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Was passiert in Büchel?
Interview mit Dr. Brigitte Hornstein zum geplanten Umbau des Atomwaffenstützpunktes
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Was ist bekannt über die Pläne, Büchel als Atomwaffenstandort auszubauen und die Atombomber nach Nörvenich umzuziehen?
Ab Juni 2022 bis Februar 2026 sollen die Soldat*innen und Flugzeuge aus Büchel nach Nörvenich ausgelagert werden. Der Fliegerhorst soll parallel zum geplanten Kauf neuer Atombomber „modernisiert“ werden – das bedeutet nach einem Bericht der Rheinzeitung die Sanierung der Flugbetriebsflächen und -einrichtungen und den Neubau verschiedener Anlagen für insgesamt 259 Millionen Euro. Die Menschen in der Region Nörvenich müssen nach Angaben der Bundesregierung während dieser Zeit jährlich mit 18.000 militärischen Flugbewegungen rechnen. Was mit den Bomben in dieser Zeit passieren soll, unterliegt der Geheimhaltung – eine Anfrage von Linksparteiabgeordneten aus dem März 2021 diesbezüglich wurde von der Bundesregierung nicht beantwortet.
Was für Aktionen plant Ihr in Büchel?
Auch in diesem Sommer zeigen in Büchel verschiedene Gruppen Präsenz. Vor den IPPNW-/ICAN-Aktionstagen wird am 3. Juli der Kirchentag in Büchel sein, und im Anschluss wird eine Gruppe von internationale Aktivist*innen vor Ort protestieren. Unsere Planung für die IPPNW-/ ICAN-Aktionstage ist natürlich von der Coronasituation abhängig – wir hoffen, dass unser Protestcamp mit Workshops zu verschiedenen Inhalten wie letztes Jahr stattfinden kann. Wir wollen in Büchel am 7. Juli wieder den Geburtstag des Atomwaffenverbots feiern. Unser Ziel ist, die Basis der Proteste zu verbreitern, indem wir der Kultur mehr Raum geben und mit Kunststudierenden der Universität der Künste Berlin zusammenarbeiten. Wir wollen neue Wege finden, die Sinne anzusprechen, um unser politisches Thema zu transportieren. Am 10. Juli 2021 ist ein Workshop zur Kampagne „Sicherheit neu denken“ geplant, was ich persönlich sehr gut finde. Bei dieser Kampagne geht es nicht nur um Krieg und Frieden, sondern auch um gerechte Außenhandelsbeziehungen, zivile Konfliktbearbeitung und langfristig um die Vision eines Landes, das keine Bundeswehr mehr braucht. Die Schritte zu diesem Ziel werden relativ konkret dargestellt. „Sicherheit neu Denken“ beinhaltet einen positiven Ausblick, den die Teilnehmer*innen hoffentlich in ihren Alltag mitnehmen können.
Wie kann die Antiatomwaffenbewegung ihren Radius erweitern?
Wichtig ist für uns die Zusammenarbeit mit verschiedensten Kooperationspartner*innen. Ein Beispiel ist Prof. Karl Hans Bläsius von der FH Trier als langjähriger Experte aus dem Bereich Künstliche Intelligenz. Er hat sich für unsere Gerichtsprozesse als Atomwaffen-Sachverständiger zur Verfügung gestellt. Er versucht das Thema in verschiedene Kreise einzubringen, z.B. bei Musiker*innen, um breitere Teile der Bevölkerung anzusprechen. Gerade das Thema „Atomkrieg aus Versehen“ ist ein wichtiger Punkt, weil es über die humanistischen und als „emotional“ belächelten Argumente gegen einen Atomkrieg hinausgeht und die technische Entwicklung in den Blick nimmt, die mit harten Fakten daherkommt: Diese Entwicklung führt uns in eine erschreckende Zukunft, wo kaum noch Vorwarnzeit besteht, um einen vermeintlichen Angriff, der auch ein technisch ausgelöster Fehlangriff sein kann, zu prüfen und zu überlegen, ob man reagiert oder nicht. Die Waffensysteme sind auf Reaktion gepolt – der Mensch hat kaum noch die Möglichkeit, einzugreifen. Diesen Schwerpunkt in der Argumentation halte ich neben juristischen, humanistischen und medizinischen Ansätzen für besonders wichtig,
Du wurdest wegen der Teilnahme an einem „Go-in“ verurteilt – wie geht das Verfahren weiter?
Bei unserem Berufungsprozess in Koblenz wurde die Verurteilung zu 30 Tagessätzen u.a. wegen „Hausfriedensbruchs“ bestätigt – ich habe Revision dagegen eingelegt und bin optimistisch bezüglich des Ausgangs. Das neue Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum „Klimapaket“ rügt die Bundesregierung, weil die nicht zu Ende gedachten Maßnahmen in Zukunft eine Bürde für die jungen Menschen sein werden. Das Bundesverfassungsgericht betont eine Unumkehrbarkeit und die starken Einschränkungen der Freiheit und Gesundheit der kommenden Generationen, die notwendig sein werden, wenn jetzt nicht zukunftsweisend gehandelt wird: Genauso wäre es aber auch bei einem Atomkrieg. Auf diesen Sachverhalt hat mein Anwalt seine Argumentation ausgelegt. Wir sind zuversichtlich, dass diese Argumentation vor Gericht Erfolg haben kann.
„Statt der Atomwaffen wird der Versammlungsleiter angeklagt!“
Wegen zivilen Ungehorsams vor Gericht
Was sind für Dich zentrale Forderungen hinsichtlicher Bundestagswahl?
Ich persönlich wünsche mir eine Regierung, die die nukleare Teilhabe beendet und einen mutigen Schritt nach vorne geht. Als wichtiger europäischer Staat kann Deutschland ein Zeichen setzen, die Atombomben aus Deutschland abziehen lassen und die Regelungen aus dem Atomwaffenverbot umsetzen, also die Finanzierung, den Transport und logistische Unterstützung von Atomwaffen unterbinden. Deutschland kann medizinisch und finanziell einen Beitrag dazu leisten, die Opfer weltweiter Atomwaffenversuche zu entschädigen, die immer noch auf Wiedergutmachung warten. Ich erwarte von der neuen Bundesregierung auch einen Verzicht auf Auslandseinsätze und eine klare Ausrichtung auf zivile Konfliktlösung. Wichtig ist: Zivile Konfliktprävention muss weit im Vorfeld passieren – man darf nicht warten, bis nur noch die militärische Option möglich ist. Ein Beispiel ist für mich die Situation 2014 im Irak, als die Jesiden in Sindschar vom IS angegriffen wurden: Zu diesem Zeitpunkt kam natürlich jede Hilfe zu spät. Wenn man hier im Vorfeld anders gehandelt hätte, hätte es den IS überhaupt nicht gegeben – viele Entwicklungen, die zu dieser zugespitzten Situation führten, hätte man mit Weitblick und politischen Willen sicherlich anders handhaben und beeinflussen können.
Anmeldung zu den Aktionstagen von IPPNW und ICAN unter: https://buechel.nuclearban.de
Büchel, 2018: Im Rahmen der jährlich stattfindenden IPPNWWoche hatten wir eine tägliche Mahnwache auf dem Kreisel vor dem Haupttor des Fliegerhorstes Büchel ordnungsgemäß angemeldet. So auch am 18. Juni um sechs Uhr. An diesem Tag allerdings waren auch kreative Aktionen Zivilen Ungehorsams gegen die völkerrechtswidrige atomare Teilhabe Deutschlands angekündigt. Die angemeldete Mahnwache hatten wir gegen 7:30 Uhr beendet. Später setzte sich eine andere Gruppe von Demonstrant*innen für eine kurze Zeit vor das Haupttor. Ich als Leiter der schon beendeten Versammlung wurde später angeklagt, weil ich diese Blockade nicht verhindert hätte. Als Akt des Zivilen Ungehorsams hätte diese aber gar nicht angemeldet werden können. Das Amtsgericht Cochem hat mich 2019 zu 70 Tagessätzen verurteilt – mit der Begründung, ein Versammlungsleiter sei auch verantwortlich für das, was nach der Versammlung geschehe.
Offensichtlich soll hier ein abschreckendes Signal gesetzt werden, um Anmeldungen von Protestveranstaltungen zu erschweren. Ich habe mich vor Gericht nicht ausdrücklich von der Aktion am Tor distanziert, dafür aber klargestellt, dass Mahnwachen und ziviler Ungehorsam ganz verschiedene Aktionsformen sind, auch wenn sie inhaltlich das gleiche Ziel haben. Ich bin gegen dieses Fehlurteil in Berufung gegangen – mein Ziel ist, freigesprochen zu werden, damit hier kein Präzedenzfall entsteht. Mein Berufungsprozess ist von März auf den 1. Dezember 2021 verlegt worden – er findet um 14 Uhr im Landgericht Koblenz statt. Geplant ist an diesem Tag eine Mahnwache vor Ort. Möglichst viele sind aufgerufen, ein öffentliches Zeichen zu setzen. Aktionen des Zivilen Ungehorsams sind angesichts des drohenden Massenmordes durch Atomwaffen durchaus berechtigt, auch wenn sie nicht legal sind. Die unterschiedlichen Aktionsformen dürfen nicht in einen Topf geworfen und juristisch verfolgt werden. Ansonsten steht zu befürchten, dass in Zukunft vom Versammlungsgesetz gedeckte Proteste wegen drohender juristischer Verfolgung nicht mehr angemeldet und durchgeführt werden können. Bundesweit sehen wir derzeit Angriffe auf das Versammlungsrecht. So sieht etwa der Entwurf für das neue Versammlungsgesetz in Nordrhein-Westfalen vor, dass Versammlungsleiter*innen zukünftig belangt werden können, wenn Demos anders ablaufen, als sie vorher angemeldet waren.
Weitere Verfahren stehen noch aus. Für uns sind sie ein Mittel, um auch vor Gericht eine Klärung des Unrechts zu fordern, das hier in Büchel geschieht. Von der Büchel-17-Gruppe wurden, soviel ich weiß, mehrere Teilnehmer*innen zu Strafen von 30, manche sogar zu 60 Tagessätzen verurteilt. Auch hier wird es weitere Berufungsverfahren geben. Vier Verfassungsklagen gegen Atomwaffen wurden bis jetzt nicht angenommen. Bußgeldverfahren gegen IPPNW- und ICAN-Mitglieder aus dem Sommer 2018 hat das Amtsgericht Bonn inzwischen bis auf einen Fall eingestellt. Nur eine Person wurde verurteilt, hat aber bis jetzt nichts mehr vom Gericht gehört.