100 unterschätzt – eine Überarbeitung der internationalen Schutzrichtlinien ist dringend erforderlich. Auch in der Schweiz wäre die Anerkennung wissenschaftlicher Erkenntnisse zu ionisierender Strahlung ein wichtiger Schritt – so Claudio Knüsli von der PSR/IPPNW Schweiz anlässlich des 35. Jahrestages von Tschernobyl.

Claudia Richthammer ist Mitglied des AK Atomenergie.

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