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Bundestag gibt fast 20 Milliarden Euro für Rüstungsprojekte frei Strahlenmediziner Prof. Wolfgang Köhnlein ist gestorben Abschaltung gefordert: AKW Tihange vom Hochwasser bedroht
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Im Juni hat der Haushaltsausschuss des Bundestages die Mittel für 27 Rüstungsprojekte mit einem Gesamtvolumen von fast 20 Milliarden Euro bewilligt. Zu den Vorhaben, die das Verteidigungsministerium für die letzte Sitzung vor der Sommerpause vorgelegt hatte, gehören u.a. die weitere Entwicklung des „Zukünftigen Luftkampfsystems“ FCAS, Flugzeuge und Schiffe für die Marine sowoe die Nachrüstung des Schützenpanzers Puma. Damit kann das Verteidigungsministerium entsprechenden Verträge abschließen. Möglich wurde diese Entscheidung vor allem, weil das Bundeskabinett zuvor im Entwurf für den Verteidigungshaushalt der kommenden Jahre mehr Geld zugesagt hatte. Bei fünf Vorhaben, die beiden größten davon FCAS und Puma, legten die Abgeordneten mit so genannten Maßgabebeschlüssen Vorgaben für das Verteidigungsministerium fest.
Vier Forscher zur künstlichen Intelligenz der autonomen Kriegsführung hatten sich im Vorfeld der Entscheidung an die Parlamentarier*innen gewandt. Sie warnten vor den Risiken der autonomen Kriegsführung und appellierten an die Abgeordneten, gegen die weitere Finanzierung des Future Combat Air Systems zu stimmen. „Ein Großteil der weltweit vernetzten Forscher der KI lehnen autonome Waffen ab, wir wissen darin eine Mehrheit der Bevölkerung an unserer Seite“, heißt es in dem Brief. Auch die IPPNW hatte die Abgeordneten aufgefordert, die weitere Finanzierung von FCAS abzulehnen. Der Strahlenmediziner Prof. Dr. Wolfgang Köhnlein aus Münster ist im Juli 2021 im Alter von 89 Jahren verstorben. Köhnlein war für die IPPNW ein wichtiger Weggefährte in strahlenmedizinischen Fragen. Er hat dazu beigetragen, dass die IPPNW Expertise in strahlenmedizinischen Fragen entwickeln konnte und sich bis heute gegen die Verharmlosung von Strahlenschäden positioniert – gemeinsam mit Berater*innen wie Inge SchmitzFeuerhake, Sebastian Pflugbeil, Edmund Lengfelder und Roland Scholz. Er gehörte zu den wenigen Hochschulprofessoren, die sich schon früh gegen die Nutzung der Atomenergie und die öffentliche Verharmlosung von Strahlenschäden wandten. Der Unfall in dem Atomkraftwerk Three Mile Island 1979 in den USA wurde für ihn zu einem Schlüsselerlebnis. Der Super-GAU dort sowie die nachfolgenden offiziellen Vertuschungsaktionen der Strahlenfolgen trugen zu seiner Ablehnung der Atomkraftnutzung bei. Anhand von Daten der japanischen Hibakusha wies er zusammen mit dem Kernphysiker Rudi H. Nussbaum nach, dass im Bereich niedriger Strahlendosen ein überlinearer Wirkungsverlauf besteht: Die Wirkungen im Bereich niedriger Strahlendosen sind relativ höher als bei höheren Dosen. Köhnlein organisierte wissenschaftliche Kongresse und Fortbildungsveranstaltungen und hielt viele populärwissenschaftliche Vorträge. Dabei wurde er zu einer Leitfigur der wissenschaftlichen Strahlenschutzkritik in Deutschland. Nach dem Super-GAU von Tschernobyl unternahm er mehrere Reisen in die Sperrzone. Er war in zahlreichen internationalen Gremien aktiv. A ngesichts der Hochwasserlage im Sommer hat das Umweltinstitut München die sofortige Abschaltung des belgischen Pannen-AKWs Tihange gefordert. Der Meiler liegt unmittelbar am Ufer der Maas, durch deren Wasser er gekühlt wird.
Die Maas führte beizeiten ein Hochwasser bis zu 2.140 Kubikmeter pro Sekunde. Für den Hochwasserschutz des AKW wurde jedoch ein historisches Bemessungshochwasser aus dem Jahre 1926 mit 1.862 Kubikmeter pro Sekunde herangezogen und ein Sicherheitspuffer von 20 Prozent auf 2234 Kubikmeter pro Sekunde angesetzt. Mit dieser Auslegung ist die Anlage nur knapp an einer Überflutung des Geländes vorbeigeschrammt.
Bei einer Flutung eines AKW-Geländes sind unerwartete Ausfälle, insbesondere an elektrischen Einrichtungen, nicht auszuschließen. Zudem würde im Störfall der Zugang durch Rettungskräfte durch das Hochwasser stark behindert oder unmöglich. Unerwartet starke Hochwasser könnten so zu einem „zweiten Fukushima“ in Europa führen.
Durch die fortschreitende Klimakrise steigt das Risiko des Betriebs von Atomkraftwerken enorm an, insbesondere durch Extremwetter wie Hochwasser. Auch in Deutschland ist der Hochwasserschutz an vielen Atomkraftwerken unzureichend: Laut der Sicherheitsüberprüfung der Reaktorsicherheitskommission von 2011 haben lediglich die AKW Emsland und Isar-2 das Robustheitslevel 1 erreicht – alle übrigen Standorte hingegen nicht.
IPPNW und ICAN fordern Teilnahme an Staatenkonferenz Nuclear Games: Interaktives Onlineportal zur Nuklearen Kette Deutschland schickt Kriegsschiff in den Indopazifik
Anlässlich der Veröffentlichung des SPD-Wahlprogramms, das für eine Teilnahme Deutschlands an der Vertragsstaatenkonferenz des Atomwaffenverbotsvertrags plädiert, haben IPPNW und ICAN Außenminister Heiko Maas gebeten, sich an der Konferenz zu beteiligen. Diese soll vom 20.-22. März 2022 in Wien stattfinden. Heiko Maas als Außenminister könne die notwendigen Schritte umgehend einleiten: „Es braucht Diplomatie und Mut, um Vertrauen aufzubauen und nukleare Abrüstung voranzubringen“, erklärt IPPNWVorstandsmitglied Daniel Becker in einem Offenen Brief. Die Bundesrepublik könne so der Mehrheit der Staatengemeinschaft signalisieren, dass ihre Sicherheitsbedenken ernst genommen werden und wäre frühzeitig in die Ausgestaltung des Vertrages eingebunden.
Desweiteren könne Deutschland schon vor einem Beitritt zum Atomwaffenverbotsvertrag Artikel 6 und 7 des Vertrages anerkennen und die Leidtragenden der Herstellung und Testung von Atomwaffen unterstützen. „In Deutschland leben heute noch zahlreiche Opfer des sowjetischen Atomwaffenprogramms. Viele Tausend Bergarbeiter*innen der Wismut AG leiden an Krankheiten, die durch den Uranbergbau zwischen 1946 und 1990 verursacht wurden. Nur ein Teil von ihnen erhielt bisher eine Entschädigung“, so Becker. Opferhilfe und Umweltsanierung sind im Atomwaffenverbotsver-trag festgeschrieben.
Offener Brief unter www.ippnw.de/ commonFiles/pdfs/Atomwaffen/IPPNWBrief_Maas_Beobachterstatus.pdf
Die interaktive Homepage „Nuclear Games“ erzählt die globale Geschichte der Atomkraft anhand von fünf Geschichten aus fünf Kontinenten: Uranabbau, die Verbreitung von Atomwaffen, Atombombentests, katastrophale Unfälle sowie das Problem der Atommüll-Entsorgung – eine multimediale Internetseite mit Videos und Animationen. Die vom Schweizer Rundfunk koproduzierte Web-Dokumentation behandelt achte Jahrzehnte des nuklearen Zeitalters in interaktiven Manga-Stories.
Der Projektname «Nuclear Games» bezieht sich auf Japans Versuch, die Olympischen Spiele in Tokio zu missbrauchen, um die atomaren Gefahren der FukushimaKatastrophe zu verdrängen und in der Provinz Fukushima einen Teil der olympischen Wettbewerbe durchzuführen. «Eine reine Propaganda-Aktion und politische Instrumentalisierung der olympischen Idee», empört sich der Autor Daniel von Aarburg, der das Skript für die interaktiven Mangas verfasst hat.
Eine der Geschichten beschäftigt sich mit der Kubakrise, eine andere mit dem Atomtests im Bikini-Atoll sowie der atomaren Katastrophe von Tschernobyl. Initiator des Projekts ist Dr. Andreas Nidecker von der Schweizer IPPNW-Sektion. Eine Wissensbibliothek liefert umfangreiche Hintergrundinformationen zum Beispiel über die Opferzahlen durch globale Atomtests und die Bombardierungen in Japan, die Folgen der Kubkrise oder das globale Atomwaffenarsenal. Erstmals seit knapp 20 Jahren ist mit der Fregatte „Bayern“ ein deutsches Kriegsschiff in Richtung Indopazifik aufgebrochen. Laut Außenminister Heiko Maas soll es die Einhaltung des Völkerrechts sichern. Die Fregatte Bayern wird voraussichtlich auf zusätzliche Provokationen gegenüber China verzichten, wenn sie auf ihrer Rückfahrt aus Ostasien das Südchinesische Meer durchqueren wird. So soll sie weder die Taiwanstraße passieren noch gemeinsame Manöver mit Kriegsschiffen verbündeter Staaten abhalten. Auch ist nicht vorgesehen, dass die „Bayern“ in Zwölf-Meilen-Zonen rings um umstrittene Inseln eindringt. Etwa sieben Monate lang wird die Fregatte unterwegs sein. Laut Verteidigungsministerium handelt es sich dabei um eine „Präsenz- und Ausbildungsfahrt“, nicht um einen Einsatz.
Anhaltende Debatten begleiteten die Entsendung der Fregatte. So gab es beispielsweise Kritik, dass die „Bayern“ bislang keine speziellen Provokationen gegen China zusätzlich zur Durchquerung des Südchinesischen Meeres plane. Dass eine direkte „Konfrontation offensichtlich vermieden“ werde, moniert beispielsweise eine Mitarbeiterin des Mercator Institute for China Studies (MERICS). Die Volksrepublik fordert im Hinblick auf den von Deutschland erbetenen Hafenbesuch der Fregatte in Shanghai, die Bundesregierung müsse sich entscheiden, ob sie die Kooperation oder einen schwerwiegenden Konflikt mit China anstrebe.