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EU-Taxonomie: Streit um die Atomenergie

Taxonomie: Streit um die Atomenergie

Der Konflikt um das Greenwashing fossiler Energien spitzt sich zu

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Stuft die EU-Taxonomie, das neue Regelwerk für „grüne Investitionen“ in Europa, die Atomenergie bald als nachhaltig ein?

Sie stellt ein umfassendes Regelwerk für nachhaltige grüne Investitionen dar: die EU-Taxonomie. In dem Regelwerk werden technische Kriterien festgelegt, die Unternehmen erfüllen müssen, um von der EU das Label „grüne Investition“ zu erhalten. Die Taxonomie soll Unternehmen und Finanzanlegern helfen zu beurteilen, ob ihre Investitionen tatsächlich nachhaltig sind. Sie sollen, so die für Finanzdienstleistungen, Finanzstabilität und die Kapitalmarktunion zuständige Kommissarin Mairead McGuinness einen Beitrag dazu leisten, „eine grundlegende Wende im Finanzwesen herbeizuführen.”

Bisher sind 13 Branchen in den Taxonomie-Richtlinien erfasst, die 80 Prozent der EU-Wirtschaft abdecken. Doch die Frage, ob auch Atomkraft und Gas als nachhaltig gelten, ist seit Jahren umstritten. Die Entscheidung über diese beide Energieerzeugungsformen wurde in den Herbst verschoben.

Ein Skandal ist, dass eine Expertengruppe vom Joint Research Center in Karlsruhe (JRC) Atomkraft als nachhaltig einstufte. Ihre Aussage lautet: Atomkraft schade der menschlichen Gesundheit oder der Umwelt nicht mehr als andere Stromerzeugungstechnologien, die bereits in der Taxonomie aufgeführt sind. Auch die Endlagerung des Atommülls in einem tiefengeologischen Endlager sei sicher. Die zuständige Abteilung des JRC, die für das Gutachten verantwortlich ist, wird unter anderem von der Europäischen Atomgemeinschaft EURATOM finanziert wird.

Zusätzlich wirken im Hintergrund mächtige Lobbyverbände der Atomenergie wie Foratom („The voice of the European nuclear industry“) und der Gasindustrie. Ein Ziel beider Lobbyverbände ist es, unter dem Label grüner Investition den mittels Atomkraft oder Gas erzeugten Wasserstoff als „grünen Wasserstoff“ zu deklarieren. Auch für Frankreich muss in Betracht gezogen werden, dass es wie Großbritannien und Russland europäische Atommacht ist. Diese drei Staaten haben ein besonderes Interesse an der Weiterführung von Atomenergie. Der Generaldirektor von Foratom, Yves Desbazaille, hat zuvor für EDF, den französischen Staats- und Atomkonzern gearbeitet.

Dass besonders Atommächte ein großes Interesse an der Fortsetzung des Betriebs von Atomkraftwerken in Europa haben, illustrierte erst jüngst das geplante Joint Venture von Framatome und dem Rosatom-Tochterkonzern TVEL. Beide Staatskonzerne wollen demnächst die Brennelementefabrik in Lingen gemeinsam weiter betreiben und gemeinsam den Weltmarkt beliefern, wenn in Europa zunehmend alternde AKWs vom Netz gehen. Die Aufweichung der Taxonomie-Regeln ist gefährlich. Gerade jetzt, nach dem neuen Urteil des BVG zum Klimaschutz braucht es klare Regeln auf europäischer Ebene für eine nachhaltige Wirtschaft und für konsequenten Klimaschutz. Atomenergie schadet der Gesundheit, sie ist nicht nachhaltig und sie bewirkt, dass die industrielle Basis für Atomwaffen in Europa aufrechterhalten werden kann.

Nun wollen sich verschiedene Antiatomgruppen in Deutschland für eine Kampagne zusammenschließen, denn die Bundesregierung spielt in der Frage, ob Atomkraft mit in die EU-Taxonomie aufgenommen wird, eine zentrale Rolle. Die Gefahr ist, dass Deutschland einen „schmutzigen Deal“ machen könnte. Ein Teil der Politiker*innen befürwortet auch die Aufnahme von fossilem Gas in die EU-Taxonomie. Deshalb fordert die IPPNW von der Bundesregierung, sowohl Atomkraft als auch fossiles Gas von der EU-Taxonomie auszunehmen.

Dr. Angelika Claußen ist Co-Vorsitzende der deutschen IPPNW.

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